Schlechte Nachrichten

Die Tage vergingen, und noch immer hatte der König Gondors keine Nachricht erhalten. Er ermahnte sich zur Geduld. Doch das fiel ihm schwer. Er ahnte, dass irgendetwas passieren würde.
Zwölf Jahre hatten sie Ruhe gehabt. Zwölf Jahre, um alles wieder aufzubauen, was zerstört wurde. Zwölf Jahre Frieden, aber auch zwölf Jahre harter Arbeit.

Er seufzte. Es war nicht leicht gewesen aus Gondor wieder ein vereintes Land zu machen, Minas Tirith wieder zu der Stadt zu machen, die sie einst gewesen war. Ohne Arwens Hilfe hätte er es wohl auch nicht geschafft. Sie hatte immer einen Ausweg oder eine Lösung gefunden. Er lächelte, als er an seine Frau dachte. Was wäre nur aus ihm geworden, wenn sie damals den Wünschen ihres Vaters entsprochen hätte, und in die unsterblichen Gefilde gesegelt wäre? Er wollte gar nicht darüber nachdenken. Er hatte sie und dazu noch die zwei liebsten Kinder von ganz Mittelerde. Seine Familie machte ihn vollkommen. Nur mit ihr konnte er dieses Land führen.

Schmunzelnd ging er hinaus und beobachtete seinen Sohn, der von Legolas gerade im Bogenschießen gelehrt wurde. Er war froh, dass er in diesem einen so guten Freund gefunden hatte. Sie kannten sich schon lange vor dem Ringkrieg. Sie hatten sich vor vielen Jahren in Bruchtal kennengelernt, wo Aragorn aufgewachsen war.
Legolas hatte ihm damals die Augen geöffnet, als er sich selbst über die Gefühle, die er für die Tochter seines "Ziehvaters" hegte, noch nicht im Klaren war. Tief hatte er ihm damals in die Augen gesehen und gesagt: "Ihr seid für einander bestimmt, mellon nîn." Es hatte sich bewahrheitet.

Immer war er ein treuer, loyaler Freund gewesen, der ihm in Friedens- und auch Kriegszeiten immer zur Seite gestanden hatte. Ohne zu zögern war er ihm überall hin gefolgt - sogar auf den Pfad der Toten. Sie wären ohne ihn unterwegs nach Mordor, damals während des Ringkrieges, einige Male verloren gewesen. Dank seiner elbischen Fähigkeiten, und des feinen Gespürs eines Kriegers hatte er die Gemeinschaft mehr als einmal vom Scheitern ihres Auftrages abgehalten. Nun war er froh, dass er ihm auch ein wenig helfen konnte. Und wenn es nur zuhören war.

Legolas hatte auch ihm von seinen Sorgen erzählt. Einerseits würde er unendlich traurig sein, wenn sein Freund gen Westen segeln würde, aber andererseits konnte er dessen Sehnsüchte auch verstehen. Er selbst war unter Elben aufgewachsen. Er kannte ihre Sprache, ihre Geschichten, ihre Sitten und ihre Träume. Er wusste um ihre Vergangenheit, und wie groß die Sehnsucht nach den unsterblichen Gefilden war. Sie war in jedem Elbenherz begraben. Doch irgendein Gefühl sagte ihm, dass es nicht dazu kommen würde das Legolas Mittelerde verließ, denn was ihm noch sehr Rätselhaft vorkam, war die Geschichte von der jungen Frau, die sie verletzt im Wald gefunden, und zu Elrond nach Bruchtal gebracht hatten. Legolas hatte nicht viel über sie erzählt, aber Aragorn hatte in dem Moment ein kleines Leuchten in den Augen des Freundes gesehen. Sein Gesicht hatte sich für einen kurzen Augenblick aufgehellt, und die Schatten in seinen Augen waren verschwunden. Auch Gimlis prüfender Blick auf den Elben war ihm nicht entgangen. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass diese Frau noch eine entscheidende Rolle in dem Leben seines Freundes spielen würde.

Er beobachtete Eldarion und Legolas. Sein Sohn machte sich schon ganz gut, bemerkte er stolz. Er hatte aber auch den besten Lehrmeister. Aragorn merkte, wie viel Freude es dem Elben machte sich mit dem Kind zu beschäftigen. Er liebte Kinder. Er wusste, das Legolas selbst gerne eine Familie hätte. Er konnte nur noch nicht einschätzen, welche Sehnsucht stärker war. Die, in die unsterblichen Lande zu segeln, oder die nach einer Familie. Es würde sich herausstellen - früher oder später.

"Mein Sohn, du machst große Fortschritte." lachte Aragorn.

"Ada, hast du gesehen, ich habe fast getroffen!" Das lachende Kind erweichte wieder einmal sein Herz.

"Ja, Eldarion, ich habe es gesehen. Ich bin sehr stolz auf dich. Eines Tages wirst du ein Meisterschütze sein." Stolz nahm er seinen Sohn in die Arme.

"Ich muss aufpassen, sonst schlägt er mich noch irgendwann!" sagte Legolas ernst zu Eldarion, zwinkerte jedoch Aragorn zu. Es tat gut seinen Freund so ausgelassen mit seinem Sohn zu sehen.

Aragorn blickte von Legolas auf seinen Sohn. "Erzähl deiner naneth (1) von deinen Erfolgen." sagte er, ließ ihn hinunter und gab ihm einen zärtlichen Klaps auf den Po.

"Ja, das werde ich. Aber morgen machen wir weiter, oder Onkel?" fragend schaute er Legolas an.

"Natürlich, neth maethor!" (2) lachte Legolas. Stolz ging Eldarion hinein. Legolas hatte ihn einen jungen Krieger genannt. Das musste er seiner Mutter erzählen!

Lächelnd gingen die beiden Männer ein paar Schritte bis zur Mauer.
"Weißt du eigentlich wie gut du es hast, mein Freund?" fragte Legolas und atmete tief die klare Luft ein.

"Ja, das weiß ich. Und ich danke Eru jeden Tag dafür, dass er mir solch eine Familie geschenkt hat." Prüfend blickte der König seinen Freund an. "Weißt du, mellon nîn," sagte er "ich frage mich, welche Sehnsucht in deinem Herzen größer ist."

Fragend sah Legolas Aragorn an. "Wie meinst du das?"

"Na ja, ist die Sehnsucht nach den unsterblichen Gefilden größer, oder die, eine Familie zu haben?" sprach er direkt aus.

Einen Momentlang überlegte Legolas. "Ich weiß es nicht, Aragorn. Bis vor kurzem war ich mir noch sehr sicher, dass ich nach Valinor reisen wollte. Aber jetzt... Ich habe schon lange nicht mehr an die grauen Anfurten gedacht."

"Es hat nicht zufällig dieses Mädchen etwas damit zu tun?" fragte Aragorn.

"Melima?" verdutzt blickte der Elb ihn an.

"Melima?" wiederholte Aragorn, und zog verwundert eine Augenbraue hoch. "Ich dachte, ihr Name sei Mel?"

Ertappt grinste Legolas. "Nun ja. Mel war mir zu kurz. Und außerdem entspricht sie diesem Namen." Eine leichte Röte bildete sich um seine Nase.

Prüfend sah Aragorn ihm in die Augen. "Kann es sein, dass du mehr für sie fühlst, als einfach nur die Verantwortung ihr gegenüber?"

Legolas zögerte einen Moment. Dann sah er seinem Freund in die Augen. "Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht, Aragorn. Sie ist ein Rätsel für mich. Ich weiß nichts über sie, aber ich kann es nicht erwarten, dass ich endlich alles über sie erfahre. Ich spüre, dass sie etwas ganz Besonderes ist. Sie ist wie keine Frau, der ich bis jetzt begegnet bin." Sein Blick wanderte in die Ferne. "Ich muss oft an sie denken und frage mich, wie es ihr wohl geht." Er zögerte einen Moment und fuhr dann leise fort: "Und ob sie vielleicht auch manchmal an mich denkt."

Der König lachte. "Dessen bin ich sicher, mellon nîn! Und ich glaube nicht, dass sie es tut, weil du ihr Leben gerettet hast."

"Das wäre schön." Er stockte und sein Lächeln verflog. "Aber sie hat diesen Namen im Schlaf geschrieen und ich glaube, dass dieser Mann wichtig für sie ist. Marc..." Zweifelnd blickte er auf. Dann fuhr er entschlossen weiter: "Außerdem habe ich im Moment andere Sorgen. Ich weiß immer noch nicht, was ich meinem Vater erzählen soll."

"Vielleicht ist sie aber auch der Schlüssel zu deinen Problemen, Legolas." Freundschaftlich klopfte er ihm auf die Schulter.

"Euer Majestät, die Männer... sie sind wieder da!" Eine Wache kam aufgeregt zu ihnen gelaufen. Legolas und Aragorn sahen sich an und rannten in den Palast.

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"Was habt ihr herausgefunden?" Noch im Reinkommen sprach der König die Frage aus.

Die drei Männer hatten besorgte Gesichter. Faramir ergriff das Wort: "Die Orks sammeln sich zweifellos, mein König. Es sind jetzt an die zehntausend am Fuße des Emyn Muil-Gebirges. Sie hatten Wachen aufgestellt und wir kamen nicht nahe genug heran ohne gesehen zu werden." Entschuldigend blickte Faramir auf seinen Freund.

Aragorn schüttelte den Kopf. "Ihr müsst euch nicht entschuldigen. Ich bin froh, dass ihr gesund wieder zurück seid." Er dachte einen Moment nach. "Zehntausend, sagst du? Das ist nicht gut."

"Konntet ihr einen Anführer ausmachen?" fragte Gimli, er soeben den Raum betrat.

Wieder schüttelten die Männer den Kopf. "Nein. Aber in der Mitte der ganzen Truppe war ein großes Zelt zu sehen. Es ist anzunehmen, dass der Anführer sich dort aufhält."

"Und Ihr wisst nicht, welche Richtung sie einschlagen werden?" fragte Legolas.

Da erhellte sich das Gesicht eines der Männer. "Nicht hundertprozentig, Herr, aber wir vermuten, dass es nach Norden gehen wird." sagte er.

"Nach Norden?" fassungslos sah der Elb den Menschen an. Nördlich von Emyn Muil lag Eryn Lasgalen. Besorgt blickte er Aragorn an. "Ich muss sofort zu ihm." sagte er entschlossen.

Aragorn nickte. "Ich werde dich begleiten."

"Und ich natürlich auch!" brummte Gimli.

"Man lû bedich?" (3) fragte Arwen, die gerade den Raum betrat.

"Morgen früh reiten wir los." sagte Aragorn bestimmt. Er sah seine Frau an, die ihm lächelnd zunickte. Sie wusste, dass sie ihren Mann ziehen lassen musste. In seiner Abwesenheit würde sie die königlichen Angelegenheiten übernehmen.

Legolas nickte Aragorn und Gimli dankbar an. Nun sollte er also doch früher als gedacht auf seinen Vater treffen. Aber die Umstände hatten sich geändert. Legolas spürte, dass Eryn Lasgalen in Gefahr war.

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Mel saß zu der Zeit im Garten und pflanzte ein paar wunderschöne Blumen ins Beet, die sie von einem Ausritt mitgebracht hatte. Sie hatte wunderschöne, hellgelbe Blüten und kleine, grüne Blätter.
Behutsam drückte sie die Erde um die Pflanze fest. Sie summte dabei ein fröhliches Lied, welches sie von den Elben gelernt hatte, als sie plötzlich und unerwartet ein dunkles Gefühl überkam. Es war wie ein Schatten, der sich in ihre Seele setzte, doch sie wusste nicht wieso.

Verwirrt stand sie auf und klopfte sich unbewusst die Erde vom Rock. Was war los? Was war das für ein Gefühl?
Besorgt ging sie zu Elrond. "Herr, ich weiß nicht was es ist, aber ich habe ein dunkles Gefühl."

Aufmerksam sah er sie an. Sie wirkte verstört. "Setz dich sell nîn , erzähl mir davon."

"Ich weiß nicht, was es bedeutet. Es ist, als wenn ein bedrohlicher Schatten sich meiner bemächtigt. Ich weiß nicht wieso, oder woher..." Sie stockte und blickte ihn erschrocken an. "Legolas!" flüsterte sie. "Es hat etwas mit Legolas zu tun. Da bin ich mir ganz sicher." Verzweifelt sah sie ihn an.

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(1) Mutter
(2) junger Krieger
(3) Wann geht ihr los?

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at 14 all and all 41: Vielen Dank für deine Reviews! freu Ja, Sindarin ist schon eine tolle Sprache, oder? Du hast mit deinen Vermutungen gar nicht so unrecht, aber Jahre wird es nicht dauern. Erst einmal müssen die beiden noch die eine oder andere Aufgabe bestehen... Freu mich über ein weiteres Review von dir. Liebe Grüße, sirixx