Dol Guldur
Noch
vor Sonnenaufgang ritten sie los. Legolas, Aragorn, Gimli und noch
fünf treue Anhänger des Königreiches.
Aragorn
hatte seinem Hauptmann Faramir Anweisungen zu geben, Rohan zu
informieren und ihnen so schnell wie möglich mit seinem Heer zu
folgen.
Sie ritten schnell, denn sie hatten keine Zeit zu
verlieren. Noch ahnten sie zwar nicht, was die Orks planten, aber
dass es nichts Gutes war, das wussten sie auch so.
Erst spät abends machten sie Rast. Sie versorgten als erstes die erschöpften Pferde mit Futter und frischem Wasser, welches sie aus einer Quelle holten, die nicht weit entfernt war. Dann erst bauten sie ihr Nachtlager auf und entzündeten ein Lagerfeuer.
Aragorn
verfluchte zwar die Umstände, die ihn zwangen sich von seiner
Familie zu trennen, doch genoss er es auch, mal wieder mit seinen
Freunden unterwegs zu sein.
Er hatte bereits am Abend zuvor seine
alte Waldläuferkleidung wieder aus der großen Eichentruhe
geholt, die er seit seiner Krönung nicht mehr getragen hatte.
Liebevoll hatte Arwen sie ausgebessert, als sie damals mit Eldarion
schwanger gewesen war. Sie hatte wohl gewusst, dass er sie irgendwann
noch einmal tragen würde.
Behutsam strich er über eine saubere Naht, die ihre geschickten Finger hinterlassen hatten. Dann umfasste er sein Schwert Andúril, die Flamme des Westens, welches damals aus den Bruchstücken Narsils neu geschmiedet worden war. Narsils Klinge war es gewesen, die damals den Einen Ring von Saurons Hand geschnitten hatte. Liebevoll berührte er die elbischen Schriftzeichen auf dem Blatt der Klinge. Nur selten hatte er es in den letzten zwölf Jahren tragen müssen, und wenn, dann nur bei feierlichen Anlässen.
Aragorn steckte das
Schwert wieder in die Scheide, und ging langsam zu Legolas, der
nachdenklich am Rande des Lagers in die Ferne blickte.
"Ich
weiß, dass du am liebsten durchreiten würdest, Legolas,
aber denk an dein Pferd. Und außerdem an die Menschen und den
Zwerg da drüben. Wir schaffen es noch rechtzeitig."
Beruhigend legte Aragorn seinem besorgten Freund eine Hand auf die
Schulter. "Vielleicht sind sie noch gar nicht aufgebrochen, und
wenn, eine zehntausend Mann starke Truppe ohne Pferde ist
langsam."
"Ja, du hast Recht. Es ist nur schwer hier zu sitzen und nichts tun zu können." seufzte Legolas.
"Ich weiß, mein Freund. Aber denk dran, meine Armee hat sich kurz nach uns auf dem Weg gemacht und Rohan müsste morgen Bescheid bekommen. Auch Éomer wird sich uns anschließen. Und dann werden wir Mittelerde für immer von diesem Gesindel befreien." Er sah seinen Freund an. "Renich i lû ah i maeth ioer?" (1) flüsterte er.
Legolas nickte. "Mae, govaethannem in edain. Gwann..." (2) Er zögerte und sein Blick verfinstere sich. "Das dachte ich zumindest." Er sah seinen Freund an. "Warum kann es keinen Frieden geben?"
Aragorn zuckte mit den Schultern "Ich weiß es nicht, mein Freund. Es scheint uns nicht vergönnt zu sein. Aber vielleicht wird das die letzte Schlacht in die wir ziehen müssen. Lass es uns hoffen, dass danach Eru endlich ein Einsehen mit uns haben wird."
Der Elb nickte. "Ja, das hoffe ich." Wieder streifte sein Blick hinaus in die Ferne. "Vielleicht ist es mir doch noch vergönnt, mit einer Familie irgendwo in Frieden zu leben." sagte er in Gedanken. Plötzlich wurde ihm bewusst, was er soeben gesagt hatte. Verwundert sah er seinem Freund in die Augen und lächelte. "Ich glaube, ich habe eine Entscheidung getroffen." sagte er erstaunt und erleichtert zugleich. Er lächelte. "Ich habe immer gesagt, dass ich nach Valinor ziehen werde, wenn Mittelerde mir nichts Neues mehr zeigen kann - jetzt ist da was Neues, und so muss ich wohl noch bleiben." Mit leuchtenden Augen sah er Aragorn an.
"Eine gute Entscheidung, mein Freund." Aragorn legte freundschaftlich seinen Arm um die Schultern Legolas.
"Eine sehr gute Entscheidung, Elb!" brummte Gimli. "Es wäre langweilig ohne dich hier in Mittelerde." Die drei Freunde sahen sich an und lachten.
°°°°°
Zehn Tage nach dem Aufbruch in Minas Tirith kamen sie an die Ränder Eryn Lasgalen. Nach dem Ringkrieg trieben sich dort keine unheimlichen Wesen mehr herum, wie zum Beispiel die Riesenspinnen, die damals, vor vielen Jahren den Hobbit Bilbo Beutlin von Beutelsend in Hobbingen, Frodos Onkel, und die Zwerge gefangen hatten. Sie wurden von den Beornigern, den Waldmenschen, den Elben, und mit ihnen Legolas Vater, gnadenlos verfolgt und gejagt. Nun war wieder Licht in den Wald eingekehrt. Licht und Leben.
Es war ein merkwürdiges
Gefühl für Legolas nach so vielen Jahren wieder hier zu
sein. Es hatte sich viel verändert. Er trug jetzt seinen Namen
zu Recht: Wald der grünen Blätter.
Legolas atmete tief
ein. Die Luft war klar und roch nach seiner Heimat. Er blickte über
sich. Durch die dichten Baumkronen glitzerte die Sonne. Vögel
zwitscherten in den Ästen, und seine scharfen Augen sahen ein
Reh mit ihrem Kitz durch das Unterholz streifen.
Er streckte den Arm aus und berührte einen der Bäume. Die Rinde fühlte sich gut an unter seiner Hand. Er seufzte ein wenig schwermütig. Viele Erinnerungen kamen in ihm hoch. Wie oft war er als junger Elb durch diese Gegenden gestreift. Der Wald hatte ihm viele Dinge beigebracht. Oft war er lautlos das Gehölz geschlichen und hatte von den Tieren gelernt. Viele Tierarten waren zu jener Zeit selten, oder es gab sie gar nicht. Außerdem waren sie damals sehr scheu, und so konnte er auch das Heranpirschen perfektionieren. Die dunklen Kreaturen Düsterwalds hatten die Vögel, Rehe und andere Tiere damals verjagt. Legolas war glücklich, als er sah, dass sie zurückgekehrt waren. Jetzt hatten sie nichts mehr zu befürchten - das hoffte er zumindest.
Sie ritten weiter. Legolas sah sich aufmerksam um und hielt seine scharfen Sinne wach. Immer horchte er auf Geräusche und richtete seine Augen aufs Unterholz. An manchen Stellen vernahm er mit seinem feinen Geruchssinn einen bestimmten Duft. Er kannte diesen Geruch ganz genau. Es war der Gestank, den Orks hinterließen. Besorgt legte er die Stirn in Falten. Ja, es war eindeutig. Orks waren wieder durch diesen Wald geschlichen!
°°°°°
Sie kamen in die Nähe von Dol Guldur. Hier war im dritten Zeitalter noch vor dem Ringkrieg ein Sitz Saurons und seines größten Dieners, dem Hexenkönig von Angmar, dem Herrn der Nazgul. Diese brachten damals die dunklen Kreaturen in den Wald, so dass dieser in Düsterwald umbenannt wurde.
"Wir sollten uns diesen Ort mal genauer ansehen." sagte Legolas nachdenklich.
Aragorn nickte. Er kannte das feine Gespür seines Freundes. "Ja. Auch ich denke, dass es dort nicht mit Rechten Dingen zugeht. Dieser Ort wird immer dunkel und trostlos bleiben."
Die drei Gefährten entschieden, dass sie sich der Festung nähern, und nach Verdächtigem Ausschau halten würden. Leise schlichen sie sich den Hügel hinauf und versteckten sich gekonnt hinter Bäumen und Büschen. Fünfhundert Meter von der Festung entfernt blieben sie stehen.
"Legolas, was sehen deine Elbenaugen?" fragte Gimli.
Legolas sah angestrengt auf die Gemäuer, die schon ziemlich verfallen waren. Nach dem Ringkrieg wurde die Festung abgerissen. Nur noch Trümmer waren von der Ruine über. Doch der Wald hatte sie noch nicht verschlungen. Zu lange hatte das Böse hier geweilt. Die Pflanzen, so schien es, wollten sich auf diesem verlorenen Boden nicht mehr ansiedeln.
Legolas Blick verdüsterte sich. "Nai affaeg reviar trîn fuin." (3) flüsterte er. "Orks! Sie scheinen Wache zu halten. Fünfzehn auf dem westlichen Flügel und noch mal dreizehn auf dem östlichen." Er sah seine Freunde an. "Die Feste wird gut bewacht, oder was meint ihr?" Sein Blick ging zurück auf die Überreste der Festung. "Außerdem sehe ich noch mindestens fünfzig andere Orks. Sie wirken beschäftigt. Da schleppen welche ein paar Baumstämme und andere sortieren Waffen. Ú-vaer (4) . Was planen diese Orks hier?" Seine Stimme war besorgt.
"Sie bereiten sich vor. Aber auf was?" überlegte Aragorn.
"Du hast Recht. Seit Celeborn und Galadriel nicht mehr in Lórien weilen, ist diese Gegend einsam geworden. Und das machen sich diese Kreaturen zu Nutze." flüsterte Legolas.
"Ich wüsste nur zu gerne, wer ihr Anführer ist." grummelte Gimli.
"Kommt, lass uns zurückgehen, bevor sie uns entdecken."
Leise
und geschickt schlichen sie wieder zu den anderen, die schon
warteten.
"Also, wer auch immer hier das Sagen hat, hat diese
ganzen Orks nach Dol Guldur geschickt. Ihre Truppen werden hier bald
ankommen." erklärte Aragorn.
"Die Wälder hier im Süden sind so gut wie verlassen. Erst in der Mitte des Waldes kommen die Waldmenschen und Beorniger. Auf dem Weg zu meinem Vater können wir sie fragen, ob sie etwas bemerkt haben."
"Das ist eine gute Idee, Legolas. Lasst uns weiterreiten." sagte Gimli und setzte sich schwerfällig auf sein kleines Pferd.
°°°°°
Sie hielten sich westlich des Waldes, um möglichst schnell voran zukommen. Doch irgendwann schlug Legolas, der die Führung übernommen hatte, östlich in den Wald ein. Es war ein schmaler Pfad, doch die Pferde konnten noch in einem relativ schnellen Tempo laufen.
Nach Stunden machte Legolas das
Zeichen zum Halt, saß ab und bedeutete sie hier auf ihn zu
warten. Leise verschwand er im Unterholz.
Eine ganze Weile später
kam er wieder. Gimli hatte sich schon angefangen Sorgen zu machen,
aber Aragorn hatte ihn beruhigt.
"Dies ist seine Heimat, Gimli. Er ist hier in diesen Wäldern groß geworden. Und früher gab es hier noch einige andere schlimme Wesen außer Orks." erklärte er. Aber Gimli, der sich in solch dichten Wäldern sowieso nicht wirklich wohlfühlte, brummte nur.
Legolas kam auf die beiden zu. "Legolas, was hast du herausgefunden?" fragte Aragorn.
"Wie wir es vermuteten. Ich habe einen alten Freund getroffen. Andrag ist sein Name. Die Beorniger haben hier in den letzten Monaten schon mehr Orks durch den Wald schleichen sehen. Ein paar haben sie getötet, doch einige konnten fliehen."
"Lass mich raten: sie flohen nach Süden, nach Dol Guldur." sagte Gimli.
Der Elb nickte ernst. "Du hast Recht Gimli. Dol Guldur scheint der neue Sitz des Bösen zu werden. Wieder einmal. Wie wir es bereits vermuteten."
"Dann sollten wir deinem Vater davon
berichten, Legolas. Sein Reich ist am meisten betroffen." sagte
Aragorn.
Legolas atmete tief durch und nickte. Elegant sprang er
auf sein Pferd und setzte sich erneut an die Spitze.
°°°°°
Elrond sah seine Schülerin aufmerksam an, während die in ein Buch über die ersten Elben Mittelerdes vertieft war. Sie hatte etwas gespürt vor ein paar Tagen, da war er sich ganz sicher. Doch so schnell es gekommen war, so schnell war es wieder vorbei gewesen. Sie konnte die Gefühle, die sie in dem Moment empfunden hatte nicht genau beschreiben, sie wusste nur, dass es irgendetwas mit Legolas zu tun hatte.
Kurz danach war sie wieder ganz ruhig geworden, und Elrond wusste, dass es seinen Freunden gut ging. Er hatte so etwas schon mal erlebt mit einer anderen Person, einem jungen Mann, vor noch nicht all zu langer Zeit. So eine Art siebter Sinn, eine Begabung für Ahnungen. Doch er hatte den Mann nicht allzu gut kennenlernen können. Der Ringkrieg kam ihnen dazwischen. Und genau das war es gewesen, was dieser Mann vorhergesagt hatte...
Elrond stand in der Tür und beobachtete Mel. Sie hatte
ihn nicht bemerkt. Sie saß in einem Korbsessel und hatte die
Beine angezogen. Kleine Zöpfe waren in ihre Haare geflochten.
Das lange, weinrote Kleid hing bis auf den Boden.
In Gedanken
versunken spielte sie mit einer Haarsträhne zwischen ihren
Fingern. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen.
Die Elben waren ja schon sehr empfindsam für Ahnungen, Stimmungen und Gefühle, aber er glaubte, dieses Mädchen war es noch viel mehr. Es steckte wohl noch einiges mehr in ihr, als alle gedacht hatten. Er müsste nur versuchen, diese Begabung mit ihr zu trainieren. Sie fördern. Sie ans Licht bringen. Doch wie stellte man es am Besten an?
Elrond glaubte nicht, dass sie sich das
alles nur eingebildet hatte. Er hatte in ihren Augen gelesen und dort
nichts weiter gesehen als Verwirrung. Diese Gefühle, die sie
gehabt hatte, waren neu für sie.
Nachdenklich strich er sich
über das glatte Kinn. Er hoffte, er würde in der Nähe
sein, wenn sie erneut eine Ahnung hatte. Vielleicht könnte sie
mit seiner Hilfe diese Visionen und Gefühle deuten. Vielleicht
würde es ihm dann auch erklären, warum diese Vision von ihr
auch ihm ein ungutes Gefühl brachte.
°°°°°
(1)
Erinnerst du dich an die alte Zeit und die vergangenen Kämpfe?
(2)
Ja, wir kämpften zusammen mit den Menschen. Es ist vorbei...
(3)
Sehr schlimme Dinge wandern durch die Nacht.
(4) Das ist nicht gut
°°°°°
at 14: danke für dein liebes rev! freu aber was den kitschfaktor angeht... er wird sich noch ziemlich steigern... aber das dauert noch. noch kannst du also ganz getrost lesen, ohne bleibende schäden davonzutragen grins wenn es soweit ist, werde ich dich warnen!
liebe grüße, deine sirixx
