"... Gleichgewicht der Welt..." (Untertitel: "Ainu corma")

- Einleitung -

1 Buch Beginn und Lehrzeit

Kapitel 1.

michi mirai – unbekannte Zukunft

Es war ein wunderbar warmer Sommertag. Ein wolkenloser, tiefblauer Himmel erstreckte sich über die ganze Stadt und die Köpfe der Menschen, die durch sie hindurchhasteten. Lau wehte eine kühle Briese um die Häuser und hinterließen bei allen, die es traf, ein angenehmes prickeln auf der Haut. In den Bäumen rauschte der Wind hindurch und wenn man still stehen blieb, konnte man es sogar hören, wenn nicht gerade ein eiliges Auto vorbeirauschte.

Die Sonnenstrahlen durchfluteten die Stadt und hinterließen an den Häusern lange Schatten, die sich über den schmalen Fußweg bis hinauf zur Straße erstreckten.

Wenn man nun über den Fußweg lief, wechselte es immer wieder von kühlem Schatten zu den warmen Sonnenstrahlen, wenn gerade kein Haus diese abhielt.

Doch die meisten Leute hatten kein Auge für die Schönheit des Sommers, die alles in ein buntes Licht eintauchen ließ, keine Zeit den Bäumen zu lauschen, kein Gespür für die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut. Sie hasteten vorbei, kaum das sie aufblickten, kaum dass sie ein nettes Wort übrig hätten. Keine Zeit, keine Zeit, keine Zeit!

Deshalb verstanden sie auch nicht, was dieses Mädchen dort tat. Es war einfach stehen geblieben, hatte den Kopf gen Himmel erhoben und ließ die Sonnenstrahlen ihre Nase kitzeln. Kopfschüttelnd rasten die Menschen ohne Zeit an ihr vorbei, ließen sie stehen, rempelten sie auch manchmal an, brummten dann entweder eine nicht mal ernst gemeinte Entschuldigung hervor, sagten gar nichts oder wurden sogar unfreundlich.

Doch dieses Mädchen ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern glitt nun mit ihren Blick an den Bäumen zur Straßenseite empor, vorbei an den stinkenden Autos, die sie nicht weiter beachtete und betrachtete sich das Spiel der Blätter im Wind und horchte der sehr leisen Stimme des Baumes.

Ein lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als sie den Vogel hoch oben in den Wipfeln bemerkte, der nun sein Liedchen begann zu trällern. Zufrieden seufzte Feli, schulterte ihren Rucksack und lenkte langsam ihren Blick wieder herab auf das trostlose Steinpflaster des Fußweges. Schade nur, dass niemand mehr den Stimmen der Natur lauscht! dachte sie nun bedauernd und setzte langsam ihren Heimweg fort.

Heute in der Schule war es ihr sehr schwer gefallen überhaupt eine einzige Sekunde ruhig auf ihrem Platz zu sitzen und der Stimme des Lehrers zu lauschen. Sie hatte während des ganzen Tages wohl dreimal mehr nach draußen auf den Schulhof geschaut und das satte grün der Bäume betrachtet, als die hässlich-grüne Tafel da vorne an der Wand. Auch war sie dafür ermahnt worden, denn Lehreraugen lassen sich nicht täuschen. Feli hatte nur unbeeindruckt der Predigt des Lehrers gelauscht und dabei im Stillen gedacht, dass der Tag doch viel zu schön sei, um ihn in einem stickigen Klassenraum verbringen zu müssen.

Doch jetzt war die Schule aus und sie konnte sich endlich den restlichen Tag so schön machen wie es nur irgend ging. Und genau das tat sie in dem sie den Sommer in allen Zügen genoss. Ein leises Seufzen entglitt ihr, als sie daran dachte, dass diese bald herannahenden Sommerferien ihre letzten sein würden, denn danach würde nichts mehr so sein wie es einmal war…

Alles ändert sich im Leben! dachte Feli bedauernd und noch wusste oder ahnte sie nicht, wie Recht sie damit hatte…

Jetzt jedoch bog sie erstmal ab, Richtung Fußgängerzone, in der es um die Nachmittagszeit immer sehr voll und sehr hektisch zuging. Von überall her kamen Leute, hasteten in die Geschäfte, hasteten aus den Geschäften ohne sich nach links oder rechts umzusehen beladen mit endlosen Paketen, Umhängetaschen und Plastiktüten, in denen die vielen Einkäufe verstaut worden waren.

Lautes rufen und Geschrei rings herum ließ Feli zurückweichen und beiseite treten. Ganz anders als vorhin, konnte sie hier nicht einfach an einem der zahlreichen Bäume, die die Fußgängerzone säumten, stehen bleiben. Hier war das Gedrängel so groß, dass sie kaum Luft zum atmen bekam, geschweige denn ihren eigenen Gedanken noch lauschen konnte. So tat sie nun das, was sie meistens immer tat, wenn sie durch diese elende Fußgängerzone hindurch musste, sie griff herum, löste den Rucksack von ihren Schultern, zog ihn zu sich nach vorne und holte ihren Disk-Men hervor. Noch im gehen kramte sie die beiden Ohrstöpsel hervor und platzierte sie dort, wo sie im Moment gebraucht wurden. Dann stellte sie den Disk-Men auf ihr Lieblingslied ein, schulterte ihren Rucksack erneut und ging gemächlich ihres Weges, ohne noch etwas von dem Geschrei, der hektischen Zurufe oder dem ständigen Fußgetrappel über den Pflasterweg etwas mitzubekommen.

Erleichtert atmete Feli nun ein und aus während sie zu den klängen ihres Liedes leise den Wind spürte wie er durch ihre langen schwarzen Haare glitt und sie dabei immer wieder gegen ihre Wangen streichen ließ.

Die Sonnenstrahlen prickelten wieder auf der Haut und ließen sie sogar die anstehenden Hausaufgaben vergessen und das lernen für die Arbeit am nächsten Tag. Nichts sehnlicher wünschte sie sich in diesem Augenblick, als über ein weites Feld wandern zu können, nur die Sonne im Rücken, einem kleinen Pfad zu ihren Füßen, der sie gemächlich zu einem kleinen klaren, kalten Bach führen würde wo sie ihre müden Beine hineintauchen lassen konnte.

Hier in der Stadt gab es so was jedoch nicht, so musste Feli sich mit dem Gedanken und dem Wunsch danach abfinden. Fast konnte sie schon spüren wie der kalte Fluss ihre kleinen Zehen umspülte und alle ihre Sorgen mit sich tragen würde… weit weg, wo sie niemand mehr wieder finden würde, am allerwenigsten sie selbst…

Langsam wurde es ruhiger, Feli war im begriff die große Einkaufspassage hinter sich zu lassen und endlich in die ruhigeren Viertel einzutauchen. Schattenreicher, keine Frage, dafür aber auch viel Ruhiger und im Moment wünschte sich Feli nichts sehnlicher als Ruhe. Schließlich bog Feli nach Rechts in eine kleine Nebengasse ein. Die kleine Nebengasse durch die sie jeden Morgen und jeden Mittag hindurchwanderte. Sie würde bald zuhause sein, wo ihre Mutter und ihr kleiner Bruder mit dem Essen auf sie warten würden. Langsam verspürte Feli doch ein bisschen Hunger und sie machte sich daran ihre Tagträumereien ein bisschen beiseite zu schieben und schnell nach Hause zu kommen…