Kapitel 2.

kanjó - Gefühl

Ihr Lieblingslied plätschert immer noch melodisch aus dem Disk-Men durch die Ohrstöpsel in ihren Kopf hinein, als sie mit einem Mal etwas hört…etwas das nicht zu diesem Lied gehört, etwas fremdes, und zugleich vertrautes…

Erstaunt blieb sie stehen, griff in ihren Rucksack hinein und schaltete den Disk-Men aus. Sogleich verstummte das Lied in ihren Ohren, jedoch konnte sie nun dieses andere Geräusch zuordnen. Es klang wie eine Stimme, die eine Sprache benutzte, die Feli noch nie in ihrem ganzen Leben vernommen hatte. Es war keiner Sprache gleich, die sie jemals in ihrem Leben gehört hatte. Eine Mischung aus kristallklarem Gesang, leisem wispern und hauchdünner Bewegungen im Wind.

Es erinnerte sie an einen schönen Traum und an das aufwachen danach, wenn man sich noch halb an den Traum erinnert und einem so wunderbar warm ums Herz wird oder an Sonnenstrahlen auf einer Blumenwiese, oder den kristallklaren dahinplätschernden Fluss, über den Feli noch vor wenigen Sekunden nachgedacht hat.

Verwirrt nahm Feli nun die beiden Stöpsel aus ihren Ohren und schaute sich langsam um, doch niemand war hier, niemand war mit ihr in dieser kleinen Nebengasse.

Dort hinten konnte sie die vielen vorbeihastenden Menschen sehen und aus der ferne hören, doch der wispernde Gesang schien von ganz nahe zu kommen.

Was geht hier vor! dachte sie erstaunt und nicht ganz ohne Furcht dabei zu empfinden.

Langsam ließ sie nun ihre Ohrstöpsel in den Rucksack gleiten, das wispern verstummte nicht eine einzige Sekunde, nur kam es ihr jetzt lauter und drängender als vorhin vor.

Feli legte ihren Kopf in den Nacken, starrte hoch in den tiefblauen Himmel, der über ihr sich zwischen den Häusern erstreckte, doch auch hier konnte sie nichts sehen.

Verwundert strich sie nun ihre Haare beiseite und klemmte sie Gedankenverloren hinter ihr Ohr, als sie mit einem mal ein drängendes Gefühl packt. Drängend und fordernd bemächtigte es sich Feli und ihrer Seele und ließ diese nicht mehr los.

Ohne es wirklich zu wollen, ohne überhaupt darüber nach zu denken, wandte sie nun ihren Kopf herum, die wispernde Stimme in ihren Gedanken wurde lauter und immer lauter, drängender, fordernder! Die kristallklare wispernde Stimme verwandelte sich langsam von einem lauen Wind zu einem tobenden Sturm und das wispern war einem zischen und tosen gewichen, das Feli so sehr mit Grauen erfasste, dass sie unwillkürlich begann zu frösteln und ihren Körper mit beiden Armen umschlang.

Doch mit einem Mal, als Feli ihren Blick nun endlich komplett herumgeführt hatte, verstummte der Sturm in ihren Gedanken und auch das mächtige und drängende Gefühl war jäh verschwunden. Mit einem erleichterten Seufzen und flackernden Augenlidern erblickte sie nun einen kleinen Laden hier in der Nebengasse.

Erstaunt blinzelte Feli einmal mit den Augen, sah sich noch einmal nach links und rechts um bis ihr Blick erneut auf den kleinen Laden, nur knapp 5 Meter von ihr entfernt, hängen blieb.

„Was… geht hier vor!" raunt sie und trotz der sommerlichen Temperaturen glitt ihr erneut ein frösteln über die Haut. Mit einem letzten reiben beider Hände über die nackten Oberarme löste sie diese nun und ließ sie wieder neben sich herunterhängen.

Seit wann hört man singende wispernde Stimmen mitten am Tage, die sich in einen tosenden Sturm verwandeln können und einem dann das Grauen den Rücken runterjagen lassen! Zumal sie erst verstummten, als sie diesen Laden entdeckt hatte. Was war hier in Gange? Wollte ihr jemand einen Schrecken einjagen? Wenn ja, war demjenigen das schon mal sehr gut gelungen! Aber wie hat derjenige es dann geschafft eine solche Stimme in ihren Kopf zu bekommen? Dieser Gedanke erfüllte sie erneut mit grauen weil sie darauf keine logische Erklärung hatte. Stattdessen ließ sie nun ihren Blick über das ebenso kleine Schild gleiten, dass dem Laden alle Ehre machte.

Antiquitäten stand da drauf und noch weiter: Sie suchen – wir finden!

Feli fand, das dass mal eine konkrete Aussage war und ein lächeln glitt ihr über den Mund, aber ob man hier wirklich alles fand was man suchte, glaubte sie keine einzige Sekunde.

Noch einmal schaute sie sich um. Diese kleine Nebengasse wurde selten durchlaufen und es wunderte sie doch etwas, dass dieser kleine Laden ausgerechnet hier eröffnete… hier stockten ihr die Gedanken und rissen jäh ab. Heiß wie ein Blitz glitt es ihr nun den Rücken hinauf. Heute Morgen, vor nicht mal 7 Stunden, als sie morgens auf dem Weg zur Schule war, hatte es diesen Laden hier noch gar nicht gegeben…! Warum fiel ihr das jetzt erst auf?

Sie blinzelte verwirrt und starrte auf die im Schaufenster aufgebahrten Antiquitäten. Sie schienen schon seit Jahren dort herumzuliegen. Eine dicke Staubsicht befand sich zwischen den Artefakten und dem sonstigen Kitsch. Auch die Farbe der großen Buchstaben, die den Laden als solches beschrieben, begann bereits abzublättern. Alles deutete darauf hin, als hätte es diesen Laden hier schon seit Jahren, nein vielleicht sogar schon seit Jahrzehnten gegeben! Aber heute Morgen war er noch nicht da gewesen, das wusste Feli ganz genau!

„Irgendetwas geht hier nicht mit rechten Dingen zu!" murmelte sie halblaut, mehr um sich selbst zu beruhigen und endlich etwas Vertrautes zu hören, nämlich ihre eigene Stimme…

Doch jetzt mit einem Mal begann sich der Himmel zu verfinstern. Feli blickte erschrocken auf und bemerkte, dass sich ein riesiger Schatten über die Häuser rings um sie herum begann auszubreiten. Ein drohender Schatten, der nicht von dieser Welt zu kommen schien…

Feli schlang wieder ihre Arme um ihren Körper und langsam begann sie von diesem komischen kleinen Laden auszuweichen. Grauen und Furcht packte sie nun wieder und sie wollte nur noch eines und das war nach Hause.

Doch kaum hatte sie überhaupt einen einzigen Schritt nach hinten getan, da ertönte in ihrem Kopf wieder diese leise kristallklare, wispernde aber dieses Mal fordernde Stimme.

Abrupt blieb sie stehen, sah sich wieder ängstlich um, schaute herüber zum Ausgang der Gasse, die Meilenweit entfernt zu sein schien… irgendwo dort hinten, wo noch ganz normal die Sonne schien und niemand Notiz von ihr oder von der Gasse zu nehmen schien.

Jedoch genau in diesem Augenblick, wo sie nun dem Ausgang der Gasse entgegen blickte, wurde die Stimme in ihrem Kopf wieder lauter, fordernder, zischender und das mächtige Gefühl kehrte zurück. Dieses Gefühl zwang Feli nun dazu langsam ihren Kopf wieder in Richtung des Ladens zu drehen. Sie wollte nicht, aber irgendeine Macht, die zweifellos von diesem kleinen Laden ausging, zwang sie unbarmherzig dazu.

Kaum war nun ihre Aufmerksamkeit wieder dem Laden zugewandt, verschwand die Stimme aus ihrem Kopf, aber das Gefühl, dass sich gerade ihrer Bemächtigte, blieb dieses Mal bestehen… ja es zwang sie sogar dazu diesen einen gewonnenen Schritt wieder auf den Laden zuzugehen!

Hört auf! dachte Feli verzweifelt. Hört auf, wer immer dafür verantwortlich ist, aber ich werde Wahnsinnig! schrie sie nun in Gedanken gegen das mächtige Gefühl an, aber es nützte nichts.

Doch dann, mit einem Mal, wie aus heiterem Himmel verschwand Felis Furcht. Der dunkle Schatten, der sich über die Gasse gelegt hatte war schon längst weiter gezogen und nichts weitere als eine Erinnerung.

Dafür spürte Feli nun wieder ein neues Gefühl… ein Gefühl, wie als wenn sie gerufen wurde… von jemandem. Ganz dringend gerufen wurde und es durfte kein Aufschub geben. Sie kam sich nun vor als wenn sie in eine Art Trance versetzt wurde, in eine angenehme Trance … einem schönen Tagtraum gleich.

Warm und leicht umspülte sie nun dieses Gefühl, spülte die Furcht und das Grauen weit weg und ließ sie sogar erleichtert Aufatmen.

Nun tat sie nur noch eines, sie starrte auf die Ladentür, fixierte sie ohne es richtig zu bemerken und tat nun einen Schritt direkt darauf zu, und noch einen und noch einen.

Schließlich erreichte die Hand die Türklinke, legte sich leise darauf und drückte sie herunter. Ein leises Glockengeläut ertönte von der Tür, als Feli sie aufdrückte und langsam in die Dunkelheit des Ladens eintauchte…