Kapitel 12.
dokuyaku - Gift
Gerade als sie sich zum Gehen wandte um endlich zu den Hobbits zurück zu kehren und um in der wärme des Feuers langsam trocken zu werden, hörte sie aus dem nahe gelegenen Gebüsch, nur ein Stückchen weiter den Bach hinauf, ein leises rascheln! Starr vor Schreck und sofort wieder Hellwach blieb sie stocksteif stehen und blickte durch die schummrige Dunkelheit hinüber zu dem schwankenden Busch ganz in ihrer nähe. Beinahe gänzlich ohne in den nächsten Momenten zu blinzeln starrte sie diesen Busch an, mit weit aufgerissenen Augen und laut klopfendem Herzen. Krampfhaft hielt die rechte Hand den Ring fest umklammert, die langsam auf ihren Rücken wanderte, aus dem Blickfeld des Busches, aus dem Blickfeld des Etwas, dass sich im Schutze des Busches verborgen hielt.
Wie kleine Blitzfeuerwerke schossen ihr die wildesten Gedanken durch den Kopf und machten sie halb wahnsinnig vor Angst. Gleichzeitig schalt sie sich wieder eine dumme Nuss doch alleine gegangen zu sein. Für einen kurzen Moment dachte sie daran laut zu schreien, doch wie würde es aussehen wenn doch nichts war?
Für einen kurzen Moment rief sich wie von selbst eine alte Kindergeschichte, die sie damals in der zweiten oder dritten Klasse im Lesebuch gelesen hatte, in Erinnerung. Sie handelte von einem Jungen, der immer Wölfe, Wölfe geschrien hatte und dabei waren gar keine Wölfe da gewesen, die die Schafsherde, auf die er aufpassen sollte, hätte angreifen können. Wie ging die Geschichte denn damals aus! Feli erinnerte sich nicht mehr daran und die Angst schnürte ihre Gedanken auf einen klebrig-klumpigen Haufen zusammen, mit dem man nichts mehr anfangen konnte.
Jäh wurde sie jetzt jedoch aus ihren Gedanken gerissen und der lückenlose Blick, der sich noch immer auf den verdächtigen Busch konzentrierte, erhaschte ein stärkeres Rascheln und wie sich etwas auf sie zu bewegte. Langsam trat Feli einen kleinen Schritt zurück, verschränkte nun den linken Arm ebenfalls hinter ihren Rücken und war bereits soweit den Ring auf ihren Mittelfinger gleiten zu lassen, als dieses etwas aus dem Busch heraussprang, direkt auf sie zu!
Beinahe hätte sie laut aufgeschrien und der Kindergeschichte alle Ehre gemacht, doch im allerletzten Moment besann sie sich als sie sah, was dort nun fast direkt vor ihren Füßen hockte und ebenso erschrocken hoch starrte, wie sie selbst herunterstarrte.
„Ein… nur ein… ein … Kaninchen!" murmelte sie erleichtert, zugleich noch erschrocken und langsam die Luft für den Schrei aus ihren Lungen entlassend.
Die rechte Hand ließ nun den Ring locker und Feli spürte die Abdrücke des Rings tief in ihrer Handfläche pochen.
„Es reicht… es reicht… ich hatte schon genug Angst heute! Wann ist das endlich vorbei!" murmelte Feli erschöpft und beugte sich herab um das völlig verängstige Tier zu beruhigen… oder tat sie das doch aus dem Grunde sich selbst zu beruhigen!
Bleischwer kamen ihr ihre Glieder vor als sie nun die freie linke Hand nach dem kleinen Wesen ausstreckte, das noch immer im Mondlicht halb zitternd und halb schreckerstarrt empor blickte.
„Du hast genauso viel Angst wie ich, hab ich Recht!" flüsterte Feli und berührte fast schon das Fell des Kleinen als es mit einem Satz aufsprang, ohne sich umzusehen, an ihr vorbeipreschte und im nächsten Moment auf und davon war.
Feli blickte noch immer zur Stelle herüber, an der der Kleine noch eben stand und seufzte tief, während sie langsam die Hand zurückzog und ihre müden Glieder wieder aufrichten ließ.
Für heute war es wirklich genug, jetzt wollte sie nur noch zum Lager und zum Feuer zurück. Eisig fühlte sich die Kälte hier am Wasser an und Feli schlang schnell die Arme um ihren Körper um wenigstens ein bisschen Warm zu bleiben. Doch noch ein letztes Mal blickte sie zum Mond herüber, der noch immer mit den Wellen auf dem Wasser tanzte, lauschte dem beruhigenden Glucksen des Baches und überlegte noch, wann sie wohl wieder Zuhause sein würde, ehe sie sich umdrehte und gerade einen Schritt tat ehe sie erneut stehen blieb, weil der Pfad, der sie zurück ins Lager führte, versperrt wurde. Die matt gelben Augen waren Hasserfüllt auf sie gerichtet, die Ohren nahe an den Kopf angelegt und die Schnauze zu einem hämischen Grinsen verzogen und passend dazu erhob sich ein dumpfes Grollen aus seiner Kehle.
Fast hätte Feli erneut in dieser Nacht laut aufgeschrien, doch sie war wie gelähmt. Starr vor Panik und dröhnendem Herzen starrte sie auf den Wolf herab und zuerst glaubte Feli schon, Telpe wäre zurückgekehrt, doch dieser Wolf war kleiner, viel kleiner…
Schnell, nur um keine Zeit zu verlieren, verschränkte sie ihr beide Hände hinter den Rücken und mit fahrigen Bewegungen glitt der Ring auf den Mittelfinger, jedenfalls zum Teil, denn er hatte nun wieder seine normale Größe angenommen, nämlich die mit der er nur auf den Ringfinger passte…
„…elendes Menschenweib!" konnte Feli noch von seinem letzten Satz erhaschen. Gleichzeitig wich ein wenig die Schwere aus ihren Gliedern, ihre Sinne waren etwas geschärfter, aber die bleierne Müdigkeit umschloss sie dennoch, wich nur langsam zurück. Liegt wohl daran, dass der Ring nicht am richtigen Finger ist! schoss es Feli durch den Sinn, doch um ja keinen falschen Verdacht aufkommen zu lassen, nahm Feli ihre verbliebenen Kräfte zusammen und raunte gefährlich leise: „Geh mir aus dem Weg! Für heute ist es genug! Ich habe keinerlei Interesse deiner Rache bereits jetzt entgegen zu treten! Scher dich davon!"
Telda sagte darauf nichts, tat nichts, stand nur da, grinste hämisch mit seinen blutverschmierten Reißzähnen und starrte sie an. Keinen Zweifel, er hatte gerade gejagt um seinen Hunger zu stillen.
Feli´s Körper durchströmte in diesem Moment gerade eine gewaltige Ladung Adrenalin und ließ sie hellwach werden. Ob das nun am Anblick des Blutes lag oder ob der Ring nun doch seine Macht begann zu entfalten, wusste sie nicht… aber sie war einigermaßen Dankbar dafür.
Als sie nun mit ungetrübtem Blick zu Telda herüberstarrte und gerade das Wort erheben wollte, begann er zu sprechen: „Ja, für heute ist es genug, wertes Fräulein, die du meinen Vater auf dem Gewissen hast, aber sieh dich vor, Unwissende, hier wachsen giftige Pflanzen, an denen ein elendes Menschenweib wie du ganz leicht verrecken kann, allein durch Berührung!"
Verwirrt und dennoch wachsam starrte Feli den Wolf an. Was sollte das denn? Hatte er den Verstand verloren? Warum warnte er sie denn vor giftigen Pflanzen die hier am Ufer des Baches wuchsen? Oder…
Telda indessen nickte in Felis Richtung, direkt zu ihren Füßen. Feli selbst riskierte nur einen kleinen Seitenblick und erhaschte eine unscheinbare Pflanze, die sie selbst für nichts anderes als Unkraut gehalten hatte und über die sie einfach so hinweg gestiegen wäre.
„Siehst du? Währest du da rein getreten, hättest du das Morgenrot nicht mehr erblickt! Eines schnellen Todes gestorben!" knurrte er selbstsicher und stierte Feli an.
Diese tat einen unauffälligen Schritt weit weg von dieser Pflanze, nur zur Sicherheit, ehe sie höhnisch sprach: „Hah, und warum sollte ich dir das Glauben? Mag sein dass es hier giftige Pflanzen gibt, aber welchen Grund hast du denn mich zu warnen, Telda, Sohn eines Wahnsinnigen!"
Getrieben durch die Macht des Rings verhöhnte sie den Wolf, der sich nun langsam herumdrehte und begann im Dickicht zu verschwinden. Doch ehe er ganz verschwand, raunte er: „Ganz einfach, ich will dich töten, nichts anderes soll mir zuvor kommen, auch keine giftige Pflanze!" Nun hielt Telda jedoch noch einmal inne, starrte in die Nacht hinein und schien nach passenden Worten zu suchen während in Feli die blanke Wut brodelte.
Ganz langsam drehte sich nun der Wolf zu Feli herum, präsentierte noch einmal seine blutverschmierten Zähne und raunte gefährlich leise: „Eigentlich seltsam, dass du hier so Großschnäuzig daherkommst, ohne Waffe, ohne Freunde, ohne Verstand! Apropos Freunde, ich hab mein Wolfsrudel gerade zum jagen geschickt… wer weiß! Vielleicht haben sie ja jetzt endlich reiche Beute gemacht… oder sollte ich lieber sagen, fette Beute… fette Hobbitbeute?"
Siedendheiß wurde es auf einmal in Feli und bleischwer wurde ihr Herz durch das gerade ein Speer gejagt wurde. Ihr Atem stockte über soviel Boshaftigkeit die in diesen Worten mitschwang und ohne lange Nachzudenken rief sie ohne zu schreien: „Das wagtest du nicht! Das wagst du nicht! Das ist nicht wahr, du lügst! Ihr habt nicht die Hobbits… nicht die Hobbits…!"
Telda wandte sich wieder zum gehen und entfernte sich langsam, doch noch während er davonzog raunte er, mehr in die tiefe Nacht hinein: „Oho, da hat aber jemand einen sehr ausgeprägten Beschützerinstinkt entwickelt, nur leider ist damit ohne viel Verstand nichts anzufangen! Du bist schon sehr lange hier, weißt du? Und ich kann nicht ständig auf mein Rudel aufpassen und ihnen vorschreiben was sie jagen sollen und was nicht! Sie haben auch Hunger, genauso wie du und deine beiden kleinen Freunde und wenn sie etwas Essbares finden, dann zögern sie nicht lange. Hier in der Wildnis gibt es nur eine Regel, die des Stärkeren… aber ich verspreche dir, dein Ende ist ebenso nahe…!" und mit diesen letzten Worten verschwand der Wolf Telda im Dickicht des Waldes und ließ Feli mit ihren Gedanken und ihrer Angst allein zurück…
Keine einzige Sekunde zögerte Feli nun mehr! Sofort riss sie sich selbst aus ihrer Erstarrung und wie von selbst begannen ihre Beine den Pfad entlang zurück zu rennen. Ihr klopfendes Herz begleitete sie, die pochende Angst in ihrem Herzen…
Warum… warum bin ich allein gegangen!
…die fliegenden Beine, das gelegentliche Stolpern über herumliegende Äste, der schneidende Wind in den Augen, die peitschenden Äste im Gesicht, das kratzen der krallenartigen Äste an ihren nackten Armen …
Bitte, lass mich nicht zu spät sein!
In der ferne sah sie bereits das flackernde Feuer zwischen den Bäumen tanzen und gespenstische Schatten werfen. Gleichzeitig spürte sie wie etwas von ihrem Mittelfinger rutschte… „Der … Ring!" keuchte Feli erschrocken und fing ihn gerade noch auf, kurz bevor er zu Boden fallen würde. Ohne zu stoppen rannte sie weiter, den Ring konnte sie auch noch aufsetzten wenn sie angekommen war!
Alles so ruhig und friedlich! stellte sie fest und noch mehr Angst machte sich breit.
Das Keuchen in ihrem Mund, das schwanken in ihren Augen, das Stechen in ihrer Seite…
Warum schreien sie nicht! schoss es Feli in den Sinn als sie nun endlich die letzten Meter im Laufschritt hinter sich brachte und zwischen den Bäumen hervorpreschte…
„Keine Bewegung, du Wolf…!" rief nun Sam und baute sich direkt vor ihr auf, Stich angriffsbereit hochgehoben und fast wäre Feli genau in die Klinge hineingerannt, wenn sie nicht rechtzeitig gebremst hätte. Völlig außer Atem, das Herz dröhnend, die Haare wirr ins Gesicht hängend, stand sie nun da, starrte auf Sam und seine Klinge herab und zu Frodo herüber, der beim Feuer stand, ebenfalls angriffsbereit. Sofort schossen ihre Augen hektisch über den Platz! Hier war kein Wolf, kein einziger! Hier hatte auch kein Kampf stattgefunden, hier war alles ruhig und friedlich, alles sah noch genauso aus, wie vor wenigen Minuten als sie zum Bach aufgebrochen war. Bis auf die Spannung die im Moment unter den Hobbits stand, war hier noch alles wie vorher.
Jetzt jedoch entspannten sich beide und Sam nahm langsam Stich herunter während er sagte: „Du bist es, Feli! Warum bist du denn gerannt als wäre ein leibhaftiger Ork hinter dir her? Oder…" Sofort war sein Misstrauen geweckt und er hob Stich wieder in Angriffsposition als er an Feli vorbeihastete und in Richtung des Waldes schritt: „Oder haben dich die Wölfe angegriffen, wurdest du verfolgt! Ich hätte mal doch mitgehen sollen…!"
„Sam… bleib… bleib hier! Da… da ist… nichts!" unterbrach Feli keuchend und hielt Sam gerade noch am Ärmel seines Hemdes fest, während sie sich mit der anderen Hand am Knie abstützte um nicht umzukippen, denn nun war sie all ihrer Kräfte beraubt und das ihr der Ring während des Laufens auch noch vom Finger geglitten war, war auch nicht gerade hilfreich gewesen.
Sam blieb erstaunt stehen und ließ Stich sinken. „Was ist mit dir, du bist ja vollkommen außer Atem!" stellte er fest und Frodo kam langsam näher, hielt sich mit einer Hand die Schulter und die andere nestelte unruhig am Kragen herum.
„Sag, ist etwas passiert, Feli!" fragte der ältere Hobbit mit ungewohnter härte und Nachdruck während die Angesprochene langsam aufblickte, ihm in die Augen schaute und langsam mit dem Kopf schüttelte. Wenn man es genau nahm, war auch nichts passiert, außer dass sie sich vom Wolf Telda hat reinlegen lassen und ihr eine Heidenangst eingejagt hatte… sie dachte nur an das Blut an seinen Zähnen und schon wusste sie, was ihre Angst noch verstärkt hatte…schwarz wie die Nacht, getrocknetes Blut…
„Und warum bist du dann gerannt!" wollte nun Sam wissen während Feli sich langsam aufrichtete, seinen Arm losließ und Richtung Feuerstelle glitt.
„Mir war kalt, ich wollte schnell zum Feuer!" wich sie aus und hockte sich langsam vor das Feuer, soviel Ruhe wie nur möglich ausstrahlend. Die Seitenstiche pochten noch immer erbarmungslos, aber dafür beruhigte sich ihr Herz allmählich wieder. Sofort hob sie ihre beinahe zu Eiszapfen erstarrten Hände hoch und hielt sie gegen das prasselnde Feuer. Leise knackte es, wie um diese Lüge anzuprangern und Feli war dankbar dafür, dass ihre Haare so lang waren, dass sie ihre Ohren verdeckten. Sie wurden immer rot wenn sie so dick log wie jetzt…
„Du hast uns… große Angst gemacht!" raunte nun Frodo und setzte sich langsam neben Feli. Diese hörte jetzt wie Sam Stich endlich in seine Scheide zurückbeförderte und sich nun neben Frodo setzte.
„Tut mir Leid", begann Feli und starrte ins Feuer, "Aber mir war wirklich nur kalt… und … und irgendwie hatte ich auch etwas Angst, da alleine im Wald, beim Bach! Ich wollte einfach nur schnell zurück…! Entschuldigt dass ich vorhin so grob war…!"
Ein bisschen Angst war gut… erst das mit dem Kaninchen, dann noch der Wolf Telda und zum guten Schluss auch noch seine Worte… Feli hatte nun schwer an den Tränen zu Kämpfen, der Druck war sehr groß, ebenso das verlangen davon zu berichten was sie erlebt hatte, doch wenn sie Heulte würde sie ALLES erzählen müssen und das konnte sie nicht! Sie wollte den beiden nicht noch mehr Angst einjagen, als sie es jetzt schon ohnehin getan hatte. So schluckte sie schwer an einem dicken Klos in ihrem Hals und biss die Zähne fest aufeinander, so wie sie es immer tat, wenn sie die Tränen unterdrücken wollte.
Gleichzeitig hielt sie sich immer wieder vor Augen, dass ja gar nichts passiert war, dass alles noch in Ordnung war, dass der Wolf Telda sich ja so oder so schon angekündigt hat, dass es eh bald soweit sein würde… bald… nur nicht jetzt… oder doch…? Konnte er auch heute Nacht noch angreifen? Wieder umklammerte ihr Herz der blanke Schrecken und nichts wünschte sie sich sehnlicher in diesem Moment als nach Hause… sie hatte immer geglaubt die Probleme zuhause wären schon schlimm, aber diese ständige Angst hier war kaum zu ertragen…
„Schon gut, es ist ja nichts passiert… aber jag uns nicht noch einmal solch einen Schrecken ein!" seufzte Frodo mit Nachdruck und er schien zu wissen dass Feli ihnen etwas verschwieg. Zugleich wusste er aber auch, dass man jemanden, der nicht reden wollte nicht zum reden zwingen konnte, und so würden sie abwarten müssen.
Feli drehte sich nur kurz zu Frodo herum, seufzte erleichtert und ein dankbares Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Wenigstens brauchte sie nichts zu erzählen, wenigstens brauchte sie nicht noch mehr Angst zu verbreiten…
Langsam wurden ihre Hände wieder warm, die beiden Hobbits neben ihr schwiegen und Feli sah auf zum Mond, der schon sehr niedrig am Himmel stand, die Nacht würde bald vorüber sein… langsam kreisten ihre Gedanken… wenn sie sich nun…
„Feli!" Verwirrt blinzelte die Angesprochene und drehte sich langsam zu Frodo herum. „Ich werde die erste Wache übernehmen und du lässt dir jetzt von Sam deine Wunden versorgen! Wir haben sehr gutes Binsenkraut dabei, das hilft deinen Wunden auf den Schultern schneller zu heilen und da wäre noch etwas…!" „Nein…!" unterbrach nun Feli, die sich zu ihm herumgedreht hatte und starrte nun in die verwirrten Augen von Frodo hinein. Schnell beeilte sie sich zu sagen: „Ähm… ich meine… dass heißt ja, danke für das Pilsenkraut, aber ich möchte die Wache für den Rest der Nacht übernehmen… und…und außerdem hab ich euch schon solche Angst eingejagt, ich glaub das bin ich euch schuldig!"
Schnell lenkte sie ihren Blick wieder zum Feuer herüber…
Bloß nichts anmerken lassen , waren ihre beherrschten und übermüdeten Gedanken.
Leise hörte man Sam entrüstet räuspern während Frodo seufzte ehe er sagte: „Erstmal, es heißt BINSENkraut. Ich glaube Sam muss dir noch eine kleine Pflanzenkunde geben, du hast ja gar keine Ahnung davon! Und zum zweiten, du schuldest uns gar nichts. Ich werde Wache halten und du wirst schlafen!" „Frodo, ich werde sowieso nicht schlafen können, mir kreisen zu viele Dinge im Kopf herum!" murmelte Feli bittend, ihre Müdigkeit ignorierend. „Und wenn ich sowieso nicht schlafen kann, kann ich auch ebenso gut aufpassen! Und wegen dem Binsenkraut… tut mir Leid!"
Ergebenes Seufzen war nun von Frodo zu hören während Sam aufstand, langsam zu seinen Rucksack ging und dabei irgendetwas von „Pilsenkraut… Pah… keine Ahnung…!" murmelte und begann darin herumzukramen.
Frodo indessen schaute zu Feli herüber, betrachtete sich ihr Gesicht im Schein des Feuers, versuchte irgendetwas darin abzulesen, irgendetwas, dass sie zu diesem Entschluss getrieben haben musste, doch keine einzige Gesichtsregung verriet etwas über ihr Innerstes. Dennoch spürte er mehr als deutlich dass sie ihnen etwas verschwieg, vielleicht aus gutem Grund, vielleicht aber auch aus Höflichkeit, er konnte es nicht genau sagen, dieses Mädchen warf mehr Fragen auf als der Ring den sie bei sich trug! Auch wenn sie keine Ahnung von der Natur zu haben schien, in ihr wohnte eine gute Seele, das spürte er schon seit ihrer Begegnung!
„Also gut, wenn du unbedingt willst, dann übernimm du die Wache fürs erste. Wenn ich Wach werde, werde ich dich ablösen, damit du auch ein bisschen zu…!" „Nicht nötig!" beeilte sich Feli zu sagen und knetete nervös ihre Hände um sie anscheinend noch weiter zu wärmen. „Ich halte schon durch!"
„Wie du willst!" meinte nun Frodo und zuckte hilflos mit den Schultern, legte sich jedoch in Gedanken alles schon so zurecht, dass er sie doch ablösen würde als ihm noch etwas einfiel.
Schnell griff er in seine Tasche, zog etwas Kleines daraus hervor und ergriff dann Felis Hand, die ihm am nächsten war.
„Was…!" fragte sie verdutzt als Frodo ihr ihren Anhänger mit dem Schlüssel auf die Handflächen legte und meinte: „Hier, das, was immer das auch ist, hast du doch verloren! Ich hab ihn noch gefunden, eben und wollte ihn dir schon die ganze Zeit zurückgeben, aber irgendwie kam doch immer etwas dazwischen…!"
Feli musste lächeln: „Danke, Frodo! Das ist mein Haustürschüsselbund! Wenn ich nach Hause komme, dann brauche ich ihn wieder, aber eben gerade hab ich gar nicht mehr daran gedacht…!" Noch während sie das sagte musste sie trocken an ihrer Spucke schlucken. Sie hatte wirklich nicht mehr an ihr Schlüsselbund gedacht, mit dem kleinen glitzernden Anhänger, der den Wolf Telpe abgelenkt hatte und erneut keimten in ihr die rabenschwarzen Gedanken ob sie wohl jemals wieder nach Hause kommen würde um das Schlüsselbund zu benutzten…
Wenige Minuten später lagen die Hobbits dicht am Feuer, in ihren langen Umhängen eingehüllt und waren in tiefen Träumen versunken. Feli selbst brannten die Schultern wie Feuer, genau an den Stellen wo Sam das Binsenkraut großzügig und mit großem Druck verteilt hatte. Auf ihr klagen hin meinte er nur trocken dass das dazugehören würde, aber Feli roch die Rache darin wie sie sein Binsenkraut genannt hatte! Eines hatte sie dabei festgestellt, man durfte in Sams Gegenwart nichts Falsches in Bezug auf Pflanzen sagen, das gleiche galt aber auch für Frodo, denn er hatte sich genauso vorwurfsvoll angehört!
Ein kleiner Seufzer entglitt Feli während sie näher ans Feuer heranrückte, ihre Beine aufstellte und ihre Arme um sie schlang um möglichst viel Wärme bei sich zu behalten.
Um gegen die Müdigkeit anzukämpfen begann sie sich selbst in die Waden zu kneifen und dem knacken des Feuers zu lauschen. Gleichzeitig achtete sie auf jedes verdächtiges Geräusch um sich herum. Irgendwie beschlich sie das ungute Gefühl dass sie beobachtet wurden, aus dem Hinterhalt! Telda hatte ihr zwar Angst gemacht, aber nicht ganz unbegründet. Und nachdem was er gesagt hatte, musste sie nun Tag und Nacht wachsam sein, sie konnten jederzeit angreifen!
Sie lauern wahrscheinlich nur darauf dass ich einschlafe! dachte sie ärgerlich während ihr gleichzeitig die Augen wie von selbst zufielen…
Autsch! war jedoch ihr nächster Gedanke und ein noch größerer blauer Fleck an ihrer rechten Wade.
Nein, sie konnte sich nicht ständig kneifen, sie musste sich ablenken! Wenn sie sich allzu oft Kniff, dann würde es irgendwann nichts mehr bringen…
Dunkel kam ihr nun wieder in Erinnerung gekrochen dass sie ja, wenn sie wieder in ihre Welt zurückkehrte, ja auch noch die Endprüfung der Schule schaffen musste und dass sie ja auch noch für die nächste Vorbereitungsklausur üben wollte…
Ein verstohlen geworfener Blick zu ihrem Rucksack herüber ließ sie seufzen. Wenn sie vor etwas noch mehr Angst hatte als vor den Wölfen hier dann war es die Endprüfung in ihrer Welt. Es würde davon abhängen ob sie einen guten Job bekommen würde oder nicht! Soviel hing davon ab… nicht gleich ein ganzes Leben, aber doch eine ganze Existens…
Das überzeugte Feli…und es war allemal besser als ständig über Ringe, Wölfe, Mittelerde, Angst, mehr Angst und noch mehr Angst nachzudenken!
Sofort krabbelte sie herüber zu ihren Rucksack, zerrte ihn über den Boden und zuckte bei einem knacken im Geäst eines Baumes ganz in ihrer nähe zusammen. Ein schneller Blick um sich geworfen versicherte ihr jedoch, dass sie allein waren…
Erleichtert seufzte sie, öffnete leise den Reißverschluss und zerrte das verhasste Rechnungswesenbuch hervor.
Ich hasse es, aber bei so etwas kompliziertem kann man wenigstens nicht so leicht einschlafen…! dachte sie triumphierend und schlug die Seite 86 auf, die sie gerade in der Schule durchnahmen.
Zinsrechnung! Die Prozentrechnung ist immer bezogen auf den Zeitraum ein Jahr… ein Jahr… wie lange sie wohl hier bleiben würde? Nein… jetzt wollte sie nicht drüber nachdenken… jetzt wollte sie lesen… lernen! Sich ablenken! Also: Der Zins ist der Preis, der für die…!
