Kapitel 22.

shin´yó – Vertrauen

Ihre Augen tränten und unendlich Angst umschloss ihr Herz als sie daran dachte, was eben gerade passiert war. Dieser Blick… dieser Blick den Elrond eben hatte… er glich den Blicken der Wolfsoberhäupter, die sie bereits auf dem Gewissen hatte… Schnell senkte sie den Kopf, blickte herab auf ihren verbundenen Arm und rieb ihn um den Schmerz zu lindern, doch der Schmerz schien nicht aufzuhören, schien kein Ende nehmen zu wollen. Sie konnte sehen, zumindest dort, wo die Haut unter dem Verband hindurch lugte, wie er rot und purpurn pulsierte und der Verband an einigen Stellen blutrot anlief. Anscheinend war die gerade erst verheilende Bisswunde wieder aufgerissen… Was hätte sie getan, wenn Elrond jetzt nicht mehr Herr seiner Sinne geworden wäre im letzten Moment? Hätte sie ihn dann wirklich … töten müssen um ihr eigenes Leben zu retten?
Bei diesem Gedanken zog sich ihre Brust zusammen und sie konnte ihr verkrampftes Herz spüren. Noch näher zog sie ihre Beine zu sich heran und machte sich so klein es nur irgend ging. Sie hatte, bevor sie in diese Welt gekommen war, noch niemals andere Lebewesen getötet, ja nicht einmal mit dem Gedanken gespielt, mal abgesehen von ein paar Insekten… Und nun… nun hatte sie bereits zwei Wölfe getötet und schon zweimal daran gedacht, Elben zu töten… und das alles nur wegen diesem Ring… Dieser Ring… der eigentlich für das Gute stehen sollte… Was war das für ein Ring, der ständig alle, denen sie begegnete auf kurz oder lang gegen sich brachte weil sie nach dem Ring trachteten? Tom Bombadil musste gelogen haben und auch der Spruch war mehr als ein Hohn gewesen… ja der Spruch, wenn sie sich doch nur an den einzelnen Wortlaut erinnern könnte… es war zum verzweifeln…

Sie spürte wie jetzt nicht nur Tränen des Schmerzes sondern auch der Verzweiflung über ihre Wangen flossen und ihr schönes Gewand benetzten, dass sie noch immer trug. Dieser Ring… er war an allem Schuld, er war dafür verantwortlich dass sie hier war, er war dafür verantwortlich, dass sie all diesen Schmerz erdulden musste… er war es, der alles und jeden gegen sie brachte…bestimmt nicht zum letzten Mal dachte sie an ihr ruhiges und warmes Zuhause, fern von zaubernden Ringen, Elben und Wölfen…

„Ich hasse den Ring… ich will ihn nicht mehr… immer passiert etwas wegen dem Ring um mich herum… ich hasse ihn… ich hasse ihn!!" murmelte Feli nun dumpf und stockend, kniff die Augen zusammen als sie wieder eine neue Schmerzattacke ihren Arm herauf kriechen spürte. „Er kann gar nicht für das Gute stehen… der Spruch des Guten ist ein Hohn, dass ich hier bin ist ein Hohn… ich will nach Hause… jetzt!" kam es stockend über ihre Lippen und ihr Körper presste sich schutzsuchend immer näher an das Bett heran, spürte das Holz in ihrem Rücken und wie ein lauer Abendwind durch ihre Haare tänzelte…

Und dann hörte sie es… ein knirschen, ein zurückschieben, jemand erhob sich… Elrond… ihn hatte sie ganz vergessen!
Schnell ruckte ihr Kopf nach oben und ihr wässriger Blick fiel auf den nun wieder stehenden Elrond, in seinem wallenden Gewand, gefasst und Herr seiner Sinne. Warm und reumütig waren seine Augen in das ängstlich verzogene Gesicht von Feli gerichtet. Seine Augen baten noch immer um Vergebung für die Tat, die leider nicht mehr ungeschehen gemacht werden konnte. Und so sprach er: „Fräulein Feli, mit Verlaub, es tut mir Leid, was ich tat. Ich habe nicht aufgepasst, ich habe nichts mehr bedacht…meine Gedanken kreisten seit Tagen nur noch um den Ring… schon als ich dich sah, als sie dich herbrachten nach Bruchtal, da wusste ich bereits, dass du im Besitz des Rings bist. Ich habe es gesehen, in meinen Träumen, in meinem Spiegelbild, in allem was ich tat, war der einzige Gedanke an den Ring und was für eine Macht er besitzt. Doch so wie ich es jetzt erlebte, hat er eine größere Macht als ich jemals zu Gedenken wagte. Ich weiß nicht woher du ihn hast, ich weiß nicht warum ausgerechnet du ihn hast, aber ich kann förmlich bis hierher spüren, dass er etwas in sich birgt, dass mich mit ihm verbindet…!" Feli lauschte den Worten Elronds und so unglaublich es ihr vorkam, sie glaubte seinen Worten, denn sie spürte, dass sie ernst gemeint waren und er nun alles aufdeckte, um jegliches Misstrauen und Angst ihrerseits auszumerzen. „Du trägst eine große Last… ähnlich wie der Eine Ring Saurons presst er sich auf deine Seele, das kann ich spüren. Deine Angst und Zweifel mir gegenüber waren berechtigt, ich wollte dir den Ring abnehmen, doch ich spüre auch dass der Ring nicht mein sein soll, sondern allein dein!" Hier stockte Elrond, blickte zu Feli herab, die noch immer beinahe am ganzen Leib bebte vor Angst und noch immer am Boden hockte. Langsam trat er einen Schritt näher auf sie zu. Dann fuhr er fort: „Wie ich bereits erwähnte, birgt er große Macht in sich, von denen du vermutlich noch nicht einmal etwas ahnst…!"

Elrond tat noch einen Schritt auf Feli zu und diese blinzelte erschrocken. Ihr Tränenstrom war versiegt aber die Angst wurde noch immer in ihr geschürt. Sofort presste sie sich noch dichter ans Bett heran, saß noch immer auf den Knien und zog die Beine noch näher zu sich heran. „Bleibt wo ihr seit, Herr Elrond! Kommt nicht näher!!" rief sie mit ängstlich bebender Stimme und zog den verbundenen Arm mit dem gesunden näher an ihren Körper heran.
Elrond stockte, war jetzt nur noch zwei Schritte von Feli entfernt und blickte nun aus unendlich traurigen Augen herab.
„Ich kann deine Angst verstehen und nachempfinden, doch glaube mir, ich will dir helfen deine Last und die große Macht zu meistern. Hier in Mittelerde gibt es viele Wesen, Völker, große Könige und böse Wesen, die alles für einen solchen Ring wie du ihn besitzt, geben würden, nur um ihn für ihre eigenen niederen Bedürfnisse auszunutzen. Ich habe einen Fehler gemacht, das weiß ich und es tut mir Leid…" jetzt streckte Elrond langsam seine offene Hand Feli entgegen und bot ihr so seine Hilfe an. „Ich möchte nicht, dass du mich als deinen Feind ansiehst, ich möchte dass du mich als deinen Helfer siehst. Als jemanden, mit viel Wissen, dass dir sehr nützlich sein kann." Jetzt begab sich Elrond sogar auf die Knie herab, hatte so beinahe die gleiche Größe wie die zusammengekauerte Feli in diesem Augenblick erreicht. Diese bebte nicht mehr vor Angst, spürte, dass die Worte nicht nur leere Hülsen waren, sondern aus seiner tiefsten Seele heraus sprachen. Seine Hand war noch immer Feli entgegen gestreckt, ganz ruhig und ohne Hast.

Feli blickte nun von dem unendlich ruhigen Gesicht von Elrond herüber zu seiner ausgestreckten Hand und wieder zurück zu seinen Augen. „Sagt mir nur, wieso hat der Ring dann nur so erbarmungslos nach ihnen gerufen, wenn er doch mein Ring sein soll? Ich spürte, wie der Ring nach ihnen rief und ich will nicht leugnen, was sie sagten über die Verbindung zwischen ihnen und dem Ring. Ich möchte ihnen so gerne vertrauen, aber sie haben es mir nicht gerade leicht gemacht Herr Elrond!" Sie starrte Elrond bei diesen Worten direkt in die Augen und dieser lächelte milde als er antwortete: „Ich vertraue dir doch auch. Mit der Macht des Rings könntest du ganz Bruchtal vernichten, das kann ich mit jeder Faser meines Körpers spüren, ohne den Ring überhaupt jemals gesehen zu haben. Vielleicht hat der Ring deshalb nach mir gerufen… doch ich will es nicht beschwören. Ich möchte dich um Vergebung bitten und dass wir noch einmal ganz von vorne beginnen. Mein Name ist Elrond, Earendils Sohn und noldorischer Abstammung und ihr Name lautet?" Jetzt endlich fasste Feli sich ein Herz, denn schließlich hatte Elrond recht mit dem was er sagte. Sie konnte mit dem Ring hier auch allerhand Schaden anrichten und trotzdem durfte sie hier bleiben, durfte sie weiterhin hier genesen.
Erst jetzt lächelte sie das erste Mal und legte ihre Hand in die von Elrond. „Angenehm, mein Name ist Feli und ich komme aus einer anderen Welt…!"

Langsam half Elrond Feli beim aufstehen. Schwindelig wurde ihr, ihr Blick verschwamm, ihre Augen tanzten wild umher, ehe sie sich endlich auf die Bettkante niedersetzte und erleichtert die angestaute Luft aus ihren Lungen entließ. „Danke…" murmelte sie kaum hörbar als die Elronds Hand wieder losließ und auf ihren Schoss herabstarrte.
„Schon gut… wartet einen Augenblick…!" war seine Antwort und er zog sich kurz zurück. Sie konnte aus den Augenwinkeln erkennen, dass er sich einen Stuhl nahm und ihn mit der nächsten Bewegung an ihr Bett heranstellte. Erst als er sich setzte blickte Feli auf. „Bitte… ich bin wirklich müde… lassen sie mich allein!" waren ihre Worte und Elrond nickte verständnisvoll.
„Keine Angst, ich werde gleich gehen, aber es ist ungesund für eine Verletzung wenn der Verband nicht regelmäßig gewechselt wird. Wenn ihr erlaubt, Fräulein Feli, dann werde ich ihn für euch wechseln." sagte er und nahm vom Nachttisch einen frischen, noch zusammengerollten Verband und eine kleine abgedeckte Schale mit anscheinend irgendeiner Medizin in ihrem inneren. Feli blickte auf ihren Arm herab, auf den Verband, der nun nicht nur rot schimmerte, sondern richtig dunkelrot angelaufen war was darauf schließen ließ, dass jetzt sämtliche Verletzungen aufgerissen waren. Was hatte sie für eine andere Wahl? Mit einer Hand konnte sie den Verband bestimmt nicht richtig wechseln… also nickte sie und streckte ihm den Arm entgegen … den dabei entstehenden Schmerz ließ sie durch einen Zischlaut zwischen ihre Zähne entweichen.
„Keine Angst, ich werde vorsichtig sein!" murmelte nun Elrond und Feli starrte auf ihren Verband herab in der Hoffnung, dass dieser Tag bald vorbei sein würde.

Es stimmte schon, Elrond war vorsichtig, jedoch war der Schmerz den Feli empfand als er ihr den Verband Stückchen für Stückchen abnahm beinahe unerträglich. Das Blut war bereits verkrustet und hatte sich mit dem Stoff des Verbands angefreundet. Blutrote Stellen kamen zum Vorschein – ebenso auch die Würgemale die von Elrond abstammten… Dieser nahm betreten den schmutzigen Verband beiseite und begann ihren Arm mit der heilenden Tinktur einzustreichen.
„Das wird die Schmerzen etwas lindern und die Wunde schneller heilen lassen!" erklärte Elrond, doch Feli wagte nicht aufzublicken und ihm in die Augen zu sehen. Stattdessen starrte sie auf ihren Arm, auf dem sich nun ein kribbeln wie von tausenden von Ameisen ausbreitete… jedoch beruhigte sie der wohltuende Geruch der Kräutertinktur und langsam schloss sie die Augen um ihn besser mit der Nase erschnuppern zu können.

Elrond lächelte bei diesem Anblick und raunte: „Ihr seit fürwahr das kräftigste Menschenmädchen, dass mir jemals begegnet ist. Als sie dich hier her brachten, dachte ich bereits, dass jede Hilfe zu spät käme, dein Herz hatte bereits aufgehört zu schlagen, doch spürte ich auch, dass der Kampf auf Leben und Tod noch in deinem Körper wutentbrannt tobte und du nicht sterben wolltest. Zwischen diesem wilden Kampf hindurch schlug dein Herz, zwar unregelmäßig, doch mit allerletzter Kraft und alles was ich über das Thaw-Asea wusste, habe ich dich zurückgeholt. Jeder andere wäre gestorben!" hier hielt er inne, holte den aufgewickelten Verband und begann damit den Arm zu verbinden als Feli aufblickte und Elrond, der auf den Verband fixiert war, in die Augen zu sehen als er fortfuhr „Vergiss das niemals…du hast mehr Kräfte in dir als du für möglich hältst. Ich muss es wissen, ich war dabei, als du deinen Todeskampf ausgefochten und gewonnen hast. Und noch etwas… es ist nicht der Ring gewesen der dich zurückgeholt hat. Das warst du ganz allein!" hier seufzte Elrond als Felis Arm bei einem flüchtigen Schmerz zuckte und er nach kurzem innehalten fortfuhr. „So langsam beginne ich zu begreifen warum der Ring dich ausgewählt hat… es hat schon alles einen Sinn, glaube mir und ich lebe schon so lange auf dieser Welt, habe so vieles gesehen, was eigentlich unmöglich schien und dennoch… immer wieder werde ich überrascht…!" Elrond verknotete nun nicht zu fest den Verband an beiden Enden und Feli blickte noch immer auf in sein Gesicht.
Die gesagten und gedachten Worte über die nicht bestehende Gastfreundlichkeit der Elben tat ihr Leid, sie waren Gastfreundlich, solange sie nicht mit irgendwelchen Ringen in Berührung kämen und es schien als sei nicht nur die Entschuldigung Elronds angebracht, sondern auch ihre eigene: „Herr Elrond, es tut mir Leid, was ich über die Elben und euch sagte. Auch ich war nicht nett gewesen!" Langsam zog sie nun ihren Arm zurück und schaute herab in ihren Schoss als sie sah wie Elronds Hand vorstreckte und ihre gesunde Hand ergriff. Langsam blickte Feli auf und blickte in das Gesicht von Elrond hinein. „Fräulein Feli, du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich habe doch schon gesagt, dein Misstrauen und deine Angst waren berechtigt und haben wir nicht eben noch mal ganz von vorne begonnen?" sagte er mit warmer Stimme. Feli konnte nicht anders als ihren Blick schweifen zu lassen und sachte zu nicken. „Ihr habt schon Recht, Herr Elrond, aber…!" begann sie doch hier wurde sie von ihm unterbrochen.
„Sagt nichts mehr… sondern ruh dich jetzt aus. Ich habe deine Zeit schon zur genüge gestohlen heute Abend und ich sehe in deinen Augen, dass du schlaf und Kräfte benötigst für den großen Rat morgen." Langsam ließ er ihre Hand los und erhob sich. „Wir werden schon einen Weg finden dich wieder in deine Welt zurück zu führen, jetzt jedoch schlaft in Ruhe und Frieden und ohne Angst…!" und mit diesen Worten verließ er das Zimmer und ließ eine unendlich erleichterte Feli allein zurück.