Ein Feind im Schatten
Klick.
Harry schreckte auf und saß von einer Sekunde zur anderen kerzengerade in seinem Bett. Unten musste jemand die Haustür zugemacht haben, und zwar so langsam und lautlos wie nur möglich, wie es schien.
Ob es einer der Weasleys gewesen war ?
Harry beschloss, sich vorsichtig nach unten zu schleichen und nachzusehen. Leise schlüpfte er in seine Hausschuhe, zog sich seinen Morgenmantel über und stieß die nur angelehnte Tür leise auf.
Er zögerte kurz, steckte jedoch dann seinen Zauberstab in die Tasche seines Morgenmantels, auch wenn er wusste, dass er ihn nicht sonderlich gern gebrauchen würde.
Auch Ron war inzwischen wach geworden und folgte Harry die Treppe hinunter.
„Das- das ist bestimmt nur Dad, weil er noch was im Ministerium zu tun hatte", flüsterte Ron. Anscheinend wollte er zuversichtlich klingen, doch seine Stimme klang eindeutig zitternd und angsterfüllt als aufmunternd.
Als sie unten ankamen, schnappte Ron entsetzt nach Luft und starrte auf die Person, die neben dem Esstisch stand, eingehüllt in einen dunklen, zerschlissenen Umhang und kaum erkennbar, da sie sich so gut wie möglich in den Schatten des Küchenschranks zu verdrücken versuchte.
Harry schluckte und versuchte etwas zu erkennen, doch es war unmöglich, denn die Nacht war rabenschwarz .
Doch glücklicherweise griff Ron nach einer Laterne und entzündete sie hektisch. Sofort leuchtete ein schwaches Licht auf und gab einen Teil der Küche zu erkennen, doch der Fremde hatte sich noch weiter in den Schatten zurückgezogen.
Harry blieb vor Ron auf der Treppe stehen und nahm tief Luft.
„Wer bist du?", fragte er mit einem leichtem Zittern in der Stimme.
Es schien, als wollte Ron etwas sagen, doch er brachte nur ein unterdrücktes Würgen hervor und blieb wie angewurzelt hinter ihm stehen.
Die Gestalt streckte seine Hand aus den Tiefen seines Umhangs hervor und hielt sie in die Lichtstrahlen, die der Mond durch das Küchenfenster warf.
Harry hielt vor Schreck die Luft an, denn nun wusste er, wer sich unter dem Umhang verbarg: An der Hand befanden sich nur vier Finger.
Wurmschwanz, Peter Pettigrew, der Knecht Voldemorts, stand in der Küche der Weasleys.
Konnte das möglich sein? Es konnte einfach nicht sein, dass Wurmschwanz hier auftauchte, hier im Fuchsbau. Den ganzen Sommer hatte Harry gehofft, für die nächsten Wochen nichts mit Voldemort und seinen Gefolgsleuten zu tun haben zu müssen. Doch nun stand er da, direkt vor ihm, Peter Pettigrew.
Nun trat er endlich aus dem Schatten hervor und blickte Harry an.
Seine wässrigen Augen leuchteten im Licht des Mondes, sein spärliches Haar glänzte silbrig, und sein Blick war angsterfüllter denn je.
Mit einem Mal sank er wimmernd auf die Knie und schlug die Hände über seinem Kopf zusammen.
Ron schien nicht gerade erleichtert zu wissen, wer in sein Zuhause eingebrochen war, doch er stellte sich nun neben Harry und blickte Wurmschwanz ungläubig an, der ungehalten schluchzte, während hin und wieder ein paar Tränen auf die Oberfläche des Fußbodens trafen.
Harry wusste nicht, was er tun sollte und sah Ron hilfesuchend an, doch der guckte noch immer wie vom Donner gerührt auf die erbärmliche Person auf dem Fußboden und versuchte, die Laterne nicht fallen zu lassen.
„Was willst du hier ?", fragte Harry mit fester Stimme und trat einen Schritt auf ihn zu.
Wurmschwanz hob den Kopf, schluchzte leise und hörte auf zu wimmern.
„Ich stehe in deiner Schuld", sagte er mit schwacher Stimme.
„Ich habe dich gefragt, was du hier willst", wiederholte Harry kühl.
„Ich weiß von deiner Güte und deinem Mut...", sagte Wurmschwanz und hob die Hände zu ihm hinauf.
„WAS HAST DU HIER ZU SUCHEN ?", brüllte Harry wütend und blickte ihn zornfunkelnd an.
„Du musst mir helfen", stieß er hervor und begann wieder zu wimmern, „der Dunkle Lord hat erfahren, dass ich in deiner Schuld stehe. Er will keinen Diener, der in Harry Potters Schuld steht und wollte mich für mein Vergehen umbringen, doch ich habe es geschafft zu entkommen. Seine Rache wird schlimmer als der Tod sein... „
„Woher wusstest du, wo ich bin?", fragte Harry bemüht ruhig, doch noch immer fühlten sich seine Eingeweide an, als wären sie verknotet und sich fest ineinander winden würden.
„Oh, der Dunkle Lord weiß viel, wenn nicht sogar alles, was vor sich geht", erwiderte Wurmschwanz leise, „und wenn man viel um ihn herum ist, erfährt man alles, was man wissen will."
„Und weshalb sollte ich dir helfen?", donnerte Harry, „ du bist schuld, dass ich keine Eltern mehr habe, du bist schuld, dass Sirius für einen Mörder gehalten wurde!"
Eine harte Stimme ertönte plötzlich hinter Harry und Ron.
„Ja, warum sollte er dir helfen? Es gibt nicht einen einzigen Grund dafür."
Es war Hermine. Sie trug einen hellrosanen Morgenmantel und hielt eine dicke Kerze in der Hand, während sie langsam die Treppe hinunterging.
„Du bist kein bisschen anders als es uns Sirius vor drei Jahren erzählt hat", sagte sie mit eiskalter Stimme und eisernem Blick, „einmal hat dich Harry gehen lassen, und was ist passiert? Du bist geflohen und hast ihn ein Jahr später gefesselt. Nur weil Harry dieses Mal gütig zu dir war, willst du gleich mehr davon. Oh nein, kein Dank oder eine Gegenleistung, nur noch mehr willst du haben. Doch deine Gier wird dir nicht immer weiterhelfen. Glaubst du wirklich, Harry wird dir helfen?"
Harry starrte Hermine an. Er hatte es bisher noch nie erlebt, dass sie so mit jemandem sprach. Ohne jegliche Zurückhaltung oder Höflichkeit, wie sie es sonst immer tat.
„Unverschämtes Gör", sagte Wurmschwanz mit plötzlich sehr fester Stimme, „was erlaubst du dir ? Nimm das sofort zurück !"
„Das werde ich nicht!", rief Hermine zornig, „denn es ist wahr!"
Nun zog Wurmschwanz mit wutverzerrter Miene seinen Zauberstab hervor und richtete ihn auf Hermine, die neben Ron stand.
„Dann fühle den Schmerz, den man fühlen muss, wenn eine kleine, vorlaute Hexe mich beleidigt! Crucio!", schrie er wutentbrannt.
„NEIIIIN!"
Harry wirbelte herum und sah, wie Ron sich auf dem Boden wälzte und vor Schmerz schrie. Hermine lag neben ihm auf dem Boden und starrte mit kreidebleichem Gesicht auf Ron.
Harry begriff: Ron musste sie zur Seite gestoßen haben, als Wurmschwanz sie angegriffen hatte.
„RON !", schrie Hermine mit panischer Stimme und sprang auf.
Kochend vor Wut drehte sie sich Wurmschwanz zu und richtete ebenfalls ihren Zauberstab auf ihn, den sie überraschend schnell aus ihrem Ärmel gezogen hatte.
„Expilliarmus! Impedimenta!", rief Hermine mit zornerfüllter Stimme und fing Wurmschwanz' Zauberstab auf, während er gegen den Küchenschrank prallte und ihm eine Menge Tassen und Teller auf den Kopf fielen, gefolgt von ein paar fluchenden Gabeln, packte ihn mit beiden Händen und zerbrach ihn mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte.
In diesem Moment hörte Ron auf zu schreien, blieb jedoch reglos am Boden liegen.
Hermine warf die Zauberstabreste Wurmschwanz zu Füßen und kniete sich zu Ron, der noch ganz benommen war.
Wurmschwanz blickte entsetzt auf die Überbleibsel seines Zaubertstabs und wollte Hermine packen, doch Harry stellte sich vor die beiden und zog seinen Zauberstab hervor.
„Scher dich weg", sagte er, „und seh selber, wie du klarkommst. Ich werde dir jedenfalls nicht helfen."
Als Wurmschwanz ihn weiterhin anstarrte und Anstalten machte, wieder zu wimmern und zu weinen, machte Harry einen weiteren Schritt auf ihn zu, sodass er ihn mit der Spitze seines Zauberstab berühren konnte.
„Ich rate dir, hau ab", sagte Harry, „ich habe nämlich einen Zauberstab, ganz im Gegensatz zu dir."
Wurmschwanz ging zur Tür, drehte sich jedoch um, als er schon die Klicke hinuntergedrückt hatte und ein kalter Luftzug in die Küche kroch.
„Vergiss jedoch nicht, Potter", flüsterte er mit heiserer Stimme, „ich stehe in deiner Schuld."
„Geh."
Wurmschwanz öffnete die Tür, glitt lautlos hindurch und verschwand schnell hinter einem kahlen Hügel, auf dem ein kahler Baum ruhte.
Harry wandte sich Ron und Hermine zu.
Er konnte nicht fassen, was passiert war: Wumschwanz war hier im Fuchsbau aufgetaucht und wollte, dass er ihm half, nachdem er seine Eltern verraten hatte.
„Hermine", sagte Harry langsam, als er sich gefasst hatte, „du hast außerhalb der Schule gezaubert!"
Hermine war weiß im Gesicht und die Tränen stiegen ihr in die Augen.
„Ich- weiß", schluchzte sie und warf sich Ron um den Hals.
Ron guckte etwas hilflos, ließ sie jedoch nicht los, sondern drückte sie fest an sich.
„Ich- ich konnte doch nicht zulassen, dass Wurmschwanz einfach so davonkommt, schließlich hat er Ron angegriffen", sagte sie mit zitternder Stimme.
„Eigentlich wollte er dich treffen", erwiderte Harry, „Ron hat dich aber weggestoßen und wurde deshalb getroffen- glaube ich jedenfalls. Wurmschnwanz hatte nicht beabsichtigt, ihn zu verletzen."
Hermine weitete die Augen, als würde ihr plötzlich klar werden, dass sie gegen die Regeln verstoßen hatte, obwohl sie sich sonst besonders streng an alle Regeln hielt und jeden tadelte, der auch nur daran dachte, irgendein Gesetz zu brechen.
Mit einem weiteren Schluchzer rannte sie die Treppe hoch und war im Schlafzimmer verschwunden.
Ron schaute ihr mit offenem Mund nach, als plötzlich noch jemand herunterkam.
Mrs Weasley, ebenfalls eine Laterne in der Hand haltend und in einen knallgelben Bademantel mit Blümchenmuster gehüllt, ging hastig auf sie zu.
„Was ist passiert? Ich habe Schreie gehört und dachte erst, ich träume, doch dann habe ich gemerkt, dass es von unten kommt", sagte sie besorgt, während sie Harry und Ron die Treppe hinaufschob.
Die beiden erzählten ihr, was sich ereignet hatte.
Mrs Weasleys Gesicht hatte während ihrer Erzählung von rot zu weiß gewechselt. Zuerst schien es, als hätte es ihr die Sprache verschlagen, doch dann legte sie los.
„Warum habt ihr nicht mich oder Arthur geholt? Wir waren nur ein paar Meter entfernt von euch ! Ihr hättet sterben können, dieser Mann ist ein gefährlicher Mörder, wer weiß, was er euch hätte antun können ! Dann hätte auch verhindert werden können, dass Hermine außerhalb der Schule zaubert ! Das ist sehr verantwortungslos von euch", schrie Mrs Weasley wütend. Die Lautstärke ihrer Stimme erinnerte Harry an die, welche sie in dem Heuler gebraucht hatte, als er und Ron in ihrem zweiten Jahr mit einem fliegenden Auto zur Schule gereist waren.
„Geht jetzt wieder ins Bett, aber dalli", sagte sie etwas ruhiger, „ ihr braucht jetzt dringend Schlaf und Erholung, besonders du, Ron. Ich bringe dir gleich etwas Medizin hoch. Und erzählt bloß Ginny nichts davon, vielleicht hat sie dann Angst..."
„Mum, Ginny ist kein Baby mehr", warf Ron ein, „sie ist nur ein Jahr jünger als ich, und, siehst du, ich habs auch überlebt."
Während er sprach, rieb er sich seinen Rücken, denn anscheinend hatte ihm der Zauberspruch dort am meisten zugesetzt.
„Du bist fast noch am Leben, mein Lieber", sagte Mrs Weasley in giftigem Ton, „und anscheinend hast du den Schmerz schon vergessen, der dir zugefügt wurde."
Plötzlich stiegen ihr die Tränen in die Augen.
„Ich will, dass meine Kinder ihr Zuhause immer als einen sicheren Ort ansehen können", sagte sie zitternd, „warum bin ich bloß nicht schneller hinuntergekommen?"
„Schon gut, Mrs Weasley, keiner hat vermutet, dass Peter Pettigrew hierher kommen würde", sagte Harry rasch, denn Mrs Weasley schien anzufangen, sich Vorwürfe zu machen, „ich hätte nicht einfach runtergehen dürfen,das war wirklich leichtsinnig von mir."
„Geht jetzt hoch und schlaft, das braucht ihr", sagte sie bemüht streng, doch sie warf Harry ein schwaches Lächeln zu „ich mache euch nur schnell einen Tee und bringe dann deine Medizin."
„Mum, ich brauche keine Medizin, mir geht es gut", rief Ron aufgebracht, „mir tut bloß der Rücken etwas weh... das ist alles."
„Das ist schon schlimm genug", erwiderte Mrs Weasley und kehrte den beiden den Rücken zu, um in die Küche zu gehen.
Ron zuckte mit den Achseln, und ging mit Harry ins Schlafzimmer zurück.
Nachdem Mrs Weasley Ron mit Kräutertee und Medizin versorgt hatte, lagen beide still in ihren Betten.
Ab und zu stöhnte Ron leise auf.
„Mann, dieser Crucio Fluch war schrecklich", stöhnte er, „ich habe noch nie solche Schmerzen gespürt. Hoffentlich muss ich sowas nie wieder erleben."
„Du hättest es nicht erleben müssen", erinnerte ihn Harry.
„Besser ich als ... ach, vergiss es", sagte Ron rasch, „gute Nacht."
„Gute Nacht", antwortete Harry.
Als er die Geschehnisse der letzten halben Stunden wie einen Film vor seinen geschlossenen Augen nocheinmal sah , fiel ihm ein, dass er in dieser Nacht sechzehn geworden war.
Am nächsten Morgen wachte Harry früh auf und wusste erst nicht, weshalb er sich so fröhlich fühlte, bis ihm einfiel, dass er heute Geburtstag hatte. Allein die Tatsache, dass er sich nicht bei den Dursleys befand, erfreute ihn.
Doch auch der Haufen von Geschenken, die vor seinem Bett lagen, hoben seine Laune um einiges.
Ron war inzwischen auch wach geworden und warf ihm sein Kissen auf den Hinterkopf, während Harry noch damit beschäftigt war, seinen Geschenkehaufen zu begutachten.
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Harry", sagte er fröhlich und sprang auf sein Bett, um nichts vom Auspacken zu verpassen.
Gerade nahm er sich ein in rotes Papier gewickeltes Geschenk, als jemand die Tür hereinkam. Hermine stand im Türrahmen, schon fertig angezogen und etwas kränklich aussehend.
„Alles Gute zum Geburstag", sagte sie fröhlich und setzte sich ebenfalls auf sein Bett.
Harry wusste, dass sie ihre Gelassenheit nur spielte, doch er sagte nichts.
Ron sah sie nicht einmal an, sondern betrachtete die Geschenke mit höchstem Interesse, als wären sie ein besonders spannender Film.
„Wie geht es dir, Hermine ?", fragte Harry behutsam.
„Ich habe lange darüber nachgedacht", sagte Hermine ruhig, plötzlich ohne jegliche gespielte Heiterkeit in der Stimme, doch sehr sicher, „und ich weiß jetzt, dass ich richtig gehandelt habe. Natürlich wird mir niemand glauben, wenn ich behaupte, dass ich Peter Pettigrew angegriffen hab, und ich werde sicherlich eine Verwarnung bekommen, aber ich denke, das war es wert... ich meine-" Hermine stockte und lief hellrosa an.
Ron starrte noch immer den Geschenkehaufen an und tat, als hätte er nicht zugehört, doch seine Ohren liefen knallrot an, sodass er sich verriet.
„Ich bin ganz deiner Meinung", sagte Harry und wandte sich dem Geschenk zu, als er abermals unterbrochen wurde.
Ginny war hereingekommen, gratulierte ihm ebenfalls und setzte sich vor die Geschenke, als wolle sie sie bewachen. Als sie Ron sah, gluckste sie.
„Ron, was ist denn mit dir los?, fragte sie grinsend, als sie zu ihm aufsah, „du hast ganz rote-"
„Nichts ist mit mir los. Halt die Klappe, Ginny", fügte er hinzu, als sie anfing zu kichern.
Harry fing Ginnys Blick auf und grinste, bevor er nun endlich das Papier von dem Geschenk riss.
Es war ein Riesenauswahl an Scherzartikeln von Fred und Georges Laden, die sie ihm geschickt hatten.
„Cool", sagte Harry und ließ seine Blicke über die verschiedensten Scherzartikel kreisen, unter denen auch ein Paar Langziehohren waren.
„Wie läuft der Laden denn so ?", fragte er Ginny, denn Ron war, wie es schien, noch immer unansprechbar.
„Gut", antwortete Ginny, nachdem sie ihr letztes Kichern vollendet hatte, „die Schüler rennen ihnen den Laden ein. Schließlich haben sie ihre Sachen in Hogwarts ganz schön bekannt gemacht. Sie haben auch einige echt gute, neue Sachen entwickelt."
Harry lächelte und war froh zu hören, dass der Laden gut lief. Schließlich wäre es ein wenig seine Schuld gewesen, wenn es nicht klappte, denn er hatte den Zwillingen das Geld für die Finanzierung des Geschäfts geschenkt und wenn Mrs Weasley hörte, dass Harry mit dem Geld ihren Söhnen womöglich Flausen in den Kopf gesetzt hatte, wäre sie danach sicher nicht gerade nett zu ihm.
Nun begann Harry, weiter seine Geschenke auszuwickeln. Von Hagrid bekam er einen Bündel Kräuter aus seinem Garten, die bei verschiedenen Krankheiten und Verletzungen schnell Abhilfe schaffen konnten, von Ron einen Pergamentblock, welcher Witze zu erzählen begann, wenn man etwas auf ihm schrieb,Tonks hatte ihm dazu passend einen grellpinken
( über die Farbe war Harry allerdings nicht besonders glücklich ) Füller, der den Block verstummen ließ, gekauft, Hermine hatte ihm ein großes gerahmtes Bild, auf dem Hogwarts zu sehen was, geschenkt. Dobby hatte ihm diesmal einen Schal zum Geschenk gemacht ( er war rot, mit einem Blümchenmuster kunstvoll dekoriert und hatte an seinen Enden jeweils drei dicke, moosgrüne Bommeln hängen ), von Lupin bekam er ein praktisches Handbuch über gefährliche Baumarten, und von Mrs Weasly bekam er eine Schachtel voll von selbstgemachten Nougatpralinen.
Als Harry alles ausgepackt hatte und der Boden mit Papier und Schleifen übersäht war, merkte er, dass ein Geschenk fehlte. Es war das von Sirius.
Während sein Blick auf einer gelben Schleife ruhte, er sie aber in Wahrheit gar nicht ansah, rauschten ihm Bilder der Geschenke, die er von Sirius bekommen hatte, durch den Kopf...
Der Feuerblitz und das Taschenmesser schienen auf ihn einzudringen, daneben das lachende Gesicht von Sirius im Feuer, dass ihn aufmunterte... Harry merkte, wie heiße Tränen in seine Augen stiegen... warum er.. er hatte es nicht verdient, warum gerade er... es war nicht gerecht...
„Gehen wir frühstücken ?", fragte Hermine munter, was Harry aus seiner Trance riss.
„J-ja", sagte Harry und stand auf.
Unten hatte Mrs Weasley ein reichhaltiges Frühstück vorbereitet. Speck, Eier, Toasts und anderes bedeckte den Tisch, über welchem an einer Schnur festgemacht bunte Buchstaben den Satz „Alles Gute zum Geburtstag, Harry" bildeten.
Harrys Laune hob sich bei diesem Anblick um einiges, und als Mrs Weasley ( sie war zwar immer noch ein wenig weiß im Gesicht, strahlte aber, als sie Harry sah ) ihn umarmte und ihm gratulierte, vergaß er für einen kurzen Moment seine Trauer über Sirius.
Nachdem sie ausgiebig gefrühstückt hatten und sich noch am Tisch vor ihren leeren Tellern unterhielten, fühlte sich Harry so fröhlich und leicht, wie sich jeder normale Junge an seinem Geburtstag fühlte– zum ersten Mal in seinem Leben hatte er für einen kurzen Moment das Gefühl, bei einer Familie zu sein, die fröhlich am Esstisch saß und keine größeren Sorgen hatte als die Befürchtung, dass das Toilettenpapier nicht bis zum nächsten Morgen reichen würde oder der Toaster nicht mehr repariert werden könnte.
Später kam auch Mr Weasley dazu, welcher sehr lang und tief geschlafen hatte; warum er gestern Abend jedoch so erschöpft gewesen war, erwähnte er nicht.
Als er von Mrs Weasley erfuhr, was sich gestern Nacht ereignet hatte, reagierte er nicht viel anders als Mrs Weasley: Zuerst knöpfte er sich Ron, dann auch Harry und Hermine vor, doch er schrie nicht so laut wie seine Frau – es war auch etwas Schuldbewusstes in seiner Stimme, weil er tief und fest geschlafen hatte, während Harry, Ron und Hermine in Lebensgefahr gewesen waren.
„Oooh, wenn du es nicht gehört hättest, Harry", fügte Mr. Weasley mit heiserer Stimme hinzu, nachdem er sich beruhigt hatte, „wer weiß, was er noch alles hätte anstellen können."
Plötzlich lächelte Mr.Weasley Harry an, drehte sich dann zur Seite und starrte aus dem Küchenfenster.
„Du hast schon vielen Leuten den Hals gerettet", sagte er nachdenklich und so leise, dass nur Harry es hören konnte, doch er schien mit sich selbst zu sprechen, „jaaah, Dumbledore hat recht, du könntest es packen... würde mich nicht wundern..."
„Was könnte ich packen?", fragte Harry neugierig und war sich ziemlich sicher, dass er damit nicht seinen Koffer meinte.
„Wie ?", sagte Mr. Weasley verwirrt und schreckte auf, als würde er jetzt erst bemerken, dass Harry neben ihm war, „oh, nichts, gar nichts, Harry, ich habe nur nachgedacht."
Er hob die Brauen und sah ihn eindringlich an , doch Mr. Weasley wandte sich nun seinem Toast zu und tat, als hätte er nichts gesagt.
Harry wurde nun etwas mulmig zumute: Was, wenn schon wieder irgendetwas mit ihm nicht stimmte ? War er von Voldemort besessen oder verfolgte ihn jemand ? War irgendetwas neues Geheimnisvolles an ihm entdeckt worden, und alle hielten ihn für verrückt ?
Nach dem Frühstück gingen sie hinaus auf ein großes Feld hinter dem Haus der Weasleys und spielten eine Partie Qudditch; sogar Hermine bestieg vorsichtig Georges alten Besen und stieß sich ab, jedoch nicht ohne sich das Buch „Der große Quidditchratgeber- wertvolle Tipps, damit Sie am Besen bleiben" aufgeschlagen auf den Schoß zu legen.
Harry genoss es, wieder in der Luft auf einem Besen zu sein – er spürte, wie ein Gefühl unbegrenzter Freiheit in ihm aufkam, wie ihm der Wind die Haare aus dem Gesicht wehte und er sich fühlte, als wäre er gerade nach Hause zurückgekehrt.
Zuerst drehte er ein paar Runden über dem Feld, doch er passte auf, nicht zu hoch zu fliegen, denn „diese Muggel haben ihre Glubschaugen einfach überall", wie Mrs Weasley zu fluchen pflegte.
Während Ron ins Haus ging um ein paar Bälle zu holen, hatte es Hermine nicht gerade leicht. Sie hatte gerade bemerkt, dass sie völlig falsch auf dem Besen saß, nachdem sie das erste Kapitel samt Titel überflogen hatte ( „Die richtige Haltung – der wichtigste Begleiter eines Spielers, der nicht mit gebrochenen oder zersplitterten Knochen am Boden liegen will" ).
Nun mühte sie sich vergebens damit ab, sich richtig hinzusetzen und dabei das Buch nicht herunterfallen zu lassen, denn sie war schon einige Meter vom Boden entfernt, doch wie sich an ihrem Stöhnen erkennen ließ, schien es nicht zu funktionieren.
Harry eilte ihr zur Hilfe, nahm ihr ersteinmal das Buch aus den Händen und gab ihr einige nützliche Ratschläge, wie man sich auf einem Besen halten konnte.
Nach einigen Minuten geduldiger Arbeit schaffte es Hermine, sich richtig hinzusetzen und ein paar Runden über das Feld zu fliegen, wobei sie immer wieder mit ängstlichen Blicken nach unten schaute und schluckte.
Harry hatte das Buch sorgsam auf den Küchentisch gelegt, denn obwohl es auf seinem Einband die beste Hilfe für Anfänger versprach, behinderte es Hermine eher als ihr zu helfen.
Gerade als er sich umwandte um die Küche zu verlassen, kam Ron mit drei alten, zerrissenen Bällen in den Armen auf ihn zu. Harry nahm ihm den größten ab und gemeinsam schlenderten sie auf das Feld zu Hermine, die nun schon etwas sicherer flog und immerhin ein paar laut brummende Hummeln überholte.
„Gut, Hermine!", rief Harry anerkennend zu ihr hinauf, „du wirst immer besser. Versuch jetzt mal, die Flugrichtung in kurzen Abständen zu ändern, ab zu ein paar Schlenker zu machen und dich nicht am Besen festzuklammern, als wärst du hundert Meter vom Boden entfernt, komm schon."
„Leichter gesagt als getan!", stieß Hermine ängstlich hervor, als sie versuchte, sich gerade zu halten.
