Aufruhen
Nachdem Harry eine große Portion Blumenkohlsuppe und eine Schüssel Grießbrei mit heißer Heidelbeersauce verspeist hatte, ging er zusammen mit Ron und Hermine hinauf in die Eulerei, lieh sich Hermines Fasanenfeder und holte ein Stück Pergament aus seiner Tasche hervor. Behutsam tauchte er die Feder in ein Tintenfass und setzte zum Schreiben an... langsam wurde der Tintenfleck immer größer und größer... es war weitaus schwieriger das Problem zu schildern als Harry gedacht hatte, doch schließlich fand er einen Ansatz, nachdem ihn Hermine eindringlich darauf hingewiesen hatte, dass er den Brief beendet haben sollte, bevor Yuri von ihrer letzten ZAG-Prüfung zurückkam.
Liebe Mrs Figg,
es tut mir leid, dass ich Ihnen erst jetzt schreibe, aber erst gestern Abend ist mein Freund Ron darauf gekommen, wen Sie gespürt haben könnten.
Harry hielt inne. Wie viel sollte er ihr erzählen ? Nicht einmal Ron und Hermine wussten, dass Yuri die Tochte von Fudge war, und er hatte ihr versprochen, es niemandem zu sagen. Ja, er hatte es ihr versprochen...
Dieses Jahr ist eine neue Schülerin nach Hogwarts gekommen. Ihr Name ist Yuri und wenn hier in Hogwarts jemand außer Dumbledore jeden Zauberspruch beherrscht, dann sie. Yuri schafft den Firmatezauber und Avada Kedavra Fluch, und auch sonst ist sie in allem die beste. Ansonsten ist eigentlich nichts Merkwürdiges an ihr.
Von wegen nichts Merkwürdiges, dachte Harry und stieß einen schuldbewussten, jedoch kaum hörbaren Seufzer aus.
Bis bald,
Harry
„Nichts Merkwürdiges ?", zitierte Hermine mit hoch gezogenen Brauen aus Harrys Brief, nachdem sie ihn überflogen hatte. „Meinst du nicht, du untertreibst ein bisschen ?", fügte sie hinzu. „Obwohl, dieser Brief ist ohnehin Pergamentverschwendung, von daher-"
„Hey, ist da hinten sitzt Fawkes !", rief Ron plötzlich und deutete auf den rotgoldenen Phönix, der sie mit einem gutmütigen Gesichtsausdruck ansah. „Jetzt fragt mich bloß nicht, wie das Ding hierhin gekommen ist..."
Langsam ging Harry auf ihn zu und stellte überrascht fest, dass er keinen Widerstand leistete oder auch nur mit der Wimper zuckte, als er ihm vorsichtig das Pergament am Bein festband. Hedwig warf Fawkes argwöhnische Blicke zu, als ob er ihr etwas genommen hätte, dass eigentlich ihr gehörte.
„Ähm- bring das zu Mrs Figg, in Ordnung ?", sagte Harry. Sofort spannte der Phönix seine mächtigen Flügel und rauschte geräuschlos aus dem Fenster.
„Ziemlich groß, was ?", meinte Ron, der die ganze Zeit hinüber einen respektvollen Abstand zu Fawkes gehalten hatte, genau wie Hermine.
„Aber er ist wunderschön, das kann man nicht bestreiten", ergänzte Hermine und spähte aus dem Turmfenster, anscheinend, um noch einen Blick auf ihn zu erhaschen, doch er war bereits verschwunden.
„Ihr seid also auch hier", ertönte eine verträumte Stimme hinter ihnen. Luna Lovegood trat zu ihnen herüber, ein leeres Pergament in der Hand. Ihre Glubschaugen ruhten einige Zeit auf Harry, Ron und Hermine, dann schien sie wieder ins Leere zu starren.
„Wie geht es dir, Harry ?", wollte sie wissen.
„Ähm- gut, danke", antwortete Harry.
„Dann bist du also darüber hinweggekommen", schloss sie und zog eine Feder hervor. „Mein Vater lässt fragen, ob du nochmal ein Interview für den Klitterer machen würdest", fügte sie ohne Umschweife hinzu. „Jetzt, wo Cornelius Fudge endlich eingesehen hat, dass Du-weißt-schon-wer zurück ist, wollen sicher eine Menge Leute hören, inwiefern du unterdrückt wurdest."
„Ähm-", sagte Harry und schaute hilfesuchend zu Hermine herüber, die ihm ermunternd zunickte. „Okay."
„Sehr schön", antwortete Luna milde lächelnd und kritzelte etwas auf das Pergament. „Nun denn, wir sehen uns."
„Jetzt kannst du es Fudge richtig heimzahlen", sagte Ron genüsslich, als sie am Ende der Treppe zur Eulerei angekommen waren.
„Natürlich wird Harry das nicht tun", warf Hermine empört ein, „schließlich müssen nun alle zusammen gegen Voldemort arbeiten, Gemeinschaft ist nun wichtiger denn je! Du weißt doch, was Dumbledore gesagt hat, wir sind so stark, wie wir-"
„Weißt du was, Hermine ?", sagte Ron gehässig. „Du könntest glatt Percys Nachfolgerin werden und in der Abteilung für Internationale Magische Zusammenarbeit anfangen. Dann wirst du vielleicht zur Abteilungsleiterin befördert und kannst ein Gesetz zum Schutz der blöden Hauselfen durchsetzen."
„Nur weil ich nicht will, dass Harry Fudge in der Öffentlichkeit blamiert, heißt das noch lange nicht, dass ich gut finde, was er getan hat", fauchte Hermine, „das ist etwas ganz anderes."
„So ?", fauchte Ron zurück, „warum sollte Harry ihm nicht zurückgeben, was er verdient ?"
„Hört auf, ihr beide", meldete sich Harry rasch zu Wort, da er keine Lust auf eine weitere Zankerei zwischen Ron und Hermine hatte. „Ich werde dieses Interview einfach auf mich zukommen lassen, vielleicht wird Fudge ja gar nicht direkt erwähnt."
„Gut so, Harry", stimmte ihm Hermine immer noch mürrisch zu, „ich muss jetzt zu Muggelkunde. Bis dann."
Ron zog eine Grimasse und wandte sich ab.
Als die beiden vor dem Klassenzimmer für Wahrsagen angekommen waren, hörten sie plötzlich rasche Schritte hinter sich und sie drehten sich um. Yuri kam ihnen erleichtert wirkend entgegen. Sie hatte eine schneeweiße Feder hinter dem linken Ohr klemmen und rieb sich ihre Hand, anscheinend hatte sie ein wenig zu hastig geschrieben. Harry spürte, wie ihm mit einem Mal ein Kloß im Hals steckte. Was dachte sie jetzt über ihm, da ihr Hermine alles über ihn erzählt hatte ? Hielt sie ihn nun für verrückt ?
„Hallo", begrüßte Ron sie etwas tonlos.
„Ist alles vorbei ?", fragte Harry.
„Ja, heute waren die letzten ZAG-Prüfungen, Kräuterkunde und Geschichte der Zauberei", antwortete Yuri ausgelassen. „Ich bin wirklich froh, dass ich es hinter mir hab."
„Du ähm - hast da was hinter deinem Ohr", bemerkte Harry und deutete kurz auf die noch vor Tinte triefende Feder.
„Oh", sagte Yuri, langte zu der Feder und ließ sie in einer Tasche ihres Umhangs verschwinden. „Danke. Ich hätte es wahrscheinlich bis heute Abend nicht bemerkt."
„Ähm – Hermine hat dir das mit der Narbe erklärt, oder ?" Harry war froh, dass er die Frage endlich ausgesprochen hatte, die ihm auf der Zunge gelegen hatte.
„Ja", bestätigte ihm Yuri nickend. Harry starrte sie an – er hatte mehr erwartet als ein „ja".
„Und ?", drängte Harry, als hätte Yuri nur eine Pause eingelegt.
„Was und ?", fragte sie zurück.
„Alsoähm...", fing Harry ratlos an.
„Hälst du ihn jetzt für verrückt oder sowas ?", wollte Ron wissen.
„Nein, natürlich nicht", entgegnete sie, fast empört klingend, dass Ron so etwas vermutete, „was er getan hat, ist unvergleichlich. Aber ich glaube, das brauche ich dir nicht zu sagen, Harry, das weiß jeder. Und du weißt am besten, was dazugehört hat, um die Dinge zu tun, die du vollbracht hast."
„Auf jeden Fall eine ganze Menge Mut", sagte Ron gelassen.
„Ich glaube, noch viel, viel mehr als nur Mut", ergänzte Yuri nachdenklich.
„Und was bitte ?", fragte Ron, als ob ihre Bemerkung unverschämt gewesen wäre.
„Da musst du Harry fragen", entgegnete sie und nickte zu ihm herüber. „Oh, wir müssen in den Klassenraum..."
Ron sah recht verstört aus, als er sich neben Harry auf ein weiches Stück Moos niederließ, doch Harry wusste, dass Yuri jenes unbeschreibliche Gefühl meinte, das ihm das Leben gerettet hatte. War es wirklich Mut gewesen ? Oder was es vielmehr die Angst zu sterben, die ihn am Leben gehalten hatte ? Oder war es etwas ganz anderes ? Diese Überlegungen verwirrten ihn so sehr, dass er zuerst kaum wahrnahm, wie Firenze ihnen anhand der Sterne vage die Zukunft der Welt voraussagte.
„... wir befinden uns am Anfang eines Krieges, Schüler", erklärte er ihnen, „seht, wie der Mars steht, dann könnt ihr es auch erkennen. Leider ist nicht voraussehbar, wie er ausgehen wird, denn die Geheimnisse des Universums sind so unergründlich wie der Unterschied zwischen Gut und Böse, sodass man das Ende selbst nicht festlegen könnte, wenn es am Himmel geschrieben steht. In diesem Punkt wissen selbst wir Zentauren nicht weiter. Die Menschen mögen differenzieren zwischen dem was recht, und zwischen dem was schlecht ist, doch es ist nur eine Illusion dessen, was sie sich als kategorischen Imperativ aufgestellt haben..."
Nach einiger Zeit gab es Harry endgültig auf, Firenzes Vortrag weiter zu lauschen, denn sein Gehirn schien sich von alleine abgestellt zu haben.
„Himmel, bin ich aufgeregt", sagte Hermine beim Abendessen, die in höchst aufgekratzter Stimmung zu sein schien und dreimal ihr Kartoffelstück aufgabeln musste, bis es ihr endlich gelang, es ohne Zwischenfälle in ihren Mund zu bugsieren. „Stellt euch vor, in zwei Tagen beginnen die UTZ-Kurse! Und nach den UTZ-Kursen kommen die UTZ-Prüfungen, und falls ich die schaffe, muss ich Hogwarts verlassen! Für immer, versteht ihr? Irgendwie glaube ich, ich werde diese Schule schrecklich vermissen. Denkt nur mal an das gute Essen, die ausgezeichnet sortierte Bibliothek und die gemütlichen Gemeinschaftsräume. Und was ist, wenn ich keinen Job finde ?"
Harry und Ron, die das Thema nicht annähernd so spannend fanden wie Hermine, aßen still vor sich hin. Doch jetzt, wenn er es recht bedachte, musste auch Harry sich eingestehen, dass er sich nicht auf den Tag freute, an dem er Hogwarts endgültig verlassen sollte. Denn, wie Hermine schon gesagt hatte, es war für immer. Dieser Gedanke verdarb Harry den Appetit auf seinen Kartoffelauflauf, deswegen nahm er einen kräftigen Schluck Kürbissaft, um seinen Kloß im Hals hinunterzuspülen.
„Nun mal halblang, Hermine", sagte Ron und reichte ihr eine Schüssel mit Fleischbällchen, „gerade du wirst einen Job finden, mit den Noten reißen sich sicher alle um dich. Ganz davon abgesehen, was willst du eigentlich machen ?"
„Na ja, ich dachte, die Idee, B.ELFE:R weiterzuentwickeln, wäre vielleicht mal gar nicht so schlecht", antwortete Hermine bemüht beiläufig.
„Was ?", japste Ron und verschluckte sich an einem Stück Hackfleisch.
„Nun ja, die Hüte scheinen jedenfalls gut anzukommen", meinte Hermine strahlend, „sie sind alle weg, wenn ich am Morgen nachschauen gehe."
Harry schluckte. Hermine wusste nicht, dass Dobby sich bisher jeden ihrer Hüte aufgesetzt hatte und kein anderer Hauself etwas von ihnen wissen wollte, denn bisher hatte er es nicht übers Herz gebracht, es ihr zu sagen...
„Hör mal, Hermine", begann Harry behutsam, „ich weiß, du nimmst die ganze Sache ziemlich ernst und gibst dir viel Mühe, aber..."
„Was denn ?", drängte Hermine.
„Ähm, tja, also... sicher hast du dich schon gefragt, wer deine ganzen Hüte trägt, oder ?", fuhr er zaghaft fort.
„Ich denke mal, die Hauselfen, oder nicht ?"
„Äh – nein, die machen alle einen großen Bogen darum", entgegnete Harry so vorsichtig, als ob in jeder Sekunde eine Bombe hochgehen könnte, wenn er zu direkt war.
„Woher willst du das wissen ?", fragte sie mit einem Anflug von Schärfe, wobei ihre Augen gefährlich blitzten.
„Von Dobby, er hat's mir erzählt, weil er nämlich jeden von deinen Hüten einsammelt und trägt, da sie kein Hauself sonst haben will." Harry hatte sehr schnell gesprochen und sah nun zu Hermine auf, die wie erstarrt schien. Ron biss auf seine Unterlippe und gab keinen Mucks von sich.
Hermine sah aus, als hätte ihr jemand eine saftige Ohrfeige verpasst. Wie gelähmt starrte sie auf den Rand des Tisches und stand langsam auf.
„Ich... ich", stammelte sie. Harry sah mit einem Anflug von Schuldbewusstsein und Mitleid, dass Tränen in ihren Augen aufstiegen. „War wohl 'ne dumme Idee von mir zu denken, ich könnte ihnen helfen...", fuhr sie mit zitternder Stimme fort, brach dann abrupt ab und rannte aus der Großen Halle, die Hände über das Gesicht gelegt.
Harry und Ron starrten sich perplex an, bis sich Ginny zu ihnen setzte und seufzend mit der Zunge schnalzte.
„Was ist denn jetzt schon wieder ?", fuhr Ron sie an.
„Das war wirklich etwas taktlos von dir, Harry", sagte Ginny vorwurfsvoll, ohne Ron die geringste Beachtung zu schenken.
„Was ? Es ist doch besser, wenn sie jetzt erfährt, dass diese ganze Aktion nichts bringt,als wenn sie diesen Mist zu ihrem Beruf machen will und es dann auf die harte Tour sehen muss", sagte Harry zu seiner Verteidigung, auch wenn er nicht gewollt hatte, dass Hermine deswegen Tränen vergoss.
„Hermine hätte das nie wirklich zu ihrem Beruf gemacht", widersprach sie ungeduldig, „sie hat sich eben für diese Sache begeistert und im Laufe der Zeit hätte sie selbst herausgefunden, dass der Wille der Versklavung in der Natur der Hauselfen liegt. Dumm ist sie nicht."
„Ach was ?", brummte Harry. „Trotzdem braucht man deswegen nicht gleich zu heulen,
oder ?"
„Normalerweise nicht", stimmte Ginny zu, „aber wie schon gesagt, im Moment muss Hermine wirklich eine ganze Menge gefühlsmäßige Spannungen ertragen und es ist nicht einfach für sie, damit klarzukommen."
„Was für Spannungen denn bitte ?", fragte Ron verdutzt. „Meinst du die UTZ-Kurse oder
was ? Das kann ja wohl nicht dein Ernst sein."
„Nö, meine ich nicht", entgenete Ginny gelassen. „Nun ja, nicht direkt..."
„Also ?", hakte Ron nach.
„Nun, zuersteinmal liegt ein großer Leistungsdruck auf ihr, weil ihre Eltern wollen, dass sie ihren Abschluss so gut wie möglich macht", erklärte ihnen Ginny, „ihr wisst ja, es sind Zahnärzte, also müssen sie einen ziemlich guten Abschluss gehabt haben. Zweitens hat sie Schwierigkeiten damit, sich für eine Welt zu entscheiden, in der sie leben möchte, in der der Zauberer oder Muggel eben. Ja, sie macht sich im Moment so furchtbar viele Gedanken um ihre Zukunft... tja, und das dritte Problem darf ich euch nicht sagen", fügte sie nicht ohne eine gewisse Hochmütigkeit hinzu, die Ron zur Weißglut trieb.
„Wieso wussten wir eigentlich bisher noch nichts davon ?", fragte Ron mit beleidigter Stimme.
„Weil Hermine nett ist", erwiderte Ginny.
„Wie bitte ?"
„Sie wollte euch nicht zusätzlich mit ihren Sorgen belasten, deshalb sagt sie euch nichts", erkärte Ginny.
„Und das, wobei wir angeblich ihre Freunde sind", murmelte Ron verdrießlich.
„Tja, sie hat sich einem Mädchen anvertraut", sagte Ginny achselzuckend und ging davon.
„Wie wär's, wenn wir uns einen Vielsafttrank brauen, uns in Ginny und Yuri oder so verwandeln und alles aus Hermine rausquetschen ?", schlug Ron nicht sichtlich überzeugt vor.
„Ohne Hermine schaffen wir das nie", sagte Harry, „der Trank ist viel zu kompliziert. Ich denke, es ist am besten, wenn ich mich vor der Nachhilfe mit McGonagall bei ihr entschuldige."
Harry fand Hermine allein in einer Ecke des Gemeinschaftsraumes hinter einem gefährlich wankenden Stapel Bücher arbeiten. Als er sich auf einen Stuhl neben ihr fallen ließ, regte sie sich nicht.
„Hör mal", sagte er leise, „ich wollte nicht, dass du wegen diesem Belfer-Kram weinst. Ich dachte nur, es wäre blöd, wenn du deine Kraft in eine Sache reinsteckst, die es nicht wert ist."
„Ich meine", fügte Harry hastig hinzu, als ihn Hermine empört ansah, „eine Sache, die zwar gut gemeint ist, aber nichts bewirken kann, weil es einfach in der Natur der Hauselfen liegt, das Arbeiten zu mögen."
Pünktlich um acht Uhr klopfte Harry an der Tür des Klassenzimmers für Verwandlung, und sofort ertönte ein forsches „Kommen Sie herein" aus seinem Inneren.
Professor McGonagall saß über einen Stapel Pergamentrollen gebeugt am Pult und blickte ihn über den Rand ihrer quadratförmigen Brille hinweg scharf an. „Setzen Sie sich."
Langsam ließ sich Harry auf einen Stuhl vor ihr sinken, nicht ohne sie aus den Augen zu verlieren.
„Ich erwarte, dass Sie sich für diese Nachhilfestunden genauso bemühen wie um die regulären Unterrichtsfächer", verkündete sie ihm ohne Umschweife und ordnete den Pergamentstapel mit einem heftigen Schlag auf den Tisch. „Verstehen wir uns ?"
„Ja", antwortete Harry knapp und versuchte, ihrem strengen Blick standzuhalten.
„Es ist notwendig, dass Sie in Zaubertränke ein O erreichen, Potter", fuhr sie fort, „und falls ich registrieren muss, dass Sie nicht das nötige Engagement für dieses Ziel zeigen, bin ich gezwungen, diese Stunden nicht länger zu halten."
„In Ordnung", erwiderte Harry mit zusammengebissenen Zähnen.
Zu Anfang ließ ihn Professor McGonagall einen einfachen Schlaftrank brauen, den sie an einer Fliege auf seine Wirksamkeit testen wollte.
Beim Brauen bemerkte Harry, dass es ihm eigentlich recht leicht fiel, einen Zaubertrank herzustellen, wenn Snape nicht hinter seinem Rücken herumschlich und er nicht Malfoys Sticheleien über sich ergehen lassen musste. Gelegentlich lehnte sich Professor McGonagall über den brodelnden Kessel und begutachtete seinen Trank.
Nachdem sie die Fliege mit dem Trank dazu gebracht hatte, in einen tiefen Schlaf zu versinken, drückte sie Harry die kleine Flasche mit einem recht zufrieden wirkenden Gesichtsausdruck zurück und knallte ein alt wirkendes Buch auf seinen Tisch.
„Wenn Sie dem Orden helfen wollen, dann schlagen Sie Seite vierundneunzig auf und zeigen Sie mir, was Sie wirklich können", befahl Professor McGonagall und holte einen neuen Stapel Pergamentrollen hervor, die sie anfing mit einer knallroten Feder zu korrigieren, wobei sie unentwegt die Feder über das Pergament kratzen ließ, als ob sie jedes Wort durchstreichen würde.
Harry hielt für einen kurzen Moment die Luft an und stieß dann einen überraschten Schrei aus, als er den Buchtitel las: Höchst potente Zaubertränke.
„Sie kennen das Buch bereits, Potter ?", fragte Professor McGonagall scharf und musterte ihn mit hoch gezogenen Brauen.
„Her- Hermine hatte es mal als Hintergrundlektüre ausgeliehen", nuschelte er, doch als er Seite vierundneunzig aufgeschlagen hatte, musste ihm die Verblüffung im Gesicht gestanden haben. Der Vielsafttrank.
„Hat Ihnen Professor Snape bereits gelehrt, wie man den Vielsafttrank herstellt ?", wollte Professor McGonagall mit vorwurfsvollem Unterton in der Stimme wissen.
„Nein, Professor", antwortete Harry rasch.
„Meinen Sie, den Trank zu schaffen ?", fragte sie weiter.
„Jetzt ?", rief Harry und versuchte, nicht allzu empört zu klingen, „aber dafür braucht man doch einen ganzen Monat !"
„Verwunderlich, wie Sie es in dieser kurzen Zeit geschafft haben, das Rezept vollständig zu lesen", knurrte Professor McGonagall und ihre Nasenflügel bebten. „Sind Sie sich sicher, dass Sie den Trank nicht möglicherweise schon einmal gebraut haben ?"
„J-ja", sagte Harry wahrehitsgemäß, doch er wusste, dass er schuldbewusst aussehen musste, obwohl es Hermine gewesen war, die den Trank hergestellt hatte. Vorsorglich beugte er sich tief über das verstaubte Buch, so tief sogar, dass er die feinen Strukturen des Pergaments sehen konnte und die winzig kleinen braunen Punkte, die über die Seite verteilt waren. Er war froh, dass ihm Professor McGonagall bis zum Ende der Nachhilfe keine Fragen mehr stellte.
Als Harry um viertel nach zehn in den Schlafsaal der Jungen schlenderte, lag Ron noch komplett angezogen in seinem Bett und war in Fliegen mit den Cannons vertieft, das er sich von Harry ausgeliehen hatte. Doch er bemerkte, dass Rons Augen sich nicht bewegten.
„Wie war's bei der McGonagall ?", brummte er als Begrüßung.
„Hätte schlimmer sein können", sagte Harry. „Was ist los ?"
„Ich hab eben mit Hermine gesprochen", begann Ron düster.
„Und ?"
„Haben uns gestritten", nuschelte Ron knapp und verdeckte sein Gesicht mit dem Buch, sodass Harry nur noch einen spektakulären Schnatzfang anblickte.
„Warum das denn ?", hakte Harry nach.
„Na ja", begann Ron ein wenig widerwillig, „ich hab sie gefragt, was denn nun diese Sache ist, von der uns Ginny nichts verraten will, und dann – ähm – wie soll man sagen – ist das Ganze ein wenig aus der Bahn geraten-"
„Ich verstehe schon", seufzte Harry, wobei er begann, seinen Pyjama anzuziehen. „Du hättest sie wahrscheinlich damit in Ruhe lassen sollen, bis sie es von alleine erzäht hätte."
„Das würde Hermine nie und nimmer tun", widersprach Ron, gab den Versuch auf so zu tun, als würde er lesen, zog seine Decke zu sich hoch und legte sich auf die Seite.
Erst sehr viel später hörte Harry sein gleichmäßges Atmen, das meist vermuten ließ, dass Ron eingeschlafen war.
Am nächsten Morgen stand Harry früh auf und schlich sich hinunter, um noch vor Ron in der Großen Halle zu sein und mit Hermine sprechen zu können. Er war sich sicher, dass sie gekränkt schweigen würde, wenn Ron mitkäme. Zwar wäre ihm das lieber gewesen, aber er hatte genug davon, nicht mehr zu wissen, was in Hermine gefahren war.
Tatsächlich saß Hermine bereits am Frühstückstisch vor einer dampfenden Tasse Tee, die Nase im Tagespropheten vergraben. Als sich Harry ihr gegenüber niederließ, hielt sie sich die Zeitung nur noch näher vor die Augen.
„Hermine ?", fragte er unsicher.
„Oh, Harry, du bist's", sagte Hermine erschreckt und ließ die Seite sinken, hielt sie ihm aber sofort unter die Nase. „Sie dir das an."
„Was denn ?"
„Na, da", entgegnete Hermine ungeduldig und deutete auf einen kleinen Artikel recht unten auf der Titelseite. „Ist doch nicht zu übersehen."
„Entschuldige, dass ich nichts erkenne, wenn du es mir direkt vor die Augen hälst", bemerkte Harry sarkastisch, beugte sich aber über den Artikel und begann zu lesen:
STREIT IM MINISTERIUM – ABTEILUNGSLEITERIN FÜR MAGISCHE SICHERHEIT KRITISIERT FUDGE
London. Die Abteilungsleiterin für Magische Sicherheit, Amelie Bones, ebenfalls geschätztes Mitglied im Zaubergamot und Trägerin des Ordens der Merlin dritter Klasse, kritisierte gestern Nachmittag Zaubereiminister Cornelius Fuge wegen der Führungsweise seines Amts. „Mr. Fudge kannte die Gefahr, dass Sie-wissen-schon-wer zurückgekehrt war, schon einige Zeit früher, als er sich öffentlich dazu bekannt hat. Dieses Verhalten zeigt, dass Mr. Fudge nicht in der Lage ist, auch weniger positiven Tatsachen ins Auge zu blicken, die vor allem sein ruhiges Leben in Gefahr bringen könnten, geschweige denn seiner Karriere als Zaubereiminister", so Mrs. Bones vergangenen Tages im Magischen Versammlungsrat und erhielt damit von einigen Seiten zustimmendes Nicken, von anderen erschreckte Gesicher, von ein paar wüste Beschimpfungen, dass sie „wohl heute Nacht von einem wildgewordenen Yeti gebissen worden und nicht ganz bei Verstand sei". Zu fragen bleibt jedoch: Wusste unser Minister wirklich früher von dieser erschreckenden Botschaft als er behauptet ? Er jedenfalls dementiert diese Anschuldigung. „Mrs Bones weiß selbst sehr genau, dass ich nie etwas tun würde, dass der Zauberergesellschaft schadet", war dessen Stellungnahme nach der Sitzung dazu.
Mit einem unangenehmen Ziehen im Magen dachte Harry daran, was wohl Yuri dazu sagen würde, wenn sie den Artikel in die Hände bekäme und faltete ihn zusammen. Auch Hermine schien nicht ganz so schadenfreudig, wie sie es vor ein paar Monaten vielleicht noch gewesen wäre.
„Einerseits wusste ich, dass es irgendwann rauskommt", sagte Hermine nachdenklich und rührte in ihrer Tasse herum, „aber andererseits... ich meine, Yuri wird es bestimmt unangenehm sein, oder ?"
„Sie kann ja nichts dafür", widersprach Harry und zog einen Teller mit heißen Toasts zu sich heran.
„Ich habe mir schon gedacht, dass es bald eine Menge Aufruhe im Ministerium wegen Fudge geben wird", fuhr Hermine fort, „und ich muss auch sagen, er hat es nicht anders verdient."
Für die nächste Viertelstunde ließ sich Hermine mit Genugtuung über Fudge aus und machte unzählige Vorschläge, wie er handeln sollte, jedoch hielt sie jäh inne, als sich Yuri neben sie setzte.
„Morgen", begrüßte sie Yuri freundlich. „Über was regst du dich denn so auf ?"
„Aufregen ? Ich ?", fragte Hermine, als wäre sie nicht angesprochen, gab es schließlich jedoch auf und zog den Tagespropheten rasch zu sich heran. „Nun ja, heute Morgen gab es einen Artikel über deinen Vat-" Plötzlich schlug Hermine erschreckt die Hände vor den Mund und starrte Harry entsetzt an.
„Schon gut, er weiß es", beruhigte sie Yuri und nahm den Tagespropheten in die Hand.
„Woher denn das ?", wollte Hermine verdutzt wissen, war aber sichtlich erleichtert.
„Reiner Zufall", antwortete Harry achselzuckend, doch sobald Yuris Gesicht hinter der Zeitung verschunden war, formte er ein „die Karte" mit dem Mund, und Hermine nickte kaum merklich. Als Yuri ein wenig starr den Artikel sinken ließ, setzte sie ein sorgenvolles Gesicht auf.
„Vielleicht ist es ja nur eine Klatschmeldung, n - nur ein dummes Gerücht", versuchte Hermine einen Aufheiterungsversuch.
„Nein, ist es nicht", widersprach Yuri, „das sieht ihm verdammt ähnlich."
„Wusstest du davon ?", fragte Hermine vorsichtig.
„Nein, er hat mir so gut wie nichts über sein Ministerdasein gesagt", antowortete sie, „ich könnte dir jeden Mitarbeiter des Ministeriums nennen, jeden Raum kenne ich, aber das..."
„Auch die Minsteriumsabteilung ?", fragte Harry neugierig.
„Zwangsweise", sagte sie mit einem gequälten Lächeln, „ich wurde dort für ein halbes Jahr aufbewahrt. Das heißt, so lange, bis das Windherz zerstört wurde."
„Oh", machte Hermine und warf Harry einen spitzen Blick zu.
„Ich glaube, ich schreibe ihm", beschloss Yuri und stand auf. „Wir sehen uns dann."
„Du bist wirklich taktlos, Harry !"
„Was ?"
„Musstest du gerade jetzt die Ministeriumsabteilung erwähnen ?", sagte Hermine vorwurfsvoll.
„Woher hätte ich denn wissen sollen, dass sie da drin war ?"
„Du hast die Glocke letztes Jahr doch selbst gesehen, oder nicht ?"
„Jaaah..." Harry hatte nicht die geringste Lust, sich wieder mit Hermine zu streiten, und da sie ohnehin die besseren Argumente besaß, beließ er es dabei. Während er aß, konnte es Hermine nicht lassen, weiter an seinem Verhalten herumzumäkeln, bis sich Ron zwischen Harry und Dean quetschte. Sofort unterbrach Hermine ihren Sermon, zog ihre Tasche hervor und rauschte ohne ein weiteres Wort davon.
„Was ist gestern eigentlich passiert ?", fragte Harry.
„Ich wollte bloß wissen, was in dem Brief gestanden hat", sagte Ron bemüht ruhig und sah Hermine zornfunkelnd nach.
„Und was stand drin ?", bohrte Harry nach.
„Da – stand", knirschte Ron, doch er war immer noch so wütend, dass er nicht imstande schien, einen Satz hervorzubringen.
„Von wem war der Brief überhaupt ?", half ihm Harry.
„Krum", schnaubte er. Harry schwante nichts Gutes, doch dies war die Gelegenheit, endlich herauszufinden, welches Geheimnis hinter Hermines Verhalten steckte.
„Und was – ähm - hat er geschrieben ?"
„Er – er hat Hermine gefragt", begann Ron schwer atmend und hatte sichtlich Schwierigkeiten, diese Unverschämtheit überhaupt auszusprechen, „ob sie nicht nach den Weihnachtsferien nach Bulgarien kommen will und -"
„Und ?", drängte er.
„- und ob sie dann in dieser Schule – Durmstrang –" – Ron sprach dieses Wort mit größtem Ekel aus, als ginge es um eine gigantische Spinne – „das Schuljahr abschließen will – als Austausch, sozusagen", schloss Ron und zog eine Grimasse. „Wer will schon bulgarisch lernen? Sag's mir, Mann", fügte Ron noch eine Spur wütender hinzu.
„Hermine will bulgarisch lernen", war der Beitrag Harrys zu dieser Frage, doch anscheinend hatte er genau das Falsche gesagt, denn Ron sah nun tatsächlich so aus, als würde er vor Zorn jede Sekunde explodieren.
Alles in Allem musste Harry zugeben, dass Professor McGonagalls Nachhilfe um einiges entspannender als Hermines gewesen waren. Hermine war am Mittag noch immer wutgeladen und ließ ihren Zorn aus, indem sie Harry durch unzählige Arbeitsblätter jagte, mit ihm Zauberstabbewegungen übte, bis er seinen Arm nicht mehr aufrechthalten konnte (Hermines Kraft dagegen schien an diesem Tag grenzenlos zu sein) und ihn acht Tränke hintereinander brauen ließ, bis der Vorrat an Zutaten endgültig erschöpft war.
Beim Abendessen sahen sich Ron und Hermine nicht ein einziges Mal an, und auch Harrys Versuche am Sonntag, die beiden zu versöhnen, schlugen fehl.
„Wenn Hermine diesem Krum weiterhin schreibt, kann sie mir gestohlen bleiben", knurrte Ron und warf das zwölfte zerknüllte Stück Pergament ins prasselnde Feuer. „Wie kann man nur so blind sein -"
„Ron versteht einfach nichts !", rief Hermine wutentbrannt, wobei sie ihre Bücher ein wenig zu fest auf den Tisch knallte, sodass Mrs Pince ihr einen empörten Blick zuwarf, „ich rede erst wieder mit ihm, wenn er sich entschuldigt."
Auch am darauffolgenden Montag hatte sich die Stimmung zwischen ihnen nicht verbessert, und man konnte kaum sagen, wer schlechterer Laune war. Harry war fast froh, dass Hermine nicht in allen seinen UTZ-Kursen war, dann musste er Rons und ihr gekränktes Schweigen wenigstens nicht auch noch während des ganzen Unterrichts ertragen.
Harry wusste zwar nicht, weshalb Snape ihn zu seinem UTZ-Kurs zugelassen hatte, doch schon in der ersten Stunde machte er es ihm schlagartig bewusst.
„Wie ich höre, nehmen Sie Nachhilfestunden, Potter", zischte Snape gleich zu Anfang der ersten Stunde, „und denken Sie nicht, Sie dürfen hier sitzen, weil Ihre Leistungen als ein O eingestuft werden, denn so ist es nicht -"
„Das weiß ich, Sir", warf Harry ein und versuchte, seinen Zorn hinunterzuschlucken.
„Wenn ich bemerke, dass Ihre Leistungen innerhalb eines Monats nicht den gewünschten Status erreichen, dann werden Sie dieses Klassenzimmer nicht noch ein einziges Mal betreten, Potter", fuhr Snape unbeirrt fort, allerdings noch eine Spur schärfer, „haben wir uns verstanden?"
„Ja, Sir", knirschte Harry hervor und versuchte, seinem stechenden Blick standzuhalten.
„Professor McGonagall mag Ihnen gegenüber um einiges nachsichtiger sein als ich", fügte Snape flüsternd hinzu und kam Harry nun so nahe, dass er direkt in seine kalten, leeren Augen blicken konnte, „aber auch eine Person wie sie ist nicht imstande, Ihr nachlässiges Lernverhalten zu verbessern. Merken Sie sich das."
Harry bemerkte, wie Ron seinen Blick suchte, anscheinend, um ihm seine Empörung kundzutun, doch er mied ihn entschieden.
Um zehn vor acht machte sich Harry allein auf den Weg zum Klassenzimmer für Verwandlung. Während er die Korridore entlangging, rätselte er, wer ihn wohl unterrichten würde. Harry hoffte, es würde Professor Lupin sein, denn die Stunden mit Professor McGonagall reichten ihm vollkommen... mit einem unangenehmen Stechen im Magen fiel ihm Snape ein, doch er war sich sicher, dass Dumbledore ihn nicht noch einmal einsetzten würde... nein, nicht nachdem, was letztes Jahr geschehen war.
Als Harry vor der Tür des Klassenzimmers ankam und die Klinke langsam hinunterdrückte, sah er überrascht auf, als Yuri an einem der Tische saß.
„Oh, hallo Harry", sagte sie milde überrascht und lächelte ihn an.
„Hallo... ähm – bekommst du auch Okklumentikunterricht?", fragte Harry ein wenig verdutzt.
„Nein, Dumbledore hat mich beauftragt, dir Okklumentik zu lehren", antwortete sie.
„Was?"
„Ja, ich weiß, es ist ein bisschen seltsam", gab Yuri zu, „aber ich hoffe, ich kann dir trotzdem helfen. Also, fangen wir gleich an?", fügte ohne Umschweife hinzu.
„J – ja",stimmte Harry ein wenig perplex zu.
„Tja, also... hast du schon ein wenig Erfahrung mit Okklumentik ?", fragte Yuri.
„Na ja, Snape hat mich letztes Jahr unterrichtete", antwortete Harry undeutlich.
„Snape... ", murmelte sie und blickte ihn plötzlich mit ihren dunkelblauen Augen durchdringend an. „Was sollte das heute ?"
Ein wenig peinlich berührt erzählte ihr Harry von der Berufsberatung im letzten Schuljahr und Professor McGonagalls und Hermines Nachhilfe.
„... und jetzt - naja, du hast ja gehört, was Snape gesagt hat, in einem Monat schaffe ich ein O oder... " Harry stockte kurz. Ja, was dann? „oder ich muss mir einen anderen Beruf aussuchen", schloss er rasch.
Yuri sah aus, als hätte er ihr soeben einen schlechten Witz erzählt.
„Nun komm schon, Harry, so wird es bestimmt nicht kommen... aber ich glaube, wenn ich dir jetzt anbiete, dir ebenfalls Nachhilfe zu geben, wirst du nicht besonders glücklich sein,
oder?". fragte sie.
„Ähm –ich", stotterte Harry; mit einem Mal schien sein Gehirn nicht mehr zu funktionieren.
„Ich –ähm –ich dachte nur, es wäre doch irgendwie schade, dein Talent zu vergeuden", sagte Yuri leise und schaute ihm nicht mehr in die Augen. „Hermine hat mir erzählt, was du getan hast", fuhr sie ein wenig nachdrücklicher fort, „und das... das ist wirklich... nun, unglaublich."
Harry schien die Kehle zugeschnürt zu sein, doch er spürte deutlich, wie sein Gesicht heiß wurde, was ihn furchtbar ärgerte, sich gleichzeitig jedoch auch ein Gefühl von Stolz in seiner Brust breitmachte.
„Ach, naja, darum geht's hier jetzt auch nicht", tat Yuri plötzlich verlegen mit den Armen rudernd ab und holte ihren dünnen Zauberstab hervor, „du kannst es dir ja nochmal überlegen."
Harry war froh, dass sie das Thema wechselte und zog ebenfalls seinen Zauberstab aus seiner Tasche heraus.
„Also gut, ich werde mich jetzt desillusionieren und erst dann in dein Gedächtnis eindringen, wenn ich merke, dass du ganz entspannt bist", eröffnete ihm Yuri. „Am Anfang werde ich lange warten, aber mit der Zeit werde ich immer schneller angreifen, okay?"
„Okay", sagte Harry heftig nickend.
„Wenn du den Zauber abgeschüttelt hast, kannst du mich angreifen, ich werde immer genau vor dir stehen", erklärte sie und tippte sich mit ihrem Zauberstab auf den Kopf. Von einer Sekunde zur anderen war sie verschwunden, und doch hatte Harry das unangenehme Gefühl, genau beobachtet zu werden. Mit aller Kraft versuchte er, alles aus seinem Gehirn zu verdrängen, was sich darin zu befinden schien... alle Gefühle, Gedanken, Empfindungen... nach einer Ewigkeit, so kam es Harry vor, fühlte er sich unglaublich leicht, als würde sein Gewicht von ihm genommen zu sein... von weit, weit weg hörte er plötzlich eine leise, zarte Stimme, die „Legilimens" wisperte. Er kannte die Stimme... sie war leise, und doch unüberhörbar... gleich würde Yuri in sein Gedächtnis eindringen... ja, sofort... jetzt...
„Nein, nein, das will ich nicht!", hallte eine trotzige Stimme in Harrys Kopf wider „ich muss beweisen, dass ich nicht schwach bin, ich muss es schaffen..."
„Expilliarmus !"
Harry schlug die Augen auf und spürte, dass seine Beine gekrümmt waren, als hätten sie sich davor gesträubt, auf die Knie zu fallen. Seine Hand, in der der Zauberstab steckte, zitterte leicht, doch Harry zwang sie, sich zu beruhigen.
„Das war ganz gut", bemerkte eine Stimme vor ihm, „aber jetzt werde ich dir weniger Zeit geben. Fang an."
Harry schaffte es nun erst nach mehreren Anläufen, seinen Geist vollkommen zu verschließen, doch Yuris Stimme wirkte sehr zufrieden, als sie sich desillusionierte und ihren Zauberstab verschwinden ließ.
„Ich glaube, du hast den Bogen raus", meinte sie strahelnd, „das war wirklich gut! Ich habe allerdings noch nicht all meine Macht in einen der Zaubersprüche gesteckt, nächste Woche probieren wir das aber mal aus. Eigentlich soll ich nie meine ganze Macht benutzen", fügte sie kleinlaut hinzu, „aber ich glaube, du schaffst es trotzdem."
„Wieso darfst du das nicht?", fragte Harry verdutzt.
„Naja, als ich jünger war, gab es ein paar kleine –ähm –Unfälle, weil ich etwas zu, nun, übereifrig mit dem Zaubern war", erklärte sie und ihr Gesicht nahm einen schuldbewussten Ausdruck an, „und je älter ich wurde, desto schlimmer wurde es, wenn ich all meine Macht in einem Zauber bündelte... damals war ich sechs... deshalb wurde ich lange in Disziplin und Selbstbeherrschung trainiert, damit ich mich selbst kontrollieren konnte. Manchmal hatte ich das Gefühl, all das, was in mir ruhte, wollte ganz plötzlich hinausbrechen... doch diese ganzen, nun, Kräfte kamen nur als unscheinbare Tränen zum Vorschein-"
Yuri hielt inne und wandte sich von Harry ab. „Das alles interessiert dich wahrscheinlich nicht", sagte sie entschuldigend und holte ihre Tasche hervor. „Ähm... bis morgen dann."
