Abschied im Wald

„Hört zu, ich weiß, das ist das erste Spiel für die meisten von euch, und deshalb ist es ganz normal, dass man sich fühlt, als kommt einem das Frühstück mit einem gewaltigen-"

„Bitte, Harry, lass uns jetzt einfach auf den Start warten, ja?", unterbrach ihn Ginny matt. „Bis gerade eben hätte ich dir nicht geglaubt, dass ich einen Magen habe, wenn du es mir erzählt hättest, aber jetzt ist mir wirklich übel."

„Tut mir Leid, Ginny, das sollte eigentlich Teil meiner Aufmunterungsrede sein", erklärte Harry kleinlaut.

„Es wäre besser, wenn Yuri und Ron bald kommen würden", seufzte sie mit einem Blick auf ihre Uhr. „Wo bleib-"

Plötzlich flog die Tür auf und Ron trabte ohne ein Wort hinein. Er sah leicht entgeistert aus und schien nur zufällig in den Umkleideraum gefunden zu haben.

„Alles okay mit dir?", fragte Harry Stirn runzelnd, während Ron sich gedankenverloren seinen Quidditchumhang überschwang, wobei er nicht einmal bemerkte, dass er wieder von seinen Schultern hinunter glitt.

„Jaaaaah, alles bestens", gab er als Antwort zurück. „Sieht's nicht danach aus? Genießt doch einfach mal das schöne Wetter und macht euch nicht so viele Sorgen wegen diesem ganzen Quidditchkram. Wird schon", fügte er aufmunternd hinzu und klopfte Britney aufmunternd gegen die Schulter, die für diese Geste jedoch nur ein verächtendes Schnauben übrig hatte.

Harry und Ginny warfen sich fragende Blicke zu, doch beide zuckten nur ahnungslos mit den Schultern.

„Und was ist mit Yuri?", wiederholte Ginny und sah zunehmend nervöser aus. „Ohne sie können wir nicht spielen, Harry."

„Ja, das weiß ich doch, verdammt", sagte er mit zusammengebissenen Zähnen und begann nun wie Ginny, die Uhr unaufhörlich zu fixieren, obwohl er genau wusste, dass es nichts brachte. Als er langsam zu schwitzen begann und der Gedanke ihn quälte, mit nur zwei Jägern zu spielen, flog plötzlich die Tür auf. Yuri stand mit verzweifeltem Gesichtsausdruck da und sah Harry an, als ob er bereits tot wäre.

„Was ist los mit dir?", fragte er und kam verwirrt auf sie zu, doch Yuri erwiderte nichts und zog ihn hinter sich her auf den Gang hinaus. Sie vergewisserte sich kurz, dass niemand in Sichtweite war und blickte ihn so eindringlich wie noch nie an.

„Harry, ich kann nicht spielen", brach es mit zitternder Stimme aus ihr heraus.

„Ich weiß, man ist immer aufgeregt vor seinem ersten Spiel, aber-"

„Nein, nein, das ist es nicht", unterbrach sie ihn heftig den Kopf schüttelnd, „i- ich war eben nur bei der Heulenden Hütte um nach Callida zu schauen, und da- und da-"

Yuri war so aufgelöst, dass sie schwer atmend stockte und gleich in Tränen auszubrechen schien.

„Und da war?", half Harry. „Ähm, also- atme erstmal tief durch, und dann erzähl' s mir, okay?"

Yuri nickte nur hilflos und tat wie geheißen. „Harry- Callida ist verschwunden!"

„Was?", japste er und nun war es an ihm, Yuri eindringlich anzustarren. „Das- hast du die Tür vielleicht nicht abgeschlossen oder so?"

„Doch, das hab' ich, ganz sicher!", widersprach sie. „Wer weiß, was mit ihr passiert ist, vielleicht hat ein Todesser sie geholt, weil sie dachten, das Windherz ist noch immer bei ihr und-"

„Beruhig dich, es bringt rein gar nichts, wenn du dir das Schlimmste ausmalst", sagte Harry und versuchte, ruhig zu klingen. „Wir werden Callida jetzt suchen gehen, einverstanden?"

„Aber- das Spiel-?"

„Ohne dich spiele ich nicht", antwortete er knapp und schleifte sie weiter hinter sich her, ohne dabei auf die Erst- und Zweitklässler zu achten, die ihn mit großen Augen anstarrten und sich nicht einmal die Mühe machten, hinter vorgehaltenen Händen darüber zu tuscheln, wie brutal und gewalttätig dieser Junge mit den roten Umhang doch sei.

„Nein, Harry, ich weiß, wie viel dir dieses Spiel bedeutet, es ist dein erstes mit dir als Kapitän… du hast dir so viel Mühe gemacht und-"

„Trotzdem spiele ich jetzt nicht", brach er ihren Einwand ab. „Komm jetzt einfach mit und halt' Ausschau, klar?"

Stumm senkte Yuri den Kopf und folgte ihm widerstandslos. Harry deutete dies als ihre stille Hinnahme der Situation, auch wenn er sich eingestehen musste, dass es ihm nicht einfach gefallen war, sich von der Aussicht auf einen Sieg gegen Slytherin zu trennen. Doch nun musste er sich auf anderes konzentrieren, auch wenn er nur zu gerne Malfoys Gesicht gesehen hätte, wenn Harry ihm den Schnatz unter der Nase weggeschnappt hätte.

Sie drängten sich hastig durch lärmende Schüler mit roten und grünen Schals, plärrenden Wimpeln und ungelenk hergestellten Spruchbändern („Weasley ist unser King- Er hält jedes Ding"). Alle Köpfe drehten sich fragend, flüsternd zu ihnen um, doch Harry kümmerte sich nicht darum. Es war ihm egal, was sie nun von ihm halten würden. Es war ihm egal, ob er Mannschaftskapitän bleiben würde, wenn er nicht zum Spiel erschien. Alles, was in seinem Kopf herumspukte, war das Bild von Yuri, einem bleichen Mädchen, das auf einem roten Sessel eingeschlafen war und in ihren Albträumen um etwas bangte, das es liebte. Harry wusste, wie es sich anfühlte, jemanden zu verlieren, den man liebte; Sirius Lächeln, als Harry ihm gesagt hatte, dass er beim ihm wohnen wollte, berührte die flimmernde Leinwand in seinem Hirn- oder war es sein Herz, welches den Schmerz dieser Erinnerung spürte? Harry wusste es nicht. Doch Yuri wollte er das ersparen.

„Harry- der Verbotene Wald- meinst du…?" Es war Yuris Stimme, die ihn aus seiner Trance riss. Er schreckte leicht zusammen und blickte auf die dunklen Bäume vor ihm, die den Rand des Waldes darstellten.

„Das bringt uns nicht besonders viel, wenn ich nicht die… das ist es!" Erregt kramte Harry in der Tasche seines Umhangs herum, bis er fand, was er suchte. „Accio Karte des Rumtreibers!"

Nervös starrte er auf den Turm, in dem sich der Schlafsaal befand, betend, dass er die Karte nicht irgendwo eingeschlossen hatte. Komm schon, dachte er und kniff die Augen zusammen, komm schon, es muss klappen, es muss einfach funktionieren- da! Etwas Gelbliches, Dünnen erschien am Himmel, und wenn gleich es auch winzig neben den mächtigen Wolken erschien, so ließ es Harrys Herz einen kleinen Sprung machen. Mit seltsam ruhiger Hand fing er sie auf, tippte eilig mit seinem Zauberstab darauf und murmelte: „Hiermit schwöre ich feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin!" Augenblicklich krochen Linien, Punkte und Buchstaben über das Pergament, formten Namen und Gänge, Korridore und wandernde Treppen. Mit der Spitze des Zauberstabs fuhr Harry über sie, bis er auf die zwei Punkte traf, die mit „Yuri Fudge" und „Harry Potter" beschriftet waren. Dann ließ er sie weiter gleiten, über Pfade und Lichtungen des Verbotenen Waldes, bis er schließlich auf einen Namen traf, welchen ihn ins Stocken geraten ließ.

Severus Snape.

Harry hätte mit einem anderen gerechnet, Malfoy, Lestrange, Goyle. Doch nicht mit ihm. Sollte Ron am Ende doch Recht behalten? War Snape doch ein Spion Voldemorts? Hatte er Dumbledore die ganze Zeit über betrogen, um am Ende seinem Herrn das Windherz eigenhändig überreichen zu können?

„Snape." Mehr sagte Yuri nicht. Ihre Stimme klang dumpf, beinahe ein wenig verdrossen.

„Er war früher ein Todesser", erklärte Harry kurz angebunden, während seine Augen weiter auf der Karte ruhten und den kürzesten Weg zu ihm suchten. „Gehen wir. Und halt deinen Zauberstab bereit."

Mit der Karte in der einen und dem leuchtenden Zauberstab in der anderen Hand huschte Harry eilig durch Wald, Yuri neben sich, die jedoch etwas ratlos drein sah.

„Harry, wieso… ich meine, wieso bist du dir so sicher, dass Snape Callida hat?", fragte sie mit ernster Stimme, in der Harry eine Spur von Sorge heraushören konnte.

Harry antwortete zuerst nicht, sondern lief weiter schnurstracks den Weg entlang, den die Karte ihm vorgab, bevor er ihr antwortete. „Ich gebe zu, ich habe mich schon mehr als einmal in ihm geirrt", sagte er, „aber ich frage mich, was Snape im Verbotenen Wald zu suchen hat, wo gerade zufällig ein Einhorn verschwunden ist und weit und breit niemand anderes zu entdecken ist."

„Aber die Karte-"

„- irrt sich nie", meinte Harry kopfschüttelnd. „Mein Vater hat an ihr mitgearbeitet, obwohl er…" „…ein verdammter Idiot war", wollte Harry eigentlich sagen, doch er konnte es nicht. „Schon gut, ist nicht so wichtig", schloss er stattdessen und beschleunigte sein Tempo, soweit dies möglich war.

Als sie dem Punkt „Severus Snape" immer näher kamen, wurden sie leiser, ihre Schritt auf dem knisternden Waldboden bedächtiger.

„Sei vorsichtig, Harry", flüsterte Yuri, als sie langsam in der Ferne ein sich bewegendes Wesen ausmachen konnten, „Snape ist kein gewöhnlicher Zauberer."

„Das weiß ich", entgegnete Harry mit zusammengebissenen Zähnen, vorbeipirschend an hohen Bäumen, hinter denen sich ein schwarzes Etwas bewegte- Snape. Als ein Ast unter seinem rechten Fuß in zwei Stücke zerfiel, blieb sein Herz stehen. Augenblicklich, mit der Schnelligkeit eines hungrigen Tiers, das nach Beute Ausschau hielt, fuhr Snape herum, den Zauberstab von sich gestreckt.

„Wer immer du bist", drang sein giftiges Zischen durch das Geäst der Bäume, die Harry und Yuri von ihm trennten, „du bist verloren, wenn du dich nicht zeigst."

Harry wusste, dass ihm nicht viel Zeit blieb, um eine Entscheidung zu fällen. Sollte er Snape angreifen? Er wusste nicht, ob er schuldig war, was er hier zu suchen hatte… das Risiko wäre zu groß. Er hatte keinerlei Beweise, und von der Karte brauchte niemand etwas zu wissen, sofern er sie länger behalten wollte. Es blieb nur eine Möglichkeit, auch wenn sie nicht allzu verlockend war.

„Potter." Snape ließ den Zauberstab sinken, sein Blick jedoch wurde umso schärfer, stechender. „Und Miss Yuri. Wie entzückend."

„Was tun Sie hier, Snape?", fragte Harry kalt und behielt seinen Zauberstab weiterhin gezückt.

„Für Sie leider immer noch Professor Snape, Potter", knurrte Snape und trat einen Schritt auf ihn zu. „Sollten Sie nicht bei einem Ihrer hoch geschätzten Quidditchspiele sein und Ihre Rolle als- Mannschaftskapitän erfüllen?"

„Das dachte ich auch… Sir", sagte Harry und versuchte, ruhig zu bleiben, wobei jedoch sein Zauberstab bedenklich zitterte. „Allerdings ist ein Einhorn verschwunden, das etwas bei sich trug. Und das ist wertvoller als jeder Quidditchpokal, wie Sie sich sicherlich denken können, oder?"

Snape knirschte geräuschvoll mit den Zähnen, bevor er den Mund öffnete. „Lassen Sie Ihre albernen Spielchen, Potter, dafür ist jetzt keine Zeit", bellte er zornig, „sagen Sie mir, was Sie wissen, sonst ist das Windherz schneller im Besitz des Dunklen Lords als Sie in Zaubertränke durchfallen können."

Harry schluckte. Er hatte sich schon wieder geirrt; noch einmal durfte ihm das nicht passieren. Nicht noch einmal, bevor es sich irgendwann rächen würde. „Das Windherz befindet sich nicht mehr bei Callida", meldete sich Yuri mit dünner Stimme zu Wort. „Dumbledore… er hat es schon seit den Ferien bei sich."

Snape schien ein wenig überrascht, jedoch alles andere als erleichtert. Seine Augen weiteten sich und seine Finger zogen sich zusammen, als ob sie etwas zum Umklammern suchten.

„Davon hat Sie Dumbledore wohl nichts wissen lassen", bemerkte Harry nicht ohne Schadenfreude und einem gewissen Hohn.

Snape sagte nichts, sondern funkelte ihn nur zornig an, giftigen Abscheu in den dunklen Augen.

„Aber Professor, was ist nun mit Callida? Sie ist doch nicht in den Händen der- der T- Todesser?", fragte Yuri in einem Ton, der die Antwort fürchtete.

Snapes Blick ruhte noch eine Weile auf Harry, der ihm standhielt, bevor er den Kopf in ihre Richtung warf und den Mund öffnete. Es war ein seltener Moment, denn er brauchte eine Weile, um Worte zu finden. Es war ein ungewöhnlicher Anblick.

„Es tut mir Leid, Ihnen das sagen zu müssen", sagte er langsam, „aber ich fürchte, Sie werden dieses Tier nicht mehr wieder sehen. Wir reden schließen von den Anhängern Voldemorts, und wenn sie erkennen, dass sie es nicht brauchen können, werden sie sich vermutlich nicht die Mühe machen, es Ihnen zurückzubringen. Das kann ich Ihnen versichern."

Das Mädchen erwiderte nichts, sie ging langsam einen Schritt zurück, verbarg das Gesicht in den Schatten der hoch aufragenden Bäume. Harry wusste nicht, wie er sich verhalten sollte, und hielt es daher für das beste, nichts von sich zu geben und schweigend den weiteren Verlauf der Situation zu verfolgen. Er wollte etwas sagen, sie trösten, doch sein Gehirn schien ihm nicht mehr zu gehorchen.

„Weinen Sie."

„Ich werde mir nicht die Blöße geben, so etwas in Ihrer Gegenwart zu tun", entgegnete Yuri mit einer Stimme, die nicht sich nicht mehr nach einem unterdrückten Schluchzen hätte anhören können. Ob sie eine wütende oder verzweifelte Miene aufgesetzt hatte, ließ sich nicht im Geringsten ausmachen, denn der Schatten ließ nur ihre bleichen, leicht bebenden Hände erkennen.

„Wie bedauerlich", sagte Snape mit gedehnter Stimme und wandte sich zum Gehen um. „Gute Nacht, Miss Yuri."

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Snapes Schritte verhallten, und um sie herum nur noch ab und an ein leises Heulen oder Flügelschlagen zu vernehmen war. Und ob dieser Geräusche war es die vollkommenste Stille, die Harry je gespürt hatte.

„Y- Yuri, es-"

Weiter kam Harry nicht, denn sie hatte sich mit einem markerschütternden Schluchzer um seinen Hals geworfen. Er spürte ihre dünnen Finger an seinen Oberarmen, die sich verzweifelt daran klammerten, die warmen Tränen flossen langsam über seinen Hals, so zäh, als ob sie so schnell nicht vergessen werden wollten, den plötzlich schwachen, zitternden Körper.

Harry wusste nicht, wie lange sie so dastanden, und es war ihm auch völlig gleich. Erst als Yuri zu sprechen begann, schien die Zeit wieder weiter zu rennen.

„Es ist meine Schuld", flüsterte sie leise, den Kopf noch immer an seiner Schulter. „Jetzt muss ich es wieder gutmachen."

„Du brauchst nichts wieder gutzumachen, du hast nichts getan", entgegnete Harry ruhig.

„Ich hätte das Windherz gleich in Dumbledores Obhut geben und nicht immer nur auf mich selbst setzten sollen. Das war arrogant von mir."

Harry packte sie an den Schultern und versuchte, in ihre dunklen Augen zu schauen, die ihn jedoch mieden.

„Ich kann dich nicht anschauen", sagte sie leise. „Du hast ein so gutes Herz. Du hast den Mut, anderen zu vertrauen." Sie machte eine Pause. „Ich musste das erst lernen."

„Aber-"

„Bitte, Harry, hör mich noch zu", schnitt sie ihm das Wort ab und blickte ihm nun endlich ins Gesicht. „Es tut mir Leid, dass ich dir nicht von Anfang an alles erzählt habe. Ich war so dumm… ich habe es nicht verdient, aber du hast mir gezeigt, was es heißt zu vertrauen… und-", sie schluckte, „u- und zu lieben." Harry stockte der Atem, doch Yuri ging einen Schritt zurück und senkte den Kopf.

„Danke", flüsterte sie und lächelte. „Du bist der einzige, für den ich solche Dinge empfinden kann. Ich danke dir. Und ich hoffe, dass du mich nicht vergisst."

„Was redest du da für einen Unsinn? Was soll das heißen?", fragte Harry verstört. „Du redest, als ob ich dich nicht mehr wieder sehen würde."

„Ich weiß nicht, ob du das wirst", entgegnete Yuri, „diese Entscheidung liegt nicht mehr bei mir. Das Windherz hat meinem Leben einen Weg vorgegeben, den ich gehen muss. I- ich.. ich muss jetzt fort."

„Wie? Wohin?"

„Ich muss dafür sorgen, dass nie wieder jemand Unschuldiges durch Voldemort sterben muss", erklärte sie mit beinahe erschreckendem Ernst. „Das bin ich Callida schuldig. Er ist mein Vater und ich trage ein Stück Verantwortung mit. Ich muss es wenigstens versuchen."

„Nein, das tust du nicht", widersprach Harry verzweifelt, auch wenn er wusste, dass er genauso fühlen würde; er konnte ihr nichts vorwerfen.

„Doch, und du weißt es genau, Harry", sagte sie kopfschüttelnd. „Nicht wahr? Du weißt es. Und ich weiß, dass du mich verstehen wirst."

„NEIN!", brüllte Harry und spürte, wie in seinen Adern das Blut schoss. „Voldemort gehört mir. Er hat meine Eltern getötet! Ich werde sie rächen. Geh nicht!"

Yuri sagte nichts, doch er hörte ihren schweren Atem.

„Yuri… geh nicht. Bitte." Es klang mehr nach einem unerfüllbaren Wunsch als nach einer Bitte, doch Harry schob den Gedanken beiseite, er konnte ihn nicht ertragen.

„Ich kann nicht leben, wenn er lebt, Harry", sagte sie mit kaum hörbarer Stimme. „Auch wenn ich es nicht jetzt versuchen würde, müsste ich es eines Tages doch tun. Es ist hoffnungslos, vor der Vergangenheit zu fliehen, noch hoffnungsloser ist es allerdings, vor der Zeit zu fliehen."

„Wenn du es nicht anders kannst, dann geh. Aber ich werde mit dir kommen", sagte Harry mit fester Stimme und versuchte, ihre Hand zu ergreifen, doch sie zog sie weg.

„Du wirst bei mir sein, wenn die Zeit es will", wisperte sie und ihre Stimme klang nun mehr denn je nach einem krampfhaft unterdrückten Tränenfluss. „I- Im Moment ist dein Platz hier."

„Nein, du irrst dich!", polterte Harry. „Verdammt, du hast nicht immer recht! Alleine wirst du Voldemort nie besiegen!"

„Ich bin nicht allein", widersprach Yuri, „ich habe immer noch die Macht des Windherzes. Voldemort braucht mich, sonst hätte er mich schon längst umbringen lassen. Ich muss wissen, weshalb er es noch nicht getan hat."

„Du warst eine Sicherung seiner Energie, reicht dir die Erklärung nicht?", fragte er aufgebracht.

„Ich bin eine Sicherung seiner Energie, und das sollte nicht so bleiben." Yuri blickte ihn durchdringend an. „Die Prophezeiung hat dich zu Voldemorts Mörder auserwählt. Aber lass mich davor noch etwas erledigen."

Darauf wusste Harry nichts zu antworten. Er fühlte die Verzweiflung, die ihm die Kehle fest zuschnürte. Das Quidditchfeld mit dem tosenden Publikum schien weit entfernt. Er und Yuri mussten sich in einer anderen Welt befinden, auch wenn er nicht sagen konnte, wie er sie nennen sollte. Sie waren abgeschirmt, allein in einer Welt, die keinen Ausgang mehr hatte. Und doch wollte er sie in diesem einen Moment nicht verlassen.

„Wir werden uns wieder sehen, Harry", flüsterte Yuri, „das weiß ich." Sie wartete nicht auf ein Wort von ihm, sondern wandte sich rasch um und fing an zu rennen, schneller und schneller, als ob sie etwas jagen würde. Es dauerte nicht lange, und er sah nichts mehr von ihr, kein Stück wehendes Haar, kein Aufblitzen ihres Gesichts, das sich noch einmal zu ihm umdrehte. Der Wald hatte sie verschluckt, und Harry hatte das Gefühl, die Bäume würden vor ihm weichen, als er wie in Trance zum Schloss zurück trottete. Einsamkeit war ein seltsames Gefühl, doch er erinnerte sich schlagartig daran, dass er es wohl besser kennen musste als irgendjemand anderes.