Leichte Beute

19. September 2004/14:05 Uhr

Newfield Island

Operation Schirm

Sie waren zu sechst. Die Begleitflugzeuge nicht mitgezählt. Ihr Eindringen war weitgehend unbemerkt geblieben. So war es ihnen auch gelungen, ohne großes Aufsehen zu erregen, tief in das feindliche Gebiet einzudringen. Dabei war der Flug alles andere als ungefährlich gewesen. Die sechs Bomber befanden sich tief im Feindesland. Bisher waren sie auf keinen nennenswerten Widerstand gestoßen. Lediglich eine SAM-Abwehr hatte sie angelasert, war jedoch schnell von einem der Begleitjäger beschossen und vernichtet worden. Die Begleitjäger…das war sowieso eine Geschichte für sich. Der Geschwaderkommandant der Bomber hatte getobt, als er erfahren hatte, dass die Unterstützung nicht durch ein exzellent ausgebildetes Elite-Geschwader gestellt wurde. Stattdessen begleiteten sie sechs Grünschnäbel, gerade einmal aus der Flugschule. Sie flogen darüber hinaus auch noch veralteten MiG-21's. Das Oberkommando war sich anscheinend sehr sicher, dass der Feind am Boden lag. Warum sonst sollte man sechs alte Bomber und sechs noch ältere Jagdflugzeuge für den Todesstoß abkommandieren? Es war das Einzige, worum sich die Gedanken des Geschwaderkommandanten seit dem Beginn des Fluges drehten. Er hatte seiner Crew nichts davon gesagt. Die meisten waren wie er erfahrene Soldaten. Aber es waren schwierige Zeiten. Und es waren definitiv NICHT die Zeiten, die Entscheidungen des Oberkommandos in Frage zu stellen. Dieser Krieg war kurz davor ein Ende zu finden. Und für den alten, erfahrenen Offizier konnte dies nicht schnell genug geschehen. Aber war es trotzdem eine gute Sache? Sicher, er stand auf der Seite der Gewinner, was schon einmal einen dicken Bonus ausmachte. Er gehörte zu einer sehr hoch angesehenen Gruppe von Leuten in seinem Land. Sicher, Bomberpiloten waren gegenüber den heroischen und unglaublich heldenhaften Jet-Piloten in ihren Raketen betriebenen Schleudersitzen zwar nicht so hoch angesehen in der Bevölkerung, doch sie standen noch immer weit über den gewöhnlichen Soldaten, den Schlammhüpfern und Bodenkriechern. Der Todesstoß würde außerdem sicherlich gut bei seinen Vorgesetzten ankommen. Für sein Bombergeschwader würde das sicherlich eine enorme Aufwertung bedeuten. Aber was war mit ihm? Er war sich darüber nicht allzu sicher. Zuviel war im Verlauf dieses Krieges auf der Strecke geblieben. Sie hatten zu viele Kompromisse eingehen müssen, zu viele Menschen waren gestorben. Der Krieg war nicht so, wie ihn das Propaganda-Ministerium verkauft hatte. Er war nicht sauber und steril gewesen. Sie waren nicht wie die Helden in den Städten begrüßt worden, die sie „befreit" hatten. Sie waren als Aggressoren aufgetreten. Der gerechte Krieg hatte nie existiert. Aber spielte das jetzt noch eine Rolle? Erusea hatte gesiegt, die International State Allied Force, kurz ISAF, war geschlagen. North Point war ihr letzter Rückzugspunkt. Ihre Armeen waren geschlagen und zogen sich wild und unkoordiniert zurück. Doch selbst wenn sie es nach North Point schaffen würden, würden sie nur rauchende Krater vorfinden. Krater war das richtige Stichwort. Bald würden sie ein beeindruckendes Relikt einer kosmischen Katastrophe passieren. Es war außerdem der Punkt, an dem sie ihre Bombenabwürfe starten würden. Das erste Ziel auf ihrer Liste war der Luftwaffenstützpunkt Allenfort.

„Dies sind ihre Befehle und ihr Einsatzbefehl, gültig ab sofort. Feindliche Agenten zerstörten heute Morgen unser Frühwarnradar. Dies ermöglichte es mehreren Bear-Bombern in unseren Luftraum einzudringen. Wir erwarten in die Bomberformation in fünfzehn Minuten, ihr Ziel ist vermutlich ein Angriff auf den Luftwaffenstützpunkt Allenfort und danach auf verschiedene Ziele in North Point. Unsere Luftverteidigung ist momentan äußerst geschwächt, deshalb ist unser GHQ leichte Beute. Es ist von enormer Wichtigkeit, dass sie die Bomber zerstören und die Bedrohung neutralisieren, bevor sie Newfield Island passieren. Denken sie daran, sie sind unsere erste Verteidigungslinie für North Point und das Schicksal von ISAF liegt in ihren Händen…"

Johnson seufzte, als er die Worte des Captains des Flugzeugträgers St. Ark über Funk hörte. Er ging noch einmal die Checkliste durch, während die F-4 Phantom II auf dem Fahrstuhl hinaufgebracht wurde. Als der Fahrstuhl das Flugdeck des Trägers erreichte, rannten bereits die Mannschaften des Flugdecks hektisch umher. Gerade hatte eine F-4 das Topdeck verlassen und sich auf ihre gefährliche Reise gemacht. Eine weitere F-4 rollte gerade in Startposition. Doch für das Schauspiel hatte Johnson gerade keine Zeit. Einer der Flugdeckleute stellte sich direkt vor die Schnauze des schweren Jägers und gab dem Piloten das Zeichen, ihm zu folgen. Er musste vorsichtig mit dem Schub umgehen. Dieses Mal war es kein Simulator, in dem er saß. Dieses Mal saß er in einem Kampfjet, der bis obenhin mit Kerosin betankt und unten mit jeder Menge Sprengstoff beladen war. Und einem äußerst nervigen RIO.

„Hui…immer langsam, Grünschnabel!" rief Lieutenant Gash Ridley und warf einen bösen Blick nach vorne. Johnson knirschte mit den Zähnen, sagte aber nichts. Dieser Typ ging ihm mächtig auf die Nerven. Er und Ridley waren erst seit kurzer Zeit an Bord der St. Ark und hatten sich vom ersten Augenblick an nicht leiden können. Ridley stammte aus North Point. Er war sozusagen ein Einheimischer. Er war eingezogen worden, nachdem es an Soldaten gemangelt hatte. Für ihn war dieser Krieg nichts weiter als ein riesiges Ärgernis. Er hatte sich ständig darüber beschwert, dass das Militär ihn „gewaltsam" aus seinem Studium gerissen hatte. In einem halben Jahr hätte er seinen Doktor gemacht und in der Praxis seines Vaters mitgearbeitet, bis er sich selbstständig gemacht hätte. Vor dem Krieg wäre er gerne nach Farbanti gegangen. Doch nun war das unmöglich. Farbanti war die Hauptstadt des Feindes, den sie heute bekämpfen würden. Doch Ridleys ignorante Lebensweise war keineswegs der ausschlagende Grund für Johnsons Abneigung. Für Gash war der Krieg ein Ärgernis. Johnson hingegen hatte bereits alles verloren, was ihm jemals etwas bedeutet hatte. Sein zu Hause, seine Heimat, seine Familie und die Frau, die der geliebt hatte. Beim Gedanken an seinen Verlust blickte er auf das ausgeblichene Polaroid-Photo, das er zwischen seine Armaturen geklemmt hatte. Das Bild einer jungen, schönen Frau mit langen, rotblonden Haaren und blauen Augen lächelte ihn warm an.

„Rika…"

„RIKA!" brüllte Daniel panisch, als er die Tür zum Appartement seiner Freundin aufstieß. Seine Befürchtungen bewahrheiteten sich, als er das Chaos sah, das in der kleinen Stadtwohnung herrschte. Es war ihm schon klar gewesen, als er das gesplitterte Holz gesehen hatte. Die Tür war mit Gewalt aufgebrochen worden. Als er die Tür aufgestoßen hatte, lag vor ihm eine Spur der Verwüstung.

„Rika!" rief er, besann sich aber sofort eines Besseren. Was, wenn noch immer Soldaten in der Wohnung waren? Er hatte gesehen, wie diese Bastarde auf unschuldige Männer und Frauen geschossen hatten. Selbst Kinder waren nicht sicher gewesen. Horrormeldungen aus der ganzen Stadt zeugten davon, dass die Erusea es ernst meinten. Comberth Harbour war verloren. Und Daniel wusste es. Trotz der enormen Gefahr und entgegen des ausdrücklichen Wunsches seiner Mutter und seines Stiefvaters, war er noch einmal in die Stadt gegangen. Er würde nicht ohne Rika gehen.

„Komm mit uns!" hatte ihn seine Mutter angefleht, als sie sich unter Lebensgefahr zum kleinen Jachthafen durchgeschlagen hatten, wo sie an Bord des Bootes seines Stiefvaters gegangen waren.

„Ich kann nicht!" hatte er gesagt. „Ich muss wissen, ob es Rika gut geht!" Seine Mutter hatte ihn bekniet und angefleht, nicht zu gehen. Schließlich hatte Nicholas, sein Stiefvater, sie in den Arm genommen und getröstet.

„Sei unbesorgt. Daniel ist kein Kind mehr. Er kann auf sich selbst aufpassen." Er hatte ihm direkt in die Augen gesehen.

„Pass auf dich auf und sei vorsichtig. Wir werden so lange warten wie es geht." Daniel hatte entschlossen genickt und war sofort wieder in die Stadt gestürmt, aus der mittlerweile hohe Rauchsäulen stiegen. Unterwegs hatte er Szenen des Chaos und des Terrors mit angesehen. Als er das schwere Rumpeln von Ketten gehört hatte, war er sofort in Deckung gegangen. Was er mit ansehen musste, war einfach nur schrecklich. Erusische Streitkräfte trieben unbewaffnete Soldaten und Polizisten vor sich her und schossen sporadisch auf die Männer und Frauen. Wer zu langsam war oder dem Sadismus der Erusea ausgeliefert war, wurde ohne Gnade über den Haufen geschossen. Daniel war kein Soldat, er hätte nichts tun können. Dennoch hätte er am liebsten diese Bastarde allesamt in Stücke gerissen. Als das grausige Schauspiel vorüber gezogen war, hatte er sich aus der Mülltonne befreit und war in Richtung Rikas Wohnung gestolpert. Unterwegs hatte er noch anderen Soldaten ausweichen müssen. Bis er schließlich zum Maddison District gekommen war und vor dem Zentralbahnhof mit ansehen musste, wie Soldaten Leichen verbrannten. Er wusste nicht, was ihn mehr entsetzt hatte…die Tatsache, dass die Erusea einfach so Leichen verbrannte oder, dass es solche Massen waren. Das konnten gar nicht so viele Soldaten sein. Ein Großteil der Soldaten war geflohen, als die zahlenmäßigen und technologisch überlegenen Erusea aufmarschiert waren. Nur wenige Soldaten hatten den Mut und Anstand gehabt, ihre Heimat zu verteidigen. Und die ISAF? Ja, wo war die ISAF, die so großartig gegen Erusea gekämpft hatte.

Nein, die ISAF traf keine Schuld. Sie war zu dem Zeitpunkt bereits weit jenseits von Gut und Böse gewesen.

„JOHNSON, VERDAMMT!" schrie Ridley und streckte sich nach vorne um Daniel auf den Helm zu Hauen. Dieser reagierte wie immer so ruhig es ging, obwohl er Ridley am liebsten den Schädel von den Schultern gerissen hätte.

„Was ist nun schon wieder, Ridley?" fragte er stattdessen ruhig. Er wusste, dass das diesen dahergelaufenen Möchtegern-Doktor am schnellsten wütend machte.

„Dürfte ich dich daran erinnern, dass wir hier auf dem Präsentierteller sitzen?" Die F-4 war bereits in die endgültige Startposition gerollt. Das Fahrgestell wurde mit einem heftigen Ruck in die Führungsschiene eingerastet.

„Sämtliche Systeme Grün, alles auf Go." meldete ihnen der Deckoffizier. Johnson bestätigte und meldete ebenfalls alles grün. Ridley vervollständigte die Meldung.

„Verstanden, hier Flugkontrolle, alle Systeme Grün…Pilot, bereit zum Start! Auf mein Signal!" Daniel packte mit beiden Händen die Haltegriffe an der Kanzel. Ridley krallte sich ebenfalls fest. Jetzt ging es los.

„3…" Was aus Rika und Johnsons Familie geworden war? Er wusste es nicht. Er wusste selbst kaum, wie er aus Comberth Harbour entkommen war. Das einzige, was er wusste, war das er einen Monat später in North Point angekommen war. Irgendwo außerhalb von Comberth war er an Bord einer Frachtmaschine mit geflogen.

„2…" Hatten es Nicholas und seine Mutter geschafft? Sein kleiner Bruder Shawn war ebenfalls an Bord des Schiffes gewesen. Sein älterer Bruder, David…er war wahrscheinlich tot. Der Soldat war in der Stadt geblieben. Er hatte seiner aufgelösten Mutter erklärt, dass es seine Pflicht war für seine Stadt zu kämpfen. Er hatte Daniel die Sicherheit der Familie anvertraut. Zweifelsohne weil er Nicholas nicht leiden konnte.

„1…" Und Rika? Nun, sie war nicht in ihrer Wohnung gewesen. Daniel konnte nur hoffen, dass sie rechtzeitig aus der Stadt entkommen und bei ihren Eltern auf dem Land untergekommen war. Er gehörte zu den Nachzüglern, deshalb war die Chance, seine Familie in den Flüchtlingsströmen wieder zu finden auch fast nicht vorhanden gewesen. Und Nachrichten aus den besetzten Gebieten trafen so gut wie gar nicht ein. Seine Familie war verschwunden.

„Bon Voyage!" rief der Deckoffizier, als das Katapult zündete und die Maschine von null auf mehr als 280 Stundenkilometer in weniger als zwei Sekunden beschleunigte. Das graue Deck raste unter der Maschine dahin. Als das Blau des Meeres unter ihnen auftauchte, nahm Daniel den Steuerknüppel in seine Hand und zog ihn an sich heran. Auf einmal war das blaue Meer in ihrem Rücken als sie steil nach oben schossen und die Erde hinter sich ließen.

Die vier Phantoms näherten sich der Bomberformation von hinten. Bei dieser Geschwindigkeit würden sie in weniger als fünf Minuten in Reichweite ihrer Waffen sein. Die vier Maschinen wurden allesamt von Anfängern gesteuert. Sie waren durch eine Verkettung unglücklicher Umstände die einzigen Maschinen, die nahe genug waren um die Bomber und ihre Eskorte abzufangen. In Johnsons Ohren knackte es, als das Funkgerät ansprang.

„Hier AWACS, Rufzeichen Himmelsauge. Hören sie mich?" Nacheinander kamen die Bestätigungen rein.

„Hier Echo 4." „Hier Jupiter 1." "Hier Viper 7." Johnson wollte gerade ebenfalls etwas sagen, als er merkte, dass er noch gar kein Rufzeichen bekommen hatte.

„Äh…hier Lieutenant First Class Johnson…" begann er. Schweigen war die Folge. Schließlich, nach einigen Momenten der Stille, antwortete ihn Himmelsauge.

„Ihr Rufzeichen ist Mobius 1. Wir werden sie ab jetzt jederzeit mit diesem Namen rufen. Sie stehen ab sofort unter meinem Kommando." Er brach kurz ab. Johnson runzelte die Stirn. Mobius 1…ein merkwürdiges Rufzeichen, aber es gab schlimmere. Nur Ridley schien mal wieder etwas auszusetzen haben.

„Mobius 1? Und was soll das bitteschön heißen? Oh man!" Doch er verstummte sofort, als Himmelsauge sich wieder zu Wort meldete.

„Sechs Bombers bestätigt auf Vector 360. Fliegen sie weiter nach Norden um sie abzufangen." Dann folgte erneut eine kurze Pause, ehe es etwas persönlicher wurde. „Heute ist mein Geburtstag…ein Sieg wäre sicherlich ein nettes Geschenk." Johnson nickte ernst. Jetzt ging es los. Und es gab kein Zurück mehr.

„Echo 4, verstanden." „Jupiter 1, verstanden." "Viper 7, verstanden." Johnson sah auf das Photo von Rika.

„Mobius 1, verstanden!" Die vier Phantoms zündeten die Nachbrenner und Johnson spürte, wie er mit aller Gewalt in den Rücksitz gepresst wurde. Es dauerte nur einen Augenblick ehe die schweren Maschinen die Schallmauer durchstießen. Es war nicht wie man es sich vielleicht vorstellte. Statt eines infernalischen Lärms herrschte eine unheimliche Stille. Es war, als wäre die Welt um sie herum in tiefes Schweigen verfallen. Sie bewegten sich schneller als der Schall.

„Allenfort ist nur ein Sekundärziel. Es liegt lediglich direkt auf ihrer Flugroute." Einer der Piloten schien das Ruder an sich zu reißen. Johnson…Mobius 1 wusste nicht, wer es genau war. Aber war das denn wichtig?

„Denkt daran…lasst euren Flügelmann nicht aus den Augen, lasst diese Mistkerle nicht an der Insel vorbei und kümmert euch nicht um die Jäger, konzentriert euch auf die Bomber!" Die vier Maschinen gingen in Zwei-Maschinen-Rotten über. Die Maschine links von Mobius 1 übernahm die Führung.

„Mobius 1, hier Eagle 7. Lass uns diesen Mistkerlen zeigen, mit wem sie es zu tun haben!" Er konnte die Begeisterung in der Stimme des jungen Mannes hören. Er schüttelte den Kopf. Der Feind hatte es mit vier unerfahrenen Piloten zu tun, die noch nie einen Kampf hinter sich gebracht hatten. Doch das würde sich gleich ändern. Er umklammerte den Steuerknüppel mit aller Gewalt, als er die Bomber sah. Da waren sie. Sechs Stück. Und sie waren nicht alleine. Sechs MiG-21 kreisten wie kleine Barrakudas um die riesigen Pottwale, die sie beschützten. Es war glatter Selbstmord. Aber es gab kein zurück mehr. Er presste die Sauerstoffmaske fester an sein Gesicht und stieß den Schubregler nach vorne, woraufhin die Phantom einen Satz nach vorne machte.

„Mobius 1, greife den Gegner an!" rief er über den offenen Gefechtsfunk. Noch ehe Viper 7 reagieren konnte, löste er sich aus der Formation. Normalerweise wäre es sinnvoller gewesen, bei Viper 7 zu bleiben. Aber weder er noch der andere Pilot waren ausreichend im Formationsflug geschult. Wahrscheinlich wären sie bei der ersten scharfen Kehre kollidiert. Ein solch unrühmliches Ende wollte er vermeiden. Anscheinend schien Viper 7 das nicht zu verstehen.

„Ich decke dich!" rief er und folgte Mobius 1 so gut es ging. Johnson sah durch sein HUD und nahm den Bomber ins Visier, der am nächsten war.

„Ridley, der linke Bomber!" rief er. Es dauerte nicht lange, bis er einen gleichmäßigen Pfeifton im Ohr hatte.

„Raketen ausgewählt. Zielsucher haben Ziel erfasst, bereit für Abschuss!" rief Ridley. Der Feind hatte sie mittlerweile ebenfalls entdeckt. Zwei MiG's drehten in einer engen Kehre ab und kamen direkt auf sie zu.

„Beschützt den Bear!" rief einer der Erusea über den offenen Gefechtsfunk. Gleichzeitig meldete sich einer der Bomberpiloten zu Wort.

„Egal was passiert, haltet den Kurs!" Die beiden MiG's rasten auf Mobius 1 und Viper 7 zu. Die MiG's waren schneller und wendiger. Im direkten Luftkampf Mann gegen Mann waren sie den Phantoms überlegen. Das war einfach nur großartig. Daniels erster Luftkampf. Und dann gleich gegen einen Gegner, der ihm in nahezu allen Belangen überlegen war. Da kam ihm eine Idee.

„Eagle 7, nach links ausbrechen!" Er wartete nicht auf eine Bestätigung des anderen Piloten. Stattdessen riss er sein Ruder nach rechts und kippte den schweren Jäger auf die rechte Tragflächenspitze. Die MiG's kamen immer näher und er ließ den Jäger in eine enge Rolle übergehen. Die Maschine sackte ab und raste kopfüber gen Erde.

„JOHNSON! WILLST DU UNS UMBRINGEN!" schrie Ridley panisch. Doch Johnson hörte nicht auf ihn. Stattdessen ließ er die Maschine weiter nach unten sacken und konzentrierte sich voll und ganz auf seine Instrumente. Bei 2500 Fuß fing er die Maschine schließlich ab, indem er sie elegant abfing und wieder in die Gerade brachte. Er orientierte sich kurz und erkannte, dass er ungefähr dort war, wo er hinwollte. Sein Plan war aufgegangen. Die beiden MiG's waren ein ganzes Stück weit über ihm, unfähig ihn direkt in die Mangel zu nehmen. Er war jedoch direkt unterhalb der Bear-Bomber und, was noch wichtiger war, er war in Reichweite seiner Raketen.

„Ziel aufgeschaltet!" rief Ridley, als er das Ziel justierte. Johnson umklammerte den Steuerknüppel und musste schwer schlucken, als sein Finger über die Abfeuerung glitt. Er hatte noch nie getötet. Doch hier und jetzt war nicht die Zeit zum Zögern. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und presste den Auslöser.

„Fox one!" rief er der Rakete hinterher, als sie sich vom Jäger löste und einen Rauchschweif hinter sich herziehend auf den Bomber zuraste. Während die Rakete unterwegs war, hörte er noch Viper 7 über Funk.

„Kümmert sich jemand mal um diese Bomber! Ich übernehme die Eskorte!" In dem Moment traf die Rakete das Heck des Bombers. Für einen Augenblick dachte Johnson, die Rakete wäre wirkungslos verpufft. Doch dann erblühte das Heck der Maschine in einer feurig orangeroten Explosion, die die ganze Maschine verschluckte. Als die Explosion verebbte, war nur noch ein schwarzes, rauchendes Wrack übrig, das ausgebrannt in Richtung Erde stürzte, um dort auf dem Meer aufzuschlagen.

„Ein Bomber wurde getroffen!" schrie einer der Jägerpiloten panisch über den offenen Funk. Die anderen vier MiG's drehten sofort ab und nahmen Kurs auf die Phantoms.

„Da sind unsere Gastgeber!" rief ein Bomberpilot. Unrecht hatte er nicht, aber es versprach eine wüste Party zu werden.

„Überlasst die unserer Eskorte!" rief ein anderer Bomberpilot. Als hätten die Jäger nur auf dieses Stichwort gewartet, stürzten sie sich auf die ISAF-Maschinen wie ein Rudel wilder Hunde.

„Omega 11, greife an!" Eine MiG hatte es direkt auf Mobius 1 abgesehen. Sie stürzte sich von oben auf ihn herab. In der Position waren Johnson und Ridley eine leichte Beute.

„Äh…Johnson!" Ridley sah panisch nach oben. Die feindliche MiG raste direkt auf sie zu. Johnson konzentrierte sich ganz auf seinen Gegner und ignorierte das panische Gekreische Ridleys vollkommen.

„Festhalten!" schrie er und gerade als die MiG zu ihrem Angriff ansetzte, riss er den Steuerknüppel nach rechts und ließ die Phantom nach Steuerbord abrollen. Er drückte die Schnauze nach unten, Richtung Erde und ließ die Phantom weiter rollen, bis oben wieder oben und unten wieder unten war. Dann riss er den Steuerknüppel an sich heran und brachte den zweiten Bear-Bomber ins Visier.

„Fox two!" schrie er und presste den Auslöser ohne auf die Bestätigung von Ridley zu warten. Die Rakete erwachte brüllend zum Leben und machte sich auf die Jagd nach ihrer Beute. Der Bomber verging in einer ebenso fulminanten Explosion wie sein Kamerad. Johnsons Manöver war genial gewesen. Indem er sich abgerollt und einen Sinkflug eingeleitet hatte, war er unter der MiG durchgetaucht und hinter ihr wieder aufgestiegen. Er hatte die ganze Zeit über den Bomber nicht aus den Augen gelassen.

„Hier ist Grau 1! Verdammt, wir haben hier immer noch eine Ladung auszuliefern!" schrie der Kommandant des Bombergeschwaders wütend über den offenen Gefechtsfunk.

„Noch vier Bomber übrig." meldete sich Himmelsauge. Die Stimme des Operators war seltsam ruhig. Es schien so, als wäre er in der Lage, seine Gefühle perfekt zu kontrollieren.

„Wir stürzen ab! Alle Mann raus aus dem Bomber!" kreischte eine panische Stimme. Johnson wurde bewusst, dass es der Pilot des Bombers sein musste, der gerade als riesige Fackel gen Boden stürzte.

„Jesus, Maria und Josef!" keuchte Ridley. Das war eine echte Schlacht, kein simuliertes Geplänkel. Innerhalb eines Augenblicks hatte Johnson getötet. Und gleich mehrere Male. Jeder Bear-Bomber hatte sicherlich ein halbes Dutzend Leute an Bord. Doch er hatte keine Zeit um sich zu grämen. Er hatte eine Aufgabe. Und die war noch nicht vollendet. Er sah nach hinten.

„Wo ist diese MiG?" rief er. Ridley beugte sich über seinen Radarschirm. Er studierte die Daten und schien endlich den Ernst der Situation begriffen zu haben.

„Die MiG von gerade eben hat abgedreht. Sie unterstützt jetzt ihre Kameraden gegen unsere Jungs. Drei gegen drei…die anderen drei MiG's halten Formation mit den Bombern." Kurz, knapp und präzise. Damit konnte Johnson arbeiten.

„Okay, dann nehmen wir uns jetzt die restlichen Bomber vor!" Er ließ die Maschine nach Backbord kippen und auf der linken Tragfläche eine enge Kehre ziehen. Er zog den Steuerknüppel an sich heran und zündete die Nachbrenner. Die Phantom schoss steil in den Himmel. Ridley lehnte sich nach vorne.

„Was hast du vor?" rief er sorgenvoll. Johnson konzentrierte sich auf die Instrumente. Es war ein gewagter Plan, aber das war hier schließlich auch ein Luftkampf.

„Die werden uns denselben Trick nicht noch einmal abnehmen. Deshalb versuchen wir es jetzt mal von oben." Die Maschine stieg und stieg und als das unendliche Blau des Himmels bereits begann, schwarz zu werden, kippte er die Maschine vorn über ab. Eiskristalle bildeten sich an der Cockpitscheibe.

„Das kann nicht dein ernst sein!" schrie Ridley, als die Maschine zu einem irrsinnigen Sturzflug ansetzte.

„Dann pass mal genau auf, du Ungläubiger!" erwiderte Johnson nicht minder lautstark. „JEEEEEHAAAAW!" Die Maschine begann zu beschleunigen. Zusätzlich zu der Schwerkraft zündete er erneut die Nachbrenner. Jetzt galt es.

„Gib mir die Position der Bomber!" rief er. Ridley versuchte sich so gut wie möglich auf seine Instrumente zu konzentrieren.

„Äh…links?" Johnson hätte sich am liebsten abgeschnallt, umgedreht und Ridley eins auf den Helm gegeben. Mit so etwas konnte man gar nichts anfangen.

„Was links? Links gedrehter Joghurt, oder was!" rief er wütend. Ridley schien ernsthaft Probleme zu haben.

„Die Radarechos sind nicht eindeutig. Ich weiß nicht wo wir sind. Ich hab hier drei Kontakte, ich kann sie aber nicht zuordnen!" Ridley schien wirklich keine Ahnung zu haben. Johnson biss sich auf die Unterlippe. Der Plan ging nach hinten los.

„Hier Himmelsauge!" meldete sich auf einmal der AWACS. „Mobius 1, bestätigter Sensorkontakt vor Newfield Island. Das sind die Bomber!" Himmelsauge hatte die ganze Zeit mitgehört. Johnson konnte sich richtig vorstellen, wie Ridley vor Scham am liebsten im Boden versunken wäre und musste grinsen.

„Verstanden!" rief er und erkannte durch sein HUD Newfield Island mit dem charakteristischen Krater, der von einem Bruchstück getroffen wurde. Dort unten war mit der Wucht mehrerer Atom-Bomben ein Stück kosmischer Fels eingeschlagen und hatte verheerenden Schaden angerichtet. Jetzt lag um den Krater herum nicht nur der Luftwaffenstützpunkt Allenfort, sondern auch eine blühende Kleinstadt.

„Da sind sie!" rief Johnson. Und tatsächlich, da waren sie, vier große, dunkle Flecken. Sie wurden schnell größer und entpuppten sich als die Bomber, die ihre gefährliche Fracht noch nicht ausgeladen hatten.

„Ridley, gib' mir eine Zielerfassung!" Wortlos befolgte Ridley den Befehl und der ihm am nächsten liegende Bomber wurde von einem Viereck in seinem HUD umgeben. Er stürzte auf seinen Gegner herab wie ein Raubvogel auf seine Beute. Die MiG's hatten ihn noch nicht entdeckt. Der Computer gab eine positive Erfassung, als die Raketen ihr Ziel erfasst hatten. Doch Johnson drückte nicht ab. Stattdessen raste er weiter auf den Bomber zu.

„Hey, was ist los?" rief Ridley, als er nicht feuerte. Doch Johnson hatte nicht vor, eine Rakete an das Ziel zu verschwenden.

„Den schieße ich so ab!" rief er und raste Steil auf das Heck der Maschine zu. Er wechselte auf die Bordkanone und sah zu, wie der Höhenmeter geradezu nach unten raste.

„Gleich…hab'…ich...dich..." flüsterte er, während er sich auf das Ziel konzentrierte. Trotzdem mussten alle es über den Funk gehört haben.

„Oh verdammt! Die haben wohl keine Lust auf uns! MIG'S!" schrie Ridley. Und tatsächlich, die drei MiG's hatten abgedreht und kamen jetzt direkt auf ihn zu. Ihr Abfangmanöver würde sie aber nicht mehr rechtzeitig in Reichweite bringen. Der Bomber war erledigt. Mehr auf gut Glück als mit Geschick eröffnete er das Feuer. Die Minigun im Bug der Maschine erwachte Feuer spuckend zum Leben und säte Tod und Zerstörung. Ein Großteil der Kugeln verfehlte ihr Ziel. Doch die, die trafen, richteten verheerenden Schaden an. Die linke Tragfläche und ein Großteil des Rumpfes wurden von den Projektilen durchschlagen, als wären sie aus Papier. Kerosin entzündete sich und explodierte, die Maschine wurde regelrecht in Stücke gerissen. Diesmal gab es keinen Schrei nach Hilfe.

„Noch drei Ziele übrig." Das war alles, was Himmelsauge dazu zu sagen hatte. Vielleicht war es auch besser so. Doch Johnson hatte keine Zeit zum Nachdenken.

„Achtung, feindliche Radaraufschaltung!" Johnson und Ridley fluchten um die Wette, als eine der MiG's sie sie in die Zielerfassung nahm. Sofort riss Johnson das Ruder hart zur Seite.

„Sag' mal, WAS MACHST DU DA!" brüllte Ridley wie von sinnen. Und tatsächlich schien es nicht besonders intelligent zu sein, den Feind frontal anzufliegen.

„Schnauze und gib' mir eine Zielerfassung!" schrie der Pilot zurück. Die Rakete hatte sofort auf das Ziel aufgeschaltet, auf diese Entfernung war es eine Frage von Sekundenbruchteile. Als der Ton der Zielerfassung erklang, presste Johnson sofort den Auslöser.

„Fox three!" schrie er und kippte die Maschine nach rechts ab. Die Rakete raste auf die MiG zu und zwang den Piloten zum Ausweichen. Der Lenkflugkörper raste am Ziel vorbei und hinaus auf den Ozean.

„Der ging ins Leere, passt auf!" warnte Himmelsauge. Der Typ sah ja anscheinend alles von seinem AWACS aus. Vielleicht konnte Johnson ihn ja gegen Ridley tauschen. Allerdings glaubte er kaum, dass dieser Vorhaben von Erfolg gekrönt sein würde. Stattdessen meldete sich Himmelsauge erneut wieder.

„Das Ziel beginnt Bombenabwürfe über der Stadt." Johnson fluchte. Die Bomber hatten ihr Ziel erreicht und begannen mit ihrem Auftrag. Doch Johnson konnte unmöglich eingreifen. Die drei MiG's waren jetzt hinter ihm her und sie würden nicht zulassen, dass es zu noch einem Bomberausfall kommen würde.

„Verdammt, der hat mich im Visier!" schrie die MiG, die er gerade beschossen hatte. Das war die Chance. Johnson riss das Ruder zur anderen Seite und die beiden Männer wurden mit der Gewalt von weit mehr als 6G in ihre Sitze gepresst.

„Was wird das denn jetzt schon wieder!" rief Ridley entnervt. Aber er ahnte schon, was jetzt kam. Die Phantom würde sich mit dem MiG's messen. Eins gegen drei, und darüber hinaus hatte der Feind auch noch die besseren Maschinen. Zu seinem Glück waren die Piloten in den MiG's mindestens genauso grün wie er. Allerdings schienen sie über noch weniger Flugerfahrung zu besitzen, egal ob theoretisch oder praktisch. Er nahm die Verfolgung der MiG auf, die er beschossen hatte. Mit einer scharfen Kehre brachte er sich direkt hinter dem einstrahligen Jäger in Position.

„Du hast einen Banditen am Heck! Weich aus!" schrie einer der Jägerpiloten. Die Raketen hatte ihr Ziel erfasst. Johnson sah grimmig auf sein Ziel. Es musste sein. Anstatt die Rakete abzufeuern, eröffnete er erneut mit der Bordkanone das Feuer. Die Kugeln zerfetzten die rechte Tragfläche. Sie begann stark zu vibrieren und riss als ganzes Stück ab. Die feindliche MiG fiel wie ein Stein zu Boden.

„WHOA, ACHTUNG!" schrie Ridley, doch Johnson hatte es schon bemerkt. Die abgerissene Tragfläche war raste direkt auf sie zu. Johnson rollte nach links und drehte die Maschine auf den Kopf. Mit einem lauten Schaben kratzte die zerfledderte Konstruktion über die Cockpitkanzel und hinterließ einen tiefen Kratzer im Panzerglas. Dann war das Fragment vorbei.

„Tu…das…nie...wieder..." keuchte Ridley. Johnson verstand die Aufregung nicht. Immerhin hatte der andere Pilot weniger Glück gehabt. Allerdings Glück im Unglück.

„Mayday! Mayday! Mayday! Hier ist Rot 9! Ich habe keine Kontrolle mehr! Steige aus!" Johnson war insgeheim froh, dass der Pilot noch am Leben war. Er konnte nicht sehen, wie der Mann ausstieg, aber man würde ihn sicherlich gleich aus dem Ozean fischen. Für ihn war die Schlacht vorbei. Für Mobius 1 noch lange nicht.

„Fox two!" schrie einer der Gegner. Johnson sah sich hektisch um. Er sah die beiden MiG's, doch sie waren in keiner Schussposition. Dann wurde ihm klar, dass es sich um eine der MiG's handeln musste, die mit den anderen drei Phantoms kämpften. Er fragte sich, wie sie sich schlugen und ob es ihnen gut ging. Doch er konnte sich nicht auch noch um sie Sorgen machen. Dazu war seines und Ridleys Leben im Moment zu sehr in Gefahr.

„Passt auf diese feindlichen Jäger auf!" rief einer der ISAF-Piloten. Anscheinend ging es ihnen noch gut.

„Mobius 1, sie erreichen den Luftraum über der Stadt." Himmelsauge hatte Recht. Sie waren über der Stadt. Die Bomber hatten gerade ihren ersten Bombenabwurf gestartet und im Moment über dem Meer. Die beiden MiG's hatten abgedreht. Anscheinend waren sie wirklich grün. Entweder hatten sie irgendeinen Plan oder waren einfach nur vom Verlust ihres Kameraden schockiert. Wie auch immer, es war die perfekte Möglichkeit. Die Bomber waren ungeschützt. Johnson würde sie für ihre Nachlässigkeit schon büßen lassen. Er drehte bei und raste auf die drei übrigen Bomber zu. Solange sie noch über dem Meer waren und wendeten, konnte er sie ohne Sorge abschießen. Die schwerfälligen Flugzeuge waren der Phantom hilflos ausgeliefert. Als er in Reichweite war, ließ er die Bordkanone Tod und Verderben spucken. Das Cockpit der Maschine wurde wie ein Sieb zerlöchert. Doch anstatt abzustürzen, ging der Bomber in einen langsamen Sinkflug, der ihn hinaus aufs Meer führte. Johnson musste schwer schlucken. So hatte er es sich nicht unbedingt vorgestellt.

„Mobius 1 hat einen Bear abgeschossen!" rief Himmelsauge triumphierend. „Noch zwei Ziele übrig!" Johnson schüttelte sein Entsetzen ab. Er musste sich zusammenreißen.

„Meine Güte…" flüsterte Ridley hinter ihm, als er das Werk der Zerstörung sah. So etwas hatte auch er noch nicht gesehen.

„Viper 7, Fox two!" rief einer der Piloten. Es war sein Flügelmann. Erleichterung machte sich in Johnson breit, als er erkannte, dass Viper 7 noch lebte.

„Da kommt er!" rief ein anderer Pilot. Dann stieß Viper 7 einen lang gezogenen Siegesschrei aus. Anscheinend hatte seine Rakete getroffen.

„Hier ist Blau 1, Maschine ist außer Kontrolle! Steige aus!" schrie einer der feindlichen Piloten. Angestachelt und motiviert von seinem Sieg war Viper 7 jetzt bereit für mehr.

„Sprich dein Gebet!" rief er und konzentrierte sich wieder auf den Luftkampf. Doch Johnson hatte ein anderes Problem. Die Bomber hielten direkt auf das GHQ zu. In wenigen Minuten würden sie dort sein.

„Oh nein, so haben wir nicht gewettet!" knurrte Johnson und nahm Kurs auf die beiden letzten Bomber. Er konnte die MiG's nicht mehr sehen. Das machte ihm sorgen.

„Ridley, behalte diese MiG's im Auge!" Er zündete die Nachbrenner und jagte direkt auf die beiden Bomber zu.

„Hebt eure Bomben für das GHQ auf!" rief einer der Bomberkommandanten. Wo immer auch die MiG's waren, sie hatten erkannt, was Johnson vorhatte.

„Beschützt die Bomber!" rief einer von ihnen panisch. Johnson sah sich hektisch um. Diese Kerle waren nirgendwo zu sehen. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war eine MiG in seinem Rücken. Zwei MiG's erst recht nicht.

„Wo sind diese Mistkerle!" rief er zu Ridley. Der ließ sich mit seiner Antwort sehr viel Zeit, viel mehr als Johnson lieb war. Aber ziemlich sagte er, was los war. Seine Stimme hatte eine Spur von Ungläubigkeit.

„Sie drehen ab…sie fliehen!" rief er. Johnson schüttelte den Kopf. Diese Kerle hauten ab. Und ließen ihre Bomber einfach so zurück. Sie wollten ihr eigenes Leben retten und opferten ihre Kameraden. Johnson konnte das nicht glauben, wollte es nicht glauben. Aber er wusste, dass das nichts an seinem Auftrag änderte. Anscheinend hatte einer der Bomberkommandanten auch erkannt, was da vor sich ging.

„Alle Flugzeuge, haltet den Kurs bei!" Doch es kam keine Bestätigung. Johnson konnte sich lebhaft die Verzweiflung des Mannes vorstellen. Aber die beiden Bomber hielten stur auf ihr Ziel zu. Im Hintergrund sah man den führerlosen Bear, der aufs Meer hinausflog.

„Das war's!" rief einer der ISAF-Piloten siegreich. Hoffentlich hatten sie die MiG's abgeschossen. Er hielt weiter auf die Bomber zu. Er würde es schaffen. Sie würden nicht rechtzeitig beim GHQ sein. Das war jetzt das einzige, was zählte.

„Noch 8 Meilen bis zum Ziel!" rief einer der Bomberkommandanten. Okay, es würde doch verflucht eng werden. Johnson quetschte alles aus den beiden Triebwerken der F-4 heraus und raste in einem wahnsinnigen Tempo auf die Feinde zu. Er kam in Reichweite der Raketen. Ridley brauchte nicht einmal eine Aufforderung. Er wies Johnson sofort den hinteren Bomber zu. Die Rakete schaltete auf das Ziel auf und er feuerte ab. Der Lenkflugkörper löste sich von der Tragfläche und suchte sich sein Ziel. Wie schon der erste Bomber, so verging auch dieser in einer spektakulären Explosion und hinterließ ein ausgebranntes Wrack.

„Mayday, Mayday, hier ist Grau 3! Wir wurden getroffen, können die Höhe nicht halten! Aussteigen, aussteigen!" brüllte der Kommandant des sterbenden Fluggerätes noch über Funk. Doch es stieg niemand aus.

„Mobius 1 hat einen Banditen abgeschossen, noch ein Ziel übrig!" Himmelsauges Stimme war ruhig wie immer. Und da war sie. Die letzte Maschine. Der Bomber hatte bereits die Abwurfschächte wieder geöffnet und hielt direkt auf das GHQ zu, das an einem Hang lag. Er würde es in Schutt und Asche legen. Johnson reagierte nur noch. Nachdem Ridley wortlos das Ziel ausgewählt und die Rakete den Bomber aufgeschaltet hatte, feuerte er ab. Die Detonation war gewaltig. Vielleicht lag es daran, dass die Bombenschächte offen und die Bomben scharf gemacht waren. Wie dem auch sei, man konnte nicht mehr von einem Wrack reden. Die Brocken regneten in das blaue Meer und schlugen auf dem Standstrand ein. Dann herrschte Stille. Es dauerte eine Weile, ehe jemand etwas sagte.

„Schon seltsam so weit draußen Jäger zu sehen…" Das war einer der ISAF-Piloten. Sie hatten es geschafft. Sie hatten es wirklich geschafft. Himmelsauge meldete sich wie zur Bestätigung von Johnsons Gedanken.

„Gute Arbeit, Mobius 1. Mission abgeschlossen." Johnson lehnte sich zurück und merkte erst jetzt, dass er klitschnass war. Jetzt erst wurde ihm klar, dass dieser Luftkampf ihm alles abgefordert hatte. Es war nicht wie ihm Simulator gewesen. Er sah auf das Bild von Rika und seufzte erleichtert. Er hatte überlebt. Auf einmal war eine andere Stimme über Funk zu hören.

„Hier ist Allenfort, wir haben eine Bestätigung von den abgestürzten Bombern! Wer hat die erledigt?" Dann eine kurze Pause, ehe der Mann weiter sprach.

„Sagt ihm danke!" Dann war alles still. Johnson drehte die Maschine ab in Richtung Süden. In die Richtung, in der die St. Ark lag. Nach einer Weile sah er nach hinten.

„Hey, Ridley!" Sein RIO sah nach vorne und runzelte die Stirn. Auch er war klitschnass. Allerdings fragte sich Johnson, wie viel davon Angstschweiß war.

„Was ist, Fliegerass?" fragte er vorsichtig. Johnson nahm die Sauerstoffmaske ab und grinste schief.

„Mach mal ein Fenster auf, hier stinkt es gewaltig!" Ridley sah ihn nur gereizt an und hob schließlich seine Hand. Der ausgestreckte Mittelfinger war Antwort genug.

„Leck mich." Der Rest ging bei Johnsons Gelächter unter. Währenddessen formierten sich die restlichen Jäger um Mobius 1. Einer der Piloten meldete sich glücklich über Funk.

„Last uns nach Hause gehen."

SAM: Steht für Surface to Air Missile. Gemeint sind damit Boden-Luft-Raketen. Meistens sind das Radar gelenkte Fluglenkkörper, die selbstständig ihr Ziel verfolgen. SAM's sind für Flugzeuge neben feindlichen Abfangjäger die größte Gefahr.

Schlammhüpfer/Bodenkriecher: Eine ziemlich abwertende Meinung gegenüber den Mitgliedern des Heeres. Truppenspezifische Rangeleien sind in den meisten Armeen dieser Welt an der Tagesordnung. Manchmal geht es aber zu weit. Insbesondere die Luftwaffe ätzt sehr gerne gegen ihre Kollegen vom Heer, so selbst erlebt. Dabei nehmen sich Piloten manchmal zu viel heraus und sehen sich als das Beste, was es gibt.

GHQ: General Headquarters. Dies ist die Nato-Bezeichnung für das oberste Hauptquartier. Im Englischen wird allerdings der Plural von Headquarter benutzt.

RIO: Steht für Radar Intercept Officer. Zu Deutsch Waffensystemoffizier. Dieser Posten ist nur in so genannten Double-Seatern vorhanden und bezeichnet schlichtweg den Hintermann. Der RIO ist für eine Vielzahl von Aufgaben zuständig, um den Piloten bei seinen Aufgaben zu entlasten.

HUD: Head Up Display. Dies ist eine projizierte Anzeige, mit der der Pilot navigiert. Auf einer Plexiglasscheibe wird mithilfe eines Lasers ein künstlicher Horizont projiziert. Außerdem hat er somit wichtige Informationen direkt im Blickfeld, wie Höhe, Geschwindigkeit und den Gegner.