Unmittelbare Bedrohung

5. Oktober 2004/13:29 Uhr

Luftwaffenstützpunkt Rigley

Operation Ernte

Seit dem gescheiterten Bomberangriff auf North Point waren mehr als zwei Wochen vergangen. In diesen zwei hektischen Wochen hatte sich einiges getan. Die Aktionen der Erusea hatten an Schwung verloren. Anfangs wusste niemand, warum dies so war. Aber alle ahnten, dass es nichts Gutes war. Alle, mit Ausnahme eines RIO's.

„Komm schon, Mobi! Entspann dich! Wir haben's diesen Pennern so richtig gegeben!" Ridley saß direkt neben seinem Piloten und grinste ihn schief an. Johnson verdrehte nur die Augen und seufzte innerlich. Er hatte gehofft, dass dieser Kerl nach dem Kampf ruhiger werden würde. Das war auch passiert…hatte aber nur knapp einen Tag angehalten. Nachdem er am nächsten Tag aufgewacht war, hatte Ridley den unbändigen Drang verspürt, allen Leuten im Umkreis von 100 Yards zu erklären, was für ein toller Kerl er war und wie glücklich Johnson sich doch schätzen konnte, so einen gottgleichen RIO wie Ridley an seiner Seite zu haben. Dabei hatte es gar keinen Grund für gute Laune gegeben. Nicht alle hatten so viel Glück gehabt wie Mobius 1. Sie hatten auch Verluste erlitten, auch wenn es Johnson erst später aufgefallen war. Jupiter 4 und Echo 4 hatten es nicht geschafft. Jupiter 4 war von einer der MiG's abgeschossen worden. Der RIO der Phantom hatte sich noch herauskatapultieren können, doch der Pilot hatte es nicht mehr geschafft. Der schnelle Fall hatte ihm wahrscheinlich das Bewusstsein geraubt. Er hatte wohl nichts gespürt, als die Maschine auf dem betonharten Wasser aufgeschlagen war. Aber das war ein schwacher Trost. Echo 4 hatte sicherlich den unschöneren Weg gewählt. Sie hatten den Rückflug angetreten und hatten schließlich die St. Ark erreicht. Viper 7 war als erstes nach unten gegangen. Es war eine harte Landung gewesen, aber er hatte es in einem Stück heruntergeschafft. Das galt nicht für Echo 4. Der Pilot hatte schon beim Landeanflug geschlingert. Ob es am Piloten gelegen hatte, oder aber ob die Maschine schon vorher beschädigt worden war, ließ sich hinterher nicht mehr genau sagen. 17 Menschen starben, als sich die Phantom in das Heck des Flugzeugträgers bohrte und brennendes Kerosin und heiße Splitter über das Flugdeck geschleudert wurde. Innerhalb eines Moments hatte sich ein voll funktionsfähiger Flugzeugträger in eine Feuerhölle verwandelt. Der Schaden war gewaltig gewesen. Fast zwei Drittel des Flugdecks war unbrauchbar, Metallteile hatten sich in den Stahl gebaut. Die Katapulte und die Fangseile waren nur noch Schrott. Die 17 Menschenleben waren für Johnson schlimm, sehr schlimm. Aber so hart es klang, der Ausfall eines Flugzeugträgers war der härtete Schlag. Die St. Ark war effektiv außer Gefecht gesetzt worden. Sie hatte es zwar noch aus eigener Kraft in den Hafen geschafft, doch im Moment hatte man nicht die Mittel, sie ins Trockendock zu schicken und zu reparieren. So lag das einstmals so stolze Schiff nun als gebrochener Titan im Hafenbecken von North Point. Und Mobius 1? Sie hatten das ganze Drama live miterlebt. Gott sei Dank hatte Ridley seine Klappe gehalten, sonst hätten sie ihn aus dem Ozean gefischt. Johnson hätte ihn einfach herauskatapultiert. Eine Landung war unmöglich gewesen. Also mussten sie zu einem anderen Stützpunkt. Der nächste Stützpunkt war Allenfort gewesen, den Flugplatz, den sie zuvor gerettet hatten. Wie durch ein Wunder hatten die Bomben die Landebahnen verfehlt. Als Mobius 1 sich für eine Landung angemeldet hatte, war der Tower alles andere als erfreut gewesen. Eigentlich wollten sie niemanden landen lassen, aber als Ridley lautstark herausposaunt hatte, dass sie es gewesen waren, die die Bomber abgeschossen hatten, war es schwerer gewesen, die Maschine in der Luft zu halten. Johnson hätte es nicht gewundert, wenn die Leute am Boden plötzlich einen riesigen Magneten aus einem Hangar geholt und sie auf die Erde gezogen hätten. Was folgte war eine ziemlich lange Siegesfeier gewesen. Johnson hatte sich vom überschwänglichen Jubel anstecken lassen und am nächsten Morgen den Tribut bezahlt. Als am nächsten Tag die Befehle kamen, waren er und Ridley jenseits von gut und böse. Beide fühlten sich schrecklich. Allerdings aus gänzlich unterschiedlichen Gründen. Johnson fühlte sich schlecht, weil er gefeiert hatte, als wären ihm die Toten egal. So viele Menschen waren noch am selben Tag gestorben, an dem sie gefeiert hatten. Ein bedeutender Teil war durch seine Hand gestorben. Es nagte an ihm und die ganze Zeit während des Fluges zu ihrer neuen Basis in North Point hatte er sich immer tiefer in Vorwürfe gesteigert. Auch Ridley hatte gelitten. Allerdings hatte es andere Hintergründe. Er hatte einfach viel zu viel gesoffen und hatte einen Kater, der dem Unglück auf der St. Ark in nichts nachstand. Jedenfalls jammerte er unterwegs so, als wäre er eines der Opfer der Katastrophe gewesen.

Ihren Marschbefehl hatten sie von Himmelsauge bekommen, dem Operator des AWACS. Sie hatten die fliegende Befehlszentrale selbst begleitet, nachdem sie über dem Meer zu der Maschine gestoßen waren. Den ganzen Flug über war es ruhig gewesen. Ein paar Mal hatte Johnson überlegt, Himmelsauge anzufunken und mit ihm zu reden. Aber dann fiel ihm ein, dass es eigentlich nichts gab, worüber die beiden reden konnten. Sie hatten sich noch nie gesehen und wahrscheinlich würden sie sehr bald getrennte Wege gehen. Während Ridley also seinen Rausch losgeworden und seine unerträgliche Art wieder angenommen hatte, war Johnson mit seinen Gedanken weitestgehend alleine gewesen. Er hatte auf das Photo von Rika gestarrt und sich gefragt, was sie wohl von seinem neuen Leben halten würde. Er, der immer gegen Krieg und Gewalt gewesen war, der bei jeder Friedensdemonstration dabei gewesen war und gegen Aufrüstung und für Abrüstung demonstriert hatte und sie, die aus einer Lehrerfamilie stammte, Intellektuelle, die immer schon gegen die Großen rebelliert hatten. Er hatte die Stirn gerunzelt und sich gewundert. War er vielleicht doch der Sohn seines Vaters? Seines echten Vaters, zumindest? Sein Stiefvater, Nicholas Aversen, war ein renommierter Journalist und Literaturkritiker gewesen. Darüber hinaus hatte er sich für allerlei humanitäre Projekte eingesetzt. Er hatte sogar mit Rock-Stars auf der Bühne gestanden und gegen atomare Energie protestiert. Als er in Johnsons Familie gekommen war, war der damals fünf Jahre alte Junge von diesem Mann so beeindruckt gewesen, dass er in ihm eine neue Vaterfigur gefunden hatte. Sein älterer Bruder, David, hatte Nicholas immer abgelehnt. Er war fünf Jahre älter und nachdem ihr Vater verschwunden hatte, begann er sich zu verändern. Er schien es ihrem Vater nicht übel zu nehmen, dass er einfach so verschwunden war. Tatsächlich tat er alles, um in seine Fußstapfen zu treten. Bis heute wusste Johnson nicht genau, was sein alter Herr gemacht hatte. Lediglich, dass er im Militär gewesen war. Nach der Geburt seines Halbbruders Shawn hatte er mit dem Kapitel um seinen Vater abgeschlossen. Als er jedoch älter wurde, stellte er viele Dinge im Stillen in Frage, die Nicholas sagte. Vielleicht hätte er sich mehr seinem Bruder angenähert, wer konnte das schon sagen? Aber man würde es nicht mehr erfahren, da der Krieg dazwischengefahren war. Diese und andere Gedanken beschäftigten ihn während des Flugs nach North Point. Ridley bedauerte währenddessen nur, dass er den weiblichen Lieutenant von der Wartung nicht flach gelegt hatte.

„Komm schon, Mobi! Entspann dich! Wir haben's diesen Pennern so richtig gegeben!" Ridley saß direkt neben seinem Piloten und grinste ihn schief an. Johnson verdrehte nur die Augen und seufzte innerlich. Er hatte gehofft, dass dieser Kerl nach dem Kampf ruhiger werden würde. Das war auch passiert…hatte aber nur knapp einen Tag angehalten. Bevor Johnson jedoch irgendetwas sagen musste, lehnte sich einer der Piloten hinter ihnen nach vorne und haute Ridley unsanft mit den Knöcheln auf den Schädel.

„AH!" rief der RIO empört und sah zu dem schwarzen Hünen hinter sich. Dieser sah ihn mit kalten, blauen Augen an.

„Sei still." Das war das einzige, was er sagte. Doch anscheinend reichte es aus. Ridley verkniff sich einen Kommentar. Stattdessen drehte er sich um und richtete seinen Blick nach vorne, während er sich den Hinterkopf rieb.

„Wenn das eine Beule gibt, zeig' ich den Kerl an!" flüsterte er gerade so laut, dass es nur Johnson verstand. Der schüttelte einfach nur den Kopf. Sie waren im Briefing-Raum des Luftwaffenstützpunkts Medriva versammelt, einer kleinen Basis auf einer Insel nahe North Point. Sie, dass waren ein wilder Haufen aus Piloten, die die Gefechte der letzten Tage überlebt hatten. Unter ihnen waren Veteranen, die bereits zu Anfang des Krieges an vorderster Front gekämpft hatten. Einige waren mitten während des Krieges hinzugekommen. Aber die meisten von ihnen waren wie Johnson noch völlig unerfahren. Auch wenn Johnson schon einen Kampfeinsatz mehr als der Rest hatte, sah er sich noch keinesfalls als erfahrener Pilot an. Sie waren alle von unterschiedlichen Einheiten mit unterschiedlichen Rufzeichen. Da momentan das Leben eines Piloten in Stunden gemessen wurde, war es sinnlos, ständig neue Staffeln zu gründen. Stattdessen behielt jeder sein Rufzeichen. Sehr zu Ridleys Verdruss bedeutete dies, dass sie weiterhin Mobius 1 heißen würden.

„Alle Mann auf!" rief auf einmal eine Männerstimme sofort sprangen die Piloten und ihre RIO's auf und richteten sich zur Tür. Es war der CAG. Er nickte den Piloten zu.

„Guten Morgen, meine Heeren und Damen." Er erwiderte den Salut, den ihm alle zuwarfen. Hinter ihm trat sein Adjutant ein, eine hoch gewachsene Frau mit blonden Haaren.

„Steiler Zahn!" flüsterte Ridley Johnson zu. Der warf ihm nur einen bösen Blick zu. Das war jetzt genau das, was er brauchte. Einen lüsternen RIO, der nicht die Klappe halten konnte. Während der CAG nach vorne ging, musterte Johnson ihn genau. Jedoch fiel sein Blick schnell auf seine Adjutantin. Und war verblüfft. Die Frau hatte die goldenen Abzeichen eines Captains. Aber auf der Brust hatte sie außerdem die schwarzen Schwingen. Die Razgriz. Er musste schwer schlucken. Der CAG stellte sich an den Projektor und nickte den Leuten zu.

„Lassen sie uns beginnen. Bitte setzen sie sich." Die Piloten und RIO's folgten der Aufforderung und setzten sich auf ihre ausgemusterten Pilotensitze.

„Wirklich ein steiler Zahn!" flüsterte Ridley erneut. Johnson wünschte sich insgeheim, dass unter den Pilotensitzen noch eine scharfe Ladung gewesen wäre. Damit hätte er den RIO durch die Decke gejagt. Als Ruhe eingekehrt war, begann der CAG mit seiner Besprechung. Das Licht ging aus der Projektor an. Es war ein Kartenausschnitt des useanischen Kontinents zu sehen.

„Der feindliche Luftwaffenstützpunkt Rigley liegt nahe unserer Frontlinie." Der CAG deutete auf eine Stelle der Karte auf dem Festland. Rigley war ein ehemaliger Stützpunkt der ISAF. Die vorrückenden Erusea hatten den Stützpunkt für sich in Beschlag genommen und stellten jetzt eine enorme Bedrohung dar. Satellitenaufnahmen bewiesen das.

„Eine große Anzahl erusischer Bomber wurde in Rigley stationiert. Ihr Ziel ist klar: Ein Großangriff gegen North Point steht bevor." Er sah in die Runde der Piloten und RIO's.

„Ihr Auftrag ist, diese Bomber am Boden zu zerstören. Wir beabsichtigen aus der Park-Zone Rigley einen Schrottplatz machen." Er rief eine Datei auf, die per Projektor auf die Wand geworfen wurde.

„Und so werden wir die Sache angehen…"

„Alter, hast du gesehen, was die für einen knackigen Hintern in ihrer Hose hatte? Meine Fresse!" Johnsons Kiefer mahlten und seine Zähne knirschten, als sie übereinander rieben. Am liebsten hätte er diesen idiotischen RIO sofort per Schleudersitz herauskatapultiert. Stattdessen konzentrierte er sich lieber wieder auf den Einsatz. Sie flogen jetzt schon seit drei Stunden und hatten bereits unterwegs eine Luftbetankung durchgeführt. War es erwähnenswert, dass dies Johnsons erste echte Luftbetankung gewesen war? Wenn man bedachte, dass er unterwegs zu seiner zweiten echten Mission war, eher nicht. Hinzu kam, dass er äußerst unzufrieden war. Sowohl mit der Missionsplanung als auch mit seinem Flugzeug. Und mit dem RIO sowieso. Die Mission war denkbar simpel. Getreu dem Motto „Einmarschieren, ausradieren" würden sie sich im Tiefflug an Rigley anschleichen und ihnen ein Präsent von Oben überreichen, in Form von mehreren ungelenkten 5.000-Pfund Bomben. Die Bomben sorgten aber gleichzeitig für seinen zweiten Wehmutstropfen. Die F-4 steuerte sich unglaublich träge. Die Phantom hatte den Namen Rhino aus einem Grund. Sie war sehr schwer und auch schwerfällig. Das hatte er im Luftkampf mit dem MiG's gemerkt, im Gefecht über Newfield Island. Johnson war noch immer davon überzeugt, dass er nur durch schieres Glück überlebt hatte. Jetzt war die Phantom kein Rhinozeros mehr…jetzt war sie ein Walfisch! Der Missionsansatz sah außerdem eine kleine Einheit vor, die Rigley angriff. Es war nur logisch, eine kleine Einheit würde schwerer entdeckt werden. Aber als Johnson erfahren hatte, dass es sich dabei nur um vier Flugzeuge handelte, war er fast abgestürzt. Zwei Phantoms und zwei F-5 Tigershark, die ihnen die Jäger vom Hals halten sollten. Wenigstens waren die anderen Piloten dieses Mal keine Fluganfänger. Die F-5-Piloten waren erfahrene Flieger. Johnson konnte nur hoffen, dass diese Kerle auch wirklich so gut waren, dass zwei ausreichten um sie zu decken.

„Sag mal…glaubst du, ich könnte bei der Alten landen?" fragte Ridley auf einmal träumerisch. Johnson schüttelte den Kopf.

„Und wovon träumst du, wenn du schläfst?" fragte er gereizt. Ridley lehnte sich nach vorne und starrte Johnson gehässig in den Nacken.

„Du bist ja nur neidisch, weil sie mir Blicke zugeworfen hat. Und dich kann sie nicht leiden, weil du ihr auf den Hinter geglotzt hast und sie es bemerkt hat!" Johnson drehte sich um und sah seinen RIO an.

„Erstens warst du derjenige, der ihr auf den Hintern geguckt hast! Und zweitens hat sie dich wegen deines blöden Kommentars über den CAG angeschaut. Und das war sicherlich NICHT gut." Dann schüttelte er den Kopf. „Außerdem trägt sie schwarze Schwingen. Die ist nichts für dich. Wahrscheinlich hat die mehr Einsätze gesehen und mehr erlebt als wir wohl jemals werden." Ridley sah ihn verständnislos an.

„Schwarze Schwingen? Was meinst du? Die war doch blond!" Johnson sah erneut nach hinten, dieses Mal ungläubig.

„Sag' mal, bist du blind? Das Abzeichen, das sie auf der Brust hatte! Dieses schwarze Flügelpaar! Sag' bloß, du hast das nicht gesehen!" Ridley lachte.

„Natürlich hab' ich ihre Brüste gesehen! Man, die waren fast noch besser als der Hintern!" Johnson schwor sich, den Typen auf dem Rückflug im Meer zu versenken, Kriegsgericht hin oder her.

„STELL DEINE ÜBEREIFRIGE LIBIDO EINMAL ZURÜCK, DU NOTGEILER KURPFUSCHER!" Ridley horchte auf.

„Kurpfuscher!" erwiderte er entsetzt und sah sich empört um. Das war wohl die schlimmste Beleidigung, die Johnson hätte aussprechen können. Doch der Pilot achtete nicht darauf. Stattdessen verpasste er seinem RIO einen kleinen Unterricht in Geschichte.

„Die schwarzen Schwingen. Das sind die Flügel des Razgriz." Ridley zuckte nur mit den Schultern.

„Und? Was soll damit sein?" fragte er. Johnson schüttelte nur den Kopf. Angesichts der Ignoranz von Ridley war er einfach nur baff.

„Was lernt ihr eigentlich bei euch in der Schule!" Ridley sah ihn gereizt an. Er war innerlich noch immer am Kochen wegen des Kurpfuschers.

„Jedenfalls lernen wir nichts über militärische Orden und wie man einen Krieg führt. Ich weiß ja nicht, was ihr in Comberth beigebracht bekommen habt…aber entweder war es Schwachsinn oder ihr seit totale Dilettanten." Johnson erwiderte nichts auf den Vorwurf. Stattdessen kramte er in seinen Erinnerungen.

„Die schwarzen Schwingen der Razgriz. Das ist eine Auszeichnung, die der Geheimdienst für besonderen Mut und besondere Einsatzbereitschaft überreicht. Da man die Einsätze nie ans Licht der Öffentlichkeit bringt, soll aber so den Leuten zumindest etwas für ihre Einsatzbereitschaft gegeben werden. Der Orden ist dieses Symbol. Eigentlich trägt man ihn nicht öffentlich. Entweder diese Frau ist nicht mehr im Dienst des Geheimdienstes…oder aber sie arbeitet immer noch bei dem Verein. Nur ist es jetzt egal davon zu wissen." Ridley runzelte die Stirn und sah seinen Piloten auf den Hinterkopf.

„Sag' mal…" fragte er. „…woher weißt du das?" Johnson atmete tief ein. Ja, woher wusste er das?

Es waren so ziemlich die ersten Erinnerungen gewesen, die er hatte. Es waren an sich nur ein paar verschwommene Bilder, undeutliche Fetzen. Dennoch erinnerte er sich an die Tränen, die seine Mutter vergossen hatten. Und an die zornigen Worte, die sie dem Mann in der Uniform entgegen geworfen hatte. Worte des Vorwurfs, der Wut und der Verzweiflung. Und dieser Mann…hatte einfach dagestanden. Er hatte nichts gesagt, nicht reagiert und war auch der Ohrfeige ausgewichen. Als seine Mutter weinend auf der Terrasse zusammengebrochen war, hatte er sie einfach nur in seine Arme genommen. Dann wusste er noch, wie dieser Mann ihn in den Arm genommen hatte und seinem Bruder David erklärt hatte, dass er auf ihn aufpassen sollte. Der Mann hatte ein schwarzes Flügelpaar an der Brust getragen.

„Also, woher weißt du das?" fragte Ridley. Johnson schüttelte den Kopf und die Erinnerungen verblassten.

„Ist doch jetzt egal, ich weiß es halt." In dem Moment kam die Rettung. Bevor Ridley ihn noch mehr nerven konnte, meldete sich Himmelsauge.

„30 Meilen bis zum Luftwaffenstützpunkt Rigley. Benutzen sie die Stromleitungen, die führen sie direkt zum Ziel." Und tatsächlich. Indem Johnson seinen Hals fast ausrenkte, konnte er unter sich die Überlandstromleitungen erkennen. Sie stachen auf den offenen Feldern hervor wie weiße Punkte auf einer schwarzen Fläche.

„Die Bomber sollten am Boden zusammengestampft werden. Schaltet sie alle aus." Himmelsauges Befehl war eindeutig. Johnson setzte seine Sauerstoffmaske auf, Ridley tat es ihm gleich.

„Mobius 1, verstanden! Ihr habt dem Mann gehört, folgt den Stromleitungen!" Die Bestätigungen der anderen kamen sofort. „Halo 7, verstanden!" „Havoc 2, verstanden!" „Twister 6 verstanden!" Johnson schob den Schiebregler nach vorne und die F-4 raste direkt auf das Zielgebiet zu. Die anderen Maschinen gingen in enge Formation über. Jetzt ging es los. Einer der Piloten meldete sich zu Wort.

„Wir haben besuch!" Er hatte Recht. Zwei feindliche Maschinen des Typs F-5 rasten direkt auf sie zu. Doch nicht nur das. Es kam außerdem ein Stromverteiler in Sicht. Er musste für die Stromversorgung der Basis zuständig sein. Wenn sie ihn ausschalten würden, würde das den Verteidigern in Rigley das Leben schwer machen.

„Halo 7, Havoc 2, deckt mich! Ich kümmere mich um das Umspannwerk!" Beide Piloten gaben eine Bestätigung und stiegen weiter auf.

„Twister 6, bleib zurück und halte dich um Hintergrund. Deine Maschine hat bereits einen Schaden." Twister 6 war die andere Phantom. Nach der Luftbetankung hatte sich herausgestellt, dass die Treibstoffpumpen im linken Triebwerk defekt waren. Das Triebwerk hatte mit verminderter Leistung weitergearbeitet und der Pilot hatte immer wieder beteuert, dass es nur ein kleines Problem war. Himmelsauge hatte ihn unter Vorbehalt weiterfliegen lassen. Vor nicht einmal einer halben Stunde hatte das linke Triebwerk allerdings vollends den Dienst versagt. Zurück konnten sie ihn nicht mehr schicken. Sie waren im Feindgebiet und jeder Gegner hätte die angeschlagene Maschine ohne große Probleme vom Himmel geholt. Und da der Pilot und sein RIO noch blutigere Anfänger als Johnson und Ridley waren, konnte man sie unmöglich alleine lassen. Während sich also ihre beiden F-5 mit denen des Gegners herumärgerten, nahm sich Johnson das Umspannwerk vor.

„Bleibt Wachsam!" rief einer der F-5 Piloten. Ein schneller Blick nach oben ließ Johnson erkennen, dass die beiden Maschinen im Luftkampf mit dem Gegner waren. Er wünschte ihnen das beste Glück auf dieser Erde. Himmelsauge fragte bei Twister 6 nach dem Status.

„Meine Maschine läuft noch. Ich glaube, ich schaffe es noch nach Hause." Johnson ging währenddessen in den Zielanflug über.

„Ridley, Bomben auf das Ziel!" Ridley führte den Befehl wortlos aus und das HUD änderte sich. Ein runder Kreis unter seinem Zielkreis gab den imaginären Treffbereich der Bombe ab. Die F-4 raste über die Landschaft und das große, graue Gebäude wurde immer größer. Als sie im Abwurfradius waren, gab ihm Ridley das Zeichen.

„Wir sind da!" schrie er. Johnson presste den Auslöser und zog die Schnauze des Jägers nach oben. Mit brüllenden Triebwerken raste der Jäger gen Himmel, während die Bombe mit einer vernichtenden Wucht in das Gebäude einschlug und es in einem flammenden Inferno verschlang.

„Mobius 1 hier, Umspannwerk vernichtet." meldete Johnson und ließ die Maschine nach links abkippen. Was war mit den beiden F-5? Hatten sie gegen ihre gleichstarken Gegner bestanden? Als er es sah, fluchte er gepresst.

„Havoc 2, du hast einen hinter dir!" rief er über Funk. Doch der Pilot war zu sehr mit seinen wilden Ausweichmanövern beschäftigt. Himmelsauge meldete sich.

„Luftwaffenstützpunkt Rigley, auf Vektor 340, noch 12 Meilen." Johnson knurrte wütend. Dafür war jetzt keine Zeit. Havoc 2 war in Schwierigkeiten und Halo 7 war gerade selbst genug beschäftigt. Mit brüllenden Triebwerken raste die Phantom in die Höhe. Es war ein gewagtes Spiel, die F-5 war besser als die MiG-21. Dieser Pilot würde es ihm sehr schwer machen. Johnson musste alles aus seiner Maschine herausquetschen. Nicht genug, dass die Phantom deutlich schwerfälliger war als die F-5, das Gewicht der Bomben zehrte noch zusätzlich an ihrer Flugleistung. Er würde sich nicht auf einen Luftkampf einlassen. Aber das brauchte er möglicherweise.

„Ridley! Gib' mir das Ziel und schalt auf Raketen um!" Sofort wurde eine der beiden F-5 von einem Viereck umgeben. Insgeheim fragte sich Johnson, ob Ridley auch wirklich die richtige Maschine anvisiert hatte. Doch dafür war keine Zeit mehr. Die anvisierte Maschine setzte sich direkt hinter das Heck der anderen, die eine scharfe Kehre flog.

„Mobius 1, sie passieren das Umspannwerk." Das war Himmelsauge. Wahrscheinlich meinte er die Reste des Umspannwerks. Die Bombe hatte sicherlich nichts übrig gelassen. Dann hörten sie die Stimme des Feindes.

„Nicht identifizierte Flugzeuge im Anflug. Sofort alle Maschinen starten!" Das war Rigley. Kein Zweifel möglich. „Dies ist keine Übung. Ich wiederhole: dies ist keine Übung! An alle Maschinen: sofort starten und den Feind abfangen. Weiß 5, hier Rigley. Sie haben Starterlaubnis auf Startbahn 5. Starten sie, sobald sie die Rollbahn erreicht haben." Johnson konzentrierte sich währenddessen auf sein Ziel. Beständig kam er der F-5 näher. Doch er hatte nicht mehr viel Zeit. Havoc 2 wurde immer langsamer.

„Mobius 1, greife Gegner an!" rief er. Unterdessen teilte Himmelsauge ihnen mit, dass sie näher an den Stützpunkt kamen.

„Luftwaffenstützpunkt Rigley, auf Vektor 340, noch 8 Meilen." Es wurde gefährlich. Sie waren bald in der Reichweite der Luftabwehr des Stützpunkts. Und in einer solchen Höhe war man dem Feuer schutzlos ausgeliefert. Schließlich hatte er jedoch die Mindestreichweite für die Raketen erreicht.

„Mobius 1, Ziel erfasst!" rief er und wartete nur noch einen Augenblick. Der beständige Ton in seinen Ohren war das Signal. Er hielt den Atem an und drückte den Auslöser.

„Mobius 1, Fox one!" Die Rakete erwachte zischend zum Leben und raste auf ihr Ziel. Der feindliche Pilot hatte nicht bemerkt, dass er verfolgt wurde. Als er von seinen Systemen gewarnt wurde, brach er sofort zur Seite aus. Doch die Rakete erwischte ihn trotzdem und traf das Heck des Jägers. Der hintere Teil explodierte in einer feurigen Nova. Ein helles Licht blitzte am Cockpit auf und der Pilot sprengte sich gerade noch rechtzeitig aus dem brennenden Wrack.

„Ich kann den Vogel nicht mehr halten! Steige aus!" rief der feindliche Pilot. Die brennenden Überreste schlugen irgendwo unter ihnen auf den Feldern auf. Die Chance für Opfer unter der Zivilbevölkerung war denkbar gering.

„Die starten Jäger!" rief Ridley auf einmal von hinten. Kaum hatte er es gesagt, meldete sich der Feind über Funk.

„Kümmert euch um das Umspannwerk, wenn möglich!" Johnson dachte an den rauchenden Krater, der mal das Umspannwerk gewesen war und fasste den Steuerknüppel noch fester. Er spürte eine grimmige Entschlossenheit. Die Jungs waren bereits zu spät. Aber sie kamen rechtzeitig zur Party. Zwei Jäger flogen direkt auf sie zu. Hinzu kam, dass sie es auf einen Gegner abgesehen hatten. Anscheinend war Mobius 1 kein ernstzunehmender Gegner. Ein Teil von Johnson empfand das als Beleidigung. Aber dann schüttelte er den Kopf. Er sollte froh sein, dass sie nicht hinter ihm her waren. Ihr Ziel war Havoc 2.

„Behaltet diese Abfangjäger im Auge!" rief einer der Feinde. Johnson ließ seine F-4 steigen, so schnell es ging. Er stieß durch die Wolkendecke und brachte die Maschine wieder in stabile Lage. Halo 7 meldete sich.

„Achtet im Kampf auf sechs Uhr!" Die Warnung galt zwar eigentlich Havoc 2, aber Johnson sah sich trotzdem hektisch um. Er hoffte, über den Wolken unentdeckt zu bleiben. So würde er sich Rigley nähern und seine Bomben direkt über ihren Köpfen abwerfen können. Allerdings würde dieser Plan nur klappen, wenn das Umspannwerk die einzige Stromversorgung des Luftwaffenstützpunktes darstellte. Als die Basis noch ISAF-Eigentum gewesen war, war dem so gewesen. Aber ob die Erusea mittlerweile Notstromgeneratoren herangeschafft hatten, hatte nicht einmal der Geheimdienst gewusst.

„Halo 7, schaff mir diesen Kerl vom Hals!" rief auf einmal Havoc 2. Johnson fluchte. Genau das hatte ihm gefehlt. Die beiden Jäger hatten sich auf den ISAF-Piloten gestürzt und verfolgten ihn. Johnson hätte am liebsten abgedreht, doch er war bereits zu weit entfernt um irgendetwas zu unternehmen. Es lag jetzt alles an Havoc 2.

„Bandit bestätigt auf Vektor 340." Himmelsauges ruhige Stimme teilte Johnson gerade mit, dass er und Ridley tief in der Scheiße steckten. Ein weiterer Jäger kam direkt auf ihn zu. Sich auf einen direkten Luftkampf einzulassen wäre purem Selbstmord gleichgekommen. Soviel Glück wie beidem Abschuss der F-5 einige Minuten zuvor würde er hier nicht haben. Es gab nur eine Möglichkeit…seine Bomben abwerfen, bevor der Jäger ihn in Stücke schießen würde.

„Alles klar, die übernehmen wir!" rief auf einmal Halo 7 und die beiden F-5 rasten links und rechts an der Phantom vorbei. Johnson schüttelte den Kopf und brauchte einen Augenblick, bis er erkannte, was da vor sich ging. Seine Jungs hatten gesiegt und die beiden feindlichen Jäger ausgeschaltet. Und jetzt nahmen sie sich die MiG-21 vor, die bereits abdrehte. Johnson grinste schief. So gefiel ihm die Sache schon besser. Er sammelte sich.

„Okay, Ridley. Jetzt geht's los. Wir stürzen uns vor Rigley aus den Wolken und schießen als erstes auf die Luftverteidigung. Dann nehmen wir uns im Tiefflug den Stützpunkt vor." Ridley stellte das Radar auf Bodenabtastung und sah nach vorne.

„Alles bereit." Johnson nickte entschlossen. Jetzt war er an der Reihe. Er rollte die Maschine auf den Rücken und ließ sie kopfüber in Richtung Erde stürzen.

„Luftwaffenstützpunkt Rigley, auf Vektor 330, noch 4 Meilen." Blut schoss den beiden Männern in den Kopf als die Maschine mit annähernd Mach 1,5 wie ein Stein mit Raketenantrieb gen Erde raste. Die Wolken gaben ihnen Deckung. Aber der Lärm ihrer Triebwerke würde sie schnell aufklären.

„Ridley, sobald wir Kontakt haben, gib mir die Luftverteidigung! Wir haben nur einen Versuch!" Er umschloss den Steuerknüppel und den Schubhebel voller Entschlossenheit. Es war eine wahnsinnige Idee…aber sie könnte klappen.

„Verstanden!" rief Ridley. Die Phantom raste weiter nach unten und näherte sich der Wolkendecke.

„Okay, jetzt geht's los!" rief Johnson aufgeregt, als die Maschine in die große, weiße Masse eintauchte und darin verschwand. Regen tropfte an die Cockpitkanzel und mit einem Mal waren sie durch die Wolkenschicht. Direkt unter ihnen kam der Luftwaffenstützpunkt Rigley in Sicht. Anscheinend waren sie bemerkt worden.

„Wo ist unsere Luft-Überwachung?" schrie einer der Erusea auf dem Boden über den offenen Gefechtsfunk. Und tatsächlich, die Leute in der Basis hatten sie entdeckt. Doch das galt nicht für die Flak. Die Flugabwehrkanone war in die entgegen gesetzte Richtung gerichtet. Und sie machte keine Anstalten sich zu bewegen.

„Da ist sie!" rief Ridley und markierte die Flak als Ziel. Die Raketen gaben annähernd sofort eine Feuerfreigabe. Er presste den Auslöser.

„Nehmt das!" rief er und die Rakete raste auf die Stellung zu, einen Kondensstreifen hinter sich herziehend. Als sie einschlug, blühte die Flak in einer farbenfrohen Explosion auf, ehe sie zu einer rauchenden Ruine wurde. Sofort zog Johnson die Maschine hoch und gewann soviel Höhe, wie nur möglich.

„Flugabwehrkanone zerstört!" schrie einer der Feinde auf dem Boden. Sofort kam die Bestätigung von Himmelsauge.

„Flugabwehrkanonen zerstört!" Johnson sah seitlich aus dem Fenster, während er die Maschine nach links abkippen ließ. Jetzt war es soweit.

„Ridley, wir gehen rein!" Seine Stimme wirkte fremd auf ihn. War er das? Es war soviel Enthusiasmus darin enthalten. Aber der Kampf war nicht schön. Er tötete hier Menschen. Zugegeben, diese Menschen hatten zuerst mit dem Töten angefangen. Aber durfte er dann Befriedigung über ihren Tod und sogar Stolz empfinden, sie selbst zur Hölle geschickt zu haben. Aber dafür war jetzt keine Zeit. Er wendete die Maschine, senkte die Schnauze nach unten und raste somit direkt auf den Stützpunkt zu.

„Ridley, Bomben!" rief er und sein RIO wechselte auf das Abwurfprogramm. Rigley hatte nur zwei Landebahnen, aber diese waren lang genug um auch schwere Langstreckenbomber starten und landen zu lassen. Momentan waren vier Gruppen Bear-Bomber mit jeweils 3 Maschinen dort. Sie standen so nahe beieinander, dass sie leichte Beute für die Bomben waren. Die F-4 würde den Feind vernichten, daran bestand kein Zweifel. Die Phantom stürzte sich auf ihre Beute wie ein Raubvogel auf seine Beute. Auf einmal war da kein Zweifel mehr, keine Frage über Schuld und Sühne, keine ethischen Probleme. In Johnsons Kopf waren nur die Bilder von Comberth Harbour, wie es brennend und geschändet vor ihm lag und der eiserne Wille, die Erusea dafür bezahlen zu lassen. Die Phantom kam in Reichweite und der Zielcursor glitt über die Gebäude und Hangars, bis hin zu den Bombern. Er wartete noch. Direkt in der Nähe des Towers stand eine Dreiergruppe der Bear-Bomber. Das war sein Ziel. Es war nur ein Wimpernschlag, so lange war der Zielcursor genau dort, wo er die Bombe haben wollte. In diesem Moment presste er den Auslöser. Anders als die Raketen lösten sich die schweren Bomben nur mit einem leisen Klicken, das im Gebrülle der Triebwerke unterging. Doch man spürte, wie die Maschine auf einmal nach oben hüpfte, als das Gewicht der Bombe verschwand. Sofort riss Johnson die Maschine nach rechts und raste gen Himmel.

„Nimm das!" schrie Ridley hinter ihm. Während sie eine scharfe Kehre flogen, schlug die Bombe direkt in die Dreierformation der Bomber ein. Eine gewaltige Explosion sprengte den Asphalt des Stützpunktes und ein feuriges Inferno erfasste die Maschinen, die ebenfalls in kleineren Explosionen untergingen. Als sich der Rauch verzogen hatte, waren von den drei Bombern nur noch rauchende Krater übrig.

„Hier ist Rigley, wir werden beschossen! Greifen gerade den Feind an!" schrie der Tower panisch über Funk. Die Meldung galt wohl dem Oberkommando. Zu dumm, bevor die Erusea Unterstützung schicken würden, wäre die Basis nur noch ein rauchender Krater. Die Feinde hatten allerdings erkannt, was zu tun war.

„Lasst sie euch nicht am Boden erwischen!" schrie eine Person am Boden. Arme Kerle, die hatten keine Chance gegen das Inferno. Aber es kümmerte Johnson jede Sekunde weniger. Stattdessen meldete sich Ridley.

„Holla, was haben wir denn da? Sieh mal da, da kommt was aus dem Hangar!" Und tatsächlich, Ridley hatte Recht. Im heillosen Durcheinander wurde eine Maschine des Typs A-10 aus dem Hangar gezogen. Das wäre noch nichts besonderes gewesen, wenn die Maschine nicht in einem einzigartigen Anstrich dahergekommen wäre.

„Ist das ein Schneetigermuster?" fragte Johnson verwundert. Doch das war jetzt auch egal. Die A-10 rollte auf die Start- und Landebahn zu. Das könnte ärgerlich werden. Auch wenn es ein Bodenangriffsflugzeug war, vielleicht hatte sie Luftabwehrraketen an Bord. Außerdem war sie extrem wendig. Allerdings würde sie nicht zu ihrem Einsatz kommen. Johnson ließ die Phantom auf die linke Tragfläche kippen und zog eine scharfe Kehre.

„Den Kerl krallen wir uns!" rief er Ridley zu. Er bemerkte, wie sein Funk noch angeschaltet war. Jetzt wusste die A-10, dass er hinter ihr her war, aber das war egal. Er würde sie in Stücke schießen.

„Werft die Bombe genau in die Mitte!" rief auf einmal einer der F-5-Piloten. Wahrscheinlich wollte er, dass Johnson die Ladung so schnell wie möglich loswurde und sie dann abhauen sollten. Aber vorher würde er noch diesen Kerl erledigen. Ridley visierte das Ziel an und die Rakete schaltete auf das Flugzeug auf.

„Radar-Zielerfassung aktiv!" rief Himmelsauge über den Funk. Schön, dass der Kerl auch noch da war.

„Bringt sofort alle funktionsfähigen Maschinen in die Luft!" rief Rigley panisch. Das würde ihnen nicht gelingen. Johnson beendete die Kurve und brachte sich direkt hinter der A-10 in Stellung, die mittlerweile auf der Rollbahn war und den Start einleitete.

„Habe einen Banditen am Heck!" rief der Pilot. Johnson senkte die Nase der A-10. Jetzt oder nie. Die Zielerfassung war immer noch aktiv und so musste er nur abkrümmen. Was er dann auch tat. Die Rakete zischte auf die A-10 zu, die sich soeben in die Luft erhob. Doch kurz bevor sie von dem Lenkflugkörper getroffen wurde, zog die Maschine plötzlich so scharf nach links oben. Die Rakete schoss unter der A-10 vorbei und schlug in den Asphalt der Rollbahn ein und explodierte dort fulminant.

„Rakete ins Leere gegangen." bemerkte Himmelsauge ruhig. Alles andere als ruhig war dagegen der Tower von Rigley.

„Oh, Gott!" rief der Mann entsetzt. Und als Johnson fluchend die Maschine hart nach links abdrehte, erkannte er auch warum. Seine Bombe auf die drei Bomber eine so große Wirkung gehabt, dass brennende Trümmerstücke die umliegenden Hangars getroffen hatten. Feuer loderte jetzt im Inneren der Hallen. Und wenn Johnson richtig lag, wurden dort auch der Treibstoff und die Waffen gelagert. Hinzu kam, dass der Tower ebenfalls getroffen worden war und die untere Hälfte lichterloh brannte. Die Leute waren im Tower gefangen. Mit einem Schlag wurde die kalte Entschlossenheit von Johnson weggeblasen. Diese Leute waren gefangen, weil er sie zu einem langsamen und qualvollen Tod verurteilt hatte. Er ließ die Maschine aufsteigen und ging in eine Warteposition über dem Flughafen. Er sah, wie Leute auf dem Boden in Richtung des Towers rannten und Löschfahrzeuge ausrückten. Sie wollten die Leute aus dem Tower herausholen.

„Evakuiert das Gebäude!" rief jemand da unten über Funk. Jetzt, da Johnson seine Sinne wieder beieinander hatte, stand für ihn außer Frage, dass er nicht angreifen würde. Leider dachte sein RIO nicht so weit.

„Alter, was machst du da!" rief er wütend. Johnson ignorierte ihn und betrachtete die Rettungsversuche der Erusea. Er würde seinen Auftrag ausführen, aber er würde den Leuten genug Zeit zum Fliehen geben.

„Die Leute im Tower haben eine Chance verdient." Das waren wieder seine Worte. Er war wieder da. Ganz und gar. Doch Ridley machte ihn trotzdem auf einen kleinen Fehler in seiner Logik aufmerksam.

„Verdammt, der Tower ist scheißegal! DIE A-10!" brüllte er aus ganzer Lunge. Johnsons Miene erstarrte. Ridley hatte Recht. Sofort suchte er hektisch nach der Maschine und fand sie, wie sie enge Kreise über dem Tower zog. Anscheinend war der Pilot auch um das Leben der Leute im Tower besorgt. Doch er war eine Gefahr. Und er musste ausgeschaltet werden. Johnson drehte die Phantom bei und setzte zum Sturzflug auf die A-10 an. Es musste sein. Ridley visierte das Ziel an und die Rakete schaltete auf. Als Johnson sie losschickte, versuchte die A-10 zwar erneut hektische Ausweichmanöver, doch dieses Mal brachte es nichts. Die Rakete traf die linke Tragfläche der Maschine und riss sie komplett ab. Die Maschine stürzte wie ein Stein zu Boden. Johnson wandte seinen Blick ab. Er wollte das nicht sehen. Ridley hingegen wollte sichergehen, dass der Feind ausgeschaltet war.

„Der Kerl ist nicht ausgestiegen…" sagte er schließlich und Johnson musste schwer schlucken. Doch andere waren nicht zu zurückhaltend.

„Wohooo! Guter Schuss!" jubelte Halo 7. Die F-5 kämpften noch immer hoch über ihm mit den Abfangjägern des Stützpunktes. Und sie schienen ebenfalls den Feind gut zu beschäftigen.

„Verdammt, Bandit an meinem Heck!" rief ein Feind über den Wolken. Hoffentlich passten die beiden dort oben auf sich auf. Jedenfalls schienen die Erusea dort unten das Feuer in den Griff zu bekommen. Jetzt galt es, die Mission so schnell und unblutig zu Ende zu bringen wie möglich.

„Bringt die Munition aus dem Waffenlager heraus!" brüllte ein Mann über den Gefechtsfunk. Anscheinend versuchten sie die Gefahr einer gewaltigen Explosion zu vermindern.

„Feinde in der Luft über uns!" kam es fast gleichzeitig aus den Lautsprechern. Johnson kippte die Phantom auf die rechte Tragfläche und zog eine enge Schleife. Gleichzeitig begannen sich die Meldungen zu überschlagen.

„Rot 7, Bandit direkt hinter mir!" schrie ein feindlicher Pilot. Es war anzunehmen, dass die beiden ISAF-Jäger da oben ordentlich für Action sorgten.

„Hey, da ist noch einer übrig!" schrie Ridley und Johnson wusste sofort, was gemeint war. Ein Jäger war bereits auf der Rollbahn. Johnson vollendete die enge Kehre und raste frontal auf die Maschine zu.

„Zwo, bring so schnell wie möglich die Startprozedur hinter dich!" schrie einer der Piloten Eruseas. Doch das brachte ihm nichts. Die Phantom kam frontal und im Tiefflug auf die feindliche Maschine vom Typ F-5 zugerast und eröffnete mit der Bordkanone das Feuer. Eine kurze Salve reichte aus um die rechte Tragfläche abzurasieren und die Maschine zu einem Wrack zu machen, das die Rollbahn blockierte. Als die F-4 die zerschossene Maschine passierte, ließ Johnson sein Flugzeug steigen und kippte nach rechts ab. Er sah aus dem Cockpit und erkannte, wie die Cockpitkanzel aufgestoßen wurde und der Pilot hinausfiel. Er hatte überlebt.

„Hier ist Rigley! Macht etwas gegen diese Banditen!" rief der Mann im Tower. Johnson blickte in die Richtung und erkannte erleichtert, dass das Feuer fast vollkommen gelöscht worden war. Eine Sorge weniger. Jetzt musste er sich um die Bomber kümmern. Er drehte ab und jagte von der Basis weg. Um Anlauf zu nehmen musste er erst einmal auf Distanz gehen. Als er genug Entfernung zwischen sich und die Basis gebracht hatte, wendete er die Maschine und rammte den Schubhebel nach vorne.

„Okay, Ridley. Bringen wir die Sache zu ende!" rief er nach hinten. Die Feinde am Boden erkannten, dass die Phantom einen erneuten Angriff startete. Ridley wechselte auf das Bombenprogramm und der Zielcursor verwandelte sich.

„Wir werden keine leichte Beute sein! Beeilt euch! Mischt mit und fangt sie ab!" schrie einer der Männer am Boden. Doch ohne ihre Flak waren sie hilflos. Und die SAM-Stellungen waren durch den Stromausfall nutzlos.

„Seht nur, wie sie alle in der Reihe da stehen. Leichte Beute!" rief Ridley von hinten. Und tatsächlich, die Bombergruppen waren geradezu auf dem Präsentierteller. Das schien auch Rigley aufzufallen.

„Schafft die Bomber weg!" rief der Tower. Doch das war vergebene Liebesmühe. Das Wrack des Jägers stand noch immer auf dem Rollfeld und die Rakete, die ihr Ziel verfehlt hatte, war so stark in den Asphalt eingeschlagen, dass ein Start unmöglich war. Die Phantom raste auf den Stützpunkt zu und passierte die ersten Hangars. Der Cursor strich über drei Bomber und Johnson klickte die Bombe aus.

„Feinde über uns! Greift sie mit Flugabwehr-Waffen an!" schrie jemand auf der Erde über Funk und auf einmal ertönte am Rumpf ein lautes, metallisches Prasseln.

„Scheiße! Die schießen auf uns!" schrie Ridley. Und tatsächlich, sie wurden wirklich beschossen. Aber es waren nur Handfeuerwaffen und die Phantom war an der Unterseite gepanzert. Dennoch war es unklug, sich dem Gewehrfeuer auszusetzen, solange man Raketen und Bomben an der Unterseite trug. Er kippte die Phantom nach links ab und raste auf der Backbordtragfläche davon, Kondensstreifen hinter sich her ziehend. Währenddessen traf die Bombe die Bomber und explodierte. Einige Feinde schienen am Boden der Explosion näher gewesen zu sein als ihnen lieb war.

„Das hier ist keine Übung! Das hier ist die Wirklichkeit!" schrie einer der Leute am Boden über Funk. Schön, dass er es auch kapiert hatte.

„Mobius 1 hat ein Ziel zerstört!" rief Ridley als die drei Bomber in einem Inferno vergingen. Das war genau das, was Himmelsauge hören wollte.

„Schöner Abschuss." Selbst so klang die Stimme von Himmelsauge ruhig wie immer. Allerdings wurde es langsam unangenehm für Mobius 1.

„Wo sind unsere Jäger!" rief ein Feind panisch von unten. Es dauerte keine drei Sekunden ehe die Aufschaltwarnung aufheulte.

„Ich bin direkt hinter ihm!" rief ein feindlicher Pilot. Ridley riss den Kopf herum und wurde bleich. Es war eine F-5 und sie war direkt hinter ihnen. Sie musste sich während des Angriffs auf die Bomber von oben genähert. Jetzt war sie fast in Schussposition.

„Scheiße! Das ist eine Tigerschark!" schrie Ridley. Johnson fluchte gepresst und riss den Steuerknüppel an sich.

„Festhalten!" brüllte er und ließ die Maschine steil nach oben schießen. Und auf einmal war die Hölle los. Mehrere Feindflugzeuge und die beiden ISAF-Jäger waren in einem wilden Tanz auf Leben und Tod verwickelt. Und sie waren mittendrin.

„Er ist hinter mir her!" rief ein feindlicher Pilot, als sich Havoc 2 hinter den Gegner setzte und das Feuer aus der Bordkanone eröffnete. Johnson selbst hatte aber ganz andere Probleme. Die feindliche Maschine klebte an der Phantom wie Kaugummi am Schuh.

„Vom feindlichen Radar erfasst." meldete sich Himmelsauge. Johnson fluchte gepresst und zog den Steuerknüppel noch stärker an sich hin und ließ die Maschine nach hinten wegkippen. Ihm fiel auf, dass er noch nie einen Looping geflogen hatte.

„Warnen sie alle Einheiten!" Unten auf dem Boden hoffte man wohl noch immer auf Unterstützung. Doch Himmelsauge hatte nichts darüber gemeldet. Das bedeutete, dass sie auch keine Unterstützung erhalten würden. Im Himmel war trotzdem die Hölle los. Halo 7 war gerade einer feindlichen Rakete im letzten Moment ausgewichen. Der Lenkflugkörper der Erusea hatte sich daraufhin selbst gesprengt und Schrapnell in der Luft verteilt. Diese waren auf die Hülle des Flugzeugs eingeprasselt, dass aber schnell genug gewesen war um dem größten Teil der Trümmer zu entkommen und so nur angekratzt wurde.

„Noch in Ordnung!" rief Halo 7 erleichtert über Funk. Trotzdem sah seine Maschine aus, als wäre sie ein Fall für die Schrottpresse. Aber er flog noch, das war das einzige, was zählte. Johnsons heftige Ausweichmanöver hatten indessen ihren Zweck erfüllt. Die feindliche F-5 hatte nicht an ihnen dranbleiben können.

„Ridley, Bomben! Wir müssen die Basis so schnell wie möglich einstampfen!" Er ließ die Maschine abkippen und brachte den Stützpunkt genau ins Visier. Rauch und Feuer beherrschte das Bild. Da unten herrschte auch die Hölle. Er quetschte alles aus den Triebwerken des schweren Jagdbombers heraus und ließ gleichzeitig die Schwerkraft noch mithelfen. Auch wenn sie nicht besonders wendig war, war die Phantom doch schneller als die F-5. Das war jetzt der entscheidende Vorteil. Die Phantom raste auf ihr Ziel zu und als sie in Reichweite waren, löste er eine Bombe aus. Er korrigierte seinen Kurs um einen Tick nach links und wartete, bis er über der nächsten Bomberformation war und löste erneut einen Sprengkörper aus. Dann zog er die Maschine hoch und raste erneut gen Himmel, direkt ins dichte Schlachtgetümmel, während unter ihnen die Bomben einschlugen und die Bomber zerrissen.

„Hier ist Rigley. Wir haben schweren Schaden durch den gegnerischen Angriff erlitten!" Johnson war verblüfft. Das war der Mann im Tower. Das Feuer war mittlerweile gelöscht und dennoch blieben die Leute wo sie waren. Erst sehr viel später war es ein anderer Johnson, der verstand warum sie dort geblieben waren. Jetzt jedoch verstand er es nicht.

„Warum tust du das?" fragte er seinen Bruder fassungslos. Auf Davids Gesicht zeichnete sich Resignation ab. Zumindest bekam er keinen Wutanfall wie sonst. Sie waren in seinem Zimmer im ersten Stock. Er hatte bereits alles Wichtige gepackt. Er stand vor seinem Bett, die Reisetasche noch immer offen. Irgendetwas hielt ihn wohl doch noch an diesem Ort. Er sah Daniel an und lächelte müde.

„Ich muss. Man braucht mich. Und außerdem ist alles besser als hier tatenlos zuzusehen wie die Erusea unsere Stadt überrennen." Daniel hörte es, auch den anklagenden Unterton in seiner Stimme.

„Du meinst wohl, es ist besser als feige zu fliehen." Davids Gesichtsausdruck erstarrte, ehe lang und erschöpft seufzte. Die Spannung war ihm förmlich anzusehen. Er sah seinen Bruder traurig und mit geröteten Augen an.

„Ich weiß, manchmal mach ich auf euch so einen Eindruck. Aber ich meine das nicht so. Ich weiß ja, dass ihr nichts tun könnt und ich bin froh, dass ihr euch in Sicherheit bringt. Nur würde ich gerne etwas mehr Verständnis für das bekommen, was ich mache." Daniel sah zur Seite. Was war nur los mit dieser Welt? Und jetzt drohte hier in seiner Stadt ein Krieg?

„Das kannst du Mutter nicht vorwerfen. Du weißt, seitdem sie verlassen wurde, hat sie nicht mehr viel übrig für das Militär." Sein Ton schien bei David sauer aufzustoßen, jedenfalls sah er Daniel sehr wütend an.

„Daniel, wir reden hier über unseren Vater, verdammt! Also nenn ihn auch so! Und zweitens hat er sie nicht verlassen. Er wurde abkommandiert und gilt als MIA. Er hat seine Pflicht erfüllt." Daniel war ganz und gar nicht überzeugt von dem, was sein älterer Bruder sagte. Er verschränkte die Arme vor der Brust.

„Bestand seine Pflicht darin, einfach so abzuhauen?" fragte er, obwohl er wusste, was das für eine Reaktion bei David verursachen würde.

„HÖR AUF DAMIT!" brüllte sein Bruder und sah ihn zornig an. Er deutete auf den Boden unter ihnen.

„Dieser Kerl da unten hat dir andauernd erzählt, wie schlecht Soldaten sind, aber das sind sie nicht. Du bist der Sohn eines Soldaten. Darauf solltest du stolz sein. Dieser Kerl da unten erzählt immer, was für ein toller Typ er doch ist und wie seine Friedensfreunde doch die Welt verändern, genau wie deine kleine Freundin!" Auf einmal wurde Daniel wütend.

„Lass Rika da raus!" schrie er zurück. Ja, wegen seiner Freundin war bei all diesen Demonstrationen gewesen und hatte sich aktiv in der Szene eingesetzt. Davor hatte er sich nie richtig dafür interessiert. Aber jetzt war es eine gute und gerechte Sache. Sein Bruder hatte sich jedoch bereits in Rage geredet. Er ging auf Daniel zu und richtete den Zeigefinger auf dessen Brust.

„Du und deine Freunde, ihr habt solange von Frieden geredet. Du selbst hast gesagt, man sollte den Erusea geben, was sie wollen. Jetzt sind sie da. Und sie wollen Krieg. Sie kommen und werden hier jeden töten. Und eure Friedensdemonstrationen werden für die nur ein Zielschießen sein. Jetzt braucht es Leute wie mich, wie unseren Vater, um Leute wie dich und Rika zu beschützen." Daniel schüttelte nur den Kopf.

„Gewalt ist keine Lösung." David schüttelte den Kopf und ließ die Schultern sacken. Es war aussichtslos mit Daniel so zu reden. Er wollte nicht hören.

„Sag' das den Erusea." Dann sah er seinem Bruder direkt in die Augen. „Tu mir einen Gefallen...kümmere dich um Mutter…und Shawn." Dann packte er seine Tasche. Als er aus der Tür trat sah er zurück.

„Viel Glück, Bruder. Wir werden es alle dringend brauchen."

Es war das letzte Mal gewesen, dass er seinen Bruder gesehen hatte. Zwei Tage später hatte er sich telefonisch von seiner Kaserne aus gemeldet und ihnen auf den Anrufbeantworter gesprochen. Er hatte sie gewarnt. Die Erusea rückten an. Danach hatte er nie wieder etwas von seinem Bruder gehört. Einen Tag darauf waren die 4. Armee in die Stadt eingerückt.

„Okay, Mobius 1." Himmelsauge bestätigte die Zerstörung der feindlichen Bomber. Die beiden Bomben hatten ihre Wirkung nicht verfehlt und die Flugzeuge in Stücke gerissen. Leider blieb wenig Zeit zur Freude, denn die feindliche F-5 war wieder da und der Pilot anscheinend stinksauer.

„Weiß 4, Fox two!" schrie der Pilot und feuerte einen Lenkflugkörper auf die Phantom ab. Sofort drehte Johnson die Maschine auf den Kopf und ließ sie gen Boden rasen.

„Festhalten!" brüllte er Ridley zu. Der krallte sich panisch an seinen Instrumenten fest. Sirenen kreischten in der Cockpitkanzel und Johnson ließ die Maschine so weit durchsacken, dass er dem Boden gefährlich nahe kam.

„Mobius 1, bremsen!" rief Himmelsauge. Und er hatte Recht. Die Phantom wurde gefährlich schnell. Wenn er bei der Geschwindigkeit zu schnell hochziehen würde, würde es die Maschine möglicherweise zerreißen. Er musste langsamer werden. Dummerweise gab es da zwei Probleme. Das erste war die Rakete, die hinter ihnen her war. Und das zweite war eine Flak, auf die sie genau zuhielten und die bisher unter einem Tarnnetz gewesen war.

„Benutzt die Flugabwehr-Kanonen! Schießt sie ab!" Johnson fluchte lang. Das war ja mal wieder typisch. Er konnte nicht riskieren, von der F-5 und der Flak gejagt zu werden. Da kam ihm eine Idee. Statt zu bremsen beschleunigte er.

„Johnson, was machst du da!" rief Ridley panisch, doch Johnson ignorierte ihn. Es war glatter Selbstmord, aber er hatte sonst keine andere Wahl. Er hörte auf, Ausweichmanöver zu fliegen und hielt direkt auf die Flak zu. Die Kanone begann sich in ihre Richtung zu drehen.

„JOHNSON!" schrie Ridley jetzt völlig außer sich. Doch er hatte es bereits gesehen. Er war auf Kurs. Jetzt galt es. Er nahm den Schub zurück und die Maschine wurde langsamer. Die Rakete kam nun unaufhaltsam näher.

„ICH BIN HIER MIT EINEM WAHNSINNIGEN ZUSAMMEN, HILFE!" brüllte sein RIO panisch. Die Rakete kam näher. Und gleichzeitig eröffnete die Flak das Feuer. Granaten explodierten um die Phantom herum und färbten die Luft in ein öliges Schwarz als der zerplatzte Inhalt freigegeben wurde. Die Phantom kam immer näher, doch Johnson löste weder eine Bombe aus, noch eröffnete er das Feuer mit der Bordkanone. Stattdessen ließ er die Flak immer näher kommen.

„Verdammt, nein!" Ridley hatte schon mit dem Leben abgeschlossen. Die Rakete war schon fast da und der Boden ebenso. Doch dann war der Moment gekommen. Johnson zog mit einem Mal den Steuerknüppel an sich und gab vollen Schub. Mit einem Satz raste die Maschine gen Himmel. Die viel schnellere Rakete hatte nicht genug Platz zum Wenden und schlug geradewegs in die Flak-Stellung, die in einer feurigen Explosion unterging.

„JEEEHAAW!" rief Johnson auf einmal und spürte, wie die Begeisterung wieder aufebbte. Das war ein Millionentreffer gewesen. Er sah nach hinten. Ridley war fertig, sowohl mental als auch körperlich. Johnson ging jede Wette ein, dass er sich auch in die Hose gemacht hatte.

„So, und jetzt zu diesem Penner, der uns die Rakete auf den Hals geschickt hat. Er gewann an Höhe und sah auf seinen Radarschirm. Ridley war völlig still und das war Johnson nur recht. Er würde selbst das Radar bedienen. Und tatsächlich eine feindliche Maschine war ganz in seiner Nähe. Er hoffte, dass es dieselbe war. Er drehte die Maschine auf der Backbordtragfläche und nahm Kurs auf das Kampfgebiet. Sehr zu seiner Freude musste er feststellen, dass die beiden ISAF-Jäger die Luftüberlegenheit errungen hatten und jetzt die letzten beiden MiG's über der Basis jagten. Es war nur noch eine F-5 übrig. Und sie hielt genau auf Johnson zu. Die Leute auf dem Boden sahen ihn wohl auch kommen und die Phantom bedeutete nur eins.

„Bewegt euch! Ihre Bomben sind äußerst effektiv!" Die Leute am Boden rannten aufgeschreckt davon.

„Keine Sorge, zu euch komme ich gleich." Er nahm die F-5 ins Visier. Seine Raketen konnten aus einer größeren Entfernung das Ziel anpeilen. Sofort kam eine Feuerfreigabe. Doch Johnson drückte nicht ab. Er sah zu, wie die F-5 drehte panisch ab und setzte zur Flucht an. Es war das einzig Sinnvolle, das er machen konnte.

„Hier ist Weiß 1, schafft mir den Kerl vom Hals!" schrie der Pilot. Johnson empfand Enttäuschung. Das war nicht der Pilot gewesen, der ihn gerade beschossen hatte. Aber dann besann er sich etwas besseren. Dann würde er diesen Kerl eben erledigen. Allerdings hatte der feindliche Pilot sich ebenfalls anders entschieden. Er hatte erneut gewendet und kam jetzt wieder auf ihn zu.

„Vom feindlichen Radar erfasst." Himmelsauge hatte Recht. Doch dieser Pilot war an den falschen geraten.

„Fox two!" schrie Johnson und feuerte eine Rakete ab, die direkt auf die F-5 zuraste. Der Pilot drehte nach links ab, doch die Rakete war zu schnell und zerriss die Maschine in der Luft. Nur brennende Trümmer fielen vom Himmel. Dann wendete er erneut und nahm die Basis ins Ziel. Die beiden ISAF-Jäger hatten die MiG's mittlerweile abgeschossen. Noch eine Bomberposition war übrig. Die Luftverteidigung war vernichtet. Zeit für das Finale. Er nahm die Bomber ins Visier, schaltete auf das Bombensystem um und wartete, bis er in Reichweite war. Dann drückte er den Auslöser. In einer gewaltigen Explosion verging die Bomberarmada von Rigley und damit die Bedrohung für North Point.

„Mobius 1 hat das Ziel vernichtet." Himmelsauge meldete de facto damit den Abschluss der Mission. Johnson zog den Steuerknüppel an sich und ließ die Phantom steigen. Die beiden ISAF-Maschinen näherten sich und gingen ebenso auf Reisehöhe. Unter ihnen stiegen dichte Rauchwolken von der Basis auf. Dort unten waren noch immer Leute.

„Hier ist Rigley. Unsere Bomber wurden vernichtet, wiederhole, alle unsere Bomber wurden zerstört!" Die Meldung galt dem feindlichen HQ. Jetzt gab es keinen Grund mehr für Verstärkung. Höchstens einem Rettungskommando. Aber es gab keine Landebahn mehr für die feindlichen Flugzeuge. Halo 7 meldete sich über Funk.

„Himmelsauge, hier Jagdgeschwader. Alle Ziele wurden vernichtet. Wir kommen nach Hause." Es war vorbei.

2 ½ Stunden nach Abschluss von Operation Ernte

Der Rückflug hatte sich als äußerst unspannend erwiesen. Zumindest auf der letzten Hälfte der Reise. Während der ersten Hälfte hatten Mobius 1, Halo 7 und Havoc 2 äußerst nervös Twister 6 betrachtet. Die beschädigte Maschine hatte sich aus jeglichen Kämpfen herausgehalten, doch auf der Rückreise war ziemlich genau über dem Meer zu Ende gewesen. Das zweite Triebwerk der Phantom hatte den Dienst versagt und Twister 6 und sein RIO waren gezwungen gewesen, auszusteigen. Die letzten Meldungen von Himmelsauge besagten, dass die beiden von einem SAR- Hubschrauber der Marines aus dem Meer gefischt worden waren. Johnson konnte das nur hoffen. Sie hatten auch eine Bestätigung und Lob aus Allenfort bekommen. Anscheinend waren dort seit dem missglückten Bomberangriff einige Fans von Mobius 1 und planten bereits die nächste Feier. Der Angriff war ein Erfolg. Eine bedeutende Anzahl an Bombern wurde eliminiert und der Großangriff auf North Point verhindert. Allein das hätte reichen müssen um Johnsons Laune zu heben. Dennoch hatte er sich während des ganzen Fluges bedrückt gefühlt. Allerdings wusste er nicht, woran das lag. Ridley hatte nichts gesagt. Anscheinend hatte er noch immer ein intensives Gespräch mit Gott und Johnson wollte ihn dabei nicht stören. Zum Teil weil er selbst mit seinen Gedanken beschäftigt war. Und zum anderen genoss er einfach die Stille. Als Allenfort in Sicht kam, war Johnson dennoch erleichtert. Es war fast so, als würde er nach Hause kommen. Aber eben nur fast. Anders als Ridley war Johnsons Hause jetzt in Feindeshand. Die Landung verlief problemlos und er ließ die Maschine auf der ihr zugewiesenen Parkfläche ausrollen. Er nahm die Sauerstoffmaske ab und löste die Verriegelung der Cockpitkanzel. Das Bodenpersonal kam sofort zu der Phantom gerannt und brachten eine Trittleiter. Er löste die Sicherheitsgurte und sah nach hinten.

„Ridley, du kannst jetzt aufhören über Gott und die Welt nachzudenken." Als keine Antwort kam, drehte er sich um.

„Hör mal, Ridley. Es tut mir ja leid wegen diesem Manöver aber deshalb musst du doch nicht gleich…" Er erstarrte, als er sah, wie Ridley ruhig und selig mit vor der Brust verschränkten Armen hinter ihm schlief. Johnson konnte es nicht fassen. Dieser Kerl war echt die Härte. Er überlegte kurz, dann nahm er seinen Helm ab, drehte die Stärke der Lautsprecher voll auf und drückte auf dem Funkgerät auf Senden. Sogar ohne die Kopfhörer direkt auf den Ohren war das Knacken und Rauschen ohrenbetäubend.

„Waha!" schrie Ridley panisch, als er aufschreckte und sich hektisch umsah. Johnson hatte mittlerweile das Funkgerät ausgeschaltet.

„Was war das!" schrie de RIO aufgeschreckt. Johnson sah zu ihm nach hinten und setzte die unschuldigste Miene auf, die er zu bieten hatte.

„Was war was?" fragte er und stellte sich dumm. Ridley sah sich verwirrt um und atmete dann tief ein und aus.

„Wo sind wir?" fragte er schließlich. Johnson musste innerlich grinsen. Das geschah diesem Kerl nur Recht.

„Wir sind in Allenfort. Du hast eine wunderschöne und ruhige Rückreise verpasst." Während er sich über seinen kleinen Sieg freute, begann er die Systeme der Phantom abzuschalten. Nach einer Weile meldete sich Ridley wieder zu Wort.

„Hey, Johnson!" rief er. „Heißes Geschoss auf drei Uhr!" Johnson, der zuerst nicht verstand, was sein RIO meinte, blickte nach rechts und brauchte einen Moment, bis er erkannte, wen Ridley meinte.

Eine große, schlanke Frau mit kurzen blonden Haaren kam auf sie zu. Es war die Adjutantin des CAG. Johnson runzelte die Stirn. Aber wie war das möglich? War sie nicht vor einigen Stunden in Medriva gewesen? Wie hatte sie es so schnell hierher geschafft und vor allem warum war sie hier? Johnson hatte ein mulmiges Gefühl und es wurde noch mulmiger, als die Frau direkt auf ihre Maschine zuging. Als sie die Phantom erreicht hatte, wartete sie, bis die Mannschaften die Trittleiter an der Maschine angebracht hatten. Die Bodencrew öffnete die Kanzel und ein junger Mechaniker beugte sich über Johnson.

„Herzlichen Glückwunsch, Sir!" meinte er und grinste ihn breit an. Johnson runzelte die Stirn. Sir? Er war gerade mal selbst Airman und damit dem Mann nicht einmal vorgesetzt. Er wollte gerade fragen, was der Mann meinte, als er wieder die Treppe hinunter stieg und dem weiblichen Captain den Weg freimachte. Die Frau kam hoch und sah zuerst Ridley, dann Johnson an.

„Gratuliere, meine Herren. Sie haben sich hervorragend geschlagen." Die Frau trug kein Namensschild, nur ihren schwarzen Anhänger.

„Entschuldigung…Captain?" fragte Johnson und wollte so ihren Namen wissen. Doch sie antwortete ihm nicht. Stattdessen fasste sie in ihre Hosentasche und holte zwei Abzeichen hervor. Es waren Lieutenant-Klappen. Sie warf eine Ridley zu und gab die andere Johnson.

„Es kommt nicht oft vor, dass jemand eine Beförderung aufgrund außergewöhnlicher Leistungen erhält. Lassen sie es sich aber bloß nicht zu Kopf steigen." Bei ihrem letzten Satz sah sie Ridley an, der schwer schlucken musste. Johnson sah die Frau nur fragend an.

„Bei allem Respekt…Ma'am…wer sind sie?" Die Frau lächelte und zwinkerte Johnson zu. Dann kletterte sie die Treppe hinunter. Johnson wollte gerade der Frau etwas hinterher rufen, als auf einmal ein Tanklaster und ein Transporter mit Raketen angefahren kamen. Ein Manschafter kam hektisch auf sie zu gerannt, sprintete die Treppe hoch und sah Johnson an. Er salutierte hastig.

„Sir, sie müssen sofort die Systeme wieder in Betrieb nehmen!" rief der junge Mann. Johnson runzelte die Stirn, doch es war Ridley, der das aussprach, was der Pilot dachte.

„Was soll das? Wir sind gerade erst zurückgekommen!" rief er entrüstet. Der Mann sah Ridley entschuldigend an.

„Verzeihen sie, Lieutenant. Sie haben einen neuen Auftrag. Wir sollen ihre Maschine so schnell wie möglich auftanken, wiederbewaffnen und sie dann losschicken." Johnson wollte gerade fragen, was los war, als der Mann schon wieder weg war. Heute schien das jeder mit ihm zu machen. Er sah zu, wie die Bodencrew hektisch begann an der Phantom zu schrauben. Der Tankstutzen wurde festgemacht und die Raketen entladen. Als Johnson merkte, dass die Jungs es ernst meinten, aktivierte er die Systeme und zog den Helm auf. Sofort meldete sich jemand über Funk.

„…an Mobius 1, Mobius 1 sofort kommen!" rief eine Männerstimme. Johnson drehte die Lautstärke herunter.

„Hier Mobius 1." Er wusste nicht, wer ihn anfunkte, aber es war sicherlich nicht Himmelsauge. Die Stimme klang aufgeregt und hektisch, ganz anders als die des Operators. Und Himmelsauge würde sich sowieso nicht melden. Die Maschine war auf dem Weg nach Medriva und würde mit ihren fast leeren Tanks sicherlich nicht umkehren.

„Mobius 1, hier Allenfort. Wir haben einen Notfall und sie haben die Entfernungslotterie gewonnen. Sie müssen sofort starten und in Richtung Festland fliegen." Johnson wollte protestieren. Das war doch ein Witz.

„Mobius 1 an Allenfort. Dürfte ich daran erinnern, dass wir gerade erst von einer Mission zurückgekehrt sind? Was ist mit anderen Flugzeugen?" Die Antwort von Allenfort war so banal das Johnson am liebsten geschrieen hätte.

„Ihr Flug ist der einzige, der derzeit in diesem Sektor operiert. Der Rest unserer Luftwaffe ist momentan beschäftigt. Sie müssen sich darum kümmern!" Johnson schüttelte den Kopf.

„Allenfort, was ist mit den beiden Jägern? Warum können die nicht aufsteigen?" Johnson konnte sich die Antwort schon vorstellen.

„Eine Maschine ist zu stark beschädigt, bei der anderen muss ein Triebwerk getauscht werden. Außerdem ist ihre Maschine schneller. Gratuliere, sie haben den Jackpot." Das Funkgerät knackte und Johnson wusste, dass eine Diskussion sinnlos war. Er schloss den Gurt und zurrte ihn fest.

„Okay, Ridley. Sieht so aus als müssten wir ran." Er wusste, dass es seinem RIO nicht gefallen würde. Doch was blieb ihm noch anderes übrig? Als er die Systeme wieder in Betrieb nahm, wurden bereits die Daten aus dem Bordcomputer zu löschen. Die zwei Bomben, die noch unter den Tragflächen hingen, wurden abgenommen und stattdessen Luft-Luft-Raketen angekoppelt.

„Was zur Hölle…" flüsterte Johnson als er sah, was man ihm da unter die Tragflächen schnallte. Ein Luftkampf?

„Allenfort, hier Mobius 1…wie lautet der Auftrag?" Doch Allenforts Antwort war allenfalls gereizt, keinesfalls hilfreich.

„Mobius 1, schaffen sie ihren Arsch dort hoch, wir haben hier möglicherweise ein ernstes Problem!" Damit war das Thema erledigt.

Es waren drei Maschinen. Zwei Jäger, eine C-130. Bei den beiden Jägern handelte es sich um eine F-4 Phantom und eine MiG 21. Die Maschinen trugen einen abgewetzten Tarnanstrich und keinerlei Hoheitsabzeichen. Das hieß, sie hatten einmal Hoheitsabzeichen besessen, doch diese waren schlichtweg vom Rumpf abgekratzt worden. Die C-130 trug dagegen die Abzeichen der ISAF. Es war eine verbündete Maschine. Alle drei Flugzeuge hatten zwei Dinge gemeinsam. Sie flogen in Formation…und sie waren in einem erbärmlichen Zustand. Die C-130 wies schwarze Brandflecken und Einschusslöcher am Rumpf auf, teilweise von Boden-, aber auch von Bordkanonen aus Flugzeugen auf. Eines der vier Triebwerke war ausgefallen, dennoch flog die Transportmaschine noch. Die Phantom sah nicht minder besser aus. Die rechte Tragfläche war an der Unterseite komplett geschwärzt vom Ruß einer Explosion. Es war, als wäre die Maschine zu nahe an einer Explosion gewesen und hätte es nur knapp geschafft. Eines der Triebwerke der Phantom zog eine schwarze Rauchwolke hinter sich her. Ein Wunder, dass die Maschine noch flog. Doch das war gar nichts gegen den Zustand der MiG. Der Jäger sah so aus, als würde er jeden Augenblick auseinander fallen. Einschusslöcher auf dem gesamten Rumpf zeugten von einem schrecklichen Dauerfeuer, dem die Maschine ausgesetzt worden war. Das linke Seitenruder war zerschossen und nur noch ein Stummel, die Maschine leckte und eine Tragfläche war verbogen und ragte auf ungesunde Art und Weise nach oben. Und zum krönenden Abschluss war der hintere Teil der Cockpitkanzel gesplittert. Das erklärte wohl auch die niedrige Flughöhe. In großen Höhen wäre der Pilot einfach erfroren. Doch selbst so war es eigentlich unvorstellbar, dass der Pilot den Lärm und die Kälte aushalten konnte. Dennoch flogen sie tapfer ihren Kurs. Ungefähr eine halbe Stunde nachdem sie die Küste in Richtung North Point passiert hatten, trafen sie auf eine Phantom der ISAF, die sich ihnen frontal näherte. Anscheinend hatte es der Pilot nicht nötig, sich zu verstecken. Als er in Funkreichweite war, öffnete der ISAF-Jäger einen Kanal.

„Hier spricht Mobius 1, ISAF. An die unbekannten Flugzeuge auf Kurs 120, sie nähern sich einem militärischen Sperrgebiet. Identifizieren sie sich sofort oder sie werden abgeschossen. Dies ist die einzige Warnung, die sie bekommen. Ich rate ihnen, sie zu beherzigen, ich hatte nämlich bis jetzt einen echt beschissenen Tag und ich bin nicht in der Laune für irgendwelche Scherereien. Also wenn ihr da drüben nicht spurt, werde ich meinen Piloten euch in Stücke schießen lassen!" Sofort meldete sich eine zweite Stimme.

„Ridley, halt deine Fresse, verdammt noch mal!" brüllte Johnson wütend. Der RIO sah von seinen Instrumenten auf und blickte seinen Piloten gelangweilt an.

„Was ist? Die Kerle sollen bloß keinen Ärger machen. Ich will nur von vornherein die Fronten klären." Johnson schüttelte den Kopf.

„Bei deiner Ansprache ist es ein Wunder wenn die uns nicht gleich in Stücke schießen. Also halt jetzt die Klappe und überlass mir das Reden!" Ridley schien nichts davon zu halten.

„Also hör' mal, ich bin Lieutenant, du kannst mir gar nichts…" Jetzt reichte es Johnson. Er konnte ihn zwar nicht herauskatapultieren, aber er konnte das System umleiten. Er drückte den Schalter für die Notumleitung und deaktivierte so Ridleys Konsole und dessen Funkgerät. Plötzlich wurde es still und man hörte leise im Hintergrund Ridleys empörtes Gebrüll. Doch Johnson ignorierte es. Stattdessen hoffte er, dass die Leute ihn nicht gehört hatten. Er aktivierte seinen Funk und räusperte sich.

„Unidentifizierte Flugzeuge auf Vektor 120, hier spricht Lieutenant Daniel Johnson, Rufzeichen Mobius 1, ISAF Air Force. Sie befinden sich im militärischen Hoheitsgebiet der International State Alliance Force. Ihr gegenwärtiger Kurs führt sie direkt in Richtung North Point. Bitte nennen sie den Grund ihres Fluges und ihre Ziele." So stellte man den Kontakt her. Währenddessen näherte er sich weiter den drei Flugzeugen. Als nach einigen Augenblicken keine Antwort bekam, schaltete er auf lange Reichweite. Sie mussten ihn gehört haben.

„Allenfort, hier Mobius 1. Habe Sichtkontakt zu drei unidentifizierten Flugzeugen. Sie reagieren nicht auf meinen Funkruf. Bitte um Anweisungen." Er wartete einige Momente, doch dann antwortete Allenfort.

„Hier Allenfort, verstanden. Holen sie eine positive Sichtidentifizierung ein. Verhalten sie sich vorsichtig. Sobald sie die geringsten Anzeichen für Feindseligkeit erkennen, haben sie Freigabe zum Abschuss der Maschinen." Wenigstens war Allenfort realistisch.

„Hier Mobius 1, verstanden." Er beschleunigte den Jäger und hielt direkt auf die drei schwarze Punkte im Himmel zu.

„Unidentifizierte Flugzeuge, hier spricht ISAF-Jäger Mobius 1. Ich nähere mich auf 10 Uhr. Bleiben sie ruhig und behalten sie ihre jetzige Flugroute bei. Sollten sie versuchen zu fliehen oder sich aggressiv verhalten, sind wir autorisiert sie abzuschießen." Dann kam etwas über Funk, mit dem er unter Garantie nicht gerechnet hätte. Eine gereizte Frauenstimme meldete sich über Funk zu Wort.

„In deinen Träumen, ISAF. Du könntest mir ja nicht einmal mit einer ganzen Staffel gefährlich werden!"

Joan konnte nicht glauben, was sie da hörte. Sie hatten seit Tagen eine beispiellose Flucht hinter sich gebracht, waren tief aus Erusea geflohen, hatten sich mit einer versprengten ISAF-Kommandoeinheit zusammengetan und ein Transportflugzeug sowie zwei Jäger gestohlen. Was dann gefolgt war, konnte man ohne zu übertreiben als das heftigste Gefecht bezeichnen, dass Joan jemals erlebt hatte. Die Erusea hatten sie kurz vor der Grenze entdeckt und ihnen insgesamt drei Staffeln Abfangjäger hinterher geschickt. Indem sie sich getrennt hatten, im Tiefflug geflogen waren, den Feind verwirrt und sich selbst in Lebensgefahr gebracht hatten, waren sie letztendlich dem Feinden entkommen. Danach waren sie Richtung Osten geflogen, in das Gebiet der ISAF in der Hoffnung, dass sie aufgepickt und in Sicherheit gebracht werden würden. Doch jetzt, wo sie North Point fast erreicht hatten, war die Antwort der ISAF ein einzelner Abfangjäger, der drohte, sie in Stücke zu schießen. Hätte sie noch eine Rakete, noch eine einzelne Kugeln gehabt, sie hätte sie diesem Bastard entgegengeschleudert. Sie hätte am liebsten weiter Dinge gegen den Kopf des Piloten geworfen. Doch der Pilot der C-130 ermahnte sie.

„Chaos, ruhe! Das ist einer von uns! Der Pilot weiß nicht, wer wir sind. Tu genau das, was er sagt." Der Pilot der C-130 war ein alter Kommandosoldat mit einer Fluglizenz. Er war kein Jet-Fighter-Pilot.

„Achtung, ISAF-Jäger Mobius 1. Hier spricht Captain John Brooker, Kommandant einer ISAF-Spezialeinheit. Wir waren unterwegs zu einer Geheimmission in Erusea, als wir gezwungen wurden zu fliehen. Die beiden Jäger sind Verbündete. Wir bitten um sicheres Geleit zum nächsten ISAF-Flughafen sowie medizinisches Personal. Wir haben hier Verletzte an Bord." Joan biss sich auf die Unterlippe. Jetzt mussten sie wie Bittsteller ankommen und hoffen, nicht in Stücke geschossen zu werden. Die ISAF-Maschine näherte sich und Joan erkannte endlich, um was für einen Typ es sich hatte. Es war eine Phantom, baugleich mit der Maschine, die ihr Flügelmann flog. Allerdings sah diese deutlich funktionstüchtiger aus. Als die Maschine die drei Flugzeuge mit hoher Geschwindigkeit passierte, wurde ihr plötzlich mulmig. Zwar sah die Maschine selbst auch so aus, als hätte sie einiges hinter sich und Schäden erlitten, doch als Joan die mit lauter Luft-Luft-Raketen bestückte Unterseite der Phantom betrachtete, wurde ihr mulmig. Die Maschine ging auf 6 Uhr und positionierte sich so in perfekter Abschusspostition.

„Captain Brooker, hier spricht Mobius 1. Ich habe Befehl sie zum Luftwaffenstützpunkt Allenfort zu geleiten. Ihre beiden Begleitjäger sind ebenfalls angehalten, diesen Befehlen folge zu leisten." Dann folgte eine kurze Pause, ehe er weiter sprach.

„An die beiden unbekannten Jäger…identifizieren sie sich und nennen sie ihre Absichten." Sie wollte antworten, doch es war ihr Flügelmann, der sich zuerst meldete.

„Hier spricht John Keith, Captain der Luftwaffe von San Salvacio. Meine Maschine ist beschädigt, mein RIO tot. Ich bitte um politisches Asyl." Es waren mehr Worte, als John üblicherweise benutzte. Jetzt war Joan dran. Sie riss sich zusammen.

„Hier ist Lieutenant First Class Joan Lee, Curtis Falls Luftwaffe. Meine Maschine ist schwer beschädigt, ich bin durchgeschossen und habe kaum Treibstoff. Ich bitte um politisches Asyl." Sie hasste es, diese Worte in den Mund zu nehmen. Nach all dem, was passiert war, nach all diesen Schrecken…mussten sie jetzt auf den guten Willen der ISAF hoffen. Es dauerte eine Weile, ehe der Pilot antwortete. Wahrscheinlich musste er erst mit seinen Vorgesetzten sprechen. Blöder ISAF-Pinsel.

„Hier spricht Mobius 1. An die beiden Jägerpiloten. Man hat ihrer Bitte unter Vorbehalt zugestimmt. Gehen sie auf Kurs 330 und bleiben sie auf dieser Route. Wir werden sie nach Allenfort leiten, wo sie landen können." Dann kam eine kurze Pause, ehe der Pilot etwas sagte, womit Joan im Traum nicht gerechnet hätte.

„Willkommen in North Point."

CAG: Commander Air Group. Der CAG ist für alle Flugoperationen seines Geschwaders zuständig und teilt die Piloten für die Aufgaben ein. Oftmals ist er auch der erste Ansprechpartner für die Piloten und genießt viel Vertrauen. Scherzhaft wird oft erklärt, dass der CAG an Bord eines Flugzeugträgers der wirkliche Chef ist.

MIA: Missing in Action. Steht für im Kampf vermisst. Dies ist der Status, den ein Soldat hat, wenn er im Gefecht verschwindet. Es gibt noch den Status KIA, der für Killed in Action steht. In diesem Fall ist der Soldat im Gefecht gefallen.

SAR: Search and Rescue. Luftrettungseinheiten mit Hubschraubern sind mit diesen drei großen Buchstaben gekennzeichnet. Ihre Aufgabe ist es verletzte oder von den eigenen Reihen abgeschnittene Soldaten zu retten.