Draußen atmete er in tiefen Zügen die kühlere Nachtluft ein, die durch den Eingang hereinwehte. Er warf einen kurzen Blick zurück in den Saal und bemerkte zu seiner Erleichterung, dass sich die Gespräche wieder von seinem dramatischen Auftritt abgewandt hatten und zurück in normale Bahnen liefen. Der Einzige, der ihn nach wie vor mit einem leicht spöttischen Gesichtsausdruck musterte, war Malfoy, der jetzt geziert seine Hand nach vorne streckte und ganz langsam eine vorwitzige Strähne zurück hinter seine Ohren schob.
Harrys Blick verdüsterte sich. Er musste eine Sinnestäuschung gehabt haben, einen Moment von geistiger Umnachtung als er geglaubt hatte, Malfoy würde lächeln. Er konnte nur blöde grinsen, so wie er es jetzt tat - wahrscheinlich fehlten ihm zu jedem Zug von mehr Freundlichkeit die dazugehörigen Gesichtsmuskeln. Und darum war es auch völligst egal, ob er sich den wahnwitzigen Gedanken erlaubt hatte, ihm gefiele Malfoys Lächeln - denn wenn es schließlich dieses Lächeln nicht gäbe, dann wäre der Gedanke auch nicht mehr von Belang!
Er lehnte sich gegen die Wand und schloss die Augen während er darauf wartete, dass sein Atem sich beruhigte.
Plötzlich stellten sich seine Nackenhärchen auf und ein kalter Schauder überlief ihn. Er öffnete vorsichtig ein Auge.
"Was machst du hier, Harry?"
Es war Cho, wie stets natürlich schier umzingelt von schwachsinnig vor sich hin kichernden Freundinnen, und wie stets so hübsch - und ihm so nah - dass er unweigerlich die Luft anhielt. "Ich warte", antwortete er geistesabwesend, "auf Ron und Hermine."
Cho lächelte sanft und Harry verstand plötzlich voll und ganz, warum er zwei ganze Jahre lang in dieses Mädchen verliebt gewesen war. "Die brauchen wohl noch ein Weilchen", sagte sie leichthin und legte den Kopf ein wenig in den Nacken, um Harry besser in die Augen sehen zu können. Wann war er größer geworden als sie?
Harry nickte. "Weißt du, ich wollte sowieso noch mit dir reden", bekannte er und warf einen leicht säuerlichen Blick auf die anderen Mädchen, "allein."
Sie zog überrascht die Augenbrauen hoch. "Oh", machte sie, "ok." Und dann drehte sie sich um und winkte die Mädchen mit einer Handbewegung weg, woraufhin diese in ein fast hyänenartiges Gelächter ausbrachen und Richtung der Ravenclaw-Türme liefen.
Harrys Hände fühlten sich mit einem Mal schweißig an. Was, wenn das Band tatsächlich von ihr kam? Was dann? Wollte er eine neue Beziehung mit ihr? Er sah auf sie hinab. Sie lächelte ihn erwartungsvoll an. Er schluckte.
"Cho", begann er und suchte verzweifelt nach einem nicht ganz so idiotischen Weg wie gestern bei Parvati, um sie unauffällig nach dem Armband zu fragen, "magst du eigentlich Schmuck bei Männern?"
Für eine Sekunde verlor sie die Kontrolle über ihre Gesichtszüge und ein Ausdruck vollsten Unverständnisses stand in ihren Augen. "Schmuck?" wiederholte sie, "bei Männern? Wie meinst du das?"
Harry räusperte sich und zog den Stoff seiner Robe am Ärmel hoch, sodass sie einen Blick auf sein Armband werfen konnte. "So in der Art", sagte er und suchte angestrengt in ihrem Gesicht nach Zeichen des Erkennens.
"Äh", machte sie, umfasste sein Handgelenk und starrte das Band zwar interessiert, aber auch ein wenig irritiert an, "Harry, ich..."
In diesem Moment kam - äußerst passender Weise - Malfoy um die Ecke, der die beiden ungläubig ansah. "Potter", stieß er schließlich in dem ihm eigenen Ton tiefster Verachtung hervor, "du hier? Warst du nicht immer mehr so der heimliche Typ, der seine Freundin an abgelegenen Orten trifft?" Er warf einen abfälligen Blick auf Cho, schluckte dann schwer und fügte etwas leiser, nur für Harry verständlich hinzu: "Mehr so etwas wie die Eulerei?" Seine grauen Augen funkelten und er legte eine besondere Betonung auf das letzte Wort.
"Nein, Malfoy", erwiderte Harry süffisant, während er Chos Hände von seinem Arm herunterstrich und eine davon beruhigend drückte - woraufhin Malfoys fahles Gesicht ein roter Zornesschimmer überzog, "an Orten wie der Eulerei trifft man dummerweise in den seltensten Fällen ähnlich hübsche Gesellschaft." Cho errötete leicht und verschränkte ihre Finger mit Harrys, dem diese Berührung merkwürdig peinlich war - vor allem in Gegenwart Malfoys.
Dieser wurde leicht grünlich um die Nase. "Ach", machte er bloß und bedachte Harry mit einem Blick, der ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
Er konnte Malfoys Halsschlagader deutlich pulsieren sehen, ebenso wie den dünnen Schweißfilm, mit dem der Bereich über seinen Schlüsselbeinen benetzt war. Die Haut an dieser Stelle wies, anders als Malfoys blasses Gesicht, ein attraktives Braun auf und Harry fragte sich dumpf, ob Malfoys restlicher Körper wohl in der gleichen Farbe getönt war?
Er bemerkte den fragenden Blick Chos auf sich und wandte brüsk den Kopf ab. Himmel, was hatte er bloß? Er brauchte eine kalte Dusche, ganz eindeutig. Solch abartige Gedanken waren hoffentlich abwaschbar.
Er räusperte sich angestrengt und bemühte sich, Malfoys Anblick auszuweichen. "Cho", begann er leise, als er plötzlich durch eine durchdringende Stimme unterbrochen wurde.
"Draco!"
Pansy Parkinson schoss wie ein Springteufel durch die Eingangstür und stürzte mit einem Gesicht wie ein Hippie auf Drogen auf den überrumpelten Malfoy zu und presste ihn fest an sich. Harrys Lippen kräuselten sich abschätzig und Cho machte einen erstickten Laut. Mit leichter Verspätung bemerkte er, dass dies daran lag, dass er ihre zarte Hand in seiner bei diesem Anblick fast zerquetscht hätte und er ließ sie hastig mit einer dahingestammelten Entschuldigung los. Sie bedachte ihn mit einem schrägen Blick.
"P-Pansy...", murmelte Malfoy überrascht und versuchte vergeblich, sich aus den ihn umstrickenden Armen zu befreien, "was tust du hier?"
Parkinson ließ ihn endlich los und lächelte ihn auf eine Weise an, die wohl attraktiv sein sollte. "Ich wollte mit dir Silvester feiern", bekannte sie und zog plötzlich einen Mistelzweig aus ihrem Ärmel, bei dessen Anblick sowohl Harry wie auch Cho gleichermaßen erröteten, "und außerdem wollte ich dir das hier zeigen!" Sie hob den Zweig über sich und sah Malfoy herausfordernd an. Dieser warf einen leicht scheelen Blick auf Harry und Cho. Pansy folgte seinem Blick und wurde erst da ihres Publikum gewahr.
"Potter", stieß sie im Brustton der Verachtung hervor, "was willst du hier? Etwa zusehen!"
"Mit Sicherheit nicht!" antwortete Harry bestimmt und das Blut schoss ihm in die Wangen.
Cho betrachtete ihn interessiert. Noch nie hatte er so gut ausgesehen - seine smaragdgrünen Augen funkelten gefährlich, jeder Muskel seines Körpers schien gespannt und seine Lippen waren intensiv rot gefärbt. Ein leises Gefühl des Bedauerns beschlich sie, dass sie ihn damals hatte gehen lassen.
"Nein", fiel Malfoy ein und richtete seine grauen Augen fest auf Harrys, "unser Goldjunge versucht wohl gerade sein Glück bei unserer ehemaligen Schulprinzessin. Leider bräuchte er den Mistelzweig wohl noch dringender als du, um einen Kuss zu bekommen."
Die Gesichter von Harry und Cho nahmen noch eine tiefere Rotfärbung an, Pansys hingegen blieb völlig unbewegt. Vermutlich hatte sie einfach den tieferen Sinn seiner Äußerung nicht verstanden. "Äh..", machte Harry schwach, doch Cho legte ihm rasch eine Hand auf den Arm und lächelte Malfoy auf süßeste Weise an. "Da wäre ich mir nicht so sicher", erwiderte sie, zog dann den Kopf des völlig verwirrten Harrys zu sich herunter und legte sanft ihre Lippen auf seine. Ein Schauer überzog sie.
Harry allerdings nicht. Er stand mehr oder weniger stocksteif da und kam sich verstörend fehl am Platz vor, während er das Zischen scharf eingezogener Luft hörte und dann schließlich Pansys Stimme, die wohl zu flüstern versuchte und dabei trotzdem noch die ganze Aula mit ihrer schrecklichen Stimme erfüllte: "Komm Drac, lassen wir die beiden alleine... und gehen in unseren Turm." Die Anspielung in diesen Worten war nur schlecht verdeckt und Harry konnte sich bildlich vorstellen, wie die Blondine dabei anzüglich über ihre enormen Brüste strich, während die Schritte der Slytherins allmählich verhallten.
Was fiel ihr überhaupt ein, Malfoy einen Spitznamen zu verpassen? Drac, wie albern. Ein Drache, dem das Ende fehlte. Ein entscheidendes Ende.
Ein spitzbübisches Lächeln huschte über Harrys Lippen.
Ein Drache ohne Schwanz. Na, wenn es das war, was Pansy von Malfoy erwartete, dann konnte es ja nicht so ernst zwischen den beiden sein.
Irgendwie beruhigte ihn dieser Gedanke ungemein.
Cho spürte Harrys Lächeln und ließ ihn, ebenfalls lächelnd, jedoch aus völlig anderem Anlass, wieder los. "Es geht auch ohne Mistelzweig", flüsterte sie leicht atemlos und drückte seine Hand.
Sein Lächeln schwand fast augenblicklich und er ließ sie los. Sie hatte den Kuss allem Anschein nach genossen - er hingegen nicht. Wo war das Bauchkribbeln, das Gefühl, fliegen zu können, unbesiegbar zu sein und sich im nächsten Moment aufzulösen? Wo war die Aufregung, die er bei ihrem letzten Kuss verspürt hatte? Er räusperte sich. "Cho", begann er wieder und hielt ihr wiederum seinen Arm unter die Nase, "was sagt dir dieses Band?"
Sie sah ihn ein wenig verdutzt an - wer hätte gedacht, dass dies sein erster Gedanke nach diesem Kuss war? Ihr stand der Sinn jetzt eher nach etwas völlig anderem... Aber wenn er meinte... "Nun", antwortete sie ausweichend, "sehr hübsch. Ein wenig zu sehr slytherin vielleicht für meinen Geschmack, aber..."
Harry hörte schon nicht mehr zu, stand da wie erstarrt und sah sie mit schreckgeweiteten Augen an. Slytherin! Sein Herz machte einen Satz.
Sooo, jetzt komm ich doch mal dazu mich bei meinen lieben Review-Schreibern zu bedanken... Man, was war ich faul.. Aber das gehört jetzt der Vergangenheit an:D
Ich hab nämlich eine kleine Sucht - ich bin total süchtig nach Reviews! Je mehr, desto schneller kommt das nächste Kapitel! Also, legt euch ins Zeug und tippt, bis eure Fingerspitzen bluten!
