Kapitel 7/11


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7. Ratlos?

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"Er kann doch nicht einfach verschwunden sein! Verflixt! Überall auf der Welt verschwinden magische Gegenstände, die den Hogwarts-Gründern gehörten und niemand weiß, wer der Dieb sein könnte. Es muss ein Zauberer sein. Die Muggelpolizei in Los Angeles berichtete von einem Mann der einfach so mir nichts dir nichts verschwand. Klingt doch verdächtig nach Apparieren! Oder?", schrie Cornelius Fudge, Vizeminister für Zauberer, außer sich vor Wut. "Mühsam haben wir Du-weißt-schon-wen besiegt und nun tanzt uns ein einfacher Dieb auf der Nase herum."

Fudge lief aufgebracht hin und her, ohne darauf zu achten, dass sein wehender Umhang wiederholt etliche Rollen Pergament auf einem Tischchen in seiner Nähe durcheinander wirbelte, die mit leichtem Rauschen zu Boden fielen. Sein Zuhörer und gleichzeitig Ziel seiner Rede, Albus Dumbledore musterte den aufbrausenden Mann väterlich, stapelte mit einem Wink der Hand die Rollen wieder auf dem Tischchen und meinte mit sanftem Lächeln: "Tee? Cornelius?"

Verdattert bejahte dieser und setzte sich. Dankend nahm er die Tasse entgegen und gönnte sich einen Schluck. Sogleich wurde er etwas ruhiger.

Albus legte die Fingerspitzen gegeneinander, räusperte sich und begann ruhig mit überlegten Worten: "Erstens, weiß ich nur von zwei Artefakten, und zweitens, ... aber lassen wir das", erwiderte Dumbledore. Er verkniff sich den Kommentar, dass sie es dem kleinen Harry Potter zu verdanken hatte, dass Voldemort verschwunden war. Nach Meinung des Schulleiters hatte der nunmehr Zweijährige, der jetzt bei seinen Muggelverwandten lebte, der Zaubererwelt nur einen Aufschub verschafft, um sich zu rüsten. Albus Dumbledore war einer der wenigen, die der Überzeugung waren, dass Voldemort wiederkehren würde. Er blinzelte und widmete sich wieder seinem Gast.

"Nun es spricht in der Tat einiges für Ihre Annahme, Cornelius, dass ein Zauberer den Einbruch in Paris verübte und sein Augenmerk auch auf L.A. gerichtet hat."

Er machte ein Pause und ließ seinen Blick über die magischen Kopien beider Berichte der Muggelpolizei schweifen. In Gegensatz zu Fudge vermutete Dumbledore nicht nur Magie, sondern war sich sogar sehr sicher, dass ein Zauberer dahinter steckte. Ob in Los Angeles etwas entwendet wurde, war den Akten nicht zu entnehmen. Aber auch in diesem Fall, vermutete der Direktor von Hogwarts, dass ein Artefakt, welches mit der Schule zutun hatte, gestohlen worden war.

"So weit wir wissen, Cornelius, wurde nur in Paris etwas gestohlen. Die besagte Truhe und das Bildnis der schwarzen Dame, bei der es sich um eine Kopie eines leider verschollenen Stiches unserer lieben Rowena handelt. Sie übertreiben, mein Junge, wenn Sie von überall in der Welt reden. Oder verschweigen Sie mir etwas?"

Albus blitzte den etwa vierzigjährigen Vizeminister über die halbmondförmigen Gläser seiner Brille hinweg an. Der Mann ihm gegenüber wurde rot und stammelte: "Die Amerikanische Vereinigung für Magie und Zauberei hat einen unserer Auroren ins Museum einschleusen können. Kurz bevor ich kam, hatte er sich gemeldet und uns mitgeteilt, dass er an einem Schloss im Kellergewölbe Magie registrierte hat. Die Technik der Muggel sei auch mittels Magie manipuliert worden. Im Tresorraum führte die Spur ihn zu einer Lade. Allerdings fehlte nichts. Das Buch war enthalten, so haben wir ihn wieder abgezogen."

Der Direktor nickte. Sein Verstand arbeitete fieberhaft. Sinnend legte er den Kopf schräg und fixierte einen Punkt an der Wand direkt hinter Fudge.

"Wieso sagen Sie das erst jetzt! Cornelius, Sie erwarten von mir, dass ich Ihnen helfe und Sie verschweigen mir wichtige Details. Fassen wir noch einmal zusammen. Der Dieb und ich gehe davon aus, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt, hat die Truhe der Rowena und eine Kopie ihres ersten Abbildes. Wir können davon ausgehen, dass er nun auch im Besitz eines Buches ist, das sicherlich einem der Gründer gehört hat."

Mit einer Handbewegung brachte er Cornelius zum Schweigen, der eben widersprechen wollte.

"Sie erwarten doch nicht, dass ein Zauberer bis ins Herz des Getty-Museums vordringt, um ohne das, was eigentlich dort wollte, erledigt zu haben. Sie werden mir zustimmen, dass das vollkommen unglaubhaft wäre."

Cornelius nickte und leerte seine Teetasse in einem Zug. Der Logik des Direktors hatte er nichts entgegenzusetzen.

Albus erhob sich und trat zu seinem Phoenix. Gedanken verloren begann er dessen Kopf zu kraulen, doch der Schein trog. Fieberhaft arbeitete der Verstand des alten weisen Mannes. Rowenas Truhe und Bildnis, bildeten eine Einheit. Ohne das eine, kommt man nicht an das andere. Wenn ich mich doch nur erinnern könnte, was es mit der Truhe auf sich hatte.

Vom Campus der Schule drang lautes Lachen herauf. Cornelius wirkte genervt und warf dem offenen Fenster einen durchdringenden Blick zu. Albus verstand und schritt schmunzelnd darauf zu. "der Dieb macht sich eine Menge Arbeit, wenn er es auf sämtliche Artefakte der Gründer abgesehen hat. Zwei hat er schon einmal. Sie werden mir zustimmen, dass das ausgetauschte Buch sicherlich auch einem Gründer gehört hat. Auf jeden Fall..." Dumbledore hielt in der Rede inne und starrte auf den Hof. Zwei Schüler der ersten Klasse sangen ein alten Kinderlied über die Gründer der Schule. Albus konnte sich daran erinnern, dass seine Mutter es ihm vorgesungen hatte. Der Text kam ihm in den Sinn:

Rowena, die mit Tieren lachte,

Salazar in Tränken lebte

Helga, die in Versen dachte .

Goderic, im Kampfe strebte.

Jeder Gründer hat verborgen,

tief in sich ein Erbe fein.

Viele machten sich doch Sorgen

wem mocht' dies zur Hilfe sein?

Jedes Erbe führt zum anderen,

Eins alleine nutzt nicht sehr.

Musst von hier nach dorten wandern,

Rätsel raten ist nicht schwer.

Doch am Ende dieser Reise

winken Ruhm dir und auch Macht

hast's zusammen du, sei weise

Besiegtes wird zurückgebracht.

Er zuckte zusammen. Das kann nicht sein!, dachte Albus entsetzt. Rasch schloss er das Fenster und hoffte, dass Cornelius seine Aufregung nicht mitbekommen würde. Der Vizeminister hatte jedoch entgegen seiner sonstigen Gewohnheit genau zugehört. Er klapperte mit der Tasse und meinte: "Auf alle Fälle... was? Albus? Was wollten Sie sagen?"

Albus räusperte sich, wandte sich um und setzte mit fröhlichem Zwinkern fort: "Auf alle Fälle wird uns der Dieb Stress und Arbeit ersparen, wenn er zusammenträgt, was Hogwarts gehört. Natürlich werde ich es für die Schule beanspruchen.

Cornelius machte ein enttäuschtes Gesicht und betrachtete gelangweilt seine Nägel, zog dann seine Taschenuhr hervor und musterte interessiert das Zifferblatt.

"Tja, Albus, es ist schön, dass Sie sich des Falles annehmen. Sie werden verstehen, dass ich die Presse an Sie weiterleite. Ich muss gehen, man erwartet mich zum Lunch."

Und schon strebte der Assistent der Zaubereiminsterin aus dem Büro des Schulleiters. Erleichtert atmete dieser aus und eilte an seinen Schreibtisch. Zur Ruhe kam er allerdings nicht.

"Eine solche Witzfigur gab es zu meiner Zeit nicht im Ministerium für Magie!", klang die nasale Stimme Phineas Niggelus'. "Es ist eine Schande für die Zauberschaft."

"Nun, Phineas", erwiderte Albus, ohne aufzublicken, "urteilen Sie nicht zu hart. Er ist noch jung und wird mit seinen Aufgaben wachsen. Er wird lernen, Verantwortung zu tragen und mit dieser umzugehen. Jetzt wir haben allerdings andere Probleme und..."

Als Albus sich dem Bildnis zuwandte, sah er, dass Phineas Niggelus verschwunden war. Der einzige schwarze Zauberer, der jemals Schulleiter in Hogwarts gewesen war, hatte sich von dannen geschlichen und den derzeitigen Schulleiter mit sich selbst reden lassen.

"Diese unerhörten Manieren!", ertönte es dumpf von einem Regal herunter, das sich hinter dem Schulleiters befand. Dumbledore drehte sich herum. Er hasste es, nur den Kopf umzuwenden. Seine Halswirbel würden meutern und ihren Dienst verweigern, pflegte Albus stets zu sagen. Also bewegte er lieber den gesamten Körper in die Richtung, in die er sehen wollte. Das ließ ihn etwas steif wirken, jedoch litt er, seit er sich so bewegte, viel seltener unter steifen oder verrenkten Nackenwirbeln.

Albus schaute direkt in die listigen Augen – obwohl Augen wohl der falsche Ausdruck war, es waren eher Schlitze im Stoff als tatsächliche Augen – des Sprechenden Hutes. "Du sagst es. Was meinst du, was hinter den Einbrüchen stecken könnte?", fragte Dumbledore und kam sich alles andere als komisch vor, dass er mit einem Hut sprach.

Das graue Stoffgebilde bewegte die Spitze und neigte sich etwas zum Professor hinunter. Die Nähte, welche die unzähligen Stofffetzen, aus denen er bestand, zusammenhielte, ächzten und knarzten dabei, als wollten sie reißen oder gar platzen. Staubflocken wirbelten auf und der Hut hustete theatralisch.

"Wir werden noch zwei weitere Einbrüche erleben und einer davon wird den Dieb nach Hogwarts führen. Es wird Zeit, dass wieder neue Schüler kommen, sonst bekomme ich noch eine Stauballergie!", empörte sich das Stoffgebilde und nieste gekünstelt.

Dumbledores Augen blitzten vergnügt, als er meinte: Du solltest nach mehr als 1000 Jahren deine Abneigung gegen Hauselfen überwunden haben, Hut. Schüler kommen erst wieder im September, mein Lieber. Jetzt haben wir anderes zu tun."

Er klang sehr ernst.

"Noch zwei Artefakte und er hält den Schlüssel in der Hand zum Unberechenbarsten, was es in unserer Welt gibt", flüsterte Dumbledore, doch mehr als ein unverständliches Gebrabbel drang nicht an die Ohren des Hutes und der Porträts.

Sinnend trat der mächtigste weiße Zauberer der Gegenwart vor die große Vitrine seines Büro. Bestens gesichert hing dort von Magie gehalten, eines der kostbarsten Besitztümer Hogwarts, ein Vermächtnis, eines der größten Zauberer aller Zeiten. Ein Artefakt wird er nicht bekommen. Goderics Schwert bleibt. wo es ist, dafür werde ich sorgen.

Glänzend wie am ersten Tag aus Gold und Eisen gefertigt, hing Gryffindors Schwert hinter Glas. Rubin und Granate zierten den Griff. Nur ein Stein blinkte in einer anderen Farbe. Ein Amethyst, wie Albus wusste. Zweischneidig und gefährlich, perfekt ausbalanciert war das Schwert der existente Beweis eines hervorragenden Waffenschmiede. Feine Linien zogen sich über die flache Seite der Klinge. Dumbledore wusste, dass in diesen Linien ein Rätsel steckte, dessen Lösung Gefahr mit sich brachte, würde der falsche Mann sie finden und auslegen.

Kurz entschlossen setzte sich der Direktor an seinen Schreibtisch und schnippte mit den Fingern. Eine alte Pergamentrolle lag plötzlich vor ihm. Er öffnete sie und begann zu lesen. Er hat Rowenas und er hat Salazars Vermächtnis. Helga, was hast du uns hinterlassen. Helga, die in Versen dachte. Du warst eine Poetin, eine Meisterin der Zauberkunst, doch was ist dein Vermächtnis.

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tbc