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10. Die Spur führt nach...
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Lucius kehrte mit dem Schreibschächtelchen zurück auf seinen Landsitz. Narzissa war einkaufen, wie er einem Zettel entnahm und Draco war mit seiner Nana auf Besuch bei den Notts. Folglich hatte er genau die Ruhe, die er brauchte, um im Schächtelchen den Hinweis auf das Vermächtnis Gryffindors zu finden.
Sorgsam hatte er das Kästchen in seinen Kerker getragen und begutachtete es nun von allen Seiten. Hier gab es keinen versteckten Mechanismus. Helga war stets sehr treuherzig gewesen, sie hatte in den Menschen immer das Gute zuerst gesehen. Sie war auch diejenige die es lange nicht wahrhaben wollte, dass Salazar sie und die anderen beiden Gründer von Hogwarts tatsächlich verlassen würde.
Lucius klappte die Schachtel auf. Ihr Zauberstab, ihr Griffel, ihre Feder, zählte er in Gedanken auf. Mit zittrigen Fingern strich er über ihr Eigentum, ohne es wirklich zu berühren. Er fühlte ein leichtes Prickeln in den Kuppen. Schließlich fasste er sich ein Herz und nahm den Zauberstab in die Hand. Doch nichts geschah. Lucius runzelte die Stirn und versuchte einen einfaches "Wingardium Leviosa". Doch mehr als ein Kribbeln spürte er nicht.
"Nicht noch ein Rätsel!", schimpfte er. Mühsam bezwang er seine Wut und legte den Stab zurück in die Schachtel. Dabei stieß er mit der Spitze gegen die Schreibfeder und kleine Funken stoben auf. Überrascht trat er zurück. Er starrte gebannt auf das Schächtelchen. Die Feder begann zu schweben, verließ ihr Behältnis und flog auf den Slytherin-Codex zu. Dort verharrte sie. Lucius brauchte eine Weile, bis er begriff, dass die Feder wohl nur darauf wartete, bis er das Manuskript aufschlug. Rasch öffnete er nach einer Weile das Buch. Wieder berührte er den Peridot und wieder bot sich ihm das Bild der vier Gründer da. Doch diesmal ruhte der schwarze Dachs zu Füßen seiner Herrin, die Feder und Griffel in der einen und den Zauberstab in der anderen hielt. Lediglich Gryfffindors Löwe befand sich noch an der gleichen Stelle. Die Schreibfeder verharrte senkrecht über dem Löwen, dann schoss sie davon, auf das nächste leere Pergament zu, das in der Nähe war, und begann zu schreiben. Verblüfft beobachtete der Zauberer die Szenerie. Nach einer Weile verlor die Feder die Kraft und sank auf das Papier.
Irritiert schlich Lucius auf das Pergament zu, nahm das Schreibgerät in die Hand und warf einen Blick auf das Papier.
Stärker noch als alle Waffen,
soll der Geist des Menschen sein?
Mag der Kampf Zerstörung schaffen,
Ist diese Macht nur bloßer Schein.
Doch am Ende aller Tage,
steht nur die Idee allein,
Kampf, Zerstörung, welche Plage
Wird der Geist einst Sieger sein.
Nimm die Feder, du wirst Siegen,
Schreibe und die Hand bleibt rein.
Von dem Blut der Schwerterriegen.
Wirst nur du verschonet sein.
Lucius schlug die Hand an die Stirn und wischte sich über die Augen. "Nicht noch ein Spruch!", zischte er.
Zornig begann er durch die Kellergewölbe seines Landsitzes zu wandern. Ihm blieben nur noch fünf Tage. In fünf Tagen war der 31. Oktober. Genau vor einem Jahr, war der dunkle Lord verschwunden und die Zukunft, von der er und so viele andere geträumt hatten, war in weite Ferne gerückt, ja sie war sogar unerreichbar geworden, für den Augenblick. Lucius arbeitete seit über einem Dreivierteljahr daran, die Sieg über den Dunklen Lord rückgängig zu machen. Als er das erste Mal das Kinderlied gehört hatte und bewusst die letzten Zeilen aufgenommen hatte, wusste er, was er zutun hatte. Er begann über die Gründer zu recherchieren und welche Art Vermächtnisse sie der Nachwelt hinterlassen hatten, außer Hogwarts. Er fand Hinweise auf eine Art Schnitzeljagd, die zu einem geheimen Laboratorium führen würden, in dem einst Salazar Slytherin seine Tränke gebraut hatte. Lucius hatte auch herausgefunden, dass der Trank nur bis zu einem Jahr nach der Niederlage wirksam sei und auch nur einmal. Er schüttelte den Kopf und wandte sich auf dem Absatz um, um wieder zurück zu seinen Schätzen zu wandern. Im Augenwinkel sah er ein Blitzen, ein leichtes Reflektieren von Licht. Lucius blinzelte und runzelte die Stirn. Er trat auf die Quelle zu. Ein triumphales Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Lucius Malfoy stand vor der berühmten Waffensammlung seines Urgroßvaters. Schwerter!, dachte er. Er erinnerte sich an einen Spruch und zitierte leicht flüsternd: "Die Feder ist stärker als das Schwert."
Lucius brach in schallendes Gelächter aus. Sein Urgroßvater hätte noch ein Schwert in die Hand genommen und wäre mit stolzem Kampfgebrüll in die Schlacht gezogen. Er hingegen, zog ein paar passende Drohungen, versteckte Erpressungen und geschickte Manipulation vor.
Lucius eilte zielstrebig zu seinen Schätzen zurück. Er nahm Helgas Feder in die Hand und verstaute sie wieder im Schächtelchen. "Goderics Schwert", hauchte er nachdenklich. Als er den Deckel schließen wollte. Viel ihm der Dachs auf dem verschnörkelten "H" auf. Wie wild trommelte die Stickerei auf dem Balken des Buchstabens herum. Lucius wirkte irritiert, schüttelte den Kopf und schloss die Schachtel. Im Geiste ging er bereits sämtliche Informationen durch, die er über Gryffndor hatte und versuchte sich daran zu erinnern, was er über das Schwert gelesen hatte.
Am gleichen Tag im Salon – später Nachmittag
Lucius hatte sich nach elenden Stunden des Grübelns dazu durchgerungen und Narzissa von seinem Plan und seinen letzten Aktivitäten erzählt. Sie hatte ihm stumm zugehört. Dann hatte sie ihre Stickerei beiseite gelegt, hatte sich erhoben und war auf ihn zugekommen. Er fand ihre Beherrschtheit beunruhigend. Als die schlanke Frau direkt vor ihm stand, hatte sie ausgeholt und ihrem Mann eine schallende Ohrfeige gegeben.
"Das war dafür, dass du mich nicht hast mitmachen lassen. Was glaubst du eigentlich, was ich mir für Sorgen gemacht habe. Ich hätte die Schande nicht ertragen, hättest du mich und deinen Sohn betrogen. Lucius, du weißt, dass auch ich bedauere, dass der Dunkle Lord nicht mehr an der Macht ist. Ich hätte dir helfen können...", sie stutzte, "oh, ich habe dir ja geholfen. In der Bibliothek über den Runen, mein Lieber, das wäre der geeignete Zeitpunkt gewesen, meinst du nicht auch?"
Lucius wirkte betreten, aber nur einen Moment. Er wusste ja, dass sie recht hatte, aber so deutlich wollte und konnte er es ihr nicht gestehen. "Schon gut!", brachte er mühsam hervor. Narzissa schien das zu genügen. Sie nahm wieder Platz, genehmigte sich einen kleinen Schluck Sherry, den sie jeden Abend zu trinken pflegte. Als wäre nichts geschehen, setzte sie ihre Stickerei fort und überließ ihren Mann seinen Gedanken.
"Das Schwert beinhaltet den vierten Hinweis, verdammt, wo ist es", schrie er dieser nach einer Weile. Aber nichts als Schweigen war die Antwort.
"Ich habe Rowenas Kelch, aus dem sie den Animagi-Trank zu sich genommen hat, Salazars Zauberbuch in dem all sein Wissen um die schwarze Magie stehen. Ich habe Helgas Schreibschachtel mit ihrem Zauberstab und ihrer Feder, aber wo, verdammt, ist Gryffindors Schwert!"
Lucius stand kurz vor dem Verzweifeln. So schwer konnte es doch nicht sein. Bisher hat jedes Artefakt angezeigt, wo ein zweites steckte, diesmal jedoch half nichts. Er hatte einzig und allein herausgefunden, dass es ein Schwert sein musste. In der Schachte hatte es kein verstecktes Fächlein mit einem Pergament, keine versiegelte Seite, kein auf Blut reagierender Portschlüssel, nichts. Er starrte seine Frau an, die seelenruhig in ihrem Sessel saß ins Feuer starrte und weiter an einem Bild stickte.
Als hätte Narzissa den Blick bemerkt, fragte sie: "Ist dir denn nichts Verdächtiges aufgefallen?" Lucius hob eine Augenbraue und wollte lospoltern, was sie sich einbilde, er hätte alles berücksichtigt und nichts vergessen. Doch seine Gattin kam ihm zuvor, als sie weiter im Plauderton mutmaßte: "Es müssen ja keine versteckten Fächer sein oder verborgenen Pergament. Es kann ja etwas so Offensichtliches gewesen sein, dass du es gerade deshalb übersehen hast. Bisher haben dich doch die Tiere weitergeführt."
Lucius verengte die Augen. "Der Dachs trommelte auf den Balken, des H's. Aber wie soll mich die Initiale von Helga Hufflepuff weiterbringen", überlegte er laut.
"Wer sagt, dass der Buchstabe für den Namen steht. Vielleicht war Goderic mal an irgendeinem Ort, der mit H anfing."
Lucius achtete nicht auf Narzissas Einwurf, sondern grübelte weiter. Ein Scheppern riss ihn aus seinen Gedanken. Narzissa hatte die Schere fallen lassen und bückte sich nun umständlich danach. Auf ihren Knien balancierte sie den Stickrahmen, in dem eine große Nadel steckte. Ihr Oberkörper war leicht verdreht. Mit der Linken versuchte sie nach der Schere zu fischen, aber selbst wenn sie die Finger streckte, es fehlte stets ein kleiner Zentimeter bis zur Schere.
"Narzissa!", rief Lucius leicht genervt. Seine Frau zuckte zusammen und stach sich in den Finger. "Kannst du mir mal sagen, was du dort machst?"
"Das wird ein Bild für das Zimmer deines Sohnes. Hogwarts bei Nacht. Er soll sich früh daran gewöhnen", antwortete sie missmutig und steckte den Finger in der Mund, um zu verhindern, dass das Blut auf die Handarbeit tropfte. Männer waren einfach zu komisch. Sah er denn nicht, dass sie stickte?
Lucius stutzte und kam auf Narzissa zu. Er kniete nieder, hob die Schere auf und reichte sie ihr. "Du bist genial, weißt du das?"
Narzissa zog eine verständnislose Grimasse. "Wieso?", brachte sie nicht gerade intelligent, mit dem Finger im Mund hervor.
"Das Schwert ist dort, wo es immer war. In Hogwarts. Gryffindor hatte alles, was er besaß der Schule vermacht. Keiner hätte es gewagt, etwas von dort zu entfernen. Du hast mir mehr geholfen als du denkst."
Lucius Stimme klang nüchtern, aber in seinen Augen funkelten Aufregung und der Drang sofort loszustürmen und das Schwert an sich zu bringen. Er erhob sich, gab seiner Frau einen Kuss auf den Haaransatz und verschwand.
Narzissa schaute verwundert ihrem Mann hinterher. Sie ahnte, dass er niemals das Schwert in Händen halten würde, das würde Dumbledore verhindern. Sie wusste aber auch, dass Lucius sich niemals, und schon gar nicht von ihr, davon abhalten lassen würde, es doch zu versuchen.
Sie starrte auf die Wunde und setzte nach einer Weile ihre Arbeit wieder fort.
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tbc
