Titel: Enjoy the Silence
Autor: Zanna
Email: Zannagmx.de
Disclaimer: siehe Kapitel 1
Betadank: Wie immer an Laren
Kommentar: Ich wünsch euch allen ein schönes Weihnachtsfest! Das ist jetzt praktisch ein Weihnachtskapitel, auch wenn es so gar nichts mit der Thematik zu tun hat. :-) Trotzdem viel Spaß beim Lesen!
Kapitel 7
Duo POV
Tja, nun war es also offiziell. Ich würde meinen Namen ändern müssen, wahrscheinlich in Detlef oder eine andere Scheußlichkeit. Denn Heero hatte nicht auf mich reagiert, so überhaupt gar nicht. Welch Überraschung. Ich wußte einfach nicht, was ich jetzt noch tun sollte.
Heero das Schwimmen beizubringen war einfach. Es war sogar viel einfach als ich gedacht – und gehofft – hatte. Heero hatte das Prinzip unglaublich schnell begriffen und schon nach viel zu kurzer Zeit schwamm er neben uns her, so als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. Ich war enttäuscht. Mir hätte es viel mehr gefallen, wenn Heero es nicht so schnell gelernt hätte. Die kurze Zeit in der ich ihn über Wasser halten durfte, damit er nicht unterging, in der ich ihn an mich presste und ihm die Schwimmbewegungen zeigte, war einfach wundervoll – nur leider eben viel zu kurz.
Und obwohl ich meine Hände überall an Heeros Körper hatte – na gut, vielleicht nicht wirklich überall – so hat Heero es versäumt die Gelegenheit zu ergreifen, seine Hände überall auf meinen Körper zu legen. Ich war kurz davor gewesen zu schreien. Hätte es mir nicht soviel Freude gemacht, Heero so absolut frei und gelöst zu sehen, ich hätte mich wahrscheinlich an den Strand gesetzt und vor lauter Frust geheult.
Aber obwohl ich in meinem Plan Heeros Aufmerksamkeit zu gewinnen nicht einen Schritt weitergekommen war, so hatten wir alle dennoch eine Menge Spaß am Strand. Selbst Heero hat ab und zu gelacht – und sah er sonst schon unglaublich gut aus, so war er einfach unwiderstehlich wenn er lachte.
Und ich war nicht der einzige, dem das auffiel. Heero zog eine Menge Blicke auf sich – kein Wunder mit diesem Körper. Ich glaube wirklich jede Frau – und auch einige Männer – starrte Heero bewundernd an. Doch Heero beachtete diese Blicke nicht. Und es war nicht die Art von Nichtbeachtung, die daher rührt das man solche Blicke gewohnt war und sie einfach ignorierte. Nein, es war fast, als würde er sie gar nicht bemerken.
Das gab mir etwas zu denken. Konnte es etwa sein, das Heero sich seiner Attraktivität gar nicht bewußt war? Das er gar nicht wußte, wie umwerfend und absolut begehrenswert er war? Wenn ich mir sein Benehmen in den letzten Tagen so ansah, dann würde dieser Gedanke einiges erklären. Aber wie konnte das sein? Hatte es ihm denn noch niemals irgendjemand gesagt? Er hätte doch nur einmal in den Spiegel schauen müssen um das zu erkennen. Man sah nicht so aus wie Heero und wußte nicht über seine Attraktivität Bescheid. Ein weiteres Rätsel, das es zu lösen gab.
Und so unglaublich es schien, ich fand noch etwas über Heero heraus an diesem Tag am Strand. Er war Waise. Oder er hatte zumindest niemals ein glückliches Zuhause oder Kindheit gehabt. Das sagten mir die Blicke, die er den Familien mit Kindern zuwarf, die am Strand waren.
Sein Blick war so sehnsüchtig, wenn er den spielenden Kindern zusah. Und wenn er beobachtete, wie diese Kinder mit ihren Eltern interagierten, dann wurde sein Blick sogar wehmütig. Es machte mir klar, daß Heero selbst so etwas nie gekannt hatte. Und das war etwas, das wir gemeinsam hatten. Denn auch ich hatte nie ein richtiges Familienleben gehabt – zumindest nicht das ich mich erinnern konnte. Doch ich wußte nicht, ob und wie ich Heero darauf ansprechen sollte.
Und so machten wir uns am späten Nachmittag wieder auf den Heimweg. Wir alle waren ziemlich matt und müde, doch obwohl Quatre ein etwas gemäßigteres Tempo einschlug, so verbarg Heero sein Gesicht dennoch wieder an meiner Schulter. Ich muß wohl nicht extra erwähnen, das ich mir die Gelegenheit, ihn wieder etwa eine Stunde im Arm halten zu dürfen, nicht entgehen ließ, oder?
Aber innerlich mußte ich dennoch seufzen. Heero sendete mir derart verwirrende Signale, das ich bald nicht mehr wissen würde, was ich tun sollte. Wenn er mir wenigstens klipp und klar zu verstehen geben würde, dass er an mir kein Interesse hatte, aber so? So hing ich praktisch mitten in der Luft und wusste nicht weiter.
Einerseits reagierte Heero so überhaupt nicht auf meine Annäherungsversuche und mein Flirten. Aber das konnte nicht daran liegen, das er sich in meiner Nähe nicht wohl fühlte, denn er wich mir niemals aus oder lehnte Körperkontakt zu mir ab – auch wenn ich meistens derjenige war, der diesen Körperkontakt initiierte. Es kam mir manchmal sogar so vor, als würde er meine Nähe suchen – wenn ich genauer darüber nachdachte, so war Heero in der letzten Woche eigentlich fast jede Minute bei mir gewesen. Das gab mir zu denken.
Ich war so in meine Grübeleien vertieft, das ich gar nicht bemerkte, wie die Fahrt vorüberging, und so war ich ziemlich erstaunt, als wir anhielten und die anderen begannen aus dem Auto zu klettern. Q's spöttisch hochgezogene Augenbraue, mit der er mich bei Heeros und meinem Anblick bedachte bemerkte ich jedoch schon, doch statt darauf einzugehen, streckte ich ihm nur die Zunge raus.
Erschöpft wie man es nur von einem wirklich faulen Tag am Strand sein kann wankten wir ins Haus. Ich wollte mich eigentlich nur noch umziehen und den Rest des Abends vor dem Fernseher verbringen. So seltsam es klingt, aber ich kann erstaunlicherweise ziemlich gut nachdenken, wenn die Flimmerkiste im Hintergrund läuft. Und heute hatte ich wirklich eine Menge Dinge, über die ich nachdenken wollte.
Gähnend zog ich mein T-Shirt über den Kopf und warf es einfach in eine Ecke meines Zimmers. Ich war jetzt zu müde um es noch aufzuheben. Heero, der mir dicht auf den Fersen war, runzelte kurz die Stirn und hob es dann auf. Ich grinste ihn müde an.
„Also, willst du zuerst unter die Dusche Hee-chan oder soll ich?"
Heero zuckte mit den Schultern, und so beschloss ich, das ich jetzt zuerst Duschen würde.
Im Bad zog ich mich weiter langsam aus und stieg dann in die Duschkabine. Wie nicht anders zu erwarten drehten sich immer noch alle meine Gedanken um Heero. Heero, der jetzt da draußen auf meinem Bett saß. Oder eigentlich unserem Bett. Das klang verdammt gut, nicht war? 'Unser Bett'. Wenn doch nur wirklich alles so wäre, wie es dieser Ausdruck vielleicht vermuten ließe. Denn obwohl wir uns das Bett seit einer Woche teilten, so taten wir dort nichts anderes als schlafen.
Und nein, ich bin kein Perversling – dieses Schlafarrangement war keine Absicht von mir, ehrlich! Es hat sich einfach so ergeben. Ich schwöre es! Es ist nur einfach so, das wir kein freies Bett im Haus hatten. Und bevor ihr jetzt ungläubig die Augenbraue hochzieht – das ist die Wahrheit. Und ich hatte wirklich nicht geplant, Heero nach der ersten Nacht weiter in meinem Bett schlafen zu lassen. Beziehungsweise, ich hatte ihm schon mein Bett überlassen wollen, schließlich war er ja verletzt gewesen, aber ich hatte vor solange im Wohnzimmer auf der Couch zu schlafen.
Doch als ich an jenem Abend in mein Zimmer ging, um mir ein Kissen und eine Decke zu holen, da war mir Heero – wie immer – gefolgt. Ich war gerade damit beschäftigt gewesen, in meinem Schrank zu wühlen, so daß ich im ersten Moment gar nicht so richtig mitbekommen hatte, was Heero eigentlich von mir gewollt hatte.
„Duo?" hatte er zögernd gefragt. Auf mein antwortendes Murmeln hatte er dann weitergesprochen. „Wo soll ich schlafen?"
Wie schon gesagt, ich war etwas abgelenkt gewesen, und so hatte ich nur geantwortet, „Du schläfst natürlich in meinem Bett, Hee-chan."
Wäre ich aufmerksamer gewesen, so hätte sich das folgende sicherlich anders abgespielt, und ich hätte nicht die letzten Nächte mit Heero zusammen im Bett verbracht. Was wirklich schade gewesen wäre. Denn hey, wer würde sich eine solche Gelegenheit schon entgehen lassen wollen? Andererseits, vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich eben NICHT die letzten Nächte neben Heero geschlafen hätte – besser für meine geistige Gesundheit meine ich.
Aber ich war nicht aufmerksamer gewesen, und so war mir im ersten Moment gar nicht klar gewesen, was Heero da wirklich sagte, als er mir antwortete, „Du meinst, es stört dich nicht das wir uns das Bett teilen?"
Ich Genie – oder eher Idiot? – habe darauf nur, „Nein, natürlich nicht," geantwortet. Ungefähr eine Sekunde, bevor mir bewußt wurde, was Heero da gesagt hatte. Und dann erstarrte ich mitten in der Bewegung. Hatte ich das wirklich richtig gehört? Hatte Heero da wirklich gesagt, er wolle zusammen mit mir in meinem Bett schlafen? Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, das meine Hormone in diesem Augenblick einen wilden Lambada hingelegt haben.
Ich war in diesem Moment völlig weggetreten gewesen. Heero wollte mit mir schlafen. Heero wollte mit mir schlafen! Etwas anderes hatte ich nicht denken können. Ok, vielleicht noch das Heero sich ja nicht gerade viel Zeit ließ und wirklich schnell zur Sache kam, was ich in dem Moment aber vollkommen begrüßte. Hah! Von wegen!
Die nächste halbe Stunde hatte ich ein breites Dauergrinsen im Gesicht gehabt, das sich einfach nicht hatte vertreiben lassen. Und das war dann doch etwas unangenehm gewesen. Habt ihr schonmal versucht, eure Zähne zu putzen, während ihr gerade von einem Ohr zum anderen grinst? Probiert das mal. Ist gar nicht so einfach.
Doch als wir dann mit den abendlichen Reinigungsritualen endlich fertig gewesen und ins Bett gekrabbelt waren, war mir das Grinsen ziemlich schnell vergangen. Denn statt über mich – wie ich gedacht hatte – herzufallen und die Belastbarkeit meiner Bettfedern auszutesten hatte Heero sich einfach nur zur Seite gedreht und war eingeschlafen. Und ich hatte neben ihm gelegen und mir innerlich an den Kopf geschlagen. Heero hatte mit mir schlafen wollen, oh ja. Woher hätte ich Idiot denn auch wissen sollen, dass er das tatsächlich im wörtlichen Sinne meinte?
Und so begann meine tägliche – oder eher nächtliche – Tortur. Klar, ich hätte das Mißverständnis am nächsten Abend natürlich aufklären und die Couch beziehen können – vielleicht hätte ich es ja sogar getan, wenn da nicht diese eine, kleine Tatsache gewesen wäre.
Heero hatte in der zweiten Nacht wieder einen ähnlichen Anfall gehabt wie in der ersten Nacht. Er hatte angefangen zu zittern und sich stöhnend herumzuwerfen, und ich war davon aufgewacht. Und obwohl der Anfall deutlich schwächer gewesen war als der in der ersten Nacht, so konnte ich mich nicht davon abhalten, Heero wieder beruhigend in den Arm zu nehmen. Und in diesem Moment hatte ich tatsächlich nur an Heeros Wohl gedacht. Es schien ihm besser zu gehen, wenn ich ihn im Arm hielt, denn genau wie in der ersten Nacht hatte das Zittern sofort merklich nachgelassen.
Und so konnte ich ihn in der dritten Nacht doch nicht allein lassen, oder? Mag sein daß dieser Gedanken nicht völlig uneigennützig gewesen war, aber es ging mir wirklich hauptsächlich darum, daß es Heero gutgehen sollte. Das Heero in der dritten Nacht zum letzten Mal einen Anfall gehabt hatte und ich aber trotzdem immer noch mit ihm im selben Bett schlief war eine andere Sache.
Denn obwohl Heero keine Anfälle mehr hatte, so hatte er sich anscheinend inzwischen an meine Nähe gewöhnt, denn sobald er einschlief, rollte er sich zu mir hinüber und schmiegte sich an mich. Mal legte er seinen Kopf auf meine Brust, mal kuschelte er sich an meinen Rücken. Und masochistisch veranlagt wie ich nunmal bin wollte ich mir das nicht entgehen lassen.
Oh, es war einfach wunderbar so an Heero geschmiegt zu schlafen. Und gleichzeitig war es die reine Folter. Und höllisch verwirrend. Jeder andere, der seit Tagen mit mir das Bett teilte und sich derart verführerisch an mich schmiegte, hätte schon längst die Gelegenheit ergriffen, mit mir zu schlafen. Verdammt, normalerweise hätte ich gar nicht erst solang gewartet, bis ich verführt wurde, sondern einfach selbst die Initiative ergriffen!
Aber irgendwas an Heero... es klingt vielleicht lächerlich, aber Heero hatte etwas fast unschuldiges an sich, so daß ich es irgendwie nicht wagte, weiter zu gehen als Heero es mir vorgab. Und bis jetzt hatte er noch in keinster Weise gezeigt, das er sexuell an mir interessiert gewesen wäre. Kann sich vielleicht jetzt jeder vorstellen, wie verdammt nochmal unglaublich frustriert ich war???
Allein schon der Gedanke an Heero, der sich an mich schmiegte ließ meinen Körper augenblicklich reagieren. Glücklicherweise stand ich gerade unter der Dusche, so daß ich mich meines Problems sogar annehmen konnte – etwas das nicht so einfach war, wenn Heero neben mir im Bett lag. Gott, ich hatte nicht mehr so oft masturbiert seit ich ein Teenager war. Was machte Heero nur mit mir?
Nachdem ich endlich fertig geduscht und mich um mein nicht ganz so kleines – wenn ich mal so unbescheiden sein darf – Problem gekümmert hatte, trat ich aus der Duschkabine und trocknete mich ab. Danach schlang ich mir das Handtuch um die Hüften und verließ das Bad. Ich gab eben nie die Hoffnung auf, das Heero vielleicht doch irgendwann einmal...
Doch wie gewohnt drehte Heero mir nur den Kopf zu, ließ seinen Blick kurz über mich wandern, stand dann vom Bett auf und verschwand im Bad. Ich seufzte. Ich glaube, das einzige was ihn an meinem Körper wirklich faszinierte war mein Piercing und das sonnenförmige Tattoo, die beide meinen Bauchnabel zierten.
Ich hatte schon ein paar Mal bemerkt, wie sein Blick neugierig und etwas verwirrt auf diesem kleinen Schmuckstück und dem Tattoo gelegen hat. Und obwohl ich beides aus genau diesem Grund trage – um die Aufmerksamkeit auf mich und meinen flachen, muskulösen Bauch zu lenken – so ist es bei Heero nicht ganz die Reaktion die ich mir erhofft hätte.
Oh ja, es hatte seine Aufmerksamkeit erregt, wie schon erwähnt. Aber nicht im sexuellen Sinne, sondern eher fast akademisch neugierig. So als würde er herausfinden wollen, wozu das kleine silberne Ding überhaupt dienen sollte. Oder vielleicht mochte er ja das Tattoo einfach nicht. Was wusste ich denn schon.
Mit mehreren frustrierten Seufzern – jep, mit nur einem frustrierten Seufzer allein war es schon lange nicht mehr getan – holte ich mir Kleidung aus dem Schrank. Als ich mich anzog fiel etwas aus der Tasche der Hose. Neugierig bückte ich mich und hob es hoch.
Es war die kleine silberne Kugel, die ich vor einer Woche im 'Planet' eingesteckt hatte. Ich hatte sie inzwischen schon völlig vergessen. Kein Wunder, Heero und die Rätsel die ihn umgaben hatten das viel kleinere Rätsel der silbernen Kugel völlig aus meinem Gedächtnis verdrängt.
Ich drehte die Kugel ein paar Mal neugierig hin und her. Es würde mich wirklich sehr interessieren herauszufinden wodurch sie sich in so viele kleine Teil hatte spalten können. Und wie sie hatte fliegen können. Aber die Oberfläche war völlig glatt, ich konnte keine Kante oder Bruchstelle oder ähnliches daran erkennen. Auch keine Energiequelle oder etwas in der Art.
Ich runzelte die Stirn und betrachtete die Kugel genauer. Kam es mir nur so vor oder war sie größer als noch vor einer Woche? Aber dann schüttelt ich innerlich den Kopf. Wie hätte das denn sein können? Wahrscheinlich hatte ich die Kugel einfach nur kleiner in Erinnerung. Es war im 'Planet' ziemlich dunkel gewesen, und außerdem war ich von Heero abgelenkt worden. Ich hatte die Kugel wohl nur nicht richtig gesehen.
Ich warf sie ein paar Mal prüfend hoch und fing sie wieder auf. Auch wenn ich nicht hinter das Geheimnis der Kugel kommen konnte, so war sie doch hübsch. Ich würde sie einfach behalten. Und da ich sie bei einem unserer Auftritte 'gefunden' hatte, würde ich sie in unser Musikzimmer legen.
Leise summend ging ich über den Flur hinüber ins Musikzimmer. Außer Wufeis Schlagzeug, Q's unzähligen Gitarren und Noins Keyboard stand dort noch ein herrlicher Flügel. Ich selbst sang zwar normalerweise nur, aber ich konnte auch leidlich gut Klavier spielen. Schwester Helen hatte es mir beigebracht. Ich würde zwar niemals so gut werden wie ein professioneller Pianist, aber ich liebte es darauf zu spielen. Und außerdem benutzte ich es auch, wenn ich neue Songs für unsere Band schrieb.
Da ich schon seit über einer Woche nicht mehr gespielt hatte – Heero hatte mich einfach zu sehr beschäftigt – setzte ich mich auf die Klavierbank, schloß meine Augen und begann einfach zu spielen. Kaum einer würde es je vermuten, aber ich liebe klassische Musik. Beethoven, Mozart, Bach, ich spielte sie alle. Aber vor allem liebte ich Chopin. Ich finde, man merkt es seinen Stücken an, dass das Klavier 'sein' Instrument gewesen war, sie hatten meiner Meinung nach eine ganz andere Qualität als die Stücke der anderen Komponisten. Man merkt ihnen die Liebe zum Klavier an.
Ich weiß nicht, wie lange ich dort saß und spielte, aber irgendwann blickte ich auf und sah Heero im Türrahmen stehen. Wieder diesen fast ungläubigen, verwunderten Blick im Gesicht. So als könnte er es gar nicht fassen, was ich da tat. Ich lächelte ihm zu.
„Hey Hee-chan, komm doch rein."
Zögernd betrat er das Zimmer und näherte sich dem Flügel. Vor dem offenen Instrument blieb er stehen und sah auf die Saiten und die kleinen Hämmer hinab. Ich legte meinen Kopf leicht schief. Ich merkte, das er vor Neugier fast platzte, aber sich nicht traute, mir eine Frage zu stellen. Also spielte ich eine schnelle Akkordfolge und konnte dabei beobachten, wie seine Augen ganz groß wurden, als die Hämmer auf die Saiten schlugen und dabei die Töne erzeugten.
„Was ist, Hee-chan? Hast du noch nie ein Klavier gesehen?"
Ich dachte erst, er würde mir nicht antworten, doch dann schüttelte er leicht den Kopf. Er hielt dabei seinen Blick gesenkt, so daß ich den Ausdruck in seinen Augen nicht erkennen konnte. Ich war verblüfft. Heero hatte noch nie ein Klavier gesehen? Klar, ich wußte natürlich, das nicht JEDER Mensch schonmal ein Klavier gesehen hat, zumindest nicht in Natura, aber die meisten wissen dennoch, wie eines aussieht und kennen die grundlegende Funktionsweise. Heero jedoch wirkte so, als hätte er es WIRKLICH noch nie gesehen. Obwohl ich jeden Tag mehr und mehr Teilchen fand, die ich dem Puzzle Heero hinzufügen konnte, so gab es dennoch noch lange kein erkennbares Bild. Ich befürchtete, daß das Rätsel sehr viel größer war, als ich zunächst angenommen hatte.
„Möchtest du gerne wissen, wie es funktioniert?"
Jetzt hob er doch den Blick und sah mich fast flehend an. Hah, hatte ich es doch gewußt, das ich ihn damit kriegen konnte. Ich hatte schon früh herausgefunden, daß Heero einen unglaublichen Wissensdrang besaß.
„Ok Hee-chan, es ist eigentlich ganz einfach. Jede dieser Tasten bewegt eines der Hämmerchen, siehst du?" Ich führte es ihm vor, ganz langsam so das der Hammer nur leicht vor- und zurückbewegt wurde, ohne die Saite anzuschlagen.
„Die verschiedenen Töne bekommt man, weil die Saiten unterschiedlich dick und lang sind. So erzeugt man unterschiedliche Schwingungen, von denen jede anders klingt." Jetzt schlug ich die Tasten richtig an und ließ die Töne erklingen. Heero lauschte gespannt und ließ seinen Blick nicht von dem Instrument weichen.
„Möchtest du es einmal selbst probieren?"
Heeros Kopf ruckte herum und er starrte mich aus großen Augen ungläubig an.
„Ich soll Töne erzeugen?" Seine Stimme quiekte fast am Ende der Frage, so erstaunt hörte er sich an.
Ich blinzelte ein paar Mal perplex. Wieso war Heero jetzt so überrascht? Da war doch nichts dabei, jeder konnte sich an ein Klavier setzen und durch drücken der Tasten Töne erzeugen. Diese Töne dann zu richtiger Musik zusammenzusetzen, das war die Kunst, aber sie zu erzeugen war leicht.
„Klar," antwortete ich und rutschte auf der Klavierbank ein Stück zur Seite. „Komm her und setz dich." Ich klopfte mit der Hand auf die Bank neben mir.
Zögernd, fast scheu setzte Heero sich neben mich und starrte die Tasten fast ängstlich an. Ich nahm seine Hände und legte sie auf die Tasten.
„Na los," forderte ich ihn auf, „Probier es einfach. Es ist ganz leicht."
Heero sah mich einen Augenblick zweifelnd an, dann drückte er vorsichtig eine Taste. Natürlich war nichts zu hören, da er sie viel zu zögernd angeschlagen hatte. Heero machte ein enttäuschtes Gesicht und ich hätte fast gelacht. Aber das hätte ihn sicherlich verletzt, deshalb lächelte ich nur, nahm seine Hand und legte sie über meine Hand.
„Das war viel zu sanft, Hee-chan. Sieh her, du mußt schon etwas mehr Kraft hineinlegen," mit diesen Worten spielte ich eine Tonleiter, so daß Heeros Hand auf meiner genau spüren konnte, wie ich die Tasten anschlug.
Anscheinend hatte er es begriffen, denn bei seinem zweiten Versuch kamen die Töne klar und deutlich heraus. Fast erschrocken zog Heero seine Hand vom Klavier weg und starrte sie ungläubig an. Dann drehte er seinen Kopf zu mir.
„Ich habe Töne erzeugt," flüsterte er ehrfürchtig.
Ich hielt den Atem an. Heero wirkte absolut überwältigt. So als... als hätte sich soeben sein gesamtes Weltbild verändert. Wieder fragte ich mich, woher Heero kam. An was für einem abgeschiedenen Ort hatte er bisher nur gelebt, das er so essentielle Dinge wie Musik nicht kannte? Das einzige was mir ständig dazu einfiel, war das Heero zu irgendeiner obskuren Sekte gehört haben musste, vielleicht eine die jegliche Technologie ablehnte. Das könnte dann auch erklären, wovor er auf der Flucht war.
Allerdings passte das nicht so ganz, denn komischerweise war es weniger die Technik, die Heero immer so verblüffte, sondern ganz einfache, völlig natürliche Dinge. Wie Müsli. Und Musik. Gab es Sekten, in denen Musik verboten war? Ich hatte keine Ahnung, aber vielleicht sollte ich das nachher mal im Internet recherchieren. Doch jetzt würde ich nicht weiter darüber nachdenken, sondern mich voll und ganz Heero widmen.
Ich lächelte ihn warm an. „Das hast du, Hee-chan."
Heero starrte hinab auf die Tastatur und legte zögernd erneut seine Hand darauf. Es war einfach eine Freude, ihm zuzusehen. Zuzusehen wie seine Augen aufleuchteten, nur weil er ein paar einfach Töne spielte. Allerdings war ich derjenige, der die Augen erstaunt aufriss, als Heero einige der Akkorde wiederholte, die ich vorhin gespielt hatte. Er hatte sie sich gemerkt!
Ich beschloss es zu testen und brachte Heero ein einfaches, vierhändiges Stück bei, das aus einigen wenigen simplen Akkorden und einer einfachen Melodie bestand. Heero war ein Naturtalent. Ich mußte ihm nichts zweimal zeigen oder erklären, er begriff sofort. Und er hatte ein musikalisches Gehör. In Minuten hatte er sich die Melodie gemerkt und spielte mit mir zusammen fröhlich das kleine Stück. Ich hatte schon lange nicht mehr soviel Spaß gehabt.
Heeros Talent am Klavier ließ mich nachdenklich werden. Ich liebte es ihn so strahlen zu sehen. Und ich überlegte, ob wie ich ihn sonst noch zum strahlen bringen konnte. Heero bedachte mich jedesmal wenn ich sang mit ebenso ehrfürchtigen Blicken, wie vorhin das Klavier. Vielleicht würde es ihm ja auch Spaß machen, selbst zu singen?
Ich war mir sicher, das Heero eine schöne Singstimme haben mußte. Wenn er sprach, war Heeros Stimme ein schöner Bariton. Ich würde ihn nur zu gerne einmal singen hören.
„Hast du irgendwelche Lieblingslieder, Hee-chan? Wir könnten sie zusammen spielen und dazu singen," schlug ich ihm deshalb vor.
Doch statt zu erstrahlen, wie ich es erwartet hatte, erstarrte Heero mitten in der Bewegung. Langsam nahm er die Hände von den Tasten und legte sie auf seinen Schoß.
„Ich kann nicht singen," sagte er leise, den Blick auf seine Hände gesenkt.
Ich erwiderte nichts darauf. Es war offensichtlich, daß das Singen ein wunder Punkt für Heero war. Sein Ton zeigte deutlich, das er nicht darüber sprechen wollte, also ließ ich das Thema ruhen.
Wir blieben noch eine ganze Weile im Musikzimmer und spielten zusammen Klavier. Wie ich schon sagte, Heero war ein absolutes Naturtalent. Er hatte ein hervorragendes musikalisches Gehör, und offenbar ein fotografisches Gedächtnis. Ich beobachtete mit Erstaunen, wie er sich ganz allein und ohne meine Hilfe Melodien unserer Stücke zusammensuchte. Und Heero merkte nicht einmal, wie außergewöhnlich das war. Doch ich wollte seine Freude nicht noch einmal unterbrechen und so beobachtete ich ihn einfach nur.
Ich war so versunken in Heeros Anblick, daß ich fast zusammenzuckte, als Heero plötzlich aufhörte zu spielen. Ich warf ihm einen fragenden Blick zu. Heero starrte mit großen Augen auf das Regal mit den Notenblättern. Ich folgte neugierig seinem Blick – was konnte ihn an den Noten nur so interessieren? Doch dann bemerkte ich, das sein Blick nicht auf den Noten lag – sondern auf der kleinen silbernen Kugel.
„Hee-chan?" ich sah wieder zu Heero. Sein Blick zuckte kurz zu mir, dann richtete er sich sofort wieder auf die Kugel. Mich überkam eine Gänsehaut. Heeros Blick war – wachsam. Abschätzend. Gefährlich. So hatte ich ihn noch nie gesehen. „Was ist los, Heero?"
Seine Augen verließen nicht eine Sekunde das Regal, doch er antwortete mir. „Duo? Weißt du was das ist?"
Ich runzelte die Stirn. „Diese Kugel? Nein. Weißt du denn was es ist?"
Heero antwortete mir nicht, sondern stand auf und ging zögernd auf das Regal zu. Wenige Zentimeter davor blieb er stehen. Ich stand auf, folgte ihm langsam und stellte mich neben ihn.
„Was ist los?" fragte ich.
Heero antwortete immer noch nicht, sondern streckte seine Hand nach der Kugel aus. Doch er berührte sie nicht. Seine Hand stoppte Millimeter vor der Kugel, dann zog er sie wieder zurück und ballte sie zur Faust.
„Du solltest es nicht behalten, Duo."
Heeros leise gesprochene Worte überraschten mich. „Was meinst du damit?"
Heero drehte den Kopf und sah mich ernst an. „Es ist gefährlich."
„Gefährlich?"
Heero nickte. Und mehr sagte er zu diesem Thema nicht, egal wie sehr ich nachfragte. Schließlich gab ich es auf und wir beide gingen hinunter, um noch etwas fernzusehen.
Während Heero wie immer völlig gebannt dem Geschehen auf dem Bildschirm folgte, widmete ich mich meiner neuen Lieblingsbeschäftigung. Nachgrübeln über Heero. Vielleicht war es ja etwas weit hergeholt, aber seit dem Zwischenfall eben im Musikzimmer hatte ich den starken Verdacht, das es kein Zufall war, das Heero und die kleine silberne Kugel zum selben Zeitpunkt aufgetaucht waren.
Heero hatte die Kugel nicht zum ersten Mal gesehen. Und ich war mir sicher, das er genau wußte, was sie war. Doch er wollte es mir nicht erzählen. Nun, das machte nichts. Ich würde es schon noch herausfinden.
„Will irgendjemand Schokolade?" Quatre betrat das Wohnzimmer, eine Schale mit verschiedenen Pralinen in der Hand.
Meine Augen leuchteten auf. Wir hatten so etwas gutes leider nicht oft im Haus. Noin verbot es uns. Es würde sie zu sehr in Versuchung führen, behauptete sie. Und wir würden doch sicherlich nicht wollen, daß sie aufginge wie ein Hefeteig. Denn dann würden wir mit Sicherheit ihre schlechte Laune ertragen müssen, und das würden wir doch wohl nicht wollen, oder, ODER? Sie sagte das immer mit einem so gefährlichen, fast irren Glitzern in ihren Augen, das uns klarmachte, das wir das WIRKLICH nicht wollten.
Doch ab und zu gönnten wir uns den Luxus – und wenn wir dann sahen, wie Noin die Schokolade in sich hineinschaufelte, erinnerte es uns jedesmal aufs neue daran, daß sie tatsächlich keine Scherze machte.
Begeistert schnappte ich mir ein Stück Schokolade und kaute glücklich darauf herum. Heero sah neugierig auf die Schale, dann in unsere – auch Wufei hatte sich uns inzwischen angeschlossen, ich glaube er kann Schokolade auf mehrere Meter gegen den Wind riechen – verzückten Gesichter. Dann streckte er zögernd seine Hand aus und nahm sich ebenfalls ein Stück Schokolade.
Heeros Gesichtsausdruck in dem Moment als er die Schokolade in den Mund steckte war einfach unbeschreiblich. Seine Augen wurden riesengroß und sein Blick war so erstaunt und überrascht, das ich ganz vergaß, mir ein weiteres Stück der Schokolade zu sichern, bevor meine gefräßigen Mitbewohner sie völlig aufessen würden.
„Es ist süß!" rief Heero aus.
Ich lachte auf und auch Wufei und Quatre sahen auf. „Natürlich ist es süß, Hee-chan, was hast du denn gedacht?"
Heero griff sich ein weiteres Stück der Schokolade. „Ich habe sowas noch nie gegessen," sagte er, während er die Schokolade enthusiastisch verspeiste. „Wie nennt man das?"
Ich riß ungläubig die Augen auf. „Aber das ist doch Schokolade! Willst du sagen, du hast noch niemals Schokolade gegessen? Mann, von welchem abgelegenem Planeten kommst du denn, das du keine Schokolade kennst?" lachte ich.
Quatre und Wufei glucksten ebenfalls. Doch Heero schien das nicht ganz so lustig zu finden. Er war schon wieder erstarrt und sah mich so völlig entsetzt an, dass mir daraufhin ebenfalls das Lachen verging. Warum nur war Heero so entsetzt? Was hatte ich denn gesagt?
