Titel: Enjoy the Silence
Autor: Zanna
Disclaimer: siehe Kapitel 1

Kommentar: So, Weihnachten und Sylvester ist rum, deshalb wirds die nächsten Kapitel wohl auch wieder etwas regelmäßiger geben. Sorry das es über die Ferien kein Kapitel von "Under Cover" gegeben hat, aber das nächste Kapitel (das bis morgen fertig sein sollte) hat ne Lemon drin und ich hatte gehofft, dass yaoi . de bis jetzt wieder laufen würde. Tja, war wohl nix. Aber ich hab auch keine Lust, NOCH ein Ausweicharchiv zu suchen, deshalb lad ich "Under Cover" morgen dann halt einfach doch hier hoch. Und jetzt viel Spaß mit dem Kapitel hier!


Kapitel 8
Heero POV

Schweigend stand ich etwas Abseits und lauschte Quatre, Wufei, Noin und Duo. Obwohl seit ihrem letzten Auftritt noch keine ganze Woche vergangen war –der übliche Abstand zwischen ihren Auftritten – spielten sie heute bereits wieder vor einem Publikum. Einem großen Publikum, wie ich mit einem kurzen Blick durch die riesige Halle des 'Planet' feststellte. Die Partybesucher drängten sich förmlich um die Band zu hören und zu der Musik zu tanzen.

Heute Abend spielten die 'Scythes' auf einer sogenannten Studentenparty. Offensichtlich fanden diese Partys in regelmäßigen Abständen statt und Duos Band war bei diesen Feierlichkeiten immer sehr beliebt. Ich warf meinen vier neuen Freunden einen sehnsüchtigen Blick zu. Ich wünschte wirklich, ich könnte ebenfalls so wie sie Musik machen.

Natürlich hatte ich nicht vergessen, daß auch ich vor nur zwei Tagen Musik gemacht hatte. Ich konnte es immer noch nicht fassen, daß das tatsächlich ich gewesen war. Und es war wirklich einfach gewesen! Ich hatte nur die Tasten des Klaviers drücken müssen und Töne waren daraus hervorgekommen! Ich glaube das waren die bis dahin erhabensten Augenblicke in meinem ganzen Leben gewesen. Ich wäre am liebsten für immer dort mit Duo sitzen geblieben – es war ein wunderbares Gefühl.

Wenn Musik bei allen Menschen solche Gefühle auslöste, dann wunderte es mich nicht, dass sich hier auf diesem Planeten so viele von ihnen damit beschäftigten. Bei meinen Nachforschungen über diesen Planeten und dessen Bewohner hatte ich eine Menge herausgefunden. Wie ich nachgeforscht hatte? Mit Hilfe dieser wirklich wunderbaren Erfindung namens Fernsehen.

Das Fernsehen war ein wirklich unerschöpflicher Quell der Information. Natürlich mußte man sehr genau aufpassen und auswählen, aber ich hatte eine Menge gelernt indem ich dem Programm folgte. Zum Beispiel all die Namen für die Dinge, die ich nicht kannte. Oder wie einige dieser Dinge funktionierten, so daß ich sie benutzen konnte, ohne Duo fragen zu müssen.

Aber am meisten faszinierten mich nicht irgendwelche informativen Sendungen – so lehrreich diese auch waren – sondern andere. Zum Beispiel Cartoons. Logisch das ich sowas vorher noch niemals gesehen hatte – gezeichnete, animierte Figuren, meistens mit irgendwelchen supernatürlichen Kräften ausgestattet, die die Menschheit vor dem Bösen beschützten. Dieses Bedürfnis nach sogenannten 'Superhelden' schien wirklich groß zu sein – und doch wußte kein einziger dieser Menschen auf diesem Planeten – der Erde – das jeder einzelne von ihnen im gesamten restlichen Universum als eben so ein Superheld gelten würde.

Was mich zu meiner nächsten Faszination brachte – den Science Fiction Serien. Offenbar war das Konzept der interstellaren Raumfahrt hier nicht so unbekannt, wie ich zunächst gedacht hatte – auch wenn die Menschen der Erde offensichtlich technologisch noch nicht in der Lage waren, solche Reisen zu unternehmen, so standen sie dem Prinzip von Raumfahrt und 'außerirdischen Spezies' nicht gänzlich ablehnend gegenüber. Allein die Phantasie die sie beim Erfinden von 'Aliens' bewiesen!

Doch am liebsten sah ich die Musiksender. Ja, es gab tatsächlich Sender, die rund um die Uhr nur Musik ausstrahlten! Untermalt von kurzen Geschichten konnte man dort ein 'Musikvideo' nach dem anderen sehen. Das zeigte mir, welch immens wichtigen Stellenwert Musik hier auf diesem Planeten einnahm. Doch obwohl ich es genoß diese Musik zu hören, so konnte ich es nicht mit 'richtiger' Musik vergleichen. Und 'richtige' Musik war und blieb für mich nur Duos Gesang.

Und Duos Gesang war wirklich immer und überall um mich herum. Egal was er gerade tat, ob er irgendwelche Maschinenteile bei Howard reparierte, oder ob er kochte, oder an seinem Computer saß, ständig sang oder summte er irgendeine Melodie vor sich hin. Und ich liebte es, ihm zuzuhören. Ich konnte gar nicht genug davon bekommen.

Ich liebte den sanften Klang seiner Stimme, konnte mich ihrer Anziehungskraft nicht entziehen – und ich wollte es auch gar nicht. Wenn ich für den Rest meines Lebens in Duos Nähe bleiben und seiner Stimme lauschen dürfte, so wäre ich glücklich. Und ich wünschte mir, das ich das auch könnte.

Aber das war leider nicht möglich. Ich hatte ein Versprechen gegeben, das ich zu erfüllen hatte. Ich hatte Trowa versichert das ich zurückkommen und ihn holen würde. Und auch wenn Trowa mir nicht wirklich geglaubt hatte und sicher nicht erwarten würde, daß ich tatsächlich zurückkäme, so war ich dennoch an dieses Versprechen gebunden.

Doch so unglaublich es auch klang, so ausweglos wie diese Rettung zu Anfang ausgesehen hatte war sie nun nicht mehr! Mit Duos Hilfe wäre es mit Sicherheit ein leichtes, nach L1 zurückzukehren und Trowa zu befreien. Duo wäre nicht nur in der Lage, das Raumschiff zu steuern, nein, er konnte sogar Jäger, die bereits auf Angriffskurs waren besänftigen! Das hatte mir meine Erfahrung an meinem ersten Abend auf der Erde schließlich deutlich gezeigt.

Es wäre also durchaus möglich, mit J's Schiff zurückzufliegen und Trowa zu holen. Und anschließend könnte er mit Duo und mir zu diesen Planeten zurückkehren, hier wo wir in Frieden leben könnten, ohne jemals wieder Angst vor OZ haben zu müssen.

Doch es gab noch ein kleines Problem bei all dem. Wie sollte ich Duo nur dazu überreden? Ich konnte ihn wohl schlecht beiseite nehmen und ihm sagen, „Hör zu, ich bin ein Alien, hast du nicht Lust mit mir zu meinem Heimatplaneten zu fliegen und meinen besten Freund zu retten?" Nicht mal ich würde mir diese Geschichte glauben. Ich musste mir also etwas einfallen lassen, und zwar schnell. Denn inzwischen war es schon über zwei Woche her, seit ich geflohen war – und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, was Trowa seitdem alles erduldet haben mußte. Selbst wenn J nicht wußte, das er an meiner Flucht beteiligt gewesen war, so würde dieser seinen Ärger und seine Wut dennoch an Trowa auslassen.

Also würde ich einen Weg finden müssen, wie ich Duo die ganze Sache erklären könnte. Vielleicht sollte ich ihm einfach alles von Anfang an erzählen? Und ich hatte ja sogar Beweise – der Jäger, den Duo seit dem ersten Abend mit sich herumtrug, und das Raumschiff das immer noch irgendwo in den Wäldern lag.

Andererseits, vielleicht waren das keine so guten Beweise. Wie sollte ich Duo das Raumschiff zeigen (immer vorrausgesetzt, dass ich es überhaupt wiederfinden könnte), und der Jäger hatte sich seitdem nicht mehr gerührt. Er lag einfach so da wie eine silberne kleine Kugel. Als ich ihn vor zwei Tagen im Musikzimmer gesehen hatte, war ich wirklich sehr erschrocken. Wenn ich ehrlich war, so hatte ich die ganze Woche über kaum oder gar nicht an den Jäger oder OZ gedacht.

Es war aber auch sehr leicht gewesen, meine Vergangenheit einfach zu vergessen – das Leben bei Duo und seinen Freunden gefiel mir. Sie waren wie eine Familie – nicht blutsverwandt zwar, aber so wie sie miteinander umgingen zeigte es mir doch, daß sich alle vier sehr gerne hatten. Und es hatte mir gefallen, zu dieser 'Familie' dazuzugehören. Außer mit Trowa hatte ich niemals so etwas verspürt – und auch da war es nicht ganz dasselbe gewesen. Ich hatte mich nie so frei gefühlt.

Und genau aus diesem Grund hatte es mir auch so einen Schock versetzt, als ich den Jäger vor zwei Tagen im Musikzimmer im Regal hatte liegen sehen. Mit einem Schlag war mir wieder eingefallen, wieso ich eigentlich hier war, und in welcher Gefahr Duo und die anderen wegen mir schwebten. Und das ich Trowa versprochen hatte ihn zu retten, bis jetzt aber noch nichts in dieser Hinsicht unternommen hatte.

Und noch etwas anderes hatte mich erschreckt. Der Jäger war gewachsen. Ich war mir da absolut sicher. Aber das war eigentlich unmöglich. Ich hatte noch nie gehört, daß Jäger wachsen konnten – was also hatte das zu bedeuten? Hatte es etwas damit zu tun, daß sich der Jäger bis jetzt noch nicht gerührt hatte? Bereitete er sich auf irgendwas vor? Oder hatte dieser spezielle Jäger einfach nur eine Fehlfunktion? Und war das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Ich stand vor einem Rätsel.

Ich hatte versucht Duo vor dem Jäger zu warnen. Doch offensichtlich war mir das nicht gelungen – im Gegenteil, ich schien eher noch seine Neugier erweckt zu haben, denn er hatte danach sehr nachdenklich ausgesehen. Und als ich mich etwas später wieder in das Zimmer geschlichen hatte, um den Jäger an mich zu nehmen und ihn irgendwo loszuwerden, da war dieser verschwunden gewesen. Offenbar war Duo mir zuvorgekommen. Er trug den Jäger nun stets bei sich und ich hatte bisher noch keine Möglichkeit gefunden, unbemerkt an ihn heranzukommen. Noch nicht einmal Nachts, wenn wir schliefen.

Ich runzelte leicht die Stirn, als ich daran dachte. Meine Nachforschungen hatten ergeben, das es nicht unbedingt üblich war, das zwei Menschen sich einfach so das Bett teilten. Zumindest nicht wenn sie sich nicht lang kannten. Ich hatte zwar in einigen der Filmen und Serien durchaus gesehen, das zwei Menschen im selben Bett lagen, aber die Gründe dafür konnte ich nicht wirklich nachvollziehen. Und ganz davon abgesehen, keiner dieser Gründe traf auf Duo und mich zu – wir waren weder verheiratet (was auch immer das bedeutete), noch taten wir diese Dinge, die offenbar eine Menge umherwälzen und stöhnen erforderten. Wenn ich ehrlich war, hatte ich absolut keine Ahnung, was das sein und wozu es dienen könnte , denn meistens wurde an dieser Stelle immer ausgeblendet, so daß ich verwirrter als zuvor zurückblieb.

Aber das man einfach nur nebeneinander im Bett lag und schlief hatte ich nirgends gesehen. Andererseits, es gab kein weiteres Schlafzimmer im Haus, und wenn nicht einer von uns auf dem Boden schlafen sollte, so blieb uns nichts weiter übrig, als weiterhin das Bett zu teilen. Nicht das es mir etwas ausmachen würde auf dem Boden zu schlafen. Aber Duo schien es nicht zu stören das ich im selben Bett schlief, und solange er mich nicht auffordern würde, es zu verlassen, würde ich es nicht tun.

Denn es gefiel mir. Es gefiel mir mit Duo zusammen im Bett zu liegen, seine Wärme zu spüren wenn wir aneinander geschmiegt dalagen oder seinen Duft einzuatmen. Ich fühlte mich noch immer unendlich geborgen in diesen Augenblicken. Sehr viel geborgener als jemals zuvor – selbst als Trowa und ich uns als Kinder ein Bett geteilt hatten, um nicht so allein zu sein, selbst da hatte ich mich nie so geborgen gefühlt. Und doch... Ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll. Trotzdem waren diese Augenblicke nicht immer nur wunderbar. Denn mit meinem Körper schien irgendetwas nicht zu stimmen.

Ab und zu hatte ich so etwas ähnliches wie Fieber. Mir war dann plötzlich am ganzen Körper heiß, und zusätzlich hatte ich dann auch immer ein sehr seltsames Gefühl im Magen. Es fühlte sich zwar nicht ganz so an als wenn ich mich übergeben müßte, aber es war dennoch ein unangenehmes Flattern. Und mein Herz raste bei solchen Gelegenheiten ebenfalls immer. Doch diese Anfälle kamen und gingen, und ich wußte nicht warum.

Zum Beispiel gestern, als Duo mich zum Einkaufen geschleppt hatte. Wir waren stundenlang unterwegs gewesen und ich hatte sicherlich hunderte von Kleidungsstücken anprobieren müssen, bis Duo zufrieden war. Und jedesmal wenn ich ein neues Kleidungsstück angezogen hatte und es Duo vorführen mußte, hatte ich einen dieser Anfälle. Und ich hatte wirklich nicht gewußt, was ich tun sollte.

Ich war schon kurz davor gewesen, Duo deswegen zu fragen. Aber Duo schien in diesem Moment etwas abgelenkt gewesen zu sein, er hatte mich fast abwesend von oben bis unten betrachtet, und der Hunger in seinem Blick hatte mich daran erinnert, wie lange wir schon unterwegs gewesen waren, ohne etwas zu essen. Und ich hatte sofort ein schlechtes Gewissen bekommen – Duo hatte seine Zeit für mich geopfert und ich hatte nicht eine Sekunde daran gedacht, daß er vielleicht Hunger haben könnte, nur weil ich selbst keinen verspürte. Aber wer könnte schon Hunger haben, wenn er ständig dieses flaue Gefühl im Magen hatte?

Was mich dann wieder zu meiner Überlegung zurückgebracht hatte. Sollte ich Duo danach fragen? Aber was wenn mich diese seltsame Krankheit verraten würde? Ich war noch nicht bereit, Duo alles zu sagen und ihn in mein Geheimnis einzuweihen, also entschloss ich mich zu schweigen.

Allerdings... heute Morgen war noch ein weiteres Symptom zu meiner Krankheit hinzugekommen. Als ich aufgewacht war, wie immer dicht an Duo geschmiegt – er hatte mit dem Rücken zu mir gelegen und ich hatte beide Arme um ihn geschlungen und mein Gesicht in seinen Nacken gedrückt – da hatte ich zu meinem Entsetzen festgestellt daß ich einen Krampf hatte.

Nein, nicht in meinem Arm oder meinem Bein. Das wäre zwar schmerzhaft gewesen, aber ganz sicher kein Grund um entsetzt zu sein. Nein, es war mein Penis. Er war völlig steif gewesen! Ich hatte gar nicht gewußt, daß dieses Körperteil überhaupt einen Krampf haben konnte! So etwas war mir noch niemals zuvor passiert, und ich hatte es wirklich mit der Angst zu tun bekommen. Was sollte ich nur tun?

Ich war so vertieft in meine Gedanken gewesen, das ich erst bemerkt hatte, das ich mein Becken an Duos Hintern presste und mich an ihm rieb, als er im Schlaf aufstöhnte und zurückpresste. Einen Moment lang war ich versucht einfach weiterzumachen – das Reiben schien der schmerzhaften Schwellung eine Art Erleichterung zu verschaffen.

Doch dann war ich vollkommen entsetzt über mein Verhalten aufgesprungen und ins Bad geflüchtet. Ich weiß nicht wie lange ich dort gesessen habe während meine Gedanken panisch im Kreis liefen. Doch irgendwann hatte ich gemerkt das der Krampf zurückgegangen war und ich hatte mich wieder hervorwagen können.

Dennoch blieb die Angst. Was hatte das alles zu bedeuten? War ich etwa ernsthaft krank? Und wenn ja, was für eine seltsame Krankheit war das? Und wodurch wurde sie ausgelöst? Und sollte ich Duo davon berichten? Immerhin, vielleicht war diese Krankheit auf diesem Planeten ja bekannt und es gab eine einfache und schnelle Heilung dafür? Noch war ich unentschlossen, aber ich würde mich bald entscheiden müssen, denn lange sollte ich das besser nicht ununtersucht lassen.

Der laute Jubel der Menge riß mich wieder aus meinen Grübeleien. Offenbar waren die Scythes gerade fertig geworden mit ihrem Programm – oder sie legten nur einen Pause ein, ich hatte keine Ahnung da ich nicht mitbekommen hatte, was Duo der Menge zu gerufen hatte. Jedenfalls sprang Duo gerade von der Bühne und kam auf mich zugelaufen, während die anderen ihm etwas langsamer folgten.

„Hey Hee-chan, wieso stehst du denn hier so ganz allein in der Ecke?" rief Duo mir zu.

Ich zuckte nur mit den Schultern, da ich nicht wußte, ob Duo darauf wirklich eine Antwort erwartete. Er wußte schließlich, das ich außer ihm und seinen Freunden niemanden kannte. Mit wem hätte ich mich also schon unterhalten sollen?

Duo lächelte nur breit, schlang mir einen Arm um die Schulter und zog mich neben sich her durch den Raum. Inzwischen hatte irgendjemand Musik aufgelegt, die in ohrenbetäubender Lautstärke spielte und es war ziemlich schwierig sich den Weg durch all die wild durcheinander hüpfenden und tanzenden Menschen zu drängen.

„Hast du dir schon was zu trinken besorgt?" Duo mußte sich weit vorbeugen und direkt neben meinem Ohr sprechen, damit ich ihn überhaupt verstand. Ich konnte seinen Atem spüren, und die Wärme die von seinem Körper ausging, der dicht an meinen gepresst war. Ein Schauer überlief mich.

Ich unterdrückte ein Keuchen. Die Häufigkeit dieser seltsamen Anfälle hatte deutlich zugenommen. Inzwischen überfielen sie mich überall und jederzeit, und ich hatte immer noch keine Ahnung, wodurch sie ausgelöst wurden. Ich hoffte nur, dass Duo nichts merken würde.

„Hee-chan?" Duo sah mich fragend an und ich erinnerte mich daran, daß er mir eine Frage gestellt hatte. Schnell schüttelte ich den Kopf. Nein, ich hatte mir noch nichts zu trinken geholt. Und auch nichts zu essen. Schließlich hatte Duo gesungen, wie konnte er nur glauben daß ich mich davon abhalten lassen würde, ihm zu lauschen?

„Dann lass uns jetzt was zu trinken holen."

Duo steuerte mich aus dem großen Saal in die etwas kleinere Vorhalle hinaus. Dort war es zwar nicht weniger überfüllt, aber die Musik war nicht mehr ganz so laut, so daß man sich hier unterhalten konnte, ohne sich gegenseitig ins Ohr brüllen zu müssen, und Duo rückte wieder etwas von mir ab.

Ein seltsames Gefühl der Enttäuschung überkam mich. Stirnrunzelnd versuchte ich zu analysieren, warum ich enttäuscht war. Doch ich kam zu keinem Ergebnis, und inzwischen hatten wir auch die Bar erreicht und Duo wandte sich mir wieder zu.

„Was willst du, Hee-chan?"

Ich blickte auf und sah auf die zahllosen Flaschen, die im Hintergrund der Bar aufgereiht waren. Ich hatte keine Ahnung, was das für Getränke waren und welches davon nun angemessen wäre. Deshalb zuckte ich erneut einfach nur mit den Schultern.

„Also ein Bier." Duo grinste mich kurz an und wandte sich dann an die Frau hinter der Bar.

Schweigend beobachtete ich wie Duo sich mit der Frau unterhielt und von ihr die Getränke ausgehändigt bekam. Ich sah ihr breites Lächeln, sah wie ihr Blick langsam über Duo wanderte und sie ihn länger als nötig berührte, als sie ihm die Flaschen reichte. Und ein wirklich seltsames Gefühl überkam mich. Ein Gefühl das ich noch niemals zuvor verspürt und für das ich keinen Namen hatte. Es fühlte sich ein bisschen an wie Neid, und doch wieder ganz anders. Und als Duo die Frau ebenfalls anlächelte und ihr sogar zuzwinkerte, da verstärkte sich dieses Gefühl um ein vielfaches und weckte in mir den unbändigen Wunsch, die Frau zu erwürgen.

Keuchend riß ich die Augen weit auf. Woher war dieser Gedanke nur gekommen? Wieso wollte ich dieser völlig fremden Frau, die nichts böses gemacht hatte, etwas antun? Ein derart irrationales Verhalten kannte ich an mir gar nicht! Und es war gelinde gesagt erschreckend!

Ich blinzelte mehrmals heftig und richtete meinen Blick dann auf Duo, der sich inzwischen wieder zu mir umgedreht hatte und mich mit schiefgelegtem Kopf ansah. Ich schluckte. Hatte er etwas bemerkt? Doch scheinbar nicht, denn er sagte nicht dazu, sondern reichte mir nur eine der Flaschen.

„Lass uns nach draußen gehen," sagte er und deutete mit einer Hand auf den Ausgang, „Die Luft hier drinnen ist zum schneiden dick."

Ich nickte und schob mich hinter Duo durch die Leute. Als wir endlich nach draußen in die warme Nacht traten, atmete ich erleichtert auf. Duo hatte recht gehabt, die Luft dort drinnen war wirklich unerträglich gewesen. Der Gestank des Zigarettenqualms war wirklich nicht nach meinem Geschmack. Ich konnte nicht verstehen, wie manche Leute so etwas auch noch freiwillig machen konnten.

Schweigend liefen Duo und ich ein paar Meter nebeneinander her und entfernten uns etwas von den anderen kleineren Grüppchen, die sich ebenfalls nach draußen geflüchtet hatten.

Schließlich blieb Duo an einer Bank stehen, setzte sich hin und nahm einen Schluck aus seiner Flasche. Ich ließ mich neben ihm nieder und folgte seinem Beispiel. Ich verzog das Gesicht. Das Bier schmeckte – ungewöhnlich. Es war eindeutig alkoholisch, wenn auch nicht sehr stark, und es hatte einen seltsamen Nachgeschmack. Ich wußte noch nicht, ob ich dieses Getränk mochte oder nicht, aber ich würde ihm eine Chance geben und zumindest diese Flasche austrinken.

Duo hatte sich inzwischen tiefer rutschen lassen und seinen Kopf auf die Lehne der Bank gelegt. Ich blickte ihn von der Seite an und wünschte mir, ich könnte so leicht wie er eine Unterhaltung anfangen. Für einen so lebhaften Menschen wie Duo mußte es an meiner Seite sicherlich sehr langweilig sein.

„Sind die Sterne nicht wunderschön?" sagte Duo auf einmal leise und ich legte meinen Kopf in den Nacken, um seinem Blick zu folgen.

„Ich liebe es, wenn die Nächte so klar sind wie heute," fuhr er fort, „Ich lege mich dann gern einfach in unseren Garten und betrachte die Sternbilder. Schwester Helen hat mir gezeigt, wie man sie findet."

Schweigend sah ich hinauf und überlegte, was Duo damit wohl meinte. Ich wusste ungefähr wer Schwester Helen war – sie war die Frau bei der Duo aufgewachsen war, soviel hatte Quatre mir erzählt – aber was meinte er mit 'Sternbilder'? Ich konnte dort oben am Himmel keine Bilder erkennen.

„Ich finde, die Sterne übermitteln einem ein Gefühl von Frieden und Freiheit – und gleichzeitig lassen sie den einzelnen unendlich klein wirken. Denkst du nicht auch, Hee-chan?" Duo drehte seinen Kopf und sah mich von der Seite an, dann blickte er wieder hinauf.

„Ich wünschte wirklich, ich könnte die Sterne nur einmal aus der Nähe sehen, aus dem Weltall. Das muß wirklich atemberaubend sein."

Ich schluckte. Das war mein Stichwort. Das hier war die perfekte Gelegenheit um Duo die Wahrheit zu erzählen. Ihm endlich alles zu gestehen. Doch obwohl ich meinen Mund mehrmals öffnete, kam kein Ton heraus.

Duo, der mich erneut von der Seite betrachtet hatte, lächelte traurig und seufzte auf. „Du mußt es mir nicht sagen, wenn du noch nicht dazu bereit bist."

Ich blickte ihn erstaunt an. Woher wußte Duo das?

Erneut lächelte er leicht. „Ich weiß, daß du ein Geheimnis hast, Hee-chan. Wir alle wissen es. Lass dich nur von Quatres unschuldiger Art nicht täuschen – er hat dich gleich am ersten Morgen ziemlich geschickt ausgehorcht, ich wette das ist dir gar nicht aufgefallen."

Ich schüttelte meinen Kopf leicht fassungslos. Quatre sollte mich ausgehorcht haben? Das konnte ich nicht glauben, dazu wirkte er viel zu unschuldig. Duo grinste, als er mein ungläubiges Gesicht sah.

„Glaub es ruhig," sagte er, „Aber das ist jetzt nicht der Punkt. Wir wissen, dass du vor irgendwas auf der Flucht bist. Und wir haben dich trotzdem bei uns aufgenommen. Wenn du es uns irgendwann erzählen willst, werden wir uns freuen, aber du mußt dich nicht dazu zwingen, wenn du noch nicht bereit dazu bist. Wir werden dich deswegen bestimmt nicht auf die Straße setzen oder sowas."

Alles was ich tun konnte war Duo nur ungläubig anzustarren. Als ich nach einer Weile immer noch nichts gesagt hatte, lächelte Duo erneut und stand auf. „Ich hol mir noch was zu trinken, ich bin gleich wieder zurück. Vielleicht denkst du in der Zwischenzeit ein bißchen darüber nach. Wir sind deine Freunde, Hee-chan, und wir werden dir helfen, egal worum es sich handelt." Mit diesen Worten entfernte sich Duo.

Ich starrte ihm hinterher. Was er gesagt hatte hatte mich wirklich überrascht. Ich hatte es nicht erwartet. Quatre, Wufei, Noin und Duo wußten, das ich auf der Flucht war. Und sie hatten mich dennoch bei sich aufgenommen. Ohne zu wissen, worauf sie sich dabei einließen. Ich hätte eine Gefahr für sie bedeuten können – wenn ich ehrlich war, dann könnte ich es nicht nur, sondern war tatsächlich eine Gefahr – ich hätte ein Verbrecher sein können, aber trotzdem hatten sie mich aufgenommen.

Und sie betrachteten sich als meine Freunde. Ich mußte heftig blinzeln um die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. Es stimmte, ich betrachtete die vier – vor allem Duo – schon lange als meine Freunde, aber das es ihnen ebenso erging, das hatte ich nicht zu hoffen gewagt.

Außer Trowa hatte ich niemals irgendwelche Freunde gehabt. Und jetzt hatte ich gleich vier davon. Und zwar einfach so, ohne daß diese irgendetwas von mir erwarteten. Im Gegenteil, bis jetzt waren sie die einzigen gewesen, die immer nur gegeben hatten. Und ich, ich hatte nur genommen ohne etwas zurückzugeben. Aber das würde ich jetzt ändern.

Entschlossen stand ich auf und lief auf das Gebäude zu. Meine Freunde hatten es verdient, das ich ihnen die Wahrheit erzählte, und genau das würde ich jetzt tun. Und ich hoffte, daß sie danach immer noch meine Freunde wären.

„Verdammt nochmal, lasst mich sofort los!"

Duos Stimme ließ mich abrupt anhalten. Er klang äußerst wütend. Suchend blickte ich mich um, um zu sehen, wo er war.

„Ach zier dich doch nicht so, du willst es doch auch!"

Ich konnte Duo nicht sehen, aber ich konnte ihn unterdrückt fluchen hören. Ich folgte dem Klang seiner leiser werdenden Stimme und umrundete das Gebäude. Und dann konnte ich ihn sehen. Er war ungefähr 200 Meter weit weg von mir und entfernte sich immer weiter. Allerdings nicht freiwillig, denn er wurde von drei Kerlen weggezerrt. Und obwohl Duo beileibe nicht schwächlich war konnte er sich dennoch nicht befreien. Die drei sahen wirklich kräftig aus.

Allerdings hinderte es ihn nicht daran, sich nach Kräften zu wehren. Immer wieder trat er um sich, und genau in diesem Moment schien er einen der Kerle wohl an einer empfindlichen Stelle zu treffen, denn er ließ Duo los und krümmte sich mit einem lauten Stöhnen zusammen.

Doch er erholte sich recht schnell, richtete sich wieder auf und schlug Duo mit der flachen Hand ins Gesicht. „Du kleine Schlampe!" schrie der Mann.

Ich setzte mich in Bewegung. Wie konnte dieser Kerl es wagen, Duo wehzutun? Der würde was erleben, sobald ich ihn in die Finger bekam. Doch bevor ich Duo und diese drei Kerle erreichen konnte, geschah allerdings etwas unglaubliches.

Mit einem lauten Summen erwachte der Jäger zum Leben. Ich hatte gar nicht gewußt, daß Duo ihn auch hierher mitgenommen hatte, aber mit einem Mal sauste der Jäger aus Duos Hosentasche heraus, schwirrte ein paar Mal mit einem fast wütenden Geräusch um die Köpfe der drei Kerle und dann griff er die Männer an.

Ich blieb völlig erstaunt mitten im Schritt stehen. Wie... Was... Wie konnte das geschehen? Wer hatte den Jäger aktiviert? Niemand hier hatte gesungen, und nur auf diese Art konnte man einen Jäger aktivieren. Und wieso griff er die drei Männer an? Nicht das ich dafür nicht dankbar gewesen wäre, aber wer hatte dem Jäger den Befehl dazu gegeben? Kein Jäger hatte jemals irgendetwas ohne Befehl getan – also was war da los?

Die drei Männer hatten Duo inzwischen losgelassen – sie hatten ihre Arme und Hände im Moment bitter nötig, um sich selbst zu schützen – und Duo saß auf dem Boden und starrte mit offenem Mund auf den Jäger. Ich rannte auf ihn zu.

„Duo!" rief ich und kniete neben ihm nieder, „Ist alles in Ordnung mit dir?"

Langsam drehte er den Kopf und sah mich an. „Ja... ja, mir geht es gut." Er sah wieder zum Jäger, der die drei Männer inzwischen an die Wand des Gebäudes gedrängt hatte. Ich ignorierte die panischen Schreie der Männer und half Duo auf.

„Was... was ist das?" fragte Duo und sah mich an. Ich zögerte. Wie sollte ich ihm das jetzt erklären? Doch Duo schien mein Zögern falsch zu deuten.

„Tu nicht so als wüßtest du es nicht, Heero!" Duo sah mich fast ärgerlich an. „Ich bin mir sicher, daß du darüber Bescheid weißt, also was ist das?"

„Das ist ein Jäger," antwortete ich.

„Ein Jäger?" Duo trat einen Schritt zurück und löste sich von mir.

Ich nickte.

„Und was jagt er?"

„Mich," antwortete ich.

Duo riß die Augen weit auf.

„Zumindest hat er mich gejagt. Jetzt... ich habe keine Ahnung, was er jetzt tut und wieso er seinen Auftrag nicht erledigt hat."

„Welchen Auftrag? Und sollten wir nicht langsam was unternehmen?" mit einer Hand deutete Duo auf die drei Gestalten, deren Schreie etwas leiser geworden waren und die sich auch nicht mehr ganz so verzweifelt wehrten. Offenbar ließ sich der Jäger Zeit.

„Wir können nichts unternehmen. Sobald ein Jäger seine Beute gefunden hat, kann ihn niemand mehr aufhalten." Ok, hier sagte ich nicht ganz die Wahrheit. Duo könnte den Jäger aufhalten wenn er die richtigen Befehle singen würde, aber wenn ich ehrlich war, dann war ich der Meinung, das die drei verdienten was sie bekamen. Keiner durfte Duo wehtun. Ich hatte kein Mitleid mit ihnen.

Duo riß die Augen noch weiter auf. „Was... was meinst du?" flüsterte er entsetzt.

Ich zuckte mit den Schultern. „Das ist es was Jäger tun. Sie jagen und vernichten."

„WAS?" schrie Duo auf. Dann lief er zwei Schritte auf den Jäger und seine Opfer zu. „Hör sofort damit auf! Egal wer oder was du bist, und egal was für Arschlöcher das auch sind, du wirst die drei nicht töten, hast du mich verstanden?"

Ich wollte gerade den Kopf schütteln und Duo von der Aussichtslosigkeit seines Tuns überzeugen, als erneut das Unglaubliche geschah. Der Jäger ließ tatsächlich von den drei Kerlen ab. Stöhnen sanken die drei zu Boden – offensichtlich noch am Leben – und der Jäger schwebte regungslos über ihren Köpfen.

Ich konnte erneut nur ungläubig starren. Das der Jäger sich durch Duos Gesang besänftigen hatte lassen, als er mich verfolgt hatte, konnte ich ja noch verstehen. Aber seit wann reagierten sie auf gesprochene Befehle? Auf Befehle die nicht von Tönen untermalt wurden?

„Verdammt nochmal, was IST das für ein Ding?" rief Duo aufgebracht und wandte sich wieder an mich. „Ich habe noch nie von so etwas gehört! Bist du in irgendeine geheime Regierungsgeschichte verwickelt oder was?"

Ich öffnete den Mund um Duo zu antworten und ihm endlich alles zu erzählen, doch der Jäger kam mir erneut zuvor. Hatte er bis eben noch fast unentschlossen in der Luft geschwebt, so setzte er sich auf einmal abrupt in Bewegung. Mit einem Summen zog er noch einen letzten Kreis, dann flog er weg in Richtung der Wälder – genau in die Richtung, in der auch das Raumschiff sein musste!

„Verdammt!" Mit einem Fluch fuhr Duo herum und starrte dem Jäger hinterher. „Heh, komm zurück!" rief er, doch diesmal hörte der Jäger nicht auf ihn. Duo fluchte erneut, und dann begann er dem Jäger hinterherzurennen.

„Duo!" rief ich entsetzt. Was tat er denn da? Niemand der bei klarem Verstand war verfolgte einen Jäger! Doch Duo hört nicht auf mich, und so blieb mir nichts anderes übrig, als ihm ebenfalls hinterherzurennen.

Ich habe keine Ahnung, wie das für Außenstehende ausgesehen haben mußte. Der silberne Jäger, der mit einem – ziemlich lauten – Summen durch die Luft schwebte, dicht gefolgt von Duo, der mit wehendem Zopf hinter ihm her rannte, und ganz zum Schluß ich, der Duo hinterherrannte und ihm immer wieder zurief, daß er doch stehenbleiben sollte. Aber genauso sahen die nächsten Minuten aus. Duo ließ sich nicht aufhalten, er verfolgte den Jäger hartnäckig, und irgendwann gab ich es auf ihn aufhalten zu wollen und rannte nur noch schweigend hinter Duo und dem Jäger her.

Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß Duo wirklich schnell war. Wenn ich nicht gewußt hätte, wohin die wilde Jagd führte, dann hätte er mich sicherlich abgehängt. Als ich ihn schließlich einholte stand er völlig erstarrt auf der Lichtung und starrte mit offenem Mund auf mein abgestürztes Raumschiff, in dessen Innerem der Jäger gerade verschwand.

„Was... was..." stammelte Duo und drehte seinen Kopf, um mich verstört anzustarren. „Ist das ein Raumschiff?"

Ich konnte nur nicken, da ich einerseits noch ziemlich außer Atem war und andererseits nicht wußte, was ich hätte sagen sollen.

Duo schluckte mehrmals, öffnete den Mund, schloß ihn wieder und öffnete ihn erneut. „Mann Heero, du hast mir echt eine MENGE zu erklären!"