Titel: Enjoy the Silence
Autor: Zanna
Disclaimer: siehe Kapitel 1
Betadank: wie immer Laren (auch für Under Cover, wo ich es mal wieder vergessen hab zu erwähnen :-))

Kommentar: So, ich hab jetzt mal ne Frage an euch - yaoi . de ist ja endlich wieder freigeschaltet. Da meine Storysaber MA sind, kann man sie dort erst ab 21 Uhr lesen. Soll ich meine Sachen weiterhin auch hier posten oder reicht euch yaoi . de?


Kapitel 9
Duo POV

Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Ich konnte noch immer nicht fassen, was Heero mir gerade erzählt hatte. Langsam ließ ich meinen Blick wieder zu dem Raumschiff wandern, das hinter Heero auf der Lichtung stand – lag – was auch immer.

Heero war ein Alien. Heero war ein Alien! Aber das konnte doch nicht sein, oder? Aliens gab es doch gar nicht, außer in Science Fiction Serien. Und überhaupt, wieso sah er dann aus wie ein Mensch? Nein, es konnte gar nicht wahr sein. Heero hatte sich einen Scherz mit mir erlaubt, ich war mir absolut sicher. Und ich hatte garantiert einen äußerst lustigen Anblick gegeben, als ich ihm mit offenem Mund zugehört hatte.

Aber da war dieses Raumschiff. Und der – Jäger, so hatte Heero die fliegende Kugel genannt. Ich hatte doch nur ein Bier gehabt, ich konnte unmöglich so betrunken sein, um mir das hier alles einzubilden. Langsam ging ich näher an das Raumschiff heran. Ich hoffte wohl irgendwie immer noch, es würde sich in Luft auflösen, sobald ich es berührte.

Doch nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil, das Schiff fühlte sich erschreckend real an. Verdammt. Ich war kurz davor zu hyperventilieren.

Heero, der mir mit besorgtem Gesichtsausdruck gefolgt war, streckte eine Hand nach mir aus und berührte mich zögernd an der Schulter. „Duo?"

Ich schrak hoch und starrte ihn an. Und sagte das erste, was mir in den Sinn kam. „Wo sind deine Tentakel?"

Heero starrte mich mit großen Augen an. „Tentakel?"

Ich ruderte mit den Armen. „Tentakel. Oder was auch immer du sonst für zusätzliche Körperteile hast. Du bist doch ein Alien." Argh. Hatte ich das jetzt tatsächlich gesagt? Verdammt, ich mußte wirklich ganz schön weggetreten sein.

Heero starrte mich immer noch mit diesem Blick an. „Ich habe keine Tentakel. Warum sollte ich? Ich bin ein Mensch, genauso wie du."

Ich schüttelte verwirrt den Kopf. „Aber wenn du ein Mensch bist – wie kannst du dann von einem anderen Planeten kommen?"

Er seufzte leicht. „Es gibt eine Menge Planeten auf denen Menschen existieren. Die Erde ist nicht der einzige."

„Das verstehe ich nicht. Wie kann sich auf völlig verschiedenen Planeten, völlig unabhängig voneinander die selbe Spezies entwickeln? Das ist wissenschaftlich doch unmöglich."

„Das weiß ich auch nicht," antwortete Heero. „Vielleicht hatten wir alle die selben Vorfahren. Oder es war tatsächlich nur Zufall. Egal weswegen, du kannst mir jedenfalls glauben, das es dort draußen jede Menge bewohnter Planeten gibt."

Ich schüttelte erneut ungläubig den Kopf. Es waren kaum zehn Minuten vergangen, seit ich dem – Jäger – auf diese Lichtung gefolgt war, aber seitdem war mein gesamtes Weltbild auf den Kopf gestellt worden.

„Und diese OZ, sind das auch Menschen?"

Heero schüttelte den Kopf. „Nein. Sie haben zwar eine humanoide Form, aber sie sind keine Menschen."

Ich nickte verstehend, aber in Wirklichkeit verstand ich es nicht. Oh klar, rein intellektuell hatte ich es sehr wohl verstanden. Es gab also unglaublich viele bewohnte Planeten im Weltall, von Menschen bewohnte Planeten. Menschen, die von den OZ als Sklaven gehalten wurden. Die im übrigen keine Menschen waren, sondern richtige Aliens, bzw. das was wir für Aliens hielten. Mein Verstand hatte das verarbeitet, aber bis ich es wirklich begreifen würde, würde wohl noch einige Zeit vergehen.

„Und du warst also ein Sklave und bist vor deinem 'Herrn' geflohen?" hakte ich erneut nach. Heero hatte es zwar erwähnt, aber ich würde mir diese Geschichte so lange bestätigen lassen, bis ich sie wirklich und wahrhaftig glauben konnte.

Heero nickte leicht. Sein Gesicht war eine unbewegte Maske. Was für Erinnerungen ihm auch immer durch den Kopf gingen, sie konnten nicht schön sein.

„Das verstehe ich nicht, wieso hat denn niemand etwas dagegen unternommen? Gegen die Sklaverei, meine ich."

Heero sah mich traurig an. „Wer hätte denn etwas unternehmen können? Duo, ALLE Menschen sind Sklaven der OZ. Es gibt nicht einen freien Menschen dort draußen."

Ich starrte Heero ungläubig an. Die Vorstellung, das Milliarden und Abermilliarden Menschen dort draußen ein Sklavendasein fristeten, und das schon seit Jahrhunderten – ohne sich einmal dagegen aufzulehnen! – das war einfach zu unglaublich.

„Aber ihr seid doch sehr viel mehr als die OZ, das habe ich doch richtig verstanden, oder? Wie können sie euch als Sklaven halten? Habt ihr denn gar keinen Kampfgeist?" rief ich fast empört. Ich konnte einfach nicht darüber hinwegkommen.

Heero warf mir einen wütenden Blick zu. „So einfach ist das nicht! Ich habe niemals ein Sklave sein wollen! Und wenn ich gekonnt hätte, wäre ich schon sehr viel früher geflohen! Und es gibt noch genug andere Menschen, die keine Sklaven sein wollen! Trowa wollte auch nie einer sein! Aber wir hatten keine Wahl! Wir sind in dieses System geboren worden und die OZ haben die Jäger! Und nur die OZ können sie kontrollieren! Was also hätten wir deiner Meinung nach tun sollen? Uns so lange auflehnen, bis wir alle tot wären? Was für einen Sinn hätte das?"

Ich trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Ich hatte Heero noch niemals so aufgebracht erlebt. Und gleichzeitig fühlte ich mich etwas schuldig. Ich hatte niemals andeuten wollen, das Heero seine Versklavung gewollt hatte.

„Du meinst, es kann wirklich kein einziger Mensch die Jäger kontrollieren?"

„Nein!" Heero schüttelte den Kopf. „Sie werden durch Gesang kontrolliert. Und Menschen können nicht singen."

„Aber..." Ich verstummte, als ich Heeros Blick bemerkte.

„Menschen können nicht singen," wiederholte er. „Mit Ausnahme der Menschen auf diesem Planeten hier. Mit Ausnahme von euch."

Ich schluckte. Langsam sank die Erkenntnis tiefer. Es war wahr. Es war alles wahr! Und es machte alles auf einmal einen Sinn! Heeros Verhalten, das er so viele alltägliche Dinge nicht kannte. Seine Reaktion auf meinen Gesang! Die Tatsache das er vor irgendetwas auf der Flucht war! Ja sogar seine Verletzungen, als er bei uns aufgetaucht war! Das mußte kurz nach dem Absturz mit dem Raumschiff gewesen sein.

„Deine Rippen!" rief ich aus, als mir ein Gedanke kam. „Sie waren also doch gebrochen, nicht wahr?"

Heero nickte.

„Aber wie konnten sie dann so schnell verheilen?"

„Die OZ haben uns alle genetisch verbessert, uns extra dahingehend gezüchtet damit wir bessere Sklaven abgeben. Wir sind stärker, intelligenter, gesünder und Verletzungen heilen schneller."

Oh wow. Ich war wirklich versucht, mich zu zwicken, um sicher zu gehen, das ich nicht träumte. Aber im Grunde glaubte ich Heero. Wie gesagt, dazu machte das alles viel zu viel Sinn.

„Ok," versuchte ich nochmal die Geschichte zusammenzufassen, „Du hast also die KI des Raumschiffes abgeschaltet, bist geflohen und hier abgestürzt, weil sich die KI wieder aktiviert hat. Und dann wurde der Jäger ausgesandt, um dich wieder einzufangen. Aber warum hat er dich dann nicht eingefangen, sondern in Ruhe gelassen?"

Heero sagte darauf nichts, sondern zog nur eine Augenbraue hoch.

„Oh. Du meinst, er hat es nur wegen meinem Gesang nicht getan?"

Heero nickte erneut.

Wow. Ich kam mir fast ein bißchen so vor wie Superman oder Spider-Man oder irgendein anderer Superheld. Duo der singende Held. Song-Man. Oder lieber Melody-Man? Argh, was dachte ich denn da? Ich mußte doch noch ziemlich überfahren sein, das ich in so einer Situation solch einen Schwachsinn denken konnte.

Es wurde wirklich Zeit, das ich mich zusammenriß! Ich holte tief Luft und wandte mich wieder dem Raumschiff zu. In dem Moment fiel der Groschen. Ich stand hier neben einem echten Raumschiff! Einem Raumschiff, das tatsächlich ins Weltall zu anderen Sternen fliegen konnte! Mein Leben lang hatte ich mir sowas gewünscht – hey, wer würde das schließlich nicht?

Und jetzt hatte ich die Gelegenheit, ein solches Raumschiff von Innen zu sehen! Meine Neugier überfiel mich mit unglaublicher Macht und ich konnte es kaum noch erwarten da hineinzugehen.

Suchend ließ ich meinen Blick über das Raumschiff gleiten. Wo hatte ich den Jäger vorhin verschwinden sehen? Ach ja, da hinten. Ich drehte mich um und lief auf die – Tür? Portal? Luftschleuse? Egal – Öffnung zu.

„Duo! Wo willst du hin?" rief Heero mir hinterher.

Doch ich antwortete ihm nicht sondern ging einfach in das Schiff hinein.

„Duo! Verdammt, komm wieder raus! Es ist gefährlich!"

Ich hörte Heero zwar im Hintergrund rufen, doch ich nahm kaum wahr was er sagte. Ich war viel zu fasziniert von dem was ich sah. Irgendwie hatte ich mir das Innere des Schiffes viel – außerirdischer vorgestellt. Aber wenn man bedachte, das die meisten Aliens auch Menschen waren, und selbst die OZ humanoide Form besaßen, machte es wahrscheinlich Sinn, das die Proportionen im Inneren nicht so ungewöhnlich waren.

Natürlich gab es eine Menge von Maschinen, die ich nicht kannte. Hey, diese Leute (ich war es leid, sie ständig 'Aliens' zu nennen, selbst in Gedanken) waren technologisch sehr viel weiter fortgeschritten als wir, es war also nicht allzu erstaunlich, das ich die meisten der Geräte nicht kannte und mir nicht einmal vorstellen konnte, wozu sie dienen könnten.

Aber ich war jetzt vor allem gespannt auf das Cockpit, und deshalb bewegte ich mich in die Richtung, in der ich es vermutete.

„Duo!" sagte Heero und packte mich am Arm. Ich blieb stehen und sah mich zu ihm um. Heero war mir anscheinend inzwischen ins Innere des Schiffes gefolgt. Er sah mich mit einem wirklich ängstlichen Gesichtsausdruck an.

„Was ist los?" fragte ich und runzelte die Stirn.

„Es ist gefährlich hier drin," sagte Heero und zog leicht an meinem Arm. „Komm wieder mit nach draußen, bitte!"

Ich schüttelt Heeros Hand ab. „Ach was, das Schiff ist doch abgestürzt, es wird wohl kaum mit uns abheben können, selbst wenn es wollte. Was kann schon passieren?"

Ich und meine große Klappe. Ich hätte das vielleicht nicht sagen sollen, denn wie es im Leben immer so ist, kaum hatte ich diesen wohl dämlichsten aller Sätze ausgesprochen als auch schon etwas passierte. Die Shuttlerampe – oder wie auch immer man es nannte – schloß sich mit einem lauten Knall.

„Verdammt!" fluchte Heero, drängte sich an mir vorbei und stürmte Richtung Cockpit. Zumindest nahm ich an, das es in dieser Richtung lag. Ich folgte ihm, und tatsächlich, da war das Cockpit. Zwei Sessel, die sich vor einem großen Bildschirm oder Sichtfenster und etlichen Kontrollen befanden.

Heero kniete sich vor einem der Bedienungsfelder hin und begann irgendetwas daran zu verstellen.

„Was machst du da?" fragte ich neugierig.

„Ich versuche die Tür wieder zu öffnen," antwortete Heero, ohne mir einen Blick zuzuwerfen.

Ein paar Minuten vergingen, in denen Heero konzentriert arbeitete und ich ihn nicht dabei unterbrach, sondern nur interessiert zusah. Ich war noch immer nicht wirklich beunruhigt. Ich hatte vollstes Vertrauen in Heero und erwartete, daß er uns schon wieder aus dieser Situation befreien würde.

Doch schließlich setzte Heero sich auf seine Fersen zurück und fluchte unterdrückt vor sich hin. Ich sah ihn alarmiert an. „Was ist los?"

Heero sah mich an. „Wir sitzen fest."

Ich starrte ihn an. „Was meinst du mit 'Wir sitzen fest.'?"

„Die KI hat die Tür verriegelt und ich komme nicht an ihr vorbei."

Verdammt. Ich schluckte und ließ mich neben Heero auf den Boden sinken. Mist. Ich hatte mich natürlich wiedermal nicht zurückhalten können, und nun waren Heero und ich hier gefangen. Shit.

„Ist es wahr?"

Ich zuckte zusammen, als ich die fremde Stimme hörte. Mit großen Augen starrte ich Heero an, der ebenso erstaunt zurückstarrte.

„Wer war das?" fragte ich Heero, doch er zuckte nur mit den Schultern.

„Ist es wahr?" fragte die Stimme erneut.

Ich blickte mich suchend um. Die Stimme hatte nicht wie die eines Menschen geklungen. Sie klang blechern, wie die einer Maschine, aber gleichzeitig auch weiblich. Ich hatte noch niemals zuvor etwas ähnliches gehört.

„Wer ist das?" rief ich etwas lauter und stand auf. Heero tat es mir gleich.

„Ist es wahr?" wiederholte die Stimme wieder geduldig, und auf einmal sah ich, wie Heero erstaunt aufkeuchte und ungläubig auf das Bedienungsfeld des Cockpits starrte. Ich blickte ihn fragend an.

„Das... das ist die Schiffseinheit!" Heero hörte sich absolut fassungslos an.

Die Schiffseinheit... oh, Heero meinte die KI, die das Schiff steuerte. Das ergab Sinn. Aber warum war Heero dann so erstaunt?

„Bist du das Schiff?" fragte ich in Richtung der Bedienungsfelder. Ich hatte keine Ahnung, an wen – oder vielmehr was – ich mich richten sollte, wenn ich mit dem Schiff sprach.

„Ist es wahr?"

Ok, langsam wurde es nervig. Die KI konnte nicht wirklich intelligent sein, wenn sie immer nur stupide diesen einen Satz wiederholte.

„Hat sie das öfter?" raunte ich Heero zu.

Heero sah mich noch immer mit diesem völlig erstaunten Blick an. „Was?"

„Kann das Ding auch mehr als einen Satz sagen?"

„Ich habe bis jetzt nicht gewußt, daß Schiffseinheiten ÜBERHAUPT sprechen können."

Oh. Das erklärte dann auch warum Heero so fassungslos war. Ich schätze, ich wäre wohl auch ziemlich erstaunt gewesen, wenn mein Motorrad auf einmal angefangen hätte zu sprechen.

„Ist es wahr?"

Mann, das Ding war echt hartnäckig. „Ist was wahr?" fragte ich.

„Der Bericht des Jägers."

Oh wow, tatsächlich eine Antwort. Oder sowas in der Art. Denn ich war daraus noch immer nicht wirklich schlau geworden. „Der Bericht des Jägers?"

„Über den Gesang. Ist es wahr? Wird hier gesungen?"

„Es ist wahr!" warf Heero ein und stellt sich vor mich. So als wollte er mich beschützen. Ich unterdrückte ein Lächeln.

„Zeigt es mir."

Wah...? Mein Unterkiefer klappte auf. Ich sollte was machen? Es zeigen? Ich sollte jetzt hier singen? Sonst noch was? Ich wollte schon etwas verneinendes sagen, als Heero sich umdrehte und mich mit diesem Blick ansah. Diesem flehenden und gleichzeitig bewundernden Blick. Ich klappte meinen Mund wieder zu. Dieser Blick war gemein und unfair.

Obwohl mir klar war, das ich keine Chance hatte, schüttelte ich trotzdem den Kopf. Ich bin eben stur. „Nein. Ich fange jetzt hier nicht an zu singen!"

„Duo, du mußt!" sagte Heero und sah mich flehend an.

„Auf keinen Fall! Ich bin doch kein CD-Player, den man auf Befehl anstellen kann!"

„Zeigt es mir."

Ich warf der KI einen genervten Blick zu. Keine Ahnung ob sie diesen überhaupt registriert hatte.

„Die KI wird uns hier nicht rauslassen, wenn du ihr nicht den Befehl dazu gibst," sagte Heero.

„Na gut," sagte ich und richtete mich wieder an die KI. „Öffne die Tür!"

Nichts geschah. Ich hatte es eigentlich auch nicht erwartet.

Heero seufzte. „Die Schiffseinheit wird dir erst gehorchen, wenn du singst."

Verdammt. Mir blieb wohl wirklich nichts anderes übrig. Ich seufzte noch einmal tief auf, dann schloß ich die Augen und begann zu singen. Ich wählte ein einfaches, unkompliziertes Lied, eines das auch ohne instrumentale Begleitung gut auskam.

Als ich endlich geendet hatte, herrschte Totenstille. Ich öffnete zögernd die Augen wieder. Hatte es funktioniert? Würde die Schiffseinheit uns jetzt freilassen?

Heero stand immer noch neben mir und sah mich an, wie er mich immer ansah sobald ich anfing zu singen. Nichts neues hier also. Aber die KI hatte sich noch immer nicht gerührt.

„War das genug?" fragte ich laut.

„Es ist wahr..." Wenn ich es nicht besser gewußt hätte, hätte ich gesagt, das sich die KI verblüfft anhörte. Aber konnte eine Maschine überhaupt verblüfft klingen?

„Kannst du uns jetzt bitte wieder rauslassen?"

Die KI antwortete nicht, aber ich konnte hören wie die Tür wieder geöffnet wurde. Erleichtert lächelte ich Heero an. Doch Heero hatte sich inzwischen abgewandt und sah nachdenklich zur KI hinüber (ich hatte einfach beschlossen, das sie die KI im Bedienungsfeld befinden müsste – ich hatte keine Lust ständig überlegen zu müssen, was ich ansehen sollte, wenn ich mit ihr sprach).

„Was wirst du jetzt tun?" fragte Heero. „Du kannst nicht ohne mich zu J zurückkehren."

Zurückkehren? Zu J? Oh verdammt, ich hatte völlig vergessen, daß dieses Schiff Heero ja in die Sklaverei zurückschleppen wollte.

„Du wirst Heero auf keinen Fall zurückbringen, hörst du?" rief ich schnell und stellte mich neben Heero.

Die KI antwortete nicht, aber Heero warf mir einen undeutbaren Seitenblick zu.

„Hast du mich gehört?" wiederholte ich meine Frage.

Endlich antwortete die KI. „Ja."

„Und wirst du tun, was ich dir gesagt habe?" Hah, ich war schließlich der Meister der ausweichenden Antworten, da mußte eine KI schon früher aufstehen, um mich reinzulegen. Oder was auch immer das KI-Äquivalent zu 'aufstehen' war.

„Ja."

„Gut," ich nickte zufrieden und griff nach Heeros Arm. „Lass uns gehen."

Doch Heero rührte sich nicht vom Fleck. Erstaunt blieb ich stehen und drehte mich zu Heero um. „Was ist los?"

„Ich muß zurückkehren."

Was? Zurückkehren? „Was???" rief ich verblüfft.

„Ich muß nach L1 zurückkehren."

Jetzt war ich völlig erstaunt. Wieso nur wollte Heero auf einmal nach L1 zurückkehren? Hatte er mir nicht eben noch erzählt, wie sehr er es gehasst hatte, ein Sklave zu sein? Und jetzt wollte er dorthin zurückkehren?

„Duo..." Heero zögerte und schien nach Worten zu suchen, „Komm mit."

Meine Augen weiteten sich. Hatte ich das jetzt richtig gehört? Heero wollte das ich mitkam? Nach L1? „Was?" fragte ich mit schwacher Stimme.

„Komm mit mir mit nach L1."

Doch, ich hatte richtig gehört. Ein warmes Gefühl durchströmte mich. Ich wußte zwar immer noch nicht, wieso Heero wieder zurückkehren wollte, aber er wollte das ich mit ihm kam! Das mußte doch bedeuten, das er Gefühle für mich hatte, oder?

„Du bist der einzige, der mir helfen kann Trowa zu retten."

Ich blinzelte überrascht. Trowa zu retten? Trowa, war das nicht der Junge, der mit Heero zusammen J's Assistent gewesen war? Mein Erstaunen mußte wohl deutlich auf meinem Gesicht zu sehen gewesen sein, denn Heero fing wieder an zu sprechen.

„Ich habe es ihm versprochen. Ich habe ihm geschworen, ich würde zurückkommen und ihn retten. Und jetzt habe ich tatsächlich die Möglichkeit, es auch zu tun! Trowa ist der einzige, mit dem ich immer reden konnte! Der einzige, der mich verstanden hat! Er war der wichtigste Mensch in meinem Leben! Ich kann den Gedanken nicht ertragen, ihn dort zu lassen. In der Gewalt von J, der ihn mit Sicherheit für meine Flucht leiden lässt! Und obwohl Trowa das gewußt hat, hat er mich dazu gedrängt zu fliehen! Ich darf ihn nicht im Stich lassen! Ich muß ihn retten! Und nur du kannst mir dabei helfen, Duo!"

Ich starrte Heero an. „Dieser Trowa... er bedeutet dir wirklich eine Menge, nicht wahr?" sagte ich langsam.

Heero nickte enthusiastisch.

Ich schluckte und schloß die Augen. Heero wollte, das ich mit ihm käme, aber nicht weil er irgendwelche Gefühle für mich hatte. Sondern weil er das Schiff nicht ohne mich steuern konnte. Und weil er ohne mich diesen Trowa nicht retten konnte. Trowa, den er offensichtlich liebte.

Ich schüttelte leicht den Kopf. Wie hatte ich nur so blind sein können? Natürlich, wenn Heero jemand anderen liebte, dann war es kein Wunder, warum er niemals auf mich und meine Flirtversuche reagiert hatte. Und er hatte mich nur deswegen nicht einfach mit ein paar harten Worten zurechtgewiesen, weil er mich als seinen Freund ansah und mich nicht verletzen wollte.

Ich mußte erneut schlucken und spürte wie Tränen in meinen Augen brannten, und das obwohl ich sie geschlossen hatte. Schnell drehte ich mich von Heero weg, damit er sie nicht sehen konnte. Warum war mir auf einmal so nach Heulen zumute?

Ok, ich hatte gerade erfahren, das Heero einen anderen liebte. Aber es war ja schließlich nicht so, als würde dadurch mein Herz gebrochen, oder? Nein, ich hatte mich zwar unglaublich zu Heero hingezogen gefühlt, aber mehr war da nicht gewesen. Warum also fühlte ich mich jetzt so am Boden zerstört?

Eines war jedenfalls klar, ich würde aufhören mit Heero zu flirten. Und ich würde auch sofort auf das Sofa im Wohnzimmer umziehen! Keine gemeinsamen Nächte im selben Bett mehr! Ich würde mich nicht jemandem an den Hals werfen, dessen Herz schon jemand anderem gehörte. Und schon gar nicht würde ich versuchen, Heero und Trowa auseinander zu bringen.

Das hatten die beiden nicht verdient. Heero nicht, der Trowa treu geblieben war, obwohl weiß Gott wieviele Lichtjahre zwischen ihnen gelegen hatten und er nicht gewußt hatte, ob er Trowa jemals wiedersehen würde. Heeros Gefühle für Trowa mußten wirklich sehr stark sein. Immerhin, hatte er nicht gesagt, das Trowa der wichtigste Mensch in seinem Leben war? Und Trowa konnte ich das schon gleich gar nicht antun. Trowa, der soviel auf sich genommen hatte, nur um Heero zur Flucht zu verhelfen. Die beiden mußten wirklich unheimlich viel füreinander empfinden. Warum nur tat es so weh, daran zu denken?

„Duo?" hörte ich Heeros fragende Stimme. „Was ist los?"

Ich riß mich zusammen. Ich würde mir jetzt nichts anmerken lassen. Ich würde mich jetzt einfach auf die nächstbeste Aufgabe, auf die nächstbeste Ablenkung stürzen, nur um nicht daran zu denken. Schnell drehte ich mich um und setzte ein Lächeln auf. „Alles in Ordnung."

Das Lächeln mußte ziemlich zittrig ausgefallen sein, denn Heero sah mich zweifelnd an. Doch er sagte nichts dazu, und ich war froh darüber.

„Wirst du es tun?"

„Hm?" fragend blinzelte ich Heero an.

„Wirst du mir helfen?"

Ich schluckte. Wollte ich Heero helfen? Ein Teil von mir schrie 'Nein, ich will dir nicht helfen!' Dieser Teil von mir wollte sich einfach weigern, wollte Heero dadurch zwingen auf der Erde zu bleiben. Wollte ihn dadurch zwingen, Trowa zu vergessen und sich mir zuzuwenden. Doch ich unterdrückte diesen Impuls ganz schnell wieder.

Ich schloß noch einmal kurz die Augen, dann öffnete ich sie wieder und sah Heero direkt an. „Ja, ich werde dir helfen," sagte ich schnell, bevor ich es mir anders überlegen konnte.

Heero schenkte mir ein derart glückliches Lächeln, das ich es schon allein für dieses Lächeln getan hätte.

„Danke Duo!" rief er, trat einen Schritt auf mich zu und umarmte mich. Ich versteifte mich. Gott, was hätte ich noch vor einer Stunde nicht alles gegeben, wenn Heero mich so umarmt hätte? Aber das war gewesen, bevor ich die Wahrheit gewußt hatte. Bevor ich gewußt hatte, das er einen anderen liebte und in mir nur einen Freund sah.

„Ist schon gut, Heero," sagte ich und tätschelte ihm leicht den Rücken. „Ich bin doch schließlich dein Freund, und Freunde helfen sich gegenseitig." Gott, klang das lahm. Aber ich war im Moment einfach emotional viel zu ausgelaugt, um in intelligenten Sätzen zu sprechen.

Doch Heero schien nichts aufgefallen zu sein, denn er ließ mich wieder los und lächelte mich immer noch so strahlend an. Mir war nach Heulen zumute.

„Dann lass uns gleich losfliegen!" rief er enthusiastisch, drehte sich um und lief zu einem der Sitze.

„Moment, nicht so schnell!" rief ich ihm hinterher. „Wir können nicht einfach so losfliegen!"

Heero drehte sich wieder zu mir um und runzelte die Stirn. „Du hast Recht, das können wir nicht. Das Schiff ist beschädigt, wir müssen es erst reparieren."

„Äh, ja ich schätze das auch. Aber das habe ich gar nicht gemeint, Heero."

Heero sah mich fragend an. „Was hast du dann gemeint?"

„Wir können nicht einfach so abhauen, ohne jemandem Bescheid zu sagen!" antwortete ich. „Quatre, Wufei und Lu werden sich Sorgen machen, wenn wir einfach so ohne ein Wort verschwinden!"

Gott, wie sollte ich es Q, Wu und Lu nur erklären? 'Ach übrigens, Heero und ich ziehen jetzt los zu einer Rettungsmission auf einem weit entfernten Planeten. Wartet nicht mit dem Essen auf uns.' Jep, das klang wirklich so überhaupt nicht durchgeknallt. Ich würde mir echt überlegen müssen, wie ich es den anderen am schonendsten beibringen sollte.

„Oh," machte Heero und sah nachdenklich vor sich hin. Offenbar war er bis jetzt noch nicht auf die Idee gekommen, die anderen einzuweihen. „Werden sie uns denn glauben?" fragte er mich zweifelnd.

„Hm, keine Ahnung," gab ich zu. „Aber zur Not können wir sie immer noch hierher schleifen und ihnen das Schiff zeigen. Dabei fällt mir ein," ich wandte mich an das Schiff, „Wo ist eigentlich Shini?"

„Shini?" fragten Heero und die Schiffseinheit simultan. Ich mußte fast lachen über Heeros Gesichtsausdruck als er das bemerkte.

„Der Jäger, der dich gejagt hat und der vorhin hierher zurückgekehrt ist."

„Wieso nennst du den Jäger 'Shini'?" fragte Heero mich erstaunt.

„Naja," ich zuckte mit den Achseln, „Ich kann ihn doch schließlich nicht immer nur 'Jäger' nennen. Und ich denke Shini ist ein angemessener Name."

Auf Heeros fragenden Blick hin erklärte ich, „Shini, als Abkürzung für Shinigami. Engel des Todes. Passt doch, oder?" Ich lächelte schief.

Heero blinzelte nur. Ich seufzte. „Wenn wir Shini mitnehmen, dann müssen wir die anderen nicht hierher bringen, falls wir einen Beweis benötigen."

„Oh," Heero nickte verstehend.

„Also," wandte ich mich wieder an das Schiff. „Wo ist Shini? Das heißt, du hast doch nichts dagegen, das ich den Jäger so nenne, oder?"

Für ein paar Sekunden herrschte Stille, dann antwortete die Schiffseinheit. „Nein, das habe ich nicht. Und Shini hat auch nichts dagegen."

„Shini kann auch sprechen?" fragte ich erfreut. So seltsam es auch klang, aber irgendwie war mir diese kleine Kugel ans Herz gewachsen.

„Shini kann mit mir kommunizieren. Aber er ist noch zu jung, um so zu sprechen, daß ihr ihn verstehen könntet."

„Oh," machte ich enttäuscht. Ich hatte mich schon darauf gefreut, mit dem kleinen Kerl zu reden. „Also, möchte Shini gerne mit uns mitkommen?"

Als Antwort ertönte ein fast freudiges Summen und im nächsten Moment schwirrte Shini bereits wieder aufgeregt um mich herum. Nach ein paar Sekunden beruhigte er sich und ließ sich wieder als Kugel in meine Hand sinken.

Ich steckte ihn in meine Hosentasche und wandte mich an das Schiff. „Und wie soll ich dich nennen?"

„Mich nennen?"

„Du hast doch sicherlich einen Namen, oder?"

„Nein."

„Oh." Ich legte meinen Kopf schief und dachte kurz nach. „Wie wäre es mit 'Wing'?"

„Wing?"

„Ja."

Ein paar Sekunden herrschte Stille, in der mich Heero nur mit großen, ungläubigen Augen anblickte, dann antwortete das Schiff, „Wing gefällt mir."

„Sehr schön," nickte ich zufrieden. „Also Wing, sind deine Schäden sehr groß?" Schließlich hatte ich Heero versprochen, ihm zu helfen, und das konnte ich nur, wenn das Schiff – Wing – in der Lage war zu fliegen. Ich kannte mich zwar mit dieser Technik nicht aus, aber ich würde tun was auch immer ich konnte, um Wing zu reparieren.

Statt Wing antwortete Heero mir. „Nein, die Schäden sind nicht besonders groß. Wir sollten in der Lage sein, sie in ein paar Tagen zu reparieren."

Ein paar Tage also nur noch. Ich seufzte innerlich. Für ein paar Tage noch würde ich Heero für mich haben können – auch wenn er nicht an mir interessiert war. Aber ich würde eben nehmen was ich kriegen konnte, auch wenn jeder Gedanke daran wie ein Stich in meinem Herzen war.