Titel: Enjoy the Silence
Autor: Zanna
Disclaimer: siehe Kapitel 1
Betadank: wie immer Laren

Kommentar: Tja, leider leider kommen weder Heero noch Duo auf die Idee,
einfach mal miteinander zu sprechen. Ich glaub, im Grunde ihres Herzens sind
beide ganz schöne Drama Queens und sie lieben es geradezu, in Herzschmerz zu
schwelgen! gg Aua, autsch, au, hör sofort auf zu beißen, Duo! Und Heero,
anstatt einfach nur grinsend zuzusehen könntest du mir echt mal helfen! Ok, ok,
ok, ich nehm das mit den Drama Queens ja schon wieder zurück! Menno sind die
beiden vielleicht nachtragend totgebisseneHandreib. Ok, genug der Scherze,
wie immer viel Spaß beim Lesen.

PS: Auf allgemeinen Wunsch gibts die Kapitel weiterhin hier und natürlich auch auf yaoi . de


Kapitel 10
Heero POV

Schweigend ging ich neben Duo her. Seit wir das Raumschiff – Wing, wie Duo es nannte – verlassen hatten, hatte er kein einziges Wort mehr gesprochen. Ich muß wohl nicht extra erwähnen, wie absolut ungewöhnlich dieses Verhalten für Duo war.

Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Es hatte zwar anfangs den Anschein gemacht, als ob Duo die Wahrheit über mich recht gut verkraftet hatte, aber nun war ich mir nicht mehr ganz so sicher. Gegen Ende, ungefähr seit dem Moment als das Schiff angefangen hatte zu sprechen hatte er sich mehr als seltsam verhalten. Vielleicht war das alles doch zu viel, der Kulturschock doch zu groß gewesen?

Aber andererseits hatte er sich nicht nur sonderbar verhalten. Ich meine, dem Schiff und dem Jäger Namen zu geben, das war SO Duo! Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, so etwas zu tun. Aber Duo, Duo hatte die KI behandelt, als wäre sie nicht einfach nur ein Computerprogramm gewesen. Er hatte sie behandelt wie er einen anderen Menschen behandeln würde.

Er hatte sich mit dem Schiff – Wing, ich mußt mir merken es Wing zu nennen – unterhalten, wie er es mit Quatre oder Noin oder Wufei getan hätte. Oder mit mir. Er war zu einer KI freundlich gewesen! So als hätte sie Gefühle, die verletzt werden könnten! Was natürlich unsinnig war, Computerprogramme hatten keine Gefühle.

Allerdings, ich mußte zugeben, wenn man Wing sprechen hört, kann es vermutlich schon schwerfallen, in der KI nur ein Programm zu sehen und nicht eine eigene Persönlichkeit. Verdammt, ich hatte noch nie davon gehört, das Schiffseinheiten sprechen können! Aber nach dem wenigen das Wing erzählt hatte, konnte ich schließen das es wohl nicht ungewöhnlich war. Wieso also hatte ich noch niemals zuvor eine Schiffseinheit oder einen Jäger sprechen gehört? Ich war mir hundertprozentig sicher, das J sich niemals mit seinem Schiff oder seinen Jägern unterhalten hatte.

Es ist also verständlich, das ich absolut verblüfft und wie betäubt gewesen war, als Wing auf einmal gesprochen hatte. Und das muß auch der Grund dafür gewesen sein, warum mir nicht sofort aufgefallen war, das Duo sich auf einmal anders benommen hatte.

Es war mir erst aufgefallen, als er sich genauer mit Wing über ihre Reparaturen unterhalten hatte. Duo hatte mich ignoriert. Er hatte nur dann mit mir gesprochen, wenn ich ihm eine direkte Frage gestellt hatte. Er hatte mich nicht mehr von sich aus angesprochen. Und ich wußte nicht wieso. Oder wie ich es ändern könnte.

Inzwischen waren wir wieder bei der Studentenparty angekommen. Die Feier war noch immer in vollem Gange und ich blickte mich erstaunt um. Anscheinend war gar nicht so viel Zeit vergangen wie ich gedacht hatte. Mir kam es wie Stunden her, seit ich mit Duo zusammen auf einer Bank gesessen war und die Sterne betrachtet hatte. Wieviel sich in einer doch so kurzen Zeitspanne verändern konnte!

Duo blieb stehen und sah zögernd zu den Partybesuchern hinüber. „Heero..." begann er und stoppte dann.

„Ja?" fragte ich und blickte Duo erwartungsvoll an.

„Ich hab eigentlich keine Lust mehr auf die Party. Ich denke ich möchte jetzt lieber nach Hause."

Ich nickte und folgte Duo schweigend zum Parkplatz, wo er und die anderen ihre Fahrzeuge abgestellt hatten. Einer Laune folgend war Duo diesmal mit dem Motorrad gekommen, statt mit den anderen und den Instrumenten im Kleinbus zu fahren. Und auch mir hatte es gefallen hinter ihm auf dem Motorrad zu fahren. Hatte mich die Geschwindigkeit anfangs noch geängstigt, so hatte ich dennoch begonnen es zu genießen, hinter Duo auf diesem Motorrad zu sitzen und mich an ihm festzuhalten.

Als Duo beim Motorrad angekommen war blieb er stehen und sah mich dann überrascht an. Offenbar hatte er gar nicht gemerkt, das ich ihm gefolgt war. „Heero?" fragte er und starrte mich an.

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich hab auch keine Lust auf die Party."

„Oh," sagte Duo und schien wieder zu zögern. Er blickte von mir zum Motorrad und wieder zu mir zurück. Ich hatte fast den Eindruck als wollte er nicht, das ich mit ihm nach Hause fuhr und verspürte einen Stich bei diesem Gedanken. Doch dann seufzte Duo und reichte mir einen der Helme.

Schweigend zog ich den Helm über und kletterte dann hinter Duo auf das Motorrad. Wir fuhren los und wie gewohnt schlang ich beide Arme um Duos Mitte, um nicht herunterzufallen. Und obwohl eigentlich alles so wie immer war, stimmte etwas nicht. Als wir die erste Kurve nahmen und ich mich enger an Duo presste, um mich mit ihm besser in die Kurve zu legen, bemerkte ich auch was nicht stimmte.

Duo war völlig verkrampft. Ich war so eng an ihn gepresst, das ich deutlich spüren konnte, wie hart und angespannt jeder einzelne Muskel in seinem Körper war. Und je fester ich ihn umschlungen hielt, um so angespannter wurde er. Fast als wolle er nicht von mir berührt werden. Als wolle er möglichst keinen Körperkontakt zu mir. Ich war vollkommen verwirrt.

Endlich bei Duos Haus angekommen stiegen wir beide von der Maschine und gingen immer noch schweigend ins Haus. Das inzwischen schon wirklich lang anhaltende Schweigen machte mich langsam nervös und ich merkte wie Furcht in mir aufstieg. Auch früher hatte es ab und zu Phasen gegeben, in denen Duo nicht geredet hatte, aber er hatte sonst immer gesummt oder vor sich hingesungen. Und selbst wenn er das nicht getan hatte, so war es immer eine angenehme Stille gewesen. Diese Stille jedoch lastete wie ein riesiger Felsbrocken auf mir.

Meine Gedanken rasten. Ich versuchte fieberhaft irgendetwas zu finden um diese schreckliche Stille zu durchbrechen, aber mir fiel einfach nichts ein. Und Duo schien ebenfalls nichts dagegen unternehmen zu wollen.

In seinem Zimmer angekommen blieb ich vor dem Bett stehen. Ich war so in Gedanken versunken das ich erst gar nicht bemerkte, daß Duo seinen Wandschrank betreten hatte. Doch dann kam er wieder heraus und ging zum Bett. Ich starrte ihn mit erstaunt an und wußte nicht, was er jetzt vorhatte.

In seiner Hand hielt er eine Bettdecke, die er offenbar aus dem Schrank geholt hatte, und nun griff er sich auch sein Kopfkissen vom Bett. Ohne ein Wort zu sagen drückte er beides an sich und ging zur Tür. Kurz bevor er das Zimmer verließ blieb er stehen und drehte sich noch einmal zu mir um.

„Heero..." sagte er, dann biß er sich auf die Unterlippe und brach ab. Meine Augen waren inzwischen bestimmt kilometerweit aufgerissen und mein Mund war völlig trocken.

„Ich..." fing Duo wieder an, doch erneut sprach er nicht zu Ende. Schließlich seufzte er einfach und sagte, „Gute Nacht, Heero." Dann drehte er sich um und verschwand endgültig aus seinem Zimmer.

Ich weiß nicht wie lange ich dort stand und einfach nur die Tür anstarrte. Irgendwann begann ich mich langsam auszuziehen. Ich glaube, ich habe in dem Moment nicht wirklich viel gedacht, ich war wie betäubt. Als ich endlich wieder bewußt irgendetwas wahrnahm lag ich auf dem Rücken im Bett, starrte mit offenen Augen an die Decke und meine Gedanken drehten sich ständig im Kreis.

Duo war gegangen, um wo anders zu schlafen. Duo wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Er wollte nicht mehr mit mir sprechen, er wollte mich nicht mehr ansehen und er konnte es nicht mehr ertragen, von mir berührt zu werden. Deshalb hatte er sich auf dem Motorrad so sehr versteift, und deshalb wollte er auch nicht mehr mit mir im selben Bett schlafen. Duo verabscheute mich, weil ich ein 'Alien' war. Duo haßte mich.

Stunden – oder vielleicht auch nur Minuten – später konnte ich hören wie Quatre, Wufei und Noin nach Hause kamen, aber ich rührte mich immer noch nicht. Ich wünschte mir wirklich sehnlichst ich könnte einschlafen, um wenigstens so für kurze Zeit vergessen zu können. Aber das war mir nicht vergönnt.

Ich lag die ganze Nacht wach im Bett und wünschte mir, der ganze Abend wäre nie geschehen. Wünschte mir, Duo würde mich noch mögen statt mich zu verabscheuen. Ja, ich hatte eine Möglichkeit gefunden, Trowa zu retten. Trowa, meinen besten Freund, meinen Bruder. Und doch würde ich diese Möglichkeit auf der Stelle und ohne zu zögern dagegen eintauschen, das Duo wieder mit mir sprechen, mich anlächeln und mich berühren würde.

Ich fühlte mich wie erschlagen. Mein ganzer Körper tat mir weh, und meine Augen brannten. So schlecht hatte ich mich noch niemals zuvor gefühlt, nicht einmal wenn J irgendwelche Experimente an mir durchgeführt hatte. Aber irgendwie schien es mir passend, daß ich mich so furchtbar fühlte.

Durch das Fenster sah ich die Sonne aufgehen, und mir wurde endgültig klar, das ich in dieser Nacht wohl keinen Schlaf mehr finden würde. Doch ich blieb trotzdem liegen und stand nicht auf. Ich hatte zwar keine Ahnung, wo Duo geschlafen hatte, aber er war ein Frühaufsteher, und ich konnte und wollte ihm jetzt nicht allein unter die Augen treten.

Also wartete ich bis ich hörte wie Quatre, Wufei und schließlich auch Noin aufstanden, erst dann quälte ich selbst mich auch aus dem Bett. Ich fühlte mich wie ein alter Mann, alles tat mir weh. Ich ließ mir Zeit im Bad und trödelte auch beim anziehen. Ich wußte noch immer nicht, was ich sagen oder tun sollte. Wie ich Duo entgegentreten sollte.

Langsam ging ich die Treppe hinab und folgte dann den Stimmen der anderen ins Wohnzimmer. Dort saßen Quatre, Wufei und Noin auf einem Sessel und einem der Sofas und ihnen gegenüber auf dem anderen Sofa, die Beine angezogen, das Kinn auf die Knie gestützt und noch immer in seine Decke gewickelt saß Duo. Nun wußte ich zumindest, wo er die Nacht verbracht hatte.

Bei meinem Eintreten brach die Unterhaltung abrupt ab und alle Blicke richteten sich auf mich. Ich blieb zögernd an der Tür stehen. Schließlich war es Quatre, der sich als erster wieder rührte.

„Heero," sagte er und winkte mich herein. Als ich seiner Aufforderung scheinbar nicht schnell genug Folge leistete kam er einfach auf mich zu, packte mich an der Hand und setzte mich in den zweiten Sessel. Immer noch lagen alle Blicke auf mir.

„Also," fing Quatre an, „Duo hat uns eben eine wirklich unglaubliche Geschichte erzählt. Was hast du dazu zu sagen?"

„Was soll das Q?" begehrte Duo ärgerlich auf. „Glaubst du mir etwa nicht?"

„Die Geschichte ist wahr," sagte ich, obwohl ich nicht gehört hatte, worüber sie gesprochen hatten. Aber es war auch nicht wirklich schwer zu erraten, was es wohl gewesen sein könnte. „Duo lügt nicht. Er lügt nie, das weißt du doch, Quatre."

Duo warf mir bei diesen Worten einen kurzen Blick zu und ich meinte sogar so etwas wie ein kleines Lächeln gesehen zu haben, aber ich war mir nicht sicher, da er seinen Blick sofort wieder von mir abwendete.

„Aber das ist doch völlig unmöglich!" rief Wufei aus und sprang auf. „Soll ich wirklich glauben, das du ein Außerirdischer bist, der vor irgendwelchen anderen Außerirdischen auf der Flucht ist und das du hier mit deinem Raumschiff abgestürzt bist?"

Ich nickte nur.

„Das ist doch lachhaft!" Wufei lief jetzt hin und her und schien immer aufgebrachter zu werden. „Wahrscheinlich habt ihr gestern zu viel getrunken und das alles nur halluziniert! Oder ihr habt ein paar Pillen eingeworfen, die ihr besser nicht genommen hättet! Diese verfluchten Studenten verteilen diese Dinger doch wie Bonbons auf ihren Partys!"

„Wu, nicht mal ich bin in der Lage mir dieses Raumschiff einzubilden! Die Hälfte der Geräte in dem Ding hab ich noch nie gesehen, und von der anderen Hälfte kann ich mir nichtmal vorstellen, wozu sie gut sein sollen!" rief Duo.

Wufei warf die Arme in die Luft und ließ sich wieder auf das Sofa fallen. „Sag du ihm das es kompletter Unsinn ist, Quatre, auf mich will er ja nicht hören!"

Doch Quatre antwortete Wufei nicht sondern sah nur forschend von mir zu Duo. Als Wufei das bemerkte schüttelte er ungläubig den Kopf und rief, „Du glaubst das doch wohl nicht etwa? Quatre!"

„Nun..." Quatre warf Wufei einen kurzen Blick zu. „Ich bin zumindest bereit, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen."

Wufei starrte seinen Freund ungläubig an, dann wandte er sich an Noin. „Noin! Sag doch auch mal was! Ich kann doch hier nicht der einzige sein, der noch bei Verstand ist!"

„Naja..." sagte Noin und zuckte mit den Schultern.

Wufei stöhnte auf, ließ sich zurück in die Sofalehne fallen und verdeckte seine Augen mit einem Arm.

„Es tut mir leid, Wufei," entschuldigte Noin sich, „Aber da ist noch die Sache mit seinen Verletzungen. Es ist völlig unmöglich, das solche Verletzungen bei einem Menschen derart schnell verheilen. Vielleicht sagt er tatsächlich die Wahrheit und ist wirklich ein Alien."

„Ich bin kein Alien!" sagte ich bestimmt. Es war schon schlimm genug, das Duo meine Gegenwart nicht mehr ertragen konnte, weil er mich für irgendeine abartige Kreatur hielt, ich wollte meine anderen neuen Freunde nicht auch noch verlieren.

„Hah!" rief Wufei. „Wenigstens einer hier ist noch normal! Ich hätte zwar nicht erwartet, das es ausgerechnet von Heero kommt, aber hier habt ihr es, er hat es selbst zugegeben!"

„Ich bin kein Alien," wiederholte ich, „Ich bin ein Mensch. Ich komme zwar von einem anderen Planeten, aber ich bin ein Mensch."

Erneut stöhnte Wufei auf und ließ sich zurück in die Sofakissen fallen. Doch ich achtete gar nicht auf ihn. Vielleicht... vielleicht, wenn ich es nur klar genug erklärte, vielleicht würde Duo es dann auch begreifen und einsehen, das ich so wie er ein Mensch war? Das ich nicht abartig und verabscheuungswürdig war. Keine Tentakel hatte. Und vielleicht würde er in mir dann wieder einen Freund sehen.

„Nun, soweit ich feststellen konnte, ist Heero tatsächlich ein Mensch," sagte Noin. „Ich hab ihn natürlich nicht geröntgt oder sein Blut untersucht oder ähnliches, aber seine Anatomie scheint absolut menschlich zu sein. Mit der kleinen Ausnahme seiner extrem schnellen Heilung."

Ich lächelte Noin leicht dankbar zu. „Ich wurde genetisch verbessert," erklärte ich meiner im Moment scheinbar einzigen Verbündeten.

„Wirklich?" Noin lehnte sich leicht vor und blickte mich neugierig an. Ich nickte. „Warum? Und wie?" fragte sie.

„Nun, die OZ wollen möglichst leistungsfähige Sklaven haben. Bei uns allen wurde die körperliche Kraft erhöht, die Intelligenz gesteigert und unser Immunsystem ist auch verstärkt worden. Ich weiß nicht wie sie es machen, aber es wird schon seit Jahrhunderten durchgeführt."

„Ich würde wirklich zu gern eine Blutprobe von dir untersuchen," sagte Noin, „Es wäre wirklich zu interessant festzustellen, wie stark dein Immunsystem wirklich ist. Und dann könnte ich vielleicht auch noch eine DNA-Untersuchung durchführen und –"

„Noin!" rief Wufei, „Verdammt nochmal, du tust ja so, als wäre er tatsächlich von einem anderen Planeten! Reiß dich mal zusammen und denk doch mal nach!"

„Wufei hat Recht," sagte Quatre. Duo öffnete den Mund und wollte schon protestieren, doch Quatre brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Ich mein damit nur, das Wufei damit Recht hat, das jetzt nicht die Zeit ist, deiner wissenschaftlichen Neugier nachzugeben, Noin. Wir sollten lieber nachdenken, was wir tun wollen – und ob wir diese Geschichte wirklich glauben können."

Duo seufzte. „Ihr könnte sie ruhig glauben, denn wir können sie beweisen." Mit diesen Worten zog er den Jäger unter seinem Kissen hervor.

„Was ist das?" fragte Quatre und sah den Jäger neugierig an. „Ist das nicht...?"

Duo nickte. „Ja genau, das ist das seltsame Ding, das wir am selben Abend gefunden haben, als auch Heero aufgetaucht ist. Das ist Shini – ich meine, das ist ein Jäger. Und er hat Heero gejagt."

Duo hielt den Jäger auf seiner flachen ausgestreckten Hand, und dann begann er zu summen. Nach ein paar Sekunden fing die kleine Kugel – Shini – an zu schweben und dann teilte sie sich wieder in die vielen tausend kleinen Elemente, die einen Jäger ausmachten. Für eine Weile schwirrte Shini durch den ganzen Raum, umtanzte Quatre, Wufei, Noin und mich, und ließ sich anschließend wieder auf Duos Hand nieder.

„Und wenn euch das nicht ausreicht, dann gibt es da noch das Raumschiff," sagte Duo in die überraschte Stille.

Wufei sah zwar noch immer skeptisch aus – wahrscheinlich würde er sich wirklich erst überzeugen lassen, wenn er Wing gesehen hatte – aber er protestierte nicht weiter. Und auch Quatre und Noin blieben still. Nach einer Weile in der niemand etwas gesagt hatte seufzte Duo plötzlich.

„Ok, ich geh mich jetzt duschen," sagte er, stand auf und packte seine Decke und sein Kissen. "Und danach werd ich wieder zu Wing rausfahren. Ihr könnt euch gerne anschließen." Mit diesen Worten verließ Duo das Zimmer. Die anderen richteten ihre neugierigen Blicke auf mich.

„Also," begann Quatre, „vielleicht solltest du uns alles von Anfang an erzählen, Heero."

Ich sah ihn fragend an. „Hat Duo denn nicht schon alles erzählt?"

„Nicht wirklich. Er hatte uns gerade erst von dem Raumschiff erzählt, bevor du reingekommen bist. Und das du auf der Flucht bist. Aber ansonsten wissen wir nicht viel. Erzähl uns einfach alles, wieso du auf der Flucht bist und wie es gekommen ist, das du jetzt hier bist. Du hast vorhin irgendwas von Sklaven erwähnt, oder?"

Ich nickte und begann zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden meine Geschichte zu erzählen. Im Gegensatz zu Duo unterbrach Quatre mich immer wieder mit gezielten Fragen, und ich stellte fest, das meine Geschichte dadurch sehr viel gegliederter und übersichtlicher wurde. Vielleicht würde Duo mich jetzt nicht so verabscheuen, wenn ich gestern alles etwas klarer hätte erklären können?

Als ich meine Geschichte mit meinem Zusammenbruch im 'Planet' geendet hatte, sahen die drei mich schweigend an. Quatres Gesichtsausdruck war nachdenklich, Wufei sah entsetzt aus und auf Noins Gesicht konnte ich nur Mitgefühl erkennen.

„Ich kann es mir gar nicht vorstellen," sagte sie leise und schüttelte leicht den Kopf. „Das es dort draußen unzählige von Menschen bewohnte Planeten gibt ist schon unglaublich genug, aber das all diese Milliarden von Menschen versklavt sind... und das schon seit Jahrhunderten..." Sie sog geräuschvoll Luft ein und schüttelte wieder den Kopf.

„Ungerechtigkeit!" rief Wufei aus. „Diese OZ sind ehrlos!"

Quatre warf ihm einen amüsierten Seitenblick zu. „Soll das heißen, daß du Heero jetzt doch glaubst, Wufei?"

„Ja... nein... ich meine..." Wufei klappte seinen Mund wieder zu, lief leicht rot an und stand schließlich auf und verließ vor sich hinmurmelnd das Zimmer.

Quatre sah ihm lächelnd hinterher, dann wandte er sich wieder an mich. „Und du möchtest jetzt also zurückkehren, um deinen Freund Trowa zu retten?"

Ich nickte. „Ja. Ich habe es ihm versprochen. Und auch wenn er nicht wirklich erwartet, das ich ihn rette, so muß ich es dennoch tun. Jetzt, wo ich tatsächlich eine Chance auf Erfolg habe."

Quatre nickte. „Das kann ich verstehen." Dann schwieg er eine Weile, bevor er wieder anfing zu sprechen, „Und diese Jäger reagieren tatsächlich nur auf Gesang?"

Offenbar war das einer der Punkte, der am schwersten zu verstehen war. Duo hatte dazu auch eine Menge Fragen gestellt.

„Ja. Da die OZ die einzigen sind, die Töne singen können, dadurch sind sie uns Menschen gegenüber unglaublich im Vorteil. Die Jäger sind ihre tödlichste Waffe. Sie tun was immer die OZ ihnen befehlen. Sie jagen uns, und es ist auch vorgekommen, das sie Menschen getötet haben. Allerdings war das vor langer Zeit. Schon seit Jahrzehnten hat keiner mehr versucht zu fliehen – zumindest nicht das ich wüßte."

„Das kann ich keinem verdenken!" rief Noin aus. „Wenn ich weiß, das mir eine Killermaschine hinterher geschickt wird, die mich mit Gewalt zurückschleift und vielleicht sogar tötet, dann würde ich es auch mehr als zweimal überlegen, bevor ich fliehe. Und selbst wenn die Flucht gelingen würde, wo sollten die armen Menschen schon hin? Die OZ scheinen ja alles zu beherrschen! Was für ein Glück, das sie die Erde noch nicht gefunden haben!"

„Selbst wenn sie die Erde gefunden hätten, das hätte nichts ausgemacht," antwortete ich. Auf Noins entsetzten Blick hin beeilte ich mich zu erklären, „Ihr könnt singen! Ihr könnt die Jäger beherrschen! Die OZ könnten euch niemals unterwerfen!"

„Ich hatte mich schon gewundert," sagte Quatre und ich sah fragend zu ihm hinüber.

„Ich meine, Shini," Quatre lächelte leicht, „Shini kam mir nicht besonders gefährlich vor. Es liegt an Duo, hab ich recht? Shini ist deshalb so friedlich, weil Duo ihn durch seinen Gesang besänftigt hat."

Ich nickte langsam, aber ich war mir nicht wirklich sicher, ob es nur daran gelegen hatte. Denn normalerweise genügte Gesang allein nicht, damit ein Jäger sein Verhalten änderte. Gesang war nötig, um die 'Aufmerksamkeit' eines Jägers zu erregen. Gesang aktivierte die Befehlseingabe. Aber damit ein Jäger dann auch tat was man von ihm wollte, mußte man ihm einen Befehl geben. Duo hatte das noch nie wirklich getan. Warum also war der Jäger friedlich geworden, als er mich verfolgt hatte? Warum hatte er von mir abgelassen und war zu Duo geflogen?

Und noch viel wichtiger, warum hatte der Jäger Duo gestern Abend verteidigt? Erst jetzt, als ich darüber nachdachte, fiel mir auf, wie ungewöhnlich das gewesen war. Klar, Jäger wurden auch zum Schutz verwendet, insofern war Shinis Verhalten nicht seltsam gewesen. Aber ich konnte mich nicht erinnern, das irgendjemand Shini den Befehl gegeben hatte, Duo zu beschützen. Und doch hatte Shini sich auf die drei Angreifer gestürzt und sie nicht nur erfolgreich von Duo abgehalten, sondern er hätte sie sogar schwer verletzt oder gar getötet, wenn Duo ihn nicht davon abgehalten hätte.

Ich schüttelte leicht verwundert den Kopf. Der Jäger schien absolut selbständig gehandelt zu haben. Vielleicht hatte er ja einen Fehler in der Programmierung? Oder Shini war beim Absturz beschädigt worden. Doch woran auch immer es gelegen hatte, ich würde mich nicht beschweren oder es gar ändern wollen, denn Shini hatte Duo vor Schaden bewahrt, und dafür würde ich dem Jäger immer dankbar sein.

„Und wie gut muß man singen können, damit die Jäger einen in Ruhe lassen?" fragte Noin. „Ich mein, nicht jeder hier auf der Erde kann so gut singen wie Duo. Wären diese Menschen denn dann in Gefahr?"

Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe hier auf diesem Planeten noch niemanden schlechter singen gehört als die OZ," antwortete ich. „Das was die OZ 'Gesang' nennen – im Grunde geben sie nur einzelne, unzusammenhängende Töne von sich, nicht zu vergleichen mit den wunderbar verwobenen Melodien die die Musik hier auf der Erde ausmachen."

„Du meinst, wir könnten alle hier unseren persönlichen Jäger haben?" Noin schien wirklich ernsthaft über eine solche Möglichkeit nachzudenken, und so wie es aussah gefiel ihr die Idee wirklich.

Quatre lachte auf. „Oh ja, ich kann es direkt vor mir sehen, Noin. Ich sehe schon, wie du dich mit einem Jäger zusammen in den Ausverkauf stürzt und deine Konkurrentinnen niedermähen lässt, um die heiß begehrten Schuhe als erste zu bekommen."

Noin streckte Quatre die Zunge raus und er grinste sie an. Ich lächelte erleichtert auf. Zumindest diese beiden schienen meine Geschichte sehr gut aufgenommen zu haben – und es schien ihnen nicht das geringste auszumachen, daß ich nicht von diesem Planeten kam. Wenn ich jetzt nur noch wüßte, warum Duo so heftig darauf reagiert hatte!

„Heero," sagte Quatre und ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn, „Hast du was dagegen, wenn wir nachher mitkommen und uns dein Raumschiff ansehen?"

„Wieso sollte ich etwas dagegen haben?" fragte ich.

„Nun, vielleicht möchtest du ja nicht, wenn zu viele Leute in deinem Schiff rumlaufen."

„Mein Schiff? Wing ist nicht mein Schiff – es gehört J."

Quatre zog eine Augenbraue hoch. „So wie ich es sehe, hast du das Schiff – Wing – von J geklaut. Und Wing scheint sich wohl einverstanden erklärt zu haben, dir auch zu helfen, oder?"

Ich nickte.

„Nun, dann ist es jetzt eindeutig dein Schiff. Gratuliere Heero, du bist jetzt Besitzer eines Raumschiffes!" Quatre grinste mich an.

Ich sah ihn nachdenklich an. So hatte ich es zwar bis jetzt nicht betrachtet, aber Quatre hatte recht. Ich hatte das Schiff von J gestohlen, und da Wing offensichtlich auch nicht mehr zu J zurückkehren wollte, gehörte das Schiff jetzt wohl mir. Ein kleines Lächeln schlich sich auf mein Gesicht.

In diesem Moment kam Duo wieder ins Zimmer. „Ok Leute, wer will jetzt alles mitkommen?"

Offenbar wollten alle mitkommen, denn Quatre und Noin standen sofort auf und auch Wufei mußte Duos Ausruf gehört haben, denn er schloß sich uns auf dem Weg zu Quatres Cabrio an. Ich hatte gehofft, das Duo wieder hinten auf dem Rücksitz neben mir sitzen würde und ich mich während der Fahrt wieder an ihn lehnen könnte. Das hatte mir sehr gefallen.

Aber offenbar hatten meine erneuten Erklärungen nichts an Duos Einstellung zu mir geändert, denn er setzte sich nach vorne neben Quatre, so daß ich mit Wufei und Noin hinten auf der Rückbank saß. Quatre warf Duo einen fragenden Blick zu – offenbar war ihm das seltsame Verhalten auch aufgefallen – doch Duo reagierte nicht darauf sondern sah einfach schweigend geradeaus. Und so fuhren wir los. Die Stille wurde nur ab und zu unterbrochen, wenn Duo Quatre Anweisungen gab, wie dieser zu fahren hatte.

Eigentlich hätte ich mich freuen sollen. Endlich kam Bewegung in die Sache. Endlich unternahm ich etwas, um mein Versprechen einzuhalten und Trowa zu retten. Doch ich fühlte mich alles andere als glücklich. Mein Herz war mir schwer und mein Hals tat mir weh. Und obwohl ich es versuchte, konnte ich meine Gedanken nicht auf die Zukunft lenken. Alles was ich tun konnte war mit brennenden Augen auf Duos Hinterkopf zu starren. Und mir wünschen, ich könnte die Zeit zurückdrehen.