Titel: Enjoy the Silence
Autor: Zanna
Disclaimer: siehe Kapitel 1
Betadank: Laren
Kommentar: So, trotz der etwas längeren Pause gehts jetzt wieder weiter - und den nächsten Teil wirds vielleicht sogar schon früher geben als nächstes Wochenende, mal sehen.
Kapitel 16
Heero POV
Ich öffnete die Augen und blinzelte verschlafen. Für einen kurzen Moment wußte ich nicht, wo ich war. Doch dann konnte ich Duo spüren, der die Arme um mich geschlungen neben mir lag und mir fiel alles wieder ein.
Gestern Abend... Mir fehlten einfach die Worte. Niemals in meinem ganzen Leben hätte ich gedacht, das es solche Empfindungen geben könnte. Das etwas derart überwältigendes existieren konnte. Jede von Duos Berührungen, jede Zärtlichkeit hatte sich angefühlt als würden Blitze durch meine Nerven ziehen. Mein ganzer Körper hatte in Flammen gestanden, hatte geglüht und nach mehr verlangt, und Duo hatte mir immer mehr gegeben. Und dann war ich explodiert.
Oder so hatte es sich zumindest angefühlt. Als wäre ich gestorben. Für einen kurzen Augenblick hatte das Universum aufgehört zu existieren und es hatte nur Duo und mich gegeben. Wenn Wing in diesem Augenblick von einem Kometen oder Meteoriten getroffen worden und explodiert wäre, ich wäre glücklich gestorben.
Lächelnd schlang ich meine Arme noch fester um Duo. Glücklich. Das war ich tatsächlich. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich wirklich und wahrhaftig glücklich. Es war fast erschreckend, denn das Gefühl war für mich so ungewohnt. Und doch würde ich alles tun, alles geben, um mich immer so fühlen zu können.
Ich hob den Kopf und sah hinab auf Duo. Wie immer hatte er im Schlaf den Mund leicht geöffnet und sah absolut unschuldig und friedlich aus. Ich lächelte wieder und drückte mein Gesicht in seine Halsbeuge. Ich liebte es so an Duo geschmiegt dazuliegen, seinen leisen Atemzügen zu lauschen, seinen Duft zu riechen und seine Umarmung zu spüren.
Duo mußte meine Bewegung gespürt haben, denn er grummelte leicht im Schlaf, verstärkte seinen Griff um mich und rieb sein Gesicht an meinen Haaren. Mein Lächeln wurde noch tiefer. Ich glaube, ich hatte noch niemals zuvor so viel gelächelt wie an diesem Morgen.
Aber ich hatte schließlich auch jeden Grund dazu. Denn ich wusste jetzt, dass Duo etwas für mich empfand. Und es mußte mehr sein als nur reine Freundschaft. Ich wagte es noch nicht, von Liebe zu sprechen, aber da war definitiv etwas. Denn sonst hätte er keinen Sex mit mir gehabt.
Ich gebe es zu, ich hatte zwei Gründe gehabt warum ich Duo gebeten hatte mir zu zeigen, was Sex war. Natürlich, ich war wirklich neugierig gewesen. Hatte wissen wollen, warum die Menschen auf der Erde so verrückt danach waren. Und – wow! Ich wußte jetzt definitiv warum alle auf der Erde so versessen auf Sex waren!
Aber der zweite Grund war vielleicht sogar noch wichtiger gewesen. Ich hatte durch diese Frage auch rausfinden wollen, was Duo für mich empfand. Denn wenn er mich immer noch verabscheut hätte, dann wäre er mit Sicherheit nicht darauf eingegangen. Das hatte ich zumindest aufgrund meiner Nachforschungen angenommen. Und es machte Sinn, Sex wurde immer mit Gefühlen der Zuneigung in Verbindung gebracht, nirgendwo hatte ich gelesen das irgendwer Sex mit jemandem hatte, den er verabscheute.
Aber Duo hatte es nicht abgelehnt, mir zu zeigen was Sex war. Im Gegenteil, er war so unglaublich einfühlsam und zärtlich gewesen – jede Berührung war so unfassbar liebevoll gewesen. Und das gab mir Hoffnung. Hoffnung darauf das Duo mich irgendwann vielleicht doch lieben könnte.
Ich war gerade dabei zu überlegen, wie ich Duo wohl dazu überreden konnte, die gestrige Erfahrung so bald wie möglich zu wiederholen, als plötzlich ein Alarmsignal ertönte.
Erschrocken setzte ich mich aufrecht, und nur Sekunden später war auch Duo wach und starrte mich erschreckt an. „Was ist los?" rief er.
„Keine Ahnung," antwortete ich, kletterte aus dem Bett und begann nach meinen Klamotten zu suchen. Duo tat es mir nach.
Als wir beide endlich fertig angezogen waren, liefen wir aus der Kabine. Im Cockpit angekommen trafen wir auf Quatre, Noin und Wufei, die gebannt auf eine Anzeige starrten.
„Was ist passiert?" rief Duo, „Was bedeutet diese Sirene?"
„Ich empfange eine Art Notsignal," antwortete Wing. „Es kommt von einem Schiff in der Nähe. Ich hielt es für das Beste, euch so schnell wie möglich zu warnen."
„Wessen Schiff ist es?" fragte ich Wing und beugte mich besorgt über die Anzeige. Wir konnten es jetzt so gar nicht gebrauchen von irgendeinem OZ entdeckt zu werden.
Wing schwieg für eine Sekunde, dann antwortete sie, „Ich weiß es nicht."
„Du weißt es nicht?" fragte ich erstaunt. Auf die fragenden Blicke der anderen erklärte ich, „Die Schiffseinheiten können miteinander kommunizieren. So kann jedes Schiff eindeutig identifiziert werden."
„Und warum fragt Wing dann nicht einfach die Schiffseinheit des anderen Schiffes, wem es gehört?" fragte Quatre.
„Weil es keine Schiffseinheit in diesem Schiff gibt. Ohne Schiffseinheit kann ich keinen Kontakt herstellen," war Wings Antwort.
Wir starrten uns verblüfft an.
„Es gibt keine Schiffseinheit in dem anderen Schiff?" fragte Duo. „Aber wie ist es dann in der Lage zu fliegen? Oder ein Notsignal auszusenden? Ich dachte das geht nur mit Schiffseinheiten."
„Eigentlich fliegt es auch gar nicht," warf Wufei ein, der bisher schweigend auf die Anzeigen gestarrt hatte. „Es scheint vielmehr einfach so im Weltall zu treiben."
„Das ist korrekt," erwiderte Wing. „Ich registriere keinen aktiven Antrieb. Und auch die übrigen Energiequellen an Bord des Schiffes sind sehr gedämpft. Das Schiff ist auch sehr alt. Möglicherweise wird dieses Notsignal schon seit Jahren ausgesendet."
„Es ist gestrandet!" rief Duo. „Wahrscheinlich ist mit der Schiffseinheit und der Besatzung irgendwas passiert und jetzt treibt dieses Schiff einfach so herrenlos im All."
„So sieht es aus," sagte Quatre und blickte stirnrunzelnd auf die Anzeigen. „Aber hättest du das Signal denn dann nicht auch schon auf dem Hinflug vor gut zwei Wochen bemerken müssen, Wing?"
„Während dieses Fluges war ich deaktiviert," antwortete Wing.
„Oh," machte Quatre.
„Und was sollen wir jetzt deswegen tun?" fragte Noin und blickte Quatre an.
Quatre jedoch sah mich an. „Was meinst du, Heero?"
„Ich... ich weiß nicht," stammelte ich. Doch dann fiel mir wieder ein, worüber ich mit Quatre und Wufei am Vortag diskutiert hatte. „Vielleicht... vielleicht sollten wir hinübergehen und es untersuchen? Wenn wir den Antrieb zum Laufen bringen, dann könnte das Schiff nützlich sein."
Quatre lächelte mich an. „Das ist genau das was ich auch gedacht habe."
„Was? Worüber redet ihr?" fragte Duo und blickte abwechselnd von mir zu Quatre.
„Nun, wir haben gestern überlegt wie wir diese Rettungsmission am besten durchziehen, und dabei ergab sich auch die Frage, was wir machen sollen, wenn J den Orbit von L1 bereits bewachen lässt. Hätten wir ein zweites Schiff, so könnten wir ein Ablenkungsmanöver durchführen," erklärte Quatre.
„Ah," Duo nickte.
„Wing?" rief ich, „Kannst du an das fremde Schiff andocken?"
„Natürlich," kam Wings Antwort.
Minuten später war es soweit. Wing hatte ihren Flug abgebremst, hatte sich dem Treibflug des leeren Schiffes angepasst und angedockt. Rasch lief ich zur Luftschleuse. Ich war wirklich neugierig und auch ein wenig aufgeregt. Ich hatte außer Wing noch niemals ein anderes Schiff gesehen. Wer wußte schon was es dort drüben alles zu entdecken gab?
Als Wing die Luftschleuse öffnete, stürmte ich als erstes in das leere Schiff. Ich konnte Quatre etwas weiter hinten eine Bemerkung über meine Neugier machen und Duos leises Glucksen darauf hören, doch ich beachtete sie nicht.
Allerdings wünschte ich mir nur Sekunden später, ich wäre nicht ganz so neugierig gewesen. Denn kaum hatte ich das Schiff betreten, als auf einmal die Schotten des fremden Schiffes mit einem lauten Knall zufielen. Erschrocken sah ich mich um und traf auf Wufeis ebenso erschrockenen Blick. Offenbar war er mir dicht auf den Fersen gewesen und saß jetzt ebenso in der Falle wie ich.
Mit einem raschen Schritt trat ich an die Tür des Schiffes und warf einen Blick aus dem kleinen Fenster. Ich konnte Duos und Quatres erschrockene Gesichter auf der anderen Seite sehen. Die beiden versuchten scheinbar die Tür wieder zu öffnen, und ich sah mich verzweifelt um, ob es auf dieser Seite der Tür irgendeinen Öffnungsmechanismus gab.
„Verdammt," fluchte Wufei unterdrückt und half mir suchen. Doch wir hatten kein Glück, es gab keine Möglichkeit die Tür zu öffnen.
Und dann hörte ich ein Geräusch, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Ich hörte das Geräusch von Antriebsaggregaten.
„Nein..." flüsterte ich und starrte erneut mit riesigen Augen aus dem kleinen Fenster. Verzweifelt versuchte ich Duo und Quatre zu signalisieren, das sie sich von der Luftschleuse wegbewegen sollten. Wenn das fremde Schiff sich von Wing lösen und wegfliegen würde, dann würden die beiden in das Weltall hinausgeschleudert werden. Eine schreckliche Vorstellung.
Doch obwohl die beiden nicht zu mir hersahen – sie waren noch immer viel zu sehr damit beschäftigt, zu versuchen die Tür zu öffnen – schienen sie mitzubekommen, was geschah, denn plötzlich rannten sie schnell von der Luftschleuse weg. Das letzte was ich sehen konnte, bevor Wing die Luftschleuse schloß war Duos verzweifeltes Gesicht.
Und dann begann das Schiff sich von Wing zu entfernen. Verzweifelt schlug ich noch einmal gegen die Tür des Schiffes, doch natürlich geschah auch diesmal nichts. Was wohl ganz gut war, denn inzwischen waren wir schon ein ganzes Stück von Wing weg, und wenn die Schleuse sich ausgerechnet jetzt geöffnet hätte, dann wären Wufei und ich hinaus ins kalte Weltall geschleudert worden.
„Verdammt!" fluchte Wufei, der neben mir stand und ebenfalls aus dem Fenster zu Wing hinübersah. „Wie konnte das passieren? Wing hat doch gesagt das der Antrieb deaktiviert war."
„Scheinbar wurde er wieder reaktiviert," antwortete ich.
Wufei blickte mich düster an. Auch ihm war bewußt was das bedeutete. Irgendjemand – oder irgendetwas – war noch auf diesem Schiff. Und wer oder was immer es war, er hatte uns entführt. Aus welchem Grund, das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
„Was sollen wir jetzt tun?" fragte Wufei und sah mich fragend an.
„Wir sollten rausfinden was hier los ist. Und wir sollten versuchen das Schiff zu stoppen," antwortete ich. „Duo und die anderen werden sicherlich alles daran setzen uns zu folgen. Aber wenn wir nicht anhalten können sie nichts tun."
Wufei nickte mir zu und wir drehten uns beide um und sahen uns zum ersten Mal wirklich in unserer Umgebung um. Wir waren in einer Art Laderaum; zumindest war der Bereich riesig und fast völlig leer. Hier und dort standen ein paar große Container herum, aber sie sahen aus als wären sie schon seit Jahren nicht mehr bewegt worden.
Langsam ging ich auf die Tür in der gegenüberliegenden Wand zu. Dort angekommen beäugte ich sie kritisch. Sie hatte sich nicht wie die Türen auf Wing selbständig geöffnet; aber das hatte ich auch nicht erwartet. Wing hatte gesagt das es auf diesem Schiff keine KI mehr gäbe, und ohne KI würden sich die Türen natürlich auch nicht von alleine öffnen.
Wufei trat neben mich und fragte, „Hast du eine Ahnung wie wir die aufbekommen sollen?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Nein. Aber es muß eine Möglichkeit geben. Die OZ werden sicherlich auch in der Lage sein Türen zu öffnen wenn die KI deaktiviert ist."
Gemeinsam begannen wir die Seiten der Tür abzuklopfen. Endlich fanden wir eine kleine Schalttafel, und nach einigem hin und her probieren fanden wir heraus wie sich der Öffnungsmechanismus der Tür betätigen ließ.
Mit einem knirschenden Geräusch fuhr die Tür ein Stück auf; nicht vollständig, aber doch weit genug so das Wufei und ich uns hindurchzwängen konnten. Dann standen wir auf dem Flur und blickten abwechselnd nach links und rechts.
„Und wohin jetzt?" fragte Wufei.
Wieder zuckte ich mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Ich kenne mich mit so alten Schiffen nicht aus. Ich habe keine Ahnung in welcher Richtung das Cockpit liegen könnte."
Schließlich wählten wir einfach zufällig eine Richtung aus und liefen los. Natürlich stürmten wir nicht einfach blind drauflos, immerhin waren wir gerade von irgendjemand oder –etwas entführt worden. Und ich war mir nicht sicher, was mir mehr Sorgen bereitete – das 'irgendjemand' oder das 'irgendetwas'. Deshalb bewegten wir uns sehr vorsichtig vorwärts.
Wir kamen an einer Menge Türen vorbei. Natürlich öffnete sich keine automatisch und wir blieben jedesmal stehen um die Türen manuell zu öffnen und wenigstens einen Blick hineinzuwerfen. Es wäre ja schließlich zu dumm wenn wir am Cockpit einfach vorbeispazieren würden, nur weil wir zu faul waren die Türen zu öffnen.
Doch wir fanden nur leere Lagerräume und Räume die wohl mal Quartiere der Mannschaft gewesen sein mußten. Alles sah leer und verlassen aus – seit Jahren verlassen. Erneut fragte ich mich, was hier wohl geschehen sein mochte.
Ich weiß nicht wie lange wir inzwischen in diesem Schiff umherirrten. Eines war klar, das Schiff war riesig. Wir hatten natürlich schon von außen gesehen, dass es viel größer als Wing war, aber mit all den leeren Hallen und Gängen wirkte es nur umso größer. Und gespenstischer.
Schließlich kamen wir an das Ende des Ganges. Ein riesiges Schott versperrte uns den Weg, und wir blieben davor stehen und suchten erneut nach dem Öffnungsmechanismus. Ich wunderte mich kurz, ob es denjenigen der auf diesem Schiff zu Hause war nicht störte, die Türen immer auf eine derart umständliche Art und Weise zu öffnen. Doch dann fand Wufei den Mechanismus und ich dachte nicht länger darüber nach.
Leider schien diese Tür noch länger nicht bewegt worden sein als die vorherigen, denn sie öffnete sich nur einen winzigen Spalt. Egal wie oft Wufei den Öffnungsmechanismus auch betätigte, es passierte nichts. Ich stellte mich ganz nah an die Tür und spähte mit einem Auge hindurch.
„Kannst du was sehen?" fragte Wufei.
„Ja," antwortete ich und trat wieder einen Schritt zurück. „Der Gang auf der anderen Seite scheint in besserem Zustand zu sein als dieser hier. Vielleicht führt er sogar zum Cockpit. Wir sollten versuchen die Tür aufzubekommen."
Wufei nickte und packte eine Seite des Schotts mit beiden Händen. Ich tat es ihm nach, und dann zogen und zerrten wir beide jeweils an unserem Teil der Tür. Nach einer Weile gab meine Seite ein knirschendes Geräusch von sich und ließ sich ein Stück weiter öffnen.
Ich warf einen kurzen Blick zu Wufei. Er hatte inzwischen einen knallroten Kopf vor Anstrengung, aber sein Schott rührte sich nicht ein Stück. Ich schüttelte innerlich den Kopf. Für einen Moment hatte ich vergessen, das Wufei ja nicht wie ich auf Stärke hin gezüchtet war. Kein Wunder das er die Tür nicht bewegen konnte.
„Vielleicht solltest du mir lieber helfen, wenn wir gemeinsam dran ziehen kriegen wir sie vielleicht weit genug auf," sagte ich. Wufei sah mich einen Augenblick lang stumm an, dann nickte er und trat hinter mich.
Erneut griff ich mit beiden Händen nach dem Rand der Tür und Wufei tat es mir nach. Wieder gab das alte Metall ein Ächzen von sich und bewegte sich einen weiteren Millimeter. Ich hob ein Bein und stemmte es in den inzwischen etwas breiteren Spalt.
Mit einem letzten, fast qualvollen Stöhnen gab die Tür nach und glitt ein großes Stück weit auf. Wufei und ich stolperten ein paar Schritte rückwärts, bevor wir unser Gleichgewicht wieder fangen konnten.
Vorsichtig traten wir in den heller erleuchteten Gang hinaus. Hier sah es schon eher so aus als würde doch jemand auf dem Schiff leben. Nicht nur war der Gang allgemein in einem weniger schäbigen Zustand, nein auch die Türen an denen wir vorbeikamen ließen sich leichter und weiter öffnen.
Aber wie schon vorher trafen wir auch hier nur leere Räume an. Ich schüttelte verwundert den Kopf. Dieses Schiff hatte offensichtlich zu irgendeinem Zeitpunkt einmal eine recht große Mannschaft beherbergt – wo war sie geblieben? Und was mich viel mehr interessierte – wer von dieser Mannschaft war noch hier?
Plötzlich hörte ich Stimmen und blieb abrupt stehen. Wufei warf mir einen fragenden Blick zu.
„Ich höre jemanden," flüsterte ich.
Wufei warf einen kurzen Blick zurück, dann deutete er auf eine der Türen. Schnell öffneten wir sie und schlüpften hinein. Ich blickte mich in dem Raum um. Es handelte sich um eines der leeren Quartiere. Hastig schlossen wir die Tür wieder, ließen sie aber einen winzigen Spalt offen. Ich wollte hören, was die Personen zu sagen hatten.
Die Stimmen näherten sich immer mehr, und jetzt konnte ich erkennen, das es sich nur um zwei verschiedene Stimmen handelte. Zwei männliche Stimmen.
„... ich hab dir doch gesagt das es eine absolut dumme Idee war..."
„... kann mich nicht erinnern das du eine bessere gehabt hättest..."
„... immerhin... J's Assistent..."
„... alles deine Schuld... wäre ICH heute der Anführer gewesen..."
Die Stimmen wurden wieder leiser und verschwanden dann ganz. Offenbar stritten die beiden sich gerade, aber worum es genau ging konnte ich nicht sagen, denn sie waren an unserem Versteck vorbeigestürmt ohne auch nur einmal innezuhalten.
Allerdings hatte ich einen Satzfetzen nur zu genau verstanden. J's Assistent. Sie hatten von mir gesprochen. Sie wußten wer ich war. Und das bedeutete, sie waren auf der Suche nach mir. J hatte sie geschickt um mich wieder einzufangen. Das Schiff hier war eine Falle, und ich war auch prompt hineingetappt.
„Es ist eine Falle," flüsterte ich, völlig überrumpelt.
Wufei warf mir einen sarkastischen Seitenblick zu. „Tatsächlich? Das ist mir noch gar nicht aufgefallen."
„Nein, ich meine, das ist eine Falle von J!"
Wufei runzelte die Stirn. „Das glaub ich nicht."
Ich drehte meinen Kopf und sah ihn an. „Hast du denn nicht gehört was die beiden gesagt haben? Sie haben von 'J's Assistent' gesprochen! Das bin ich!"
Wufei schüttelte den Kopf. „Trotzdem. Ich glaube nicht das J dahinter steckt. Woher hätte er schließlich wissen sollen, das wir hier vorbeikommen?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber woher wußten die beiden dann von mir?"
Jetzt zuckte Wufei mit den Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht haben sie nur Wing als J's Schiff identifiziert."
Ich schüttelte den Kopf. „Aber sie haben doch gar keine KI, wie sollten sie Wing dann identifizieren?"
Wufei seufzte. „Wie auch immer, ich denke wir sollten trotzdem mit unserem Plan fortfahren."
Ich nickte. Wenn das hier tatsächlich eine Falle von J war wie ich glaubte, dann war es noch viel wichtiger, das Schiff anzuhalten.
Rasch verließen wir das leere Quartier und liefen in die selbe Richtung in die die beiden Männer vor kurzem gelaufen waren. Und wir hatten Glück, wir mußten nicht mehr weit laufen. Das Cockpit war nicht weit von unserem Versteck entfernt. Nur leider war es nicht leer.
Da die Tür zum Cockpit weit offen stand konnten wir die beiden Männer darin sehr gut sehen. Glücklicherweise schienen sie so sehr miteinander beschäftigt zu sein, so das sie Wufei und mich nicht bemerkten. Wir drückten uns an die Wand bei der offenen Tür, warfen ab und zu kurze Blicke hinein und lauschten.
„Verdammt nochmal, das hier läuft gar nicht wie geplant!" rief der rothaarige Mann und lief aufgeregt auf und ab.
„Was hast du denn gedacht, das die beiden sich brav an deinen Plan halten, Treize?" fragte der andere Mann und lehnte sich relativ ruhig in seinem Sitz zurück.
„Nein, natürlich nicht! Aber woher hätte ich wissen sollen, das die beiden aus dem Frachtraum fliehen würden? Wieso sind sie nicht dort geblieben?"
„Wir sind von der normalen Reaktion eines Sklaven ausgegangen. Immerhin wußten wir ja nicht mit wem wir es zu tun haben. Das wir ausgerechnet auf J und seine beiden Assistenten stoßen würden hätten wir doch nicht wissen können!"
„Was willst du damit sagen, Zechs?"
„Nun ja, J bekommt von allem immer nur das Beste. Natürlich sind seine Assistenten nicht so wie die gewöhnlichen Sklaven. Darum sind sie nicht einfach im Frachtraum geblieben und haben darauf gewartet, das ihnen jemand sagt was sie zu tun haben."
„Verdammt Zechs, wieso läuft eigentlich alles was wir anfangen immer nur schief?" rief der rothaarige Mann und ließ sich verzweifelt in einen der Sessel fallen. Er stützte seinen Kopf in die Hände und starrte auf den Boden.
„Na, na," machte der blonde Mann und tätschelte die Schulter des anderen. „Wir hatten bisher nur noch nicht viel Glück, das ist alles. Das wird schon werden."
„Und wie soll das bitteschön besser werden?" fragte der andere, den Kopf immer noch in den Händen verborgen. „Wir haben zwei Sklaven die frei in unserem Schiff herumstreunen und wahrscheinlich nur darauf aus sind uns zu überwältigen und zu ihrem Herrn zurückzukehren. Und wir haben mit großer Sicherheit J mehr als nur verärgert. Glaub mir, er wird garantiert hinter uns her sein. Nicht weil ihm seine Assistenten so wichtig sind, sondern weil ihm niemand ungestraft etwas wegnimmt was ihm gehört."
Der Blonde warf einen kurzen Blick auf seine Anzeigen. „Tja, sieht so aus als hättest du Recht. J hat die Verfolgung bereits aufgenommen."
„Was?" rief der andere, sprang auf und trat ebenfalls auf die Konsole zu.
Ich blinzelte verwirrt in Wufeis Richtung. Ich konnte mir keinen Reim auf diese Unterhaltung machen. Wenn J diese beiden beauftragt hatte, mich zurückzuholen, warum sollte er sie denn dann verfolgen? Und noch wichtiger, warum sollten die beiden vor ihm fliehen?
Aber wenn J sie nicht beauftragt hatte, woher wußten sie dann von mir? Warum hatten sie mich entführt? Denn ich war mir sicher, das sie nicht hinter Wufei her waren.
„Mach dir keine Sorgen, Treize," sagte der Blonde gerade. „J's Schiff ist zwar schneller als wir, aber wir haben etwas Vorsprung, und wenn wir es bis zu dem Asteroidenfeld da vorne schaffen bevor es uns eingeholt hat, wird er uns nie finden."
Der andere Mann fluchte nur unterdrückt und begann an der Konsole zu hantieren.
Inzwischen war mir ein Gedanke gekommen. Konnte es sein, das die beiden mit 'J's Schiff' etwa Wing meinten? Immerhin, Wing war einmal J's Schiff gewesen, und Wing war natürlich in unmittelbarer Nähe gewesen als wir entführt worden waren. Es war nur zu logisch anzunehmen, das Duo, Quatre und Noin sofort die Verfolgung aufgenommen hatten.
Ich warf Wufei einen aufgeregten Blick zu, und offenbar hatte er die selbe Idee gehabt, denn sein Blick war ebenso hoffnungsvoll wie mein eigener. Allerdings mußten wir die beiden daran hindern sich zu verstecken – ich wollte mir gar nicht vorstellen, was wäre wenn Duo und die anderen uns nicht finden könnten.
Mit einem Nicken in Wufeis Richtung stieß ich mich von der Wand ab und trat durch die Tür. Wufei tat es mir nach.
Die beiden Männer drehten sich überrascht nach uns um. Einige Momente lang starrten wir uns nur an, dann trat der Rothaarige mit einem leichten Lächeln vor.
„Willkommen. Mein Name ist Treize und das hier ist Zechs," er deutete auf den blonden Mann, der noch immer im Pilotensessel saß.
„Stoppt das Schiff," knurrte ich und schickte den beiden meinen bedrohlichsten Blick.
„Ihr versteht nicht," versuchte der Rothaarige – Treize – es erneut. „J ist uns dicht auf den Fersen."
Langsam ging ich näher auf die beiden Männer zu. Eigentlich wollte ich ja nur einen Blick auf die Anzeigen werfen, aber scheinbar schienen die beiden mein Näherkommen als Bedrohung anzusehen.
Treize hob seine Hände leicht. „Was hast du vor?" fragte er und trat einen kleinen Schritt zurück.
Ich ignorierte ihn. Wufei war inzwischen auch weiter in den Raum getreten und näherte sich den beiden jetzt in einem Halbkreis von der anderen Seite. Treize warf uns beiden abwechselnd nervöse Blicke zu. Zechs hingegen schien weiterhin völlig ruhig und unbeeindruckt in seinem Sessel zu sitzen und das ganze eher neugierig zu betrachten.
Inzwischen war ich nah genug um die Anzeigen zu sehen. Tatsächlich, Wing war dicht hinter uns. Ich gestattete mir ein kleines innerliches Lächeln. Jetzt mußten wir dieses Schiff hier nur noch zum Anhalten bringen.
Erneut richtete ich einen eiskalten Blick auf die beiden. „Stoppt das Schiff," wiederholte ich.
Zechs hob eine Augenbraue. „Ich weiß, es ist wahrscheinlich schwer es zu akzeptieren, aber ihr seid jetzt frei. Ihr seid keine Sklaven mehr. Ihr müßt nicht zu J zurückkehren," er deutete auf die Anzeigen.
„Das ist nicht J's Schiff," knurrte ich.
Treize blinzelte überrascht. „Natürlich ist das J's Schiff. Unsere Scanner zeigen das ganz klar. Die KI sendet eine ganz eindeutige Kennung aus. Das hier ist J's Schiff, und an Bord befinden sich J und seine zwei Assistenten. Das heißt, dort befanden sich seine zwei Assistenten. Aber wir haben euch ja jetzt befreit."
Jetzt war es an mir verwirrt zu blinzeln. Wieso sollte Wing eine solche Kennung aussenden? Das machte doch keinen Sinn.
„Und wie wollt ihr diese Kennung empfangen haben? Euer Schiff hat keine KI," warf jetzt Wufei ein und riß mich aus meiner Verwirrung.
Der rothaarige Mann schnaubte hochnäsig. „Wir brauchen keine KI. Wir sind nicht abhängig von den OZ und ihrer Technik. Wir sind frei. Und ihr könnt es auch sein. Ihr müßt es nur akzeptieren!"
„Ich habe gesagt, ihr sollt das Schiff stoppen. Sofort!" knurrte ich. Ich hatte jetzt keine Lust mich mit dem Unsinn auseinanderzusetzen, den diese beiden da von sich gaben.
Der blonde Mann streckte die Hand aus, gab ein paar Befehle ein und lehnte sich dann mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck in seinem Sessel zurück.
„Was ist los?" fragte ich alarmiert.
„Ich habe nur getan was du wolltest," antwortete Zechs, noch immer diesen zufriedenen Ausdruck im Gesicht. „Das Schiff hat angehalten."
Irgendwie traute ich seiner plötzlichen Nachgiebigkeit nicht. Ich warf einen schnellen Blick auf die Anzeigen und sah, das wir inzwischen das Asteroidenfeld erreicht hatten, von dem die beiden vorher gesprochen hatten.
Ich fluchte unterdrückt.
„Was ist?" fragte Wufei und schob sich noch ein Stück näher an die beiden heran.
„Wir haben dieses Asteroidenfeld erreicht, in dem sich diese beiden Idioten verstecken wollten," antwortete ich.
„Aber kann uns Wing nicht trotzdem orten?" fragte Wufei.
„Das ist ja das schöne an der Sache," strahlte Zechs. „Unser Schiff hat keine KI, deshalb können wir nicht geortet werden, wenn wir den Antrieb deaktivieren und das Energielevel herunterfahren."
Ich starrte ihn wütend an. In diesem Moment wäre ich zu einem Mord bereit gewesen. Nein eigentlich zu zwei Morden. Diese beiden Idioten waren schuld daran, das ich von Duo getrennt war.
„Und wir sind keine Idioten," warf der Rothaarige verspätet ein. „Wir sind Rebellen!"
