Titel: Enjoy the Silence
Autor: Zanna
Disclaimer: siehe Kapitel 1
Betadank: wie immer Laren
Kommentar: Sorry das es diesmal etwas länger gedauert hat, aber ich war am WE sowas von breit, da hab ich einfach nix zustande bekommen :-) Wie auch immer, jetzt gehts ja weiter, und ich hoffe es war nicht so schlimm das es mal etwas gedauert hat.
Hm, wieviele Kapitel das noch werden? Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung. Ich hab zwar die ganze Story - in mehr oder weniger groben Umrissen - bereits im Kopf, aber ich weiß nie so genau, was die Charas als nächstes vorhaben. Die überraschen mich ehrlich gesagt immer wieder (ich hatte eigentlich nie vor, das Wufei und Heero entführt werden, das ist alles auf deren eigenem Mist gewachsen 'schulterzuck'). Wie gesagt, der Ablauf der Story liegt fest, aber was sich unsere Schneckchens so zwischendurch noch alles einfallen lassen... Es wird definitiv noch ne Weile dauern, bis die Story aus ist. 'g'
Kapitel 18
Duo POV
Ich beobachtete wie Wing sich dem fremden Schiff näherte. Ich war wirklich gespannt wie es wohl dort drüben aussehen würde – immerhin, Wing war bisher das einzige Raumschiff das ich jemals gesehen hatte. Und im Vergleich zu unserem war es riesig. Wing würde mit Sicherheit ohne Probleme ein paar Mal da hineinpassen.
Aber so aufgeregt ich deswegen auch war, ich war nicht halb so aufgeregt wie Heero es schien. Wenn es seinem Naturell nicht so völlig widersprechen würde, würde er garantiert jetzt vor Ungeduld auf und ab hüpfen. Aber auch so konnte ich spüren, wie er vor Spannung geradezu vibrierte.
Ich lächelte. Heero wirkte heute so... gelöst. Entspannt. Ich wünschte mir wirklich, dass wir heute Morgen nicht ganz so überhastet geweckt worden wären. Ich hätte gerne gewußt, was Heero jetzt dachte. Hätte gerne gewußt ob er es bereute. Ich hätte gerne mit ihm über das gesprochen, was gestern geschehen war. Vielleicht hätte ich sogar den Mut gehabt, ihm zu sagen was ich für ihn empfand.
Aber leider war uns ja etwas dazwischen gekommen. Und zwar in Form dieses fremden Schiffes. Und sofort hatten Heeros gesamte Gedanken wieder der Rettung seines Trowas gegolten. Es hatte mir einen ziemlichen Stich versetzt, das Heero offenbar so schnell vergessen konnte, was wir beide noch vor ein paar Stunden geteilt hatten.
Doch ich riß mich zusammen und versuchte nicht zu zeigen, wie sehr mich das verletzte. Ich hatte mir zwar vorgenommen, Heeros Liebe zu gewinnen, doch ich war mir darüber im klaren, daß es nicht so schnell und nicht so einfach werden würde.
Und selbst wenn ich Erfolg haben würde, so würde das ja sowieso nicht bedeuten, daß Heero Trowa einfach so vergessen würde. Und auch wenn ein Teil von mir sich sehnlichst wünschte das wir einfach umdrehen, zurückfliegen und die ganze Rettungsaktion ablasen würden, so wußte ich doch, dass es Unsinn war. Heero würde niemals jemanden im Stich lassen, schon gar nicht jemanden, den er liebte – oder einmal geliebt hatte.
Außerdem – ich würde dann niemals wissen, ob Heero wirklich mich liebte. Ob es ich war den er wollte, oder ob ich nur ein schaler Ersatz war. Erst wenn Trowa und ich uns gegenüberstanden, und Heero sich dann für mich entscheiden würde, dann würde ich wissen, dass er mich wirklich liebte. Ich wollte die wichtigste Person in seinem Leben sein, seine Nummer eins, und nicht die zweite Wahl.
Inzwischen hatte Wing das Andockmanöver beendet und die Luftschleuse öffnete sich und gab den Blick frei auf einen ziemlich großen, unbeleuchteten Raum auf der Seite des anderen Schiffes. Heero wartete nicht lange und stürmte sofort voran, dicht gefolgt – so seltsam das auch klang – von Wufei. Die Aussicht ein weiteres Raumschiff erkunden zu können schien auch die Neugierde unseres sonst so beherrschten Freundes anzuregen.
„Mann, wenn Heero nur noch ein bißchen ungeduldiger und neugieriger wär, dann hätte er wahrscheinlich gar nicht abgewartet bis Wing fertig angedockt hat sondern wär einfach direkt gesprungen," meinte Quatre amüsiert und mir entkam ein leises Glucksen.
Etwas langsamer machten wir uns daran den beiden ungeduldigen aus unserer Gruppe zu folgen, als sich plötzlich die Türen des fremden Schiffes schlossen. Geschockt stoppte ich mitten im Schritt und starrte ungläubig auf das Schott.
„Was..." stotterte ich und sah mich nach Quatre um. „Was ist da los? Wing?"
„Ich weiß es nicht, Duo," antwortete Wing mir. Wenn ich es nicht besser wüßte würde ich sagen, das Wing ebenso erschrocken klang wie ich mich fühlte.
„Wir müssen die Tür irgendwie wieder aufbekommen," rief ich und begann die Außenwand des fremden Schiffes abzutasten. Quatre machte es mir nach, doch wir hatten beide kein Glück.
„Duo! Quatre! Ihr müßt hier weg!" rief Wing auf einmal.
„Auf keinen Fall! Wir müssen die Tür öffnen und die beiden befreien!" antwortete ich wütend und drückte weiter an dem großen Tor des fremden Schiffes herum.
„Das fremde Schiff hat seinen Antrieb gestartet," sagte Wing, „Wenn ihr euch nicht sofort von der Luftschleuse wegbewegt, werdet ihr ins Weltall geschleudert sobald sich das Schiff entfernt."
„Was?" rief ich verzweifelt. Das Schiff hatte seinen Antrieb gestartet? Verdammt!
„Duo, komm weg da!" rief Quatre, packte mich am Arm und zog mich vom fremden Schiff weg.
„Nein!" rief ich, „Heero ist noch da drüben!"
„Ich weiß," antwortete Quatre, ließ mich aber nicht los. „Genauso wie Wufei. Aber es nützt beiden gar nichts wenn wir jetzt sterben!"
Wing schloß die Luftschleuse und ich starrte verzweifelt aus dem Sichtfenster dem sich entfernenden Schiff hinterher. Heero! Nein!
„Wing, verfolge das Schiff!" rief Quatre.
Das riß mich aus meiner Starre. Q hatte recht, wir mußten das fremde Schiff verfolgen. Schnell rannte ich hinter ihm her zum Cockpit.
„Was ist los?" rief Noin, die im Cockpit geblieben war. „Was ist passiert?"
„Scheinbar war das Schiff nicht ganz so verlassen wie wir angenommen haben," antwortete Quatre ihr. „Heero und Wufei wurden entführt."
„Entführt?" rief Noin fassungslos. „Aber... wer sollte sowas schon tun? Und aus welchem Grund?"
Ich hörte den beiden nur mit halbem Ohr zu. Was für ein Rolle spielte es schon, wer der Entführer war und warum er es getan hatte? Sie hatten mir Heero weggenommen, und dafür würden sie bezahlen. Teuer bezahlen.
Gebannt starrte ich auf die Anzeigen und auf den blinkenden Punkt, der das fremde Schiff ausmachte. Langsam – zu langsam! – kamen wir näher. So ein Pech das Wing keine Waffen hatte. Andererseits, Heero und Wufei waren dort drüben. Selbst wenn Wing Waffen gehabt hätte, ich bezweifle das wir auf das andere Schiff geschossen hätten.
„Wing, geht das nicht ein bißchen schneller?" rief ich ungeduldig.
„Tut mir leid Duo," antwortete Wing mir, „Ich habe Schwierigkeiten das fremde Schiff zu verfolgen."
„Was?" rief ich. „Wieso?"
„Ich registriere immer noch keine Schiffseinheit dort drüben. Ich muß mich bei meiner Ortung allein auf die Energiesignatur des Antriebs verlassen. Das ist nicht so einfach," war Wings Antwort.
„Aber wir sind doch schneller, oder? Wir werden sie doch einholen?" fragte ich.
„Natürlich sind wir schneller," war Wings fast herablassende Antwort. „Das andere Schiff ist sehr alt. Auch wenn ich es nur schwer orten kann, ich werde es einholen."
Ich ballte meine Fäuste. Mein Blick war auf diesen winzigen Punkt fixiert, der das andere Schiff darstellte. Der winzige Punkt der mir zeigte wo Heero gerade war. Mit weit offenen Augen starrte ich darauf und wagte es kaum zu blinzeln. Und dann... verschwand der Punkt einfach.
Ich keuchte erschrocken auf und riss meine Augen weit auf. „Wing!" rief ich. „Wo ist es?"
„Was ist los?" rief Quatre und trat neben mich. Auf meiner anderen Seite konnte ich Noin ausmachen, aber ich nahm es gar nicht wirklich wahr. All meine Aufmerksamkeit war auf das fremde Schiff gerichtet. Das Schiff das soeben von unseren Sensoren verschwunden war.
„Ich... ich kann es nicht mehr orten." Wings Stimme hörte sich verblüfft an.
„Willst du damit etwa sagen das es wirklich verschwunden ist?" fragte ich fassungslos.
„Verdammt, Duo, was ist los?"
Ich drehte meinen Kopf langsam zu Quatre. „Das fremde Schiff ist verschwunden," stammelte ich ungläubig
Quatres Augen weiteten sich. „Verschwunden? Aber... wie kann das sein? Ich dachte wir sind schneller als sie? Wie können sie uns da entkommen sein?"
„Sie sind uns nicht entkommen," antwortete Wing. „Sie sind nur auf einmal von meinen Sensoren verschwunden. Ich kann sie nicht mehr orten."
Ich starrte blind auf Wings Bedienungsfeld hinab. Nein! Das konnte doch nicht sein. Bitte nicht. Ich konnte Heero doch nicht wirklich verloren haben! Nicht jetzt, wo ich endlich erkannt hatte was ich für ihn empfand! Ich hätte vor Wut am liebsten in die nächste Tischkante gebissen.
„Was meinst du, du kannst sie nicht mehr orten?" sagte Quatre. „Sie können doch nicht so einfach verschwunden sein."
„Aber das sind sie."
„Wo hast du das fremde Schiff zuletzt geortet, Wing?" fragte Quatre, der wie immer einen kühlen Kopf bewahrte. Ich war ihm wirklich dankbar dafür, ich glaubte nicht das ich jetzt einen klaren Gedanken fassen, geschweige denn einen klaren Satz rausbringen könnte.
„Das letzte Mal hatte ich es auf meinen Sensoren kurz bevor es in das Asteroidenfeld dort vorne geflogen ist," antwortete Wing.
„Dann sind sie nicht einfach verschwunden," rief Quatre, und das riss mich ein wenig aus meiner Erstarrung. „Sie müssen sich irgendwo zwischen den Asteroiden verstecken," fuhr Quatre fort.
„Glaubst du?" fragte ich und sah Quatre hoffnungsvoll an.
Quatre nickte. „Ich bin mir sicher. Sie waren nicht schnell genug um uns zu entkommen, und sie können sich auch nicht einfach in Luft aufgelöst haben. Also verstecken sie sich irgendwo dort zwischen den Asteroiden. Mach dir keine Sorge Duo," sagte er und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Wir werden sie finden."
„Das Feld sieht groß aus," warf Noin ein. „Sie könnten überall sein."
„Ich werde das Asteroidenfeld nach den Standardsuchparametern absuchen," sagte Wing. „Auf diese Weise können wir sicher sein, das wir nichts übersehen. Es wird zwar einige Zeit dauern, aber wir werden sie finden."
„Und was ist wenn sie einfach abhauen während wir hier suchen?" fragte ich verzweifelt.
„Wenn sie sich aus dem Staub machen wollen, müssen sie ihren Antrieb starten," sagte Quatre. „Und wenn sie das tun, dann kann Wing sie wieder orten."
„Das ist korrekt," sagte Wing.
Ich nickte niedergeschlagen und ließ mich in einen der Pilotensessel fallen. Diese Suche konnte lange dauern. Stunden, vielleicht sogar Tage. Und während all der Zeit wäre Heero in den Händen von – wem auch immer das Schiff gehörte.
Noins Frage, die ich vorhin kaum registriert hatte kam mir auf einmal in den Sinn. Wer hatte einen Grund Heero zu entführen? Denn ich konnte mir nicht vorstellen, das Wufei das Ziel dieser Entführung gewesen sein konnte. Niemand hier draußen wusste das Wufei überhaupt existierte. Nein, wer auch immer es war, er war explizit hinter Heero hergewesen.
Ich schluckte. Ich konnte mir nur einen einzigen Grund denken. Und eine einzige Person. J. Nur J hatte einen Grund Heero zu 'entführen'. Beziehungsweise ihn wieder einzufangen. Heero war vor J geflohen, und auch wenn Heero nur wenig über J erzählt hatte, so war mir klar das dieser ein Bastard war. Ein Bastard der es liebte seine Sklaven zu quälen. Und der nicht gerne verlor.
Heero hatte ihn gedemütigt indem er geflohen war. Ich war mir sicher das es J nicht so sehr um Heero selbst ging, denn für ihn musste ein Sklave so gut wie der andere sein. J konnte sich mit Sicherheit jederzeit einen neuen Assistenten beschaffen. Aber wenn er Heero einfach so davonkommen lassen würde, dann würde das ein schlechtes Beispiel setzen.
Beim Gedanken daran, das Heero jetzt dort drüben J ausgesetzt war und dieser sich weiß Gott was für Qualen für Heero ausdachte – oder vielleicht sogar schon durchführte! – wurde mir ganz schlecht. Nur der Gedanke das Heero nicht allein war, das Wufei bei ihm war und ihn und sich selbst zumindest gegen J's Jäger verteidigen konnte gab mir ein wenig Trost.
Kaum hatte ich das zu Ende gedacht, als mir ein weiterer schrecklicher Gedanke kam. Was wenn J Heero und Wufei getrennt hatte? Oder was wenn J Heero gar nicht mit Jägern attackierte? Heero hatte von all den Experimenten erzählt die J an ihm und Trowa durchgeführt hatte. Und auch ein wenig von dessen Methoden der Bestrafung. Dagegen half auch Gesang nichts.
Ich ballte meine Fäuste so fest das sich meine Fingernägel in meine Handballen bohrten, aber ich nahm den Schmerz kaum war. Wenn J Heero auch nur ein Haar krümmte, dann würde er mir das büßen. Ich würde ihn für alles was er Heero angetan hatte leiden lassen. J würde nie wieder irgendjemandem wehtun können, nachdem ich ihn erst einmal in die Finger bekommen hatte!
Langsam schlichen die Minuten dahin und mein Herz wurde von Sekunde zu Sekunde schwerer. Und gleichzeitig wurde meine Entschlossenheit J für alles zu bestrafen immer größer. Ich starrte mit unbewegtem Gesicht und verengten Augen aus dem Cockpitfenster.
„Duo?" fragte Quatre zögernd und legte mir erneut eine Hand auf die Schulter. „Alles in Ordnung mit dir?"
Ich drehte meinen Kopf nicht in seine Richtung sondern starrte weiter aus dem Fenster. „Wir müssen sie so schnell wie möglich finden," antwortete ich mit flacher Stimme.
„Das werden wir schon, mach dir keine Sorgen."
„Du verstehst nicht," sagte ich. „Jede Minute die Heero länger in J's Gewalt ist, ist eine Minute zuviel."
„J? Wie kommst du darauf das J die beiden entführt hat?" fragte Noin.
„Wer sollte es denn sonst sein?" fragte ich zurück. „Niemand sonst hat einen Grund Heero zu entführen."
Quatre und Noin schwiegen eine Weile, dann fragte Quatre, „Wing? Ist es möglich dass das andere Schiff J gehört?"
„Ich weiß es nicht," antwortete Wing. „Soweit ich weiß ist kein derartiges Schiff in J's Besitz. Aber er kann es nach unserer Flucht angeschafft haben."
„Aber du hast doch gesagt, das es keine Schiffseinheit auf dem Schiff gibt," warf Noin ein.
„Das ist richtig," antwortete Wing. „Aber es ist auch möglich ein Schiff ohne Schiffseinheit zu steuern."
„Indem man die KI einfach abschaltet," warf ich mit immer noch monotoner Stimme ein. „So ist Heero doch die Flucht geglückt. Und J wollte einfach sicher gehen, dass Heero nicht vorgewarnt werden konnte. Deshalb hat er die KI abgeschaltet."
„Ich weiß nicht," Quatre schüttelte den Kopf. „Da ist eine große Lücke in dieser Theorie, Duo. Woher hätte J wissen sollen das Heero ausgerechnet hier vorbeikommt? Er wusste doch nicht wohin Heero geflohen ist, geschweige denn das Heero wieder zurückkommen würde. Und schon gar nicht das er den Notruf empfangen kann. Irgendwas stimmt hier nicht."
Ich achtete gar nicht auf Quatres Argumente. Ein winziger Teil in mir schrie, das Quatre recht hatte und ich mir sorgfältig alle Fakten ansehen sollte, bevor ich zu irgendwelchen Schlussfolgerungen käme, aber dieser Teil wurde vom Rest einfach ignoriert. Der Rest war nämlich damit beschäftigt sich auszumalen, welche Qualen Heero jetzt durchzustehen hatte. Und wie ich J alles doppelt und dreifach zurückzahlen würde.
Im Hintergrund konnte ich hören wie Quatre und Noin sich unterhielten, aber ich nahm es nicht wirklich wahr. Ich fühlte mich völlig taub. Jedes Gefühl hatte mich verlassen, ich spürte nur noch Kälte. Es gab nur noch einen Gedanken der mich beherrschte – Heero.
„Ich habe wieder Kontakt zum anderen Schiff!" rief Wing auf einmal.
„Was?" rief Quatre aus. „Wie? Und wo sind sie?"
„Ich... ich weiß nicht," Wings Stimme klang verblüfft.
„Was meinst du damit?"
„Für einen kurzen Moment konnte ich den Antrieb des fremden Schiffes ausmachen, aber jetzt ist es wieder verschwunden," antwortete Wing.
Ich biss mir verzweifelt auf die Unterlippe. Für einen kurzen Moment hatte ich schon fast wieder Hoffnung geschöpft.
„Aber ich habe jetzt immerhin eine ungefähre Richtungsangabe, das wird die Suche erheblich verkürzen," setzte Wing noch hinzu.
Wieder streckten sich die Minuten schier endlos dahin. Ich weiß nicht wie lange es dauerte, aber irgendwann unterbrach Wing die Stille.
„Ich habe sie."
„Bist du sicher?" fragte Quatre.
„Ja. Sie haben erneut den Notruf aktiviert," antwortete Wing. „Sie sind ein paar tausend Kilometer hinter uns."
„Bring uns dahin! Schnell!" sagte Quatre.
Ich nickte einmal, dann stand ich vom Pilotensessel auf. „Shini," sagte ich emotionslos. Und obwohl ich vollkommen vergessen hatte zu singen hörte Shini auf mich und schwirrte aus meiner Tasche hervor. „Komm mit," befahl ich ihm, drehte mich um und schritt zur Luftschleuse.
„Duo!" rief Quatre mir hinterher. „Wo gehst du hin? Warte!"
Doch ich ignorierte ihn. Ich hatte jetzt nur ein Ziel; ich musste Heero da so schnell wie möglich rausholen, koste es was es wolle.
Vor der Luftschleuse blieb ich stehen und starrte die Shuttletür einfach nur an. Shini schwirrte um mich herum, und irgendwie musste er meine Stimmung mitbekommen haben, denn sein Summen klang nicht wie sonst fröhlich, sondern tief, ärgerlich und gefährlich.
„Duo, hör doch zu!" Quatre ergriff mich am Ellbogen und versuchte meine Aufmerksamkeit zu erregen. Doch ich entwand mich seinem Griff einfach.
„Duo, wieso hätte J das Notsignal erneut aktivieren sollen? Das ergibt keinen Sinn!"
„Mir ist egal warum J das Signal erneut aktiviert hat," antwortete ich.
„Duo bitte, denk nach und stürz nicht einfach so blindlings dort rüber!"
Ich antwortete Quatre nicht. Ich ignorierte einfach alles was er zu mir sagte, egal wie vernünftig es auch klang. Ich wollte jetzt nicht vernünftig sein. Ich wollte Heero zurückhaben.
Endlich hatte Wing wieder am fremden Schiff angedockt und die Luftschleuse öffnete sich. Sofort flog Shini voran und schwirrte in das fremde Schiff. Ich folgte ihm mit langen Schritten.
„Verdammt, ihr habt uns reingelegt! Es ist doch eine Falle!" hörte ich jemanden rufen und drehte meinen Kopf in Richtung der Stimme. Ich erkannte zwei Männer, die sich gerade anschickten aus dem Frachtraum zu fliehen. Sie waren zwar keine OZ, aber sie mussten zu J gehören.
„Schnapp sie dir," befahl ich, und Shini gehorchte sofort und machte sich an die Verfolgung der beiden. Wie nicht anders zu erwarten hatte er sie schnell eingeholt und hielt sie jetzt an Ort und Stelle gefangen.
Mit unbewegter Miene lauschte ich den erstickten Rufen der beiden und sah zu wie Shini sich immer enger um sie schloss. Ein kleiner Teil von mir registrierte zwar das keiner von beiden J sein konnte, da sie beide Menschen waren, aber es machte für mich im Moment keinen Unterschied. Ich nahm alles wie durch einen Nebel wahr.
„Duo!"
Mit einem Ruck drehte ich meinen Kopf in Richtung der neuen Stimme. Das hatte fast wie Heero geklungen... Meine Augen weiteten sich. Tatsächlich, da drüben stand er. Heero! Schnell ließ ich meinen Blick über ihn wandern, aber er schien unverletzt zu sein.
„Heero!" rief ich erleichtert und rannte auf ihn zu. Glücklich schlang ich meine Arme um ihn und zog ihn in eine feste Umarmung. „Heero," murmelte ich wieder, drückte mein Gesicht in seine Nackenbeuge und atmete tief Heeros Duft ein.
Heero erwiderte die Umarmung und schmiegte sich mit einem kleinen Seufzer enger an mich. Und erst als ich seine Arme um mich spürte konnte ich es wirklich glauben. Heero ging es gut. Es ging ihm gut. All die Anspannung der letzten Stunden fiel von mir ab und ich spürte wie ich zu zittern begann. Erst jetzt registrierte ich, wie viel Angst ich wirklich gehabt hatte. Erst jetzt als sie mich plötzlich verließ wurde mir bewusst, woraus der Nebel bestanden hatte, in dem ich noch vor kurzem gefangen gewesen war.
Ich hob den Kopf, legte eine Hand an Heeros Wange und drehte sein Gesicht zu mir. Einen Augenblick lang schaute ich ihm tief in seine wunderschönen blauen Augen, dann senkte ich meinen Mund auf seinen. Ich küsste ihn und legte all meine Gefühl in diesen Kuß. All die Verzweiflung und Angst die ich gehabt hatte, die Freude und Erleichterung die ich jetzt spürte und natürlich vor allem die Liebe die ich für ihn empfand. Und Heero erwiderte den Kuß mit voller Inbrunst.
„Duo! Ruf Shini zurück! Er wird sie töten!"
Ich löste mich nur zögernd von Heeros Lippen, öffnete die Augen und sah Wufei und Quatre an, die auf einmal neben uns standen. Ihre besorgten Blicke jedoch waren auf einen Punkt ein Stück von uns entfernt gerichtet. Ich folgte ihrem Blick und sah die zwei Gestalten, die unter Shini fast nicht mehr zu erkennen waren.
Mir entfuhr ein entsetztes kleines Keuchen. Noch vor kurzem hätte ich diese beiden ohne zu zögern getötet, aber nun als ich wieder etwas klarer denken konnte erkannte ich wirklich was da gerade geschah. Ja, ich wollte das sie dafür bestraft wurden, weil sie Heero entführt hatten. Aber ich wollte sie nicht töten.
„Shini!" rief ich. Doch Shini reagierte gar nicht auf mich.
Heero, der inzwischen den Kopf wieder auf meine Schulter gelegt hatte und mich immer noch umarmte, sagte, „Duo, sie haben uns nichts getan. Sie dachten sie würden uns befreien."
Ich wurde zwar nicht so ganz schlau aus Heeros Worten, aber eine Erklärung hatte sicherlich auch noch Zeit bis später. Jetzt musste ich erstmal Shini wieder unter Kontrolle bringen. Und da er im Moment offenbar auf gesprochene Befehle nicht reagierte, fing ich an zu singen.
Glücklicherweise dauerte es so nicht lange um Shinis Aufmerksamkeit zu erregen – ich kam mir immer noch ziemlich dämlich vor, wenn ich auf Kommando für Maschinen singen musste – und nur Sekunden später ließ er von den beiden Männern ab, formte sich wieder zu der kompakten kleinen Kugel und landete in meiner ausgestreckten Hand.
Sofort liefen Quatre und Wufei auf die beiden am Boden liegenden Männer zu. Heero und ich folgten ihnen etwas langsamer – hauptsächlich weil keiner von uns beiden die Umarmung lockern zu wollen schien. Mir machte das gar nichts aus. Ich würde Heero garantiert nicht mehr so schnell loslassen, und das er ähnlich anhänglich war gefiel mir wirklich sehr.
Zum ersten Mal warf ich einen genaueren Blick auf Heeros Entführer. Der eine der beiden hatte rote Haare und schien relativ unverletzt zu sein. Allerdings hatte er einen leicht glasigen Blick und Wufei half ihm gerade sich aufzusetzen. Der andere der beiden hatte lange weißblonde Haare. Sein Gesicht war kreidebleich und er hielt einen Arm leicht von seinem Körper abgespreizt. Quatre warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu und mit einem leichten Anflug von schlechtem Gewissen erkannte ich, das der Arm wohl gebrochen sein musste.
„Shini," sagte ich, „hol Noin."
Sofort erhob sich Shini mit einem inzwischen wieder fröhlichen Summen aus meiner Hand und schwirrte in Wings Richtung ab. Der rothaarige Mann starrte erst Shini mit großen Augen hinterher, dann richtete er seinen ungläubigen Blick auf mich.
„Der... der Jäger tut was du sagst?" fragte er fassungslos.
„Jep. Und wenn ihr uns nicht sofort sagt warum ihr unsere Freunde entführt habt, dann werde ich Shini erlauben zu beenden, was er hier begonnen hat," antwortete ich und blickte ihn kalt an.
„Duo!" sagte Heero und knuffte mich leicht in die Seite. Ich blickte ihn leicht erschrocken an. Das hatte er noch niemals zuvor getan und es kam doch etwas überraschend. „Die beiden haben uns nicht entführt," fuhr Heero fort. „Naja, ok, eigentlich haben sie uns schon entführt, aber nicht mit böser Absicht."
Ich starrte Heero völlig verwirrt an. Das alles gab keinen Sinn für mich, aber offensichtlich schien nicht schlimmes passiert zu sein. Und auch J konnte nicht hinter all dem stecken, denn sonst wäre dieser sicherlich schon längst hier aufgetaucht – zusammen mit einer Horde von Jägern. Doch bis jetzt waren wir nur auf diese beiden Männer gestoßen.
Shini kam wieder in den Frachtraum geschwirrt, gefolgt von Noin. „Wing hat mir gesagt das du mich hier brauchst, Duo?" fragte sie und kam auf uns zu. „Sind Heero oder Wufei verletzt?"
„Nein, uns geht es gut," sagte Wufei. „Aber Treize und Zechs brauchen deine Hilfe."
Noin hob eine Augenbraue und sah mich strafend an, doch sie sagte nichts und kniete sich neben den beiden hin. Nach einer schnellen Untersuchung stand sie wieder auf. „Wir sollten die beiden besser auf unser Schiff bringen. Mit Wings Hilfe werde ich die beiden sicherlich besser untersuchen können, und dieser Arm hier ist definitiv gebrochen. Ich muss ihn richten und dann schienen oder eingipsen."
Quatre und Wufei nickten. Der rothaarige Mann war inzwischen aufgestanden und schaute zu wie Quatre und Wufei den Blonden aufrichteten und dann beim Gehen stützen wollten. Mit gerunzelter Stirn trat der Rothaarige dazwischen, schob Quatre und Wufei zur Seite und griff dem Blonden selbst unter die Arme.
„Wenn ihr glaubt ihr könnt uns so leicht in die Finger kriegen, habt ihr euch geirrt," fauchte der Rothaarige in meine Richtung und drehte sich um, um mit seinem Freund zusammen zurück in ihr eigenes Schiff zu gehen.
„Hör zu..." rief Quatre und zögerte kurz. Wufei beugte sich vor und flüsterte, „Treize." Quatre warf ihm einen dankbaren Blick zu. „Hör zu Treize, ich weiß das hier muss einen schlechten Eindruck auf euch gemacht haben, aber wir wollen euch wirklich helfen."
Der Rothaarige – Treize – blieb stehen, drehte sich wieder um und warf Quatre einen erstaunten Blick zu. „Ihr habt uns schon genug 'geholfen'," sagte er sarkastisch. „Ihr habt uns einfach angegriffen!"
Quatre ließ sich aber davon gar nicht beirren. „Immerhin dachten wir ihr hättet unsere Freunde entführt," sagte er mit einem Achselzucken. „Sieh mal, es ist klar das hier ein ziemliches Missverständnis vorliegt. Aber das ist jetzt nicht so wichtig, dein Freund ist verletzt und braucht Hilfe. Noin hier ist Ärztin, sie kann ihm helfen. Und anschließend können wir uns alle in Ruhe unterhalten und versuchen das Durcheinander aufzuklären."
Und wiedereinmal hat das Wunder Quatre zugeschlagen. Es muss doch an diesem unschuldigen Gesicht liegen. Denn Treize widersprach nicht länger sondern kam tatsächlich wieder auf uns zu. Quatre schenkte ihm eines seiner engelsgleichen Lächeln und machte eine einladende Geste in Wings Richtung. Mit einem letzten misstrauischen Blick in meine Richtung – den ich wütend funkelnd erwiderte – folgte Treize Wufei und Noin in Wings Inneres.
Quatre drehte sich zu mir um und schüttelte stumm den Kopf. Ich warf ihm einen warnenden Blick zu, doch wie immer ignorierte Quatre ihn einfach.
„Duo, du hast es mal wieder geschafft," sagte er.
„Oh bitte Q, jetzt keine Vorträge! Wenn es sich tatsächlich um J gehandelt hätte, dann wärst du jetzt froh das ich Shini vorrausgeschickt hab!"
Doch Quatre schüttelte nur wieder stumm den Kopf, den was-soll-ich-nur-mit-dir-anfangen-Ausdruck im Gesicht und ich bekam langsam das Gefühl eines ungezogenen Kindergartenkindes, das mal wieder was angestellt hatte und dessen Eltern deswegen ganz furchtbar enttäuscht waren.
„Außerdem HABEN die beiden Heero entführt! Oh, und Wufei natürlich auch. Ich hab mir eben Sorgen gemacht, das kannst du mir wohl kaum vorwerfen!" Jep, das Gefühl des ungezogenen Kindergartenkindes verstärkte sich immer mehr. Fehlte jetzt nur noch, das Quatre „Böser Duo!" sagte und mich in die Ecke schickte.
Doch das tat er natürlich nicht, stattdessen drehte er sich um und ging zurück in unser Schiff. Mit einem Seufzen folgte ich ihm. Natürlich nur langsam, da ich noch immer meine Arme um Heero geschlungen hatte und umgekehrt – was mich innerlich jubeln ließ. Am liebsten hätte ich Heero gepackt und wieder geküsst, nur das es dann wahrscheinlich nicht bei einem Kuss bleiben würde. Und dafür war jetzt leider weder die Zeit noch der Ort. Jetzt würde ich mir erst einmal anhören was die beiden Fremden zu erzählen hatten.
