Titel: Enjoy the Silence
Autor: Zanna
Disclaimer: siehe Kapitel 1
Betadank: Laren 'knuddel'
Kommentar: Sorry, hat leider wieder etwas länger gedauert als sonst, aber ich war über Ostern krank, lag drei Tage lang flach und hab natürlich dementsprechend auch nix gemacht während der Zeit. Aber jetzt bin ich wieder halbwegs gesund, da werd ich hoffentlich auch wieder etwas mehr Motivation haben. :-)
Kapitel 19
Duo POV
Noin hatte den Verletzten der beiden Fremden kurzerhand einfach in die Kabine bringen lassen, die sie mit Quatre und Wufei teilte. Wing war nun mal nicht sehr groß, und etwas ähnliches wie eine Krankenstation hatte ich auch nirgends entdeckt. Insofern machte es wahrscheinlich Sinn das Noin die beiden Männer in ihre Kabine dirigiert hatte. Immerhin bewahrte sie dort auch ihre Arzttasche auf.
Als Heero und ich endlich dort ankamen war es schon ziemlich voll in dem kleinen Raum. Der blonde Mann lag auf Noins Bett, immer noch bleich im Gesicht und den verletzten Arm immer noch an sich gepresst, wohl um ihn so wenig wie möglich zu bewegen. Der rothaarige Mann, den Wufei Treize genannt hatte stand mit besorgtem Gesichtsausdruck dicht neben dem Bett, ebenso wie erstaunlicherweise Wufei. Wobei dessen Aufmerksamkeit weniger auf den Verletzten sondern eher auf Treize gerichtet zu sein schien.
Quatre war der einzige der sich etwas abseits hielt, er hatte sich einfach im Schneidersitz auf sein eigenes Bett gesetzt und sah dem Geschehen von dort aus zu. Noin versuchte eine Weile lang um Wufei und Treize herum den blonden Mann zu untersuchen, bis sie es schließlich aufgab.
"Wufei, verdammt noch mal!" stöhnte sie genervt auf und warf ihm einen warnenden Blick zu. "Ich kann nicht richtig arbeiten, solange ihr mir hier ständig unter die Füße lauft. Also nimm bitte deinen kleinen Freund hier und geht mir aus dem Weg!"
"Er ist nicht mein Freund!" begehrte Wufei sofort auf, funkelte aber seltsamerweise nicht Noin sondern Treize wütend an. "Ich pass nur auf das er nichts anstellt oder dich bedroht."
"Fein!" rief Noin, beachtete Wufei aber schon gar nicht mehr. "Dann pass bitte woanders auf ihn auf, ihr beide stört hier nur!"
Wufei schien noch etwas sagen zu wollen, wurde aber von einem Kichern aus Quatres Richtung effektiv dabei unterbrochen. So warf er Quatre nur einen drohenden Blick zu, dann packte er Treize am Arm und zog diesen zu seinem eigenen Bett hinüber. Er gab dem Rothaarigen einen leichten Schubs, so das dieser auf dem Bett zu sitzen kam und sagte, "Sitzen bleiben. Und rühr dich nicht."
Treize funkelte Wufei, der mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt dastand, kurz an, richtete seine gesamte Aufmerksamkeit dann aber wieder auf Noin.
Da scheinbar alle beschlossen hatten, sich in dieser Kabine zu versammeln, und ich keine Lust hatte noch länger hier in der Tür herumzustehen, ging ich, Heero hinter mir herziehend, zu Quatres Bett hinüber.
"Rutsch ein Stück rüber," forderte ich meinen Freund auf und Quatre machte mir Platz. Ich setzte mich auf den freigewordenen Fleck, und da sowieso kein anderer Platz zum sitzen mehr frei war - und vor allem weil ich es wollte - zog ich Heero einfach auf meinen Schoß.
Heero warf mir einen überraschten Blick zu, doch ich schlang einfach meine Arme um seine Taille, schmiegte mich an seinen Rücken, legte mein Kinn auf seine Schulter und richtete meine Aufmerksamkeit auf Noin und ihren Patienten. Nach einer Sekunde, die mir fast wie eine Ewigkeit vorkam, entspannte Heero sich und lehnte sich an mich.
Noin hatte inzwischen eine Schere herausgeholt und angefangen vorsichtig das Hemd oder was auch immer das war was der Blonde anhatte von dessen gebrochenem Arm zu schneiden. Hah, aber als ICH Heeros Kleidung zerschnitten hatte, hatte sie mich angesehen als ob ich verrückt wäre!
Als ich dann aber einen Blick auf den gebrochenen Arm warf, der inzwischen in den schönsten Blau- und Lilaschattierungen leuchtete, überkam mich doch so etwas wie ein schlechtes Gewissen. Ich wusste nicht, was vorher mit mir losgewesen war. Ich hatte noch niemals absichtlich einen Menschen so schwer verletzt - gut, als Kind und Jugendlicher war ich auch in die eine oder andere Prügelei verwickelt gewesen, aber das war etwas anderes. Damals hatte ich meistens ebenso viele Verletzung davongetragen wie mein Gegenüber. Und vor allem hatte ich damals niemals kaltblütig die Möglichkeit in Kauf genommen, das jemand dabei getötet werden könnte.
Aber genau das war vorhin geschehen. Ich hatte schon einmal gesehen, wozu Shini im Stande war, aber in diesem Moment war es mir vollkommen egal gewesen. Ich erschauerte kurz. Ich hätte niemals gedacht, das ich zu einem Mord imstande wäre, aber ich fürchte, genau das hätte ich getan, wenn Heero mich nicht rechtzeitig aufgehalten hätte.
Noin holte eine Einwegspritze aus ihrer Arzttasche und zog sie mit - zumindest vermutete ich das - einem Schmerzmittel auf. Dann, bevor der blonde Mann noch vor der Nadel zurückzucken konnte, injizierte sie ihm das Mittel einfach.
"Das ist nur zur Betäubung, keine Sorge," sagte Noin, als der Mann seinen vor Schmerz glasigen Blick auf sie richtete. Nach einer Weile schien das Mittel endlich zu wirken, denn der Blick des Mannes wurde klarer.
"Was..." fragte er und sah sich um.
"Nicht bewegen," sagte Noin und presste eine Hand flach auf dessen Oberkörper. "Zumindest nicht bevor ich den Arm gerichtet und ruhiggestellt habe." Dann drehte sie den Kopf und blickte einmal in unsere Runde. "Ok, wer von euch will mir helfen?"
"Wobei helfen?" fragte Quatre.
"Ich muss den Knochen richten, das schaff ich nicht allein. Ich hab ihm zwar ein Schmerzmittel gegeben, aber ich fürchte er wird dennoch etwas spüren wenn ich den Knochen richte, also muss ihn jemand festhalten."
"Ich mach das," sagte Treize bestimmt und stand - trotz Wufeis bösem Blick - auf und ging zu Noin und seinem Freund hinüber. "Was soll ich tun?"
"Halte seinen Oberkörper fest, damit er nicht rumzappeln kann," kommandierte Noin, und Treize kam ihrer Aufforderung nach. Bevor irgendjemand etwas sagen oder tun konnte, packte sie den gebrochenen Arm mit beiden Händen, zog einmal kurz, und mit einem leisen Knirschen, begleitet vom Aufschrei des Blonden, richtete sie den gebrochenen Knochen.
Treize, der inzwischen auch recht bleich aussah, ließ seinen stöhnenden Freund los, stand zitternd auf und ließ sich wieder auf Wufeis Bett fallen. Ich vergrub mein Gesicht in Heeros Schulter. Das Geräusch des Knochen, als Noin beiden Bruchstellen exakt aufeinandergelegt hatte... Dieses Geräusch würde ich so schnell nicht wieder vergessen.
"Hm," machte Noin und blickte nachdenklich auf ihren Patienten hinab. "Das beste wäre jetzt sicherlich, den Arm einzugipsen, aber erstens habe ich keinen Gips da, und zweitens, wenn seine Knochen auch nur halb so schnell heilen wie Heeros, dann wird das sowieso nicht lange dauern. Ich denke ein Gips ist überflüssig. Allerdings sollte ich den Arm wohl doch besser schienen. Verbandsmaterial habe ich, aber Wufei, kannst du mal schauen ob du irgendwo etwas findest, das dafür geeignet ist?"
Wufei nickte, und mit einem letzten warnenden Blick auf Treize verschwand er aus der Kabine. Als er zurückkam, hatte er zwei flache, metallene Stangen dabei. Noin nickte zustimmend, dann machte sie sich daran den gebrochenen Arm zu schienen. Als sie fertig war, packte sie wieder alles in ihre Tasche und schob sie unter ihr Bett. Dann setzte sie sich ans Fußende ihres Bettes, vorsichtig darauf bedacht ihren nun schlafenden Patienten nicht zu stören, verschränkte die Arme und sagte, "So, und jetzt will ich wissen, was da vorhin eigentlich los war."
"Ähm..." machte ich, brach dann aber wieder ab.
"Also? Ich warte," Noin blickte mit bösem Blick in die Runde.
"Duo war ein wenig - hm, besorgt," sagte Quatre und rollte mit den Augen. "Scheinbar hat Shini das irgendwie mitbekommen und dementsprechend reagiert. Natürlich hat Duos Befehl, die beiden anzugreifen auch nicht gerade geholfen."
"Hey," protestierte ich, "ich dachte doch, das sie Heero und Wufei entführt hätten!"
"Wir haben niemanden entführt!" rief Treize von Wufeis Bett aus. "Wir wollten die beiden nur befreien!"
"Befreien? Wovon denn befreien?" fragte ich und funkelte Treize über Heeros Schulter hinweg böse an. Auch wenn die beiden offensichtlich nichts mit J zu tun hatten, so hatten sie Heero und Wufei doch entführt, und ich war nicht bereit, das so schnell zu vergeben.
"Das ist eine etwas längere Geschichte," antwortete Wufei.
"Also ich weiß ja nicht wie's euch geht, aber ich hab im Moment nichts besseres zu tun," sagte Quatre. "Fang an zu erzählen."
Und so erzählte Wufei, unterstützt von Heero und Treize uns, was in den letzten Stunden auf dem anderen Schiff passiert war. Und wie es gekommen war, das Treize und Zechs so ganz allein unterwegs waren und anderen Schiffen auflauerten.
"Das ist wirklich faszinierend," sagte Quatre schließlich und lehnte sich mit leuchtenden Augen etwas vor. "Wie lange seid ihr schon Rebellen?"
Ich unterdrückte ein Schnauben. Diese beiden Rebellen hörten sich für mich ehrlich gesagt doch ein wenig armselig an.
"Ähm... seit ein paar Monaten," murmelte Treize.
"Schon seit ein paar Monaten?" rief ich ungläubig. "Und dann sind wir das erste Schiff das ihr überfallen habt? Oh mann, ihr seid mir vielleicht schöne Rebellen! Ich bezweifle, das die OZ überhaupt wissen, das es euch gibt!"
"Hey, wir sind immerhin nur zu zweit, und unser Schiff ist auch nicht mehr das neueste und unbewaffnet!" verteidigte Treize sich. "Wir können nicht einfach mitten ins Hoheitsgebiet der OZ fliegen und versuchen dort irgendjemanden anzugreifen! Unser Plan war es eigentlich am Rande des OZ-Territoriums Schiffe abzufangen und andere Sklaven zu befreien. Um so unsere Gruppe zu vergrößern. Ihr wart nun mal das erste Schiff das uns begegnet ist."
"Aber eines verstehe ich nicht," warf Quatre ein. "Wieso habt ihr nur Heero und Wufei entführt? Wieso nicht auch Duo und mich? Wir waren dicht hinter den beiden, und wenn ihr Sklaven befreien wollt, wieso habt ihr uns nicht auch ‚befreit'?"
"Nun, das ist ganz einfach," antwortete Treize. "Laut der Kennung die euer Schiff aussendet bestand die Besatzung lediglich aus J und seinen beiden Assistenten. Wir haben das Schott unseres Schiffes so programmiert das es automatisch zufällt, sobald zwei Menschen durchgegangen sind."
"Oh, das macht Sinn," nickte Quatre.
"Nein macht es nicht," widersprach ich ihm. "Wieso sollte Wing eine solche Kennung aussenden? J ist definitiv nicht an Bord, und auch nicht seine zwei Assistenten - beziehungsweise, nur einer davon, aber Heero ist nicht mehr J's Eigentum."
"Duo hat Recht," stimmte Heero mir zu. "Wing?" rief er, "Kannst du uns das erklären?"
"Die Erklärung ist ganz einfach," antwortete Wing, und Treize zuckte zusammen und sah sich suchend nach der Quelle dieser neuen Stimme um. "Ich hielt es für ratsamer die selbe Kennung zu benutzen, die ich während meines letzten Fluges mit J ausgesandt habe. Falls wir unterwegs auf andere OZ-Schiffe treffen würden, würden uns so keine Fragen gestellt werden."
"Oh," machte ich.
Quatre lächelte. "Danke Wing. Daran hatten wir gar nicht gedacht. Was für ein Glück das wir dich haben."
"Wer ist das?" fragte Treize.
"Das ist Wing," antwortete Wufei. "Wir haben dir doch von Wing erzählt."
"Du meinst... das ist eure Schiffseinheit?" fragte Treize mit ungläubig aufgerissenen Augen. "Sie kann tatsächlich sprechen?"
"Ja," antwortete Heero.
"Das ist unglaublich... und noch viel unglaublicher ist es, das ihr in einem Schiff mit Schiffseinheit unterwegs seid, ohne einen OZ der dieser Schiffseinheit Befehle gibt."
"Wir brauchen keine OZ," knurrte Heero. "Wing hilft uns freiwillig."
Ich spürte wie Heero sich bei diesen Worten auf meinem Schoß verspannte und zog ihn etwas näher an mich. Ich strich ihm beruhigend über einen Arm und fing an leise zu summen. Ich weiß nicht ob Heero mehr auf das Geräusch oder die leichten Vibrationen meines Brustkorbes reagierte, doch er entspannte sich wieder, lehnte sich mit einem leichten Seufzer an mich, schlang einen Arm um meine Taille und legte seinen Kopf auf meine Schulter.
Ich war so mit dem wunderbaren Gefühl von Heero in meinen Armen beschäftigt, das ich Treizes fassungslose Blicke erst gar nicht mitbekam. Als es mir schließlich auffiel zog ich eine Augenbraue hoch und sah ihn fragend an. "Was?"
"Du... du... was ist das für ein Geräusch?" stammelte Treize.
Ich seufzte. Ich hatte schon fast vergessen, wie ungewöhnlich meine Eigenart ständig zu singen, summen oder ähnliches auf diese Menschen wirken musste. Heero reagierte schon seit langem nicht mehr überrascht, so dass mich Treizes Reaktion doch ein wenig unerwartet traf.
"Duo summt," warf Noin ein.
"Ich hab euch doch schon gesagt, das sie singen können," murmelte Heero, den Kopf immer noch auf meine Schulter gelegt.
"Ja... schon... aber..." Treize brach hilflos ab.
"Du musst ihn doch im Frachtraum schon gehört haben," warf Wufei ein und runzelte die Stirn. "Duo hat dort auch schon gesungen, um Shini aufzuhalten."
"Ich glaube nicht, das er zu dem Zeitpunkt auf so etwas geachtet hat, Wufei," warf Quatre ein. Dann wandte er sich an den Rothaarigen, "Du hast Heero nicht wirklich geglaubt, oder?"
Treize schüttelte den Kopf. "Nein. Das ist aber auch zu absurd! Menschen können nicht singen!"
Quatre zuckte mit den Schultern. "Das mag für euch ja gelten. Aber wir können es."
"Ihr alle?" fragte Treize und riss die Augen weit auf.
Quatre nickte. "Jeder Mensch auf unserem Planeten. Was so ungefähr sechs Milliarden ausmacht."
Treize schwieg daraufhin und starrte einfach nur blind vor sich hin. Ich habe keine Ahnung, was ihm in diesem Moment durch den Kopf ging, aber wir alle schwiegen ebenfalls während dieser Minuten. Irgendwie konnten wir spüren das diese Gedanken für Treize schmerzhaft sein mussten und wir wollten ihn dabei nicht stören. Schließlich - nach einer Ewigkeit wie es mir vorkam - hob er den Kopf wieder und blickte Heero direkt an.
"Wie hast du sie gefunden?" fragte er, und seine Stimme hatte allen Unglauben und alle Überraschung verloren.
"Es war reiner Zufall," antwortete Heero und hob den Kopf. "Ich hatte sogar erst gedacht ihr Planet wäre unbewohnt - sie sind technologisch noch nicht so weit fortgeschritten wie die OZ. Ich bin wirklich froh das Wing ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt versucht hat die Kontrolle wieder an sich zu reißen. Sonst wäre ich niemals auf der Erde gelandet, und dann hätte ich niemals herausgefunden, das es Menschen gibt die singen können. Und ich hätte niemals..." Heero brach ab, biss sich auf die Unterlippe und vergrub sein Gesicht wieder an meiner Schulter. Ich konnte mich natürlich auch irren, aber ich glaubte einen leichten Rotschimmer auf seinem Gesicht erkannt zu haben.
Treize schien noch einen Moment nachzudenken, dann straffte er die Schultern und blickte mich direkt an. "Zechs ist im Moment zwar nicht bei Bewusstsein, aber ich bin sicher das er mir zustimmen wird. Ich möchte euch bitte, euch unserer Rebellengruppe anzuschließen."
Ich zog erneut eine Augenbraue hoch. "Was für eine ‚Gruppe'?" fragte ich spöttisch.
"In Ordnung, wir sind noch keine sehr große Gruppe," verteidigte sich Treize leicht gereizt. "Aber wenn ihr euch uns beiden anschließt, dann wären wir wirklich eine Gruppe. Und wir hätten tatsächlich eine Aussicht auf Erfolg! Ihr könnt singen! Ihr könnt euch gegen die Jäger verteidigen! Die OZ würden uns dann endlich einmal wahrnehmen!"
"Das ist ein wirklich interessantes Angebot," sagte Quatre. "Aber wir haben bereits eine Mission. Wir sind unterwegs um Heeros Freund Trowa zu retten."
Treize warf einen fragenden Blick in Heeros Richtung.
"Trowa ist J's anderer Assistent," sagte Heero leise. "Ich musste ihn bei meiner Flucht zurücklassen. Aber ich habe ihm versprochen ich würde zurückkommen und ihn holen. Und mit der Hilfe meiner Freunde hier wird es bestimmt klappen."
Treize überlegte wieder einen Augenblick lang, dann nickte er. "Das klingt nach einer ehrenhaften Mission. Wie können Zechs und ich euch dabei helfen?"
"Ihr wollt uns helfen?" warf Wufei überrascht ein.
"Natürlich," nickte Treize. "Das ist doch genau das was Rebellen tun würden, oder? Wir befreien einen Sklaven aus der Gefangenschaft, und gleichzeitig schädigen wir J und setzen den OZ ein Zeichen."
Quatre lächelte breit. "Ich bin froh das du uns helfen willst," sagte er. "Ich habe da sogar schon eine Idee wie ihr das tun könnt."
"Solltet ihr nicht vielleicht warten bis Zechs wieder aufwacht und ihn fragen, ob er damit überhaupt einverstanden ist?" warf Noin mit ruhiger Stimme von ihrem Bett aus ein.
"Ich bin sicher das er nichts dagegen hat," sagte Treize. "Außerdem bin ich heute dran, deshalb kann ich das auch entscheiden."
"Du bist heute dran?" fragte ich. "Womit?"
Treize murmelte etwas unverständliches.
"Was?" hakte ich nach.
"Wir wechseln uns ab," murmelte Treize, und obwohl er nicht rot wurde, hatte ich doch den Eindruck, das es ihm peinlich war.
"Ihr wechselt euch ab?" fragte Wufei und blickte finster drein, konnte jedoch die Neugierde nicht aus seiner Stimme verbannen. "Womit?"
"Wir... wir konnten uns nicht einigen, wer der Anführer sein soll. Deshalb wechseln wir uns ab."
Ich starrte Treize einen Moment lang sprachlos an, dann brach ich in lautes Lachen aus. Ich konnte sehen, wie Noin schnell ihren Kopf senkte um ihr breites Grinsen zu verstecken, und auch Wufei und Quatre schienen große Schwierigkeiten zu haben, ein Lachen zu unterdrücken. Nur Heero blickte mich eher neugierig an, so als würde er nicht wissen was ich daran jetzt so lustig fand. Treize lief nun doch rot an, verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte mich wütend an.
"Duo," Quatre versuchte mahnend zu klingen, aber es gelang ihm nicht ganz. "Nicht." Er schüttelte den Kopf.
"Was denn?" kicherte ich. "Du findest das doch selbst zum lachen. Die beiden wechseln sich dabei ab, den Anführer zu spielen." Ich musste schon wieder lachen.
"Ich gebe zu, diese Methode ist nicht sehr effektiv, aber die beiden haben schließlich keine Erfahrung bei sowas, insofern ist das eine relativ kreative Lösung," Quatre gab sich wirklich Mühe, ernst zu klingen.
Nach einer Weile beruhigte ich mich schließlich wieder etwas. Zumindest lachte ich nicht mehr lauthals, auch wenn ich noch immer ab und zu vor mich hingluckste - was ich aber sehr gut verstecken konnte, indem ich mein Gesicht einfach in Heeros Nacken drückte.
"Genug gescherzt," rief Quatre. "Wir haben schließlich einige Pläne zu besprechen."
Treize nickte, warf mir noch einen letzten bösen Blick zu, dann wandte er sich an Quatre. "Wie können wir uns helfen."
Quatre setzte wieder sein strahlendes Lächeln ein - das Lächeln, das die Leute immer dazu bringt ihn zu unterschätzen. Ich kannte dieses Lächeln. Normalerweise bedeutete es nichts gutes, und ich war immer auf der Hut wenn er es mir gegenüber benutzte. Aber glücklicherweise war dieses Lächeln im Moment nicht auf mich gerichtet.
"Nun," begann Quatre, "Heero und ich haben uns schon einige Gedanken gemacht. Wir sind uns sicher, das es nicht mehr ganz so einfach sein wird in J's Anwesen einzudringen wie es das war bevor Heero geflohen ist. Es wäre sogar möglich, das inzwischen Schiffe im Orbit von J's Heimatplaneten patrouillieren. Und sollte das der Fall sein, so brauchen wir ein Ablenkungsmanöver.
Ihr kommt uns da gerade wie gerufen, Treize. Ein zweites Schiff kann die Patrouillenschiffe ablenken, während Wing inzwischen auf L1 landet. Euer Schiff ist dafür wie geeignet, weil ihr nicht entdeckt werden könnt sobald ihr euren Antrieb deaktiviert. Ihr müsstet also die Patrouillenschiffe nur weit genug weglocken, und dann praktisch von ihrem Radar verschwinden. Ich denke, dass das zu machen ist."
"Und was ist wenn es gar keine Patrouillenschiffe gibt?" fragte Treize.
Quatre zuckte mit den Achseln. "Um so besser. Wir können natürlich erst dann genaue Pläne schmieden, wenn wir etwas näher an L1 dran sind, aber ich denke, das beste wäre wirklich, wenn du und Zechs die Patrouillenschiffe ablenkt, während wir anderen auf dem Planeten landen und Trowa holen."
"Aber ohne mich," warf Noin ein.
"Was?" fragte Quatre. "Was meinst du?"
"Nun, wenn ich mich recht erinnere, dann meinte Heero das wir ungefähr eine Woche bräuchten bis L1. Nun, diese Woche ist beinahe vorüber, was heißt in zwei, allerspätestens drei Tagen müssten wir den Planeten erreichen. Zechs' gebrochener Arm wird bis dahin noch nicht vollständig verheilt sein, selbst mit der schnellen Heilungsrate nicht. Es ist meine Pflicht als Ärztin während dieser Zeit in seiner Nähe zu bleiben, damit ich mögliche Komplikationen ausschließen kann."
Als Quatre sie noch immer fragend ansah, seufzte sie leicht. "Ich meine damit, das ich Treize und Zechs am besten auf ihr Schiff begleite."
"Oh," machte Quatre. Nach einem Moment des Überlegens nickte er schließlich. "In Ordnung, ich denke das ist kein Problem. Ich glaube nicht, das es einen großen Unterschied macht ob wir zu fünft oder zu viert auf den Planeten hinabgehen."
"Dann macht es sicherlich nichts aus wenn ihr nur zu dritt geht," sagte Wufei.
Quatre blickte überrascht zu ihm hinüber.
"Ich werde Noin begleiten," stellte Wufei fest. "Wir können sie schließlich nicht völlig allein und ungeschützt dort rübergehen lassen."
"Was willst du damit sagen?" fragte Treize aufgebracht und funkelte Wufei an. "Noin wird bei uns nichts passieren, das kannst du mir ruhig glauben!"
Wufei schnaubte nur und wandte sich wieder an Quatre. "Nun?" fragte er.
Quatre zuckte mit den Schultern. "Das ist nicht meine Entscheidung, Wufei. Wenn Treize nichts dagegen hat, dann kannst du gerne mit Noin mitgehen."
Treize funkelte Wufei immer noch böse an, doch nachdem Wufei diesem Blick eine zeitlang unbeeindruckt standgehalten hatte, nickte Treize endlich. "In Ordnung. Er kann ebenfalls auf unser Schiff kommen. Nur um zu sehen, das kein Mensch etwas von uns zu befürchten hat!"
"Dann ist ja alles geklärt," rief Quatre fröhlich. "Hat irgendjemand Hunger?"
Treize blickte Quatre einen Moment lang verblüfft an - scheinbar hatte ihn der abrupte Themenwechsel etwas verwirrt - doch dann nickte er. Der Rest von uns schloss sich ihm an, und innerhalb kürzester Zeit hatten wir uns alle etwas aus dem Replikator geholt und verspeisten es genüsslich.
Ich hatte bis jetzt noch gar nicht gemerkt, wie hungrig ich eigentlich war. Ich hatte seit dem Vortag nichts mehr gegessen; heute Morgen waren wir durch den Alarm sehr abrupt geweckt worden, und nachdem Heero entführt worden war hatte ich nicht wirklich Appetit gehabt.
Nach dem Essen bastelten Wufei und Noin eine behelfsmäßige Trage, auf die Zechs gelegt und von Wufei und Treize schließlich in deren Schiff getragen wurde. Anschließend holten Wufei und Noin noch ihre restlichen Sachen, und bevor ich es mich versah waren die beiden auf das andere Schiff übergesiedelt.
Schließlich fand ich mich in einem der Pilotensessel wieder, Heero noch immer - oder schon wieder - auf meinem Schoß sitzend. Ich hatte es tatsächlich geschafft Heero kein einziges Mal loszulassen, seit ich ihn wiederhatte.
Quatre nahm auf dem anderen Pilotensessel platz, warf mir einen amüsierten Blick zu - den ich geflissentlich ignorierte - und kontaktierte dann das andere Schiff. "Treize, könnt ihr mich hören?"
Obwohl Treizes Schiff keine KI hatte, konnte dennoch eine Funkverbindung hergestellt werden, wenn Treize - oder Zechs, je nachdem wer gerade am Steuer des Schiffes war - es zuließ. Offenbar verhinderte das Fehlen der KI nur die automatische Kontaktaufnahme.
"Das können wir," antwortete Treize.
"In Ordnung," sagte Quatre. "Wir fliegen jetzt weiter. Am besten folgt ihr uns einfach. Wing," wandte Quatre sich an unsere Schiffseinheit, "kannst du dein Tempo dem anderen Schiff anpassen? Sie sind nicht ganz so schnell wie du."
"Natürlich kann ich das, Quatre," antwortete Wing.
"Gut," sagte Quatre. "Dann lasst uns starten. Energie!"
Ich warf Quatre einen Blick zu, und er grinste mich an. "Das wollte ich schon immer mal sagen," raunte er mir zu und ich kicherte.
Entweder schien Wing diese kleine Anspielung zu verstehen, oder es war ihr egal, jedenfalls zeigte ein Blick aus dem Cockpitfenster mir bald, das wir tatsächlich wieder auf dem Weg waren.
