Titel: Enjoy the Silence
Autor: Zanna
Disclaimer: siehe Kapitel 1
Betadank: wie immer Laren 'megaknuddel'
Kommentar: So, jetzt geht es endlich los! Tro wird gerettet. Also ganz ehrlich, ich hätte ja gedacht, das der Zeitpunkt schon etliche Kapitel früher kommen würde, aber irgendwie verschätze ich mich da immer. Ich würde mal schätzen, wir haben noch nicht ganz Halbzeit. Aber vielleicht irre ich mich auch total. 'g' Mal sehen, wie es so wird. Hoffe ihr bleibt alle schön treu und schreibt mir weiter nette Kommis, dass motiviert mich immer ungemein! 'alle Leser durchknuddel'
Kapitel 21
Duo POV
„Was kannst du erkennen, Wing?" fragte Quatre.
„Es sind einige Schiffe im Orbit um L1 positioniert," antwortete Wing. „Allerdings scheinen nicht alle davon Kampfschiffe zu sein."
Quatre, Heero und ich saßen und standen vor der Steuerkonsole von Wings Cockpit. Wir waren noch ca. eine Stunde von unserem Ziel entfernt, und Wing war gerade dabei die ersten Langstreckensensorendaten auszuwerten.
Die letzten zwei Tage waren schnell vergangen – für meinen Geschmack fast zu schnell. Ich hätte mir gerne mehr Zeit für mich und Heero gewünscht. Seit der ersten Nacht mit Heero hatte ich jede weitere mit ihm geschlafen. Vier wunderbare Nächte, die mir so unglaublich viel bedeuteten. Heero war so wundervoll – so begierig auf jede neue Erfahrung, jede Berührung.
Und mit jeder Zärtlichkeit, jeder Liebkosung war ich ihm mehr verfallen. Ich liebte ihn, und ich wußte, das es sich dabei nicht nur um eine einfache Verliebtheit handelte. Das war nicht einfach nur eine kurze Schwärmerei, über die ich schnell hinwegkommen würde. Das war echte Liebe, vielleicht sogar die große Liebe.
Ich hätte es ihm am liebsten gesagt, hätte meine Liebe am liebsten der ganzen Welt – oder vielmehr dem ganzen Universum – verkündet. Aber das konnte ich nicht. Ich hatte einfach noch nicht den Mut dafür gefunden.
Ich seufzte leise. Nun würde es sich also bald herausstellen. In wenigen Stunden würden wir – wenn alles gutginge – Trowa gerettet haben. Und dann würde Heero sich entscheiden müssen. Und ich hoffte so sehr, dass er tatsächlich eine Entscheidung treffen würde. So hätte ich wenigstens eine gewissen Chance. Denn was wenn es für Heero überhaupt keinen Zweifel gäbe? Wenn er mich sofort vergessen würde, sobald er seinen Trowa wieder hatte?
Mit Gewalt riß ich mich aus diesen Gedanken. Es würde nichts bringen, diese Ängste wieder und wieder in Gedanken durchzuspielen. Und so schnell hatte ich sowieso nicht vor, aufzugeben. Ich hatte beschlossen um Heero zu kämpfen, und genau das würde ich tun.
„In Ordnung Wing," sagte Quatre gerade. „Verbinde mich mit Treize."
Nur Sekunden später erschien Treizes Gesicht auf dem Bildschirm. Wing war es in den letzten Tagen gelungen zur Funkverbindung auch eine visuelle Verbindung herzustellen.
„Was gibt es?" fragte Treize.
„Wir sind noch etwa eine Stunde von L1 entfernt," antwortete Quatre. „Wing hat Raumschiffe im Orbit um L1 entdeckt. Ich denke, wir sollten unseren Plan noch einmal im Detail besprechen."
Treize nickte, und im nächsten Moment tauchte Wufei neben ihm auf.
„Hey Wu," rief ich. „Wie läuft's dort drüben?"
„Noin treibt mich in den Wahnsinn," knurrte Wufei, ging aber nicht weiter darauf ein. Für eine Sekunde grübelte ich, wie und warum Noin ihn in den Wahnsinn trieb – normalerweise war das doch meine Aufgabe.
„Wie viele Schiffe sind es genau?" fragte Treize.
„Ungefähr zwei Dutzend," antwortete Quatre.
Treize erbleichte. „Das sind zu viele."
„Ihr müßt auch gar nicht um alle Schiffe kümmern," beruhigte Quatre ihn. „Wir wollen schließlich nicht den ganzen Planeten angreifen. Ihr müßt nur diejenigen direkt über J's Anwesen ablenken, so das Wing ungehindert hindurch schlüpfen kann."
„Und wie viele wären das?"
„Mindestens drei."
„Hm," machte Treize und schien eine Weile nachzudenken. „Ich denke, das bekommen wir hin. Aber wie wollt ihr da unbemerkt durchschlüpfen, ohne das eines der anderen Schiffe eure Signatur auffängt?"
„Ich werde meine Signatur tarnen," antwortete Wing. „Nicht alle dieser Schiffe dort sind Kampfschiffe. Es sind auch ein paar zivile Schiffe dort. Ich werde mich als eines dieser Schiffe ausgeben."
„Das kannst du?" fragte Heero verwundert.
Nach einer kurzen Weile des Schweigens antwortete Wing, „Ja. Es ist nicht einfach, aber es sollte kein Problem sein. Vor allem weil niemand damit rechnen wird."
„Gut. Dann werden wir uns jetzt auf den Weg machen," sagte Treize. „Ihr solltest uns in einem gewissen Abstand folgen, damit ihr sofort reagieren könnt, wenn wir die Schiffe weggelockt haben."
„Warte!" rief ich. Mir war gerade siedendheiß noch etwas eingefallen. „Ist Lu da? Ich muß sie kurz sprechen."
Wufei drehte sich um und rief über seine Schulter. „Noin! Duo will mit dir reden!"
Kurz darauf erschien Noin ebenfalls auf dem Bildschirm. „Hey Quatre, hallo Heero. Duo, was ist?"
„Lu, hast du etwa das Gegenmittel vergessen? Wir können doch nicht ohne auf den Planeten runter," rief ich. Irgendwie hatte keiner von uns in den letzten Tagen an das Gegenmittel zu dieser verflixten Droge gedacht, der wir demnächst vielleicht ausgesetzt sein würden. Und ich hatte wirklich keine Lust, herauszufinden, wie schnell diese Droge wohl wirken würde. Nicht wenn Heero und ich uns gerade so nahe gekommen waren.
„Was? Oh das Gegenmittel. Das hab ich doch schon lang fertig," winkte Noin mit einem Achselzucken ab.
„Was?" rief Quatre. „Und warum hast du uns nichts davon gesagt?"
„Hab's über die ganze Aufregung vergessen."
„Lu!" rief ich.
„Hey, kein Grund zur Panik!" antwortete Noin. „Wing kann die Dateien ganz einfach finden und das Gegenmittel dann replizieren. Ihr werdet es ja wohl noch hinbekommen es euch selbst zu verabreichen, oder? Die Injektoren der OZ sind wirklich idiotensicher, das schafft sogar ihr."
Quatre und ich konnten Noin nur mit offenen Mündern anstarren. Was hatte sie nur? Sie benahm sich ja fast so, als ihr jemand Schokolade vor die Nase gehalten und sie ihr anschließend nicht gegeben. Nur wie sollte dort drüben irgendjemand nur an Schokolade gekommen sein?
„Oh verdammt nochmal, Zechs, ich hab dir doch mehrmals gesagt das du gefälligst in deiner Kabine bleiben sollst!" rief Noin in diesem Moment, den Blick auf einen Punkt seitlich hinter ihr gerichtet, den wir nicht sehen konnten.
„Und seit wann kannst du mir was befehlen?" hörten wir Zechs Stimme aus dem Hintergrund.
„Seit ich deine Ärztin bin und dafür sorgen muß, das du wieder gesund wirst, du Idiot!" rief Noin und stapfte aus dem Sichtbereich der Kamera. Wufei und Treize warfen sich leidende Blicke zu und ich bekam eine Art Ahnung, wie genau Noin Wufei wohl in den Wahnsinn trieb.
„Mein Arm ist schon fast wieder verheilt, ich hab es satt nutzlos in meiner Kabine rumzusitzen!" war Zechs Stimme laut und deutlich zu hören. „Außerdem steht der Angriff kurz bevor, wie ich gehört habe, und ich bin der beste Pilot hier! Ich werde hier gebraucht!"
„Das ist Unsinn! Treize kann das bestimmt genauso gut machen! Geh sofort wieder zurück!" schrie Noin.
„Hah! Kann er eben nicht! Wir haben ja alle gesehen, was passiert ist als er das letzte Mal den großen Anführer gespielt hat!" rief Zechs triumphierend und Treize vergrub sein Gesicht stöhnend in den Händen. Ich konnte mir ein kleines Grinsen nicht ganz verkneifen. Es mußte in den letzten zwei Tagen ja wirklich höllisch interessant dort drüben gewesen sein. Zu schade das ich das verpasst hatte!
„Na schön, du hast es nicht anders gewollt!" rief Noin in einer derart drohenden Stimme, das es mir kalt den Rücken hinablief.
„Hey! Was soll das? Leg das Ding sofort wieder hin! Nein!" Zechs hörte sich eindeutig panisch an.
„Bleib gefälligst stehen, du Feigling!" Im Hintergrund konnte ich Zechs kurz durch das Bild rennen sehen, ein Arm noch immer bandagiert, und Noin, die ihn verfolgte. Was genau sie da allerdings in der Hand hielt, konnte ich nichts so genau erkennen.
Ich warf Quatre einen kurzen Seitenblick zu, doch der starrte nur mit weit aufgerissenen Augen auf den Bildschirm und das Schauspiel, das sich uns da bot. Also beschloss ich, die Show ebenfalls weiterhin zu genießen.
„Verdammt nochmal, Noin!" rief Wufei, drehte sich um und verschwand ebenfalls aus unserem Sichtbereich. „Muß das ständig sein? Könnt ihr zwei nicht einmal normal miteinander umgehen? Leg gefälligst die Spritze weg!"
Ich riß die Augen weit auf. Noin verfolgte Zechs mit einer Spritze? Oh, oh, ich wünschte wirklich ich wäre dort drüben und könnte das live sehen!
Ein Rascheln war zu hören, ein paar leise Kampfgeräusche, ein unterdrücktes Stöhnen, und dann schrie Wufei plötzlich auf, „Au! Verdammt Noin, wieso hast du das getan? Wieso hast du mir die Spritze..." Seine Stimme wurde immer leiser und verstummte schließlich.
„Du bist selbst schuld, Wufei!" antwortete Noin. „Du hättest dich nicht einmischen sollen! Das Beruhigungsmittel war nicht für dich bestimmt. Hör gefälligst sofort auf so dreckig zu lachen, Zechs! Ich hab noch jede Menge mehr von diesem Zeug, und ich werde nicht davor zurückschrecken, es dir in den Hintern zu jagen!"
Treize, der die ganze Zeit sein Gesicht in seinen Händen versteckt hatte, sah plötzlich auf, blickte Quatre und mich kurz an und sagte, „Also, ok, wir wissen was wir zu tun haben, bis dann." Und mit diesen Worten deaktivierte er die Verbindung.
Ich stand da und blinzelte ein paar Mal den dunklen Bildschirm an. Dann drehte ich meinen Kopf leicht und sah erst Heero an – der einen leicht verwirrt bis neugierigen Gesichtsausdruck hatte – und dann Quatre. Quatre sah genauso verblüfft aus wie ich mich fühlte. Mit weit aufgerissenem Mund starrte er ebenfalls einfach nur auf den schwarzen Bildschirm, und dann zu mir.
„Wollen wir das wirklich wissen?" fragte ich langsam.
„Nein," antwortete Quatre – und dann brachen wir beide in unkontrolliertes Lachen aus.
„Hast du..." kicherte Quatre zwischen zwei Glucksern, „... hast du Treizes Gesicht gesehen?"
„Ja..." keuchte ich und hielt mich am Pilotensitz fest, in dem Heero saß. „Aber noch lieber hätte ich Wuffels Gesicht gesehen, als Lu ihm die Spritze in den Hintern gejagt hat!"
Heero sah lächelnd zu, wie Quatre und ich uns langsam von unserem Lachanfall beruhigten, und ich lächelte zurück, sobald ich dazu wieder in der Lage war. Es war einfach wunderbar, Heero lächeln zu sehen. Ich liebte sein Lächeln, und in den letzten Tagen hatte ich es so oft zu sehen bekommen, wie in all den Wochen davor zusammengenommen nicht.
„In Ordnung," japste Quatre schließlich. „Dann besorgen wir uns erstmal das Gegenmittel."
Gesagt getan. Es war nur eine Sache von Minuten, und genau wie Noin gesagt hatte war es kinderleicht. Wing replizierte uns das Gegenmittel, wir injizierten uns – hatte ich schon erwähnt, das ich die Injektoren der OZ wirklich liebte? Keine Nadeln, keine Einstichstelle, einfach klasse.
„So, jetzt können wir uns auf L1 wenigstens frei bewegen, ohne irgendwelche – Nebenwirkungen zu befürchten," verkündete ich zufrieden. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie Heero leicht rot wurde. Ich hoffte sehr, daß er auch dachte was ich gerade dachte. Das es mir nämlich gar nicht gefallen würde, wenn wir unsere nächtlichen Aktivitäten – falls es solche nach Trowas Rettung überhaupt noch geben würde – nicht aufrecht erhalten könnten.
„Wo wir grad beim Thema sind," sagte Quatre. „Wir sollten genauer besprechen wie wir vorgehen wollen."
„Nun," sagte Heero, „ich habe darüber nachgedacht. Ich denke, das beste wäre, wir würden J's Hausuniform anziehen und uns unter die Sklaven mischen."
Quatre nickte. „Das ist eine hervorragende Idee. So fallen wir am wenigsten auf."
„Ich weiß nicht," sagte ich. „Werden sie Heero nicht erkennen?"
„Ich bin nicht oft von J's Anwesen weggekommen," sagte Heero. „Die Sklaven außerhalb des Anwesens kennen mich nicht."
„In Ordnung," nickte Quatre. „Es wäre sowieso am besten, wenn wir uns aufteilen. Oder weißt du genau, wo wir Trowa finden können, Heero?"
Heero zuckte mit den Schultern. „Nicht wirklich. Wäre noch alles beim alten dann wäre Trowa wahrscheinlich bei J im Labor. Aber ich habe keine Ahnung was sich seit meiner Flucht alles geändert hat. Und es muß sich etwas geändert haben, ich kann mir nicht vorstellen das J einfach so weiter macht wie bisher. Ich bin mir nichtmal sicher das Trowa überhaupt noch auf J's Anwesen ist."
„Das ist nicht so schlimm," sagte Quatre. „Wir werden Trowa eben suchen müssen. Ich werde das Anwesen überprüfen, und Duo und du durchsuchen die nähere Umgebung. Und sollte Trowa dort nicht sein, dann überlegen wir weiter."
„Aber wie sollen wir wissen, ob einer von uns Trowa gefunden hat, wenn wir uns trennen?" warf ich ein. Mir gefiel der Gedanke nicht wirklich. „Vielleicht sollten wir doch besser zusammen bleiben."
„Ich denke nicht daß das eine gute Idee wäre, Duo," sagte Quatre. „Wie gesagt, Heero könnte erkannt werden, und du bist mit deinem Zopf eine viel zu auffällige Erscheinung."
„Quatre hat recht," sagte Heero. „Niemand auf J's Anwesen hat so lange Haare. Du würdest dort sofort auffallen, vor allem falls J dich sehen sollte. Er wüßte genau, daß du nicht zu seinen Sklaven gehörst."
„Vielleicht können wir ja über Funk in Verbindung bleiben," sagte Quatre. „Wing? Ist das möglich?"
„Das ist es," antwortete Wing. „Aber es wäre nicht ratsam. J könnte die Funkverbindung orten und dazu benutzen unseren Standpunkt ausfindig zu machen."
„Verdammt," fluchte ich.
Quatre seufzte. „Hm. Vielleicht sollten wir dennoch Kommunikatoren mitnehmen. Für den allerschlimmsten Notfall. Und wir werden einen festen Zeitpunkt ausmachen, zu dem wir uns wieder bei Wing treffen. Sollte dann jemand von uns fehlen, wissen wir das derjenige in Schwierigkeiten ist und können über das Funkgerät mit ihm Kontakt aufnehmen."
Ich nickte. „In Ordnung."
„Aber ich glaube nicht, dass uns was geschieht," versuchte Quatre mich aufzumuntern. „Was kann uns schon passieren? Selbst wenn uns Jäger auf den Hals gehetzt werden, wir können beide singen. Wir sollten wirklich in der Lage sein uns zu verteidigen. Und solange du in Heeros Nähe bleibst kann ihm auch nichts passieren. Außerdem hast du noch Shini."
„Ist ja schon gut, Q, du hast mich überzeugt!" rief ich mit erhobenen Händen. Wenigstens würde ich mit Heero zusammen bleiben.
„Gut," grinste Quatre – verdammt, er hatte es schon wieder geschafft! – dann fuhr er fort, „Heero, kannst du mir beschreiben wie Trowa aussieht?"
„Ich habe etwas besseres," warf Wing ein bevor Heero antworten konnte. „Ich habe ein Bild von ihm."
„Du hast ein Bild von Trowa?" fragte Heero. „Warum?"
„Es befinden sich Bilder sämtlicher Sklaven von J in meinem Speicher," antwortete Wing. „Für den Fall das einer der Sklaven versucht zu fliehen. Damit die Jäger wissen wie sie aussehen."
Wir schwiegen eine Weile und ich griff nach Heeros Hand und drückte sie beruhigend. Ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, wie es war ein Sklave zu sein, das ganze Leben lang ständig überwacht zu werden, niemals frei das tun zu können was man wollte. Aber ich bekam ein immer besseres Bild davon.
„Zeig uns das Bild," sagte Quatre schließlich.
Auf dem Monitor erschien das Bild eines jungen Mannes, etwa unser Alter. Er hatte ein schmales Gesicht, braunes Haar – heller als das von Heero – und grüne Augen – nun ja, ein grünes Auge zumindest. Denn eine Strähne des Haares war lang, sie reichte von seiner Stirn bis zu seinem Kinn und verdeckte die Hälfte seines Gesichtes.
Ich studierte das Bild nachdenklich. So hatte ich mir Trowa nicht vorgestellt. Er sah nett aus. Sein Blick war ernst und ein wenig traurig. Zumindest schien es mir so. Vielleicht war es aber auch nur mein schlechtes Gewissen das versuchte mir das einzureden. Schnell stopfte ich es dorthin zurück, wo es hergekommen war. Im Krieg und in der Liebe, erinnerte ich mich selbst.
„Wir sollten uns langsam umziehen," riß Heero mich aus meinen Gedanken. „Wir sind gleich da."
Ich zuckte leicht zusammen. Heero hatte recht, in wenigen Minuten würden wir L1 erreichen. Ich warf einen Blick auf Quatre, der ungewöhnlich still war und Trowas Bild fast gebannt zu studieren schien.
„Q?" fragte ich.
„Was?" schrak Quatre hoch und blickte mich blinzelnd an.
„Wir müssen bald los."
„Oh... ok." Mit einem letzten Blick auf das Bild wandte Quatre sich ab, nahm sich einen der Anzüge die Heero in der Zwischenzeit repliziert hatte und verschwand in seiner Kabine.
Ich ging in meine Kabine, in der Heero bereits dabei war sich umzuziehen. Ich ließ meinen Blick kurz bewundernd über seinen Körper wandern, bevor ich mich zusammenriß. Wenn ich damit nicht aufhören würde, kämen wir heute nicht mehr vom Schiff.
Schnell zog ich meine Klamotten aus und quetschte mich dann in J's Hausuniform. Und mit quetschen meinte ich wirklich quetschen. Das Ding war unglaublich eng. Wenn es noch enger hätte sein sollen, dann hätte es auftätowiert werden müssen.
Ich warf einen raschen Blick in Heeros Richtung, aber er hatte sich bereits mit geübten Bewegungen in seinen Anzug gezwängt. Als er sah, wie ich mit meiner Verkleidung kämpfte kam er herüber.
„Warte," sagte er, „ich helfe dir." Mit ein paar schnellen Handgriffen steckte er mich in den Anzug und ich mußte erstaunt blinzeln. Das ging einfacher als ich gedacht hatte.
„Und wie mache ich das Ding jetzt zu?" fragte ich und sah an mir hinab. Die Öffnung vorne im Anzug hatte keine Knöpfe, keinen Reißverschluß, nichts womit man es schließen konnte.
„So," sagte Heero und hielt die offenen Enden aneinander. Und wie durch ein Wunder schloß sich der Spalt und es war kein Loch mehr zu sehen. Die Vorderseite sah aus als wäre da niemals ein Spalt gewesen.
Mein erstaunter Blick war Heero aufgefallen, denn er antwortete mit einem kleinen Lächeln, „Molekulare Verschmelzung. Funktioniert so ähnlich wie ein Reißverschluß. Nur eben auf molekularer Ebene."
Ich nickte verstehend, auch wenn ich in Wirklichkeit nicht ein Wort verstanden hatte. Und eigentlich war es mir auch egal. Heero stand noch immer ganz nah vor mir und lächelte mich an. Und dann lehnte er sich vor und plötzlich lagen seine Lippen auf meinen.
Meine Arme schlossen sich um Heero, und meine Zunge begegnete seiner in unserem Kuß. Nach einer Ewigkeit schaffte ich es schließlich meine Lippen von Heeros Mund zu lösen.
„Wir müssen damit aufhören," keuchte ich leicht außer Atem.
„Warum?" flüsterte Heero, dessen Mund nur Millimeter von meinem entfernt war.
Warum? Ja warum eigentlich? Ich versuchte angestrengt mein Gehirn wieder zum laufen zu bringen. Da war doch irgendwas.
„Duo! Heero! Bitte bringt mich nicht dazu jetzt in eure Kabine kommen zu müssen!"
Hastig trat ich einen Schritt zurück und spürte wie ich rot wurde. Quatres laute Stimme von außerhalb der Kabine hatte mich wirklich schnell wieder auf den Boden gebracht. Und Heero schien es nicht anders zu gehen, auch er war ziemlich rot im Gesicht und sah wirklich überall hin, nur nicht zu mir. Ich grinste kurz.
Dann nahm ich Heeros Hand, drehte mich um und verließ mit ihm zusammen unsere Kabine. Quatre erwartete uns draußen und zog zur Begrüßung nur eine Augenbraue hoch, was ich aber gekonnt ignorierte.
In Wings Cockpit angekommen setzte Heero sich in einen der Pilotensitze und Quatre in den anderen. Ich nahm auf der Armlehne von Heeros Sitz platz.
„Treize hat mich soeben informiert, daß sie das Ablenkungsmanöver gestartet haben," verkündete Wing.
Das Ablenkungsmanöver war im Grunde sehr simpel. Treize und Zechs würden einfach einige der Schiffe kontaktieren und verkünden, wer sie waren und das sie vorhatten mit ihrer Rebellentruppe OZ zu vernichten. Sie würden die OZ auf diesen Schiffen solange reizen, bis diese sich entschlossen, die Störenfriede auszuschalten. Ich war mir sicher, das Treize – mit Hilfe von Wufei und Noin – durchaus in der Lage war, die OZ genügend zu verärgern.
Sobald genügend Schiffe die Verfolgung aufgenommen hatten würden Treize und Zechs einfach den Antrieb abschalten und sich hinter irgendeinem Mond in diesem Sonnensystem verstecken. Und da sie keine KI hatten, würden die anderen Schiffe sie auch nicht aufspüren können.
Gespannt starrten wir auf den Bildschirm, der uns L1 und die darum stationierten Schiffe zeigte. L1 sah ein wenig aus wie die Erde – nur nicht ganz so viele Ozeane. Und dann nach einer Ewigkeit – wie mir schien – lösten sich vier Schiffe und nahmen Kurs auf die Koordinaten von Treize und Zechs' Schiff.
„Es funktioniert!" rief Quatre aufgeregt.
Sofort setzte Wing sich in Bewegung. Ich hielt gebannt die Luft an als L1 immer näher kam. Würde Wings List funktionieren? Der Landeanflug erschien mir stundenlang, obwohl er wahrscheinlich nur Minuten gedauert hatte. Aber jede Sekunde befürchtete ich, das eines der Kampfschiffe unsere Verfolgung aufnehmen würde und uns aus dem Orbit schießen würde. Doch nichts dergleichen geschah.
Schließlich tauchten wir in die Atmosphäre ein, und nur wenig später setzte Wing sanft auf der Oberfläche auf. Keiner von uns rührte sich.
„Wir sind angekommen," sagte Wing schließlich.
Und so als ob wir das vorher tatsächlich nicht mitbekommen hatten rissen diese Worte uns aus unserer Erstarrung. Schnell standen wir auf und liefen auf Wings Shuttletür zu. Und dann machte ich die ersten Schritte auf einen fremden Planeten.
So anders fühlte es sich gar nicht an, wie ich erstaunt feststellte. Die Anziehungskraft war ähnlich der der Erde – vielleicht eine Winzigkeit kleiner. Die Luft war nicht anders in der Zusammensetzung – soweit ich das nur mit meiner Nase bewaffnet feststellen konnte. Der Himmel sah genauso blau aus wie bei uns. Die Sonne hatte zwar einen leichten Stich ins orange und war nicht ganz so gelb wie unsere, aber das fiel eigentlich kaum auf.
Was allerdings schon auffiel waren all die fremden Pflanzen. Wing war in einem kleinen Wäldchen gelandet – ich hätte sicherlich ein starkes Gefühl des Deja vu gehabt, wenn die Bäume hier nicht anders ausgesehen hätten als die der Erde. Sicher, sie waren ihnen ähnlich genug das ich sie dennoch noch als Bäume erkennen konnte. Aber ich hätte sie niemals für etwas halten können, was auf der Erde wuchs.
„In Ordnung," sagte Quatre und riß mich aus meinen Betrachtungen. „Wir treffen uns in zwei Stunden wieder hier. Bis dahin sollten wir Trowa gefunden haben, oder feststellen können, das er nicht hier ist."
Heero nickte, und ich schloß mich ihm an.
„In welcher Richtung liegt J's Anwesen?" fragte Quatre. Heero zeigte es ihm. Mit einem letzten Nicken in unsere Richtung machte Quatre sich auf den Weg und verschwand zwischen den Bäumen.
Heero wandte sich mir zu. „Folge mir," sagte er, und dann lief er ebenfalls auf die Bäume zu, allerdings in einer anderen Richtung als Quatre.
Nervös strich ich über Shini. Da dieser enge Anzug keine Taschen besaß hatte Shini sich wie ein Armband um mein rechtes Handgelenk gelegt. Ich war wirklich froh das ich Shini hatte. Dann lief ich los, Heero hinterher.
Eine Weile liefen wir durch den Wald, dann kamen wir in offenes Gelände. Und hätte ich vorher noch Zweifel gehabt, so wäre mir bei diesem Anblick ganz sicherlich klar gewesen, das ich nicht mehr auf der Erde war.
Die Gebäude die ich sah glichen nichts das ich jemals gesehen hatte. Ich konnte kleinere Schiffe in der Ferne über dem Boden fliegen sehen – Schwebegleiter, wie Heero mir auf meine Frage hin erklärte. Offenbar das OZ-Äquivalent zu unseren Autos.
Mit Heero zusammen fingen ich an die wahrscheinlichsten Orte außerhalb von J's Anwesen nach Trowa zu durchsuchen. Ich war wirklich froh das Heero dabei war. Er war lange genug J's Assistent gewesen um genau zu wissen, wie er die anderen Sklaven – und auch OZ – dazu bringen konnte ihm zu helfen oder seine Fragen zu beantworten. Nur ein Hinweis auf J oder das dieser etwas mit unserem Hiersein zu tun hatte, und keiner stellte irgendwelche Fragen.
Ich warf Heero einen schnellen Seitenblick zu. Sein Gesichtsausdruck war völlig blank und seine Augen zeigten überhaupt keine Regung. Seit wir hier auf diesem Planeten waren benahm er sich schon so. Ich hatte ihn noch nie so erlebt – so kalt, so emotionslos – fast leblos. Ich erschauerte. Wie mußte Heeros Leben hier gewesen sein, um ihn diese harte, kalte Maske als Schutz aufsetzen zu lassen?
Als wir das erste Mal einem OZ begegneten, konnte ich mich nur mit Mühe und Not davon abhalten nicht zu starren. Heero hatte zwar erzählt, wie sie aussahen, aber es zu hören und dann in Wirklichkeit zu sehen waren zwei verschiedene Dinge.
Die OZ sahen aus wie überdimensionale Eidechsen. Eidechsen die aufrecht auf zwei Beinen liefen, unterstützt von ihrem langen, kräftigen Schwanz. Und oben auf ihrem Kopf war ein seltsames Horn – das Organ das die Töne erzeugte, wie Heero mir später erklärte. Kein Wunder also das ich versucht war sie neugierig anzustarren. Das hier waren Aliens! Echte, lebendige Aliens!
Offenbar hatte Heero genau die richtige Art Arroganz an den Tag gelegt, denn die OZ die uns aufgehalten und uns gefragt hatten, was wir hier wollten, antworteten sofort unterwürfig auf Heeros Fragen. Natürlich nahmen sie an das Heero in J's Auftrag unterwegs war – das half sicherlich etwas. Doch offenbar war Trowa nicht hier, und so machten Heero und ich uns auf um weiter zu suchen.
Wir hatten die Umgebung sicherlich schon seit einer Stunde durchsucht, als Heero mich plötzlich packte und wieder hinter die Gebäudeecke zerrte, die wir gerade umrundet hatten.
„Das ist J!" zischte er und ich riß erschrocken die Augen auf. J? Hier? Verdammt, was wollte er hier? Vorsichtig schob ich mich vor und riskierte einen schnellen Blick um die Ecke. Ein Stück weiter vorn konnte ich fünf OZ erkennen, die offenbar in eine Art Diskussion vertieft waren – allerdings konnte ich nicht verstehen was sie sagten. Sie waren zu weit weg.
„Ro? Welcher von den Grottenolmen ist J?" flüsterte ich.
Heero warf mir einen erstaunten Blick zu und ich zuckte nur mit den Armen und grinste leicht. Heeros Mundwinkel zuckten und verzogen sich ebenfalls zu einem Grinsen, und dann lugte er gleich neben mir ebenfalls um die Ecke.
„Der mit dem künstlichen Arm," antwortete er fast lautlos.
Ich sah genauer hin. Tatsächlich, einer der OZ hatte einen künstlichen Arm aus Metall. Wie praktisch. So konnte ich genau erkennen wer J war. Wäre der Arm nicht gewesen hätte ich es sicherlich nicht gekonnt. Diese OZ sahen für mich alle gleich aus.
„Verdammt," flüsterte Heero. „Was geht da vor? Das da sind O, S und H. Den anderen kenne ich nicht. Aber was machen die alle hier?"
„Leben sie denn nicht hier auf L1?" fragte ich und zog mich wieder hinter die Ecke zurück.
„Nein," Heero schüttelte den Kopf und folgte meinem Beispiel. „O, S und H sind genau wie J sehr einflußreiche OZ. Sie alle sind außerdem auch noch Wissenschaftler, ebenfalls genau wie J. Daher kenne ich sie auch. J hat sich oft mit ihnen über einen Com-Link unterhalten. Aber sie waren noch niemals alle zusammen persönlich hier. Und wer der fünfte OZ ist weiß ich nicht. Den habe ich noch niemals gesehen."
Ich schwieg und sah Heero an. „Und was machen wir jetzt?" fragte ich ihn schließlich.
„Wir müssen näher an sie herankommen, damit wir hören können was sie reden," antwortete Heero. „Wir müssen herausfinden warum sie hier sind."
