Titel: Enjoy the Silence
Autor: Zanna
Disclaimer: siehe Kapitel 1
Beta: Laren 'knuddel'
Kommentar: 'schnief' Irgendwie scheint außer Touya und Alec niemand mehr meine Story zu lesen. 'schnief' Lasst mich arme, Review-süchtigen Autor doch nicht einfach so hängen 'nochmehrschnief'.
Ok, genug rumgejammert (und wenn ihr nicht noch mehr Gejammer hören wollt, schreibt nen Kommie! 'g'), ich hab ne Frage an euch. Wie ihr vielleicht merken werdet, ist dieses Kapitel mal nicht aus Duos oder Heeros POV. Meine Frage - was haltet ihr davon? Falls ihr nicht absolut der Meinung seid, das es nur Heero und Duo POV geben soll, werd ich in Zukunft auch ein paar andere Sichtweisen hineinbringen (auch wenn der Schwerpunkt weiterhin bei Duo und Heero liegen wird), falls ihr aber dagegen seid, dann wird das hier eben ein einmaliger Ausrutscher bleiben. Also, sagt mir was ihr denkt!
Kapitel 22
Trowa POV
„Trowa. Komm her."
Ich versteifte mich für eine Nanosekunde, kam der Aufforderung aber sofort nach. Es war niemals gut J warten zu lassen – nicht wenn er gut gelaunt war, und schon gar nicht wenn er so schlecht gelaunt war wie in den letzten 27 Tagen. Genauer gesagt, den letzten 27 Tagen, 4 Stunden und 36 Minuten.
„Was ist das?" fragte J mit schneidender Stimme und deutete auf den Labortisch vor ihm.
Ich warf einen kurzen Blick darauf, wußte aber auch so was ich da sehen würde. Auf dem Tisch stand J's neuestes Forschungsobjekt.
Ich öffnete meinen Mund, aber J wartete meine Antwort erst gar nicht ab. „Du hast es zerstört," sagte er mit zusammengekniffenen Augen. „Ich habe dir doch genau gesagt, was du zu tun hast. Warum hast du dich nicht an meine Anweisungen gehalten?"
„Das habe ich," erwiderte ich leise.
„Wie war das?"
„Ich habe mich an die Anweisungen gehalten," wiederholte ich, immer noch leise. J hatte mich auch schon beim ersten Mal sehr gut verstanden.
„Das ist Unsinn. Ich habe dir ganz sicher nicht gesagt, die Energiematrix auf diese Art an den Verteiler anzuschließen."
Dazu gab es wirklich nichts zu sagen. Und so starrte ich einfach nur weiter stumm auf den Tisch und das Objekt unserer Unterhaltung hinab. Die Energiematrix war völlig verkohlt. J würde Tage brauchen um sie zu ersetzen.
„Du hast einen Fehler gemacht," sagte J.
Ich schwieg weiter. Aber offenbar schien J irgendetwas an meinem Schweigen nicht zu gefallen.
„Nun? Was hast du dazu zu sagen?"
Ich warf ihm einen schnellen Blick unter meinem langen Pony zu. Ich hätte dazu wirklich eine Menge zu sagen. Zum Beispiel das ich keinen Fehler gemacht hatte. Das ich mich exakt an J's Anweisungen gehalten hatte. Aber ich unterdrückte diesen Impuls wie gewohnt.
Doch offenbar hatte J irgendetwas in meinem Blick gesehen – auch ich war seit 27 Tagen nicht wirklich auf der Höhe.
„Willst du etwa behaupte, das es mein Fehler wäre?" J's Stimme hatte einen gefährlichen, fast freudigen Unterton.
„Nein. Das will ich nicht," war meine ruhige Antwort. Natürlich würde ich so etwas nicht behaupten. Ich war schließlich nicht dumm. Allerdings würde es mir sowieso nichts helfen. Ich hätte es also auch darauf ankommen lassen und J sagen können, das er sehr wohl einen Fehler gemacht hätte. J würde mich bestrafen – es würde nur einen Unterschied in der Intensität und Länge der Bestrafung ausmachen.
Mit gesenktem Kopf wartete ich darauf, das J endlich anfangen würde. Je eher er anfinge, desto eher würde er schließlich fertig sein, und vielleicht würde er es mir sogar gestatten mich hinterher zurückzuziehen. Ich atmete tief ein und versuchte mich seelisch und gedanklich darauf einzustellen.
J kam näher, ein Glitzern der Vorfreude in seinen Augen. Er genoß sie wirklich, seine kleinen Bestrafungen. J war ein Sadist, er liebte es seine Opfer schreien zu hören. Zu seinem Bedauern hatten jedoch weder Heero noch ich jemals einen Ton von uns gegeben. Das war etwas was wir sehr schnell gelernt hatten – blieben wir still, versuchte J zwar mit allen möglichen Mitteln doch noch einen Ton aus uns herauszubringen, aber er verlor auch viel schneller die Lust an seinen Bestrafungen. Würden wir dagegen schreien oder weinen wie die meisten der anderen Sklaven würde J stundenlang weitermachen.
Als J begann ließ ich meine Gedanken schweifen. Das war die einfachste Methode um sich geistig auszuklinken. Und in den letzten Tagen und Wochen war ich wirklich häufig dazu gekommen diese Methode anzuwenden. Das Leben bei J war noch schwieriger geworden. Nicht dass es vorher ein Zuckerschlecken oder J kein Sadist gewesen wäre, aber seit Heeros Flucht war es noch schlimmer.
Es war leichter zu ertragen gewesen, als ich noch jemanden gehabt hatte, der das selbe durchmachte wie ich. Der unter den selben Dingen zu leiden hatte. Der mich verstand, und der mir half. Der mein bester Freund und meine ganze Familie war.
Ich vermisste Heero. Wie es ihm jetzt wohl ging? Wo er jetzt war und was er gerade machte? Ich hoffte so sehr, das es ihm gut ging. Das er glücklich war.
Die ersten Stunden nach seiner Flucht hatte J getobt. Als es ihm zum ersten Mal aufgefallen war, das Heero nicht mehr da war, hatte er es erst nicht glauben können. Doch irgendwann hatte er einsehen müssen, das Heero tatsächlich geflohen war. Und obwohl er sofort jede Menge Schiffe losgeschickt hatte und auch selbst aufgebrochen war, so hatte Heero offenbar schon einen zu großen Vorsprung gehabt und konnte nicht mehr eingeholt werden.
J hatte ihn nicht gefunden, und mit jedem weiteren Tag der verging sank die Chance das er ihn jemals finden würde. J war nach 5 Tagen von seiner Suche zurückgekehrt, und seitdem war seine Stimmung auf dem Tiefpunkt.
Mit jedem weiteren Tag der vergangen war hatte sich die Wahrscheinlichkeit das Heero noch geschnappt wurde verringert. Jeden Tag war ich mit der Befürchtung aufgestanden das sie Heero inzwischen gefangen hatten, und jeden Abend war ich mit der Genugtuung schlafen gegangen, das es J nicht gelungen war.
Und jetzt, nach 27 Tagen, 5 Stunden und 1 Minute war ich mir sicher, dass es ihm auch nicht mehr gelingen würde. Heero war endgültig entkommen.
Ich hatte es gewußt. Ich hatte gewußt, wenn jemandem eine erfolgreiche Flucht gelingen würde, dann wäre das Heero. Und auch wenn ich mir mehr als alles andere wünschte das ich mit ihm hätte gehen können, so war ich doch froh für ihn. Wenigstens einer von uns würde den Rest seines Lebens nicht in der Sklaverei verbringen.
Für eine Sekunde kroch ein winziger Hoffnungsschimmer in mir hoch, wie immer wenn ich an Heeros Flucht dachte. Er hatte versprochen er würde zurückkommen und mich holen. Aber so wie immer wenn mir dieser Gedanke kam unterdrückte ich ihn schnell. Heero würde nicht kommen. Das konnte er gar nicht. Und ich hatte es gewußt als ich ihn zur Flucht gedrängt hatte. Genauso wie Heero. Ich denke, er hatte dieses Versprechen mehr für sich selbst geben müssen, weniger für mich.
Aber das machte mir nichts aus; es hätte genauso gut auch andersherum sein können – ich hätte fliehen können und Heero hier zurücklassen müssen. Nur das ich nicht glaubte dass meine Flucht auch nur halb so erfolgreich gewesen wäre wie Heeros.
Und doch – ich vermisste ihn. Ich hatte mir nie Gedanken gemacht, wie mein Leben wohl aussehen würde, wenn Heero nicht mehr hier wäre und ich J's gesamte Aufmerksamkeit für mich allein hätte. Ich weiß nicht ob ich dann immer noch darauf bestanden hätte, das Heero ohne mich ginge wenn ich es gewußt hätte.
Das schlimmste war die Einsamkeit. Weder Heero noch ich hatten jemals viel Kontakt zu den anderen Sklaven gehabt; zum einen hatten sie meistens nichts mit uns zu tun haben wollen, wir waren J und damit der Gefahr viel zu nahe. Und zum anderen waren Heero und ich eher Einzelgänger. Wir waren lieber unter uns geblieben, wir waren uns die einzige Gesellschaft die wir gebraucht hatten.
Doch jetzt war Heero weg und ich war allein. Und ich ertappte mich immer öfter dabei das ich mich fragte, was für einen Sinn das alles überhaupt noch hatte. Bis jetzt war ich immer noch davor zurückgeschreckt etwas endgültiges zu tun, aber je mehr Zeit verging desto verlockender wurde der Gedanke, allem einfach ein Ende zu bereiten.
Schmerz durchzuckte mich und ich unterdrückte ein Stöhnen. Offenbar war J heute wildentschlossen mir ein Geräusch zu entlocken. Er hatte die Schmerzintensität seit seiner letzten Bestrafung um ein vielfaches erhöht – meine Ablenkungsmethode reichte nicht mehr aus um den Schmerz auszublenden.
Ich keuchte fast lautlos auf und sank auf die Knie. Und obwohl ich immer schneller atmete gab ich immer noch kein Geräusch von mir. Diese Genugtuung würde ich J nicht gönnen. Niemals. Lieber würde ich sterben.
Glücklicherweise mußte ich diese Theorie nicht gerade heute austesten, denn der Signalton von J's Kommunikationskonsole rettete mich. Mit einem Fluch ließ J von mir ab und wandte sich der Konsole zu. Ich schlang meine Arme um meinen Körper und versuchte das Zittern unter Kontrolle zu bekommen.
„Was ist?" fauchte J.
Das Bild eines anderen OZ erschien auf dem Bildschirm, und bevor dieser etwas sagen konnte machte J eine rasche Handbewegung und sagte, „Einen Moment." Dann deaktivierte er meinen Translator und wandte sich wieder seinem Gesprächspartner zu.
Obwohl ich im Moment eigentlich vollauf damit beschäftigt war nicht doch noch vor Schmerz zu schreien beschäftigte sich ein kleiner Teil meines Gehirns dennoch mit dem seltsamen Anrufer. J hatte mich seit Heeros Flucht jedesmal weggeschickt wenn er einen Anruf bekommen hatte – ich glaubte nicht das er wußte das ich die Sprache der OZ verstehen konnte, aber er wollte wohl auf Nummer Sicher gehen. Warum er mich diesmal nicht rausschickte wußte ich nicht – vielleicht hatte er mich einfach vergessen – oder er wollte mich zur Stelle haben um nach dem Anruf sofort mit der Bestrafung fortzufahren.
Ich konnte zwar kaum etwas verstehen – meine Ohren rauschten noch immer und J sprach ziemlich leise – aber ich hörte doch, dass er seinen Anrufer fragte warum dieser denn so lange gebraucht hätte und das J ihn gleich treffen würde.
Ich gestattete mir einen leisen erleichterten Seufzer. Wenn J gehen würde, dann könnte ich mich in mein Quartier zurückziehen. Und wenn J schließlich zurückkehren würde, hätte er vielleicht vergessen das er gerade dabei gewesen war mich zu bestrafen.
Und richtig, genau wie ich vermutet hatte scheuchte J mich aus dem Labor, schloß es hinter sich ab – das tat er seit Heeros Flucht jetzt immer – und verschwand dann mit schnellen Schritten den Flur hinunter.
Ich lehnte mit noch immer zitternden Gliedern an der Wand vor J's Labor. Schließlich, nach einigen Minuten in denen ich nur konzentriert ein- und ausgeatmet hatte stieß ich mich von der Wand ab und machte mich langsam auf den Weg.
Immer wieder blieb ich stehen wenn mich eine erneute Schmerzwelle überflutete. Ich hatte keine Ahnung was für ein Gerät J diesmal an mir ausprobiert hatte, aber es war schlimmer als die früheren Strafen. Statt einfach nur abzuklingen kam und ging der Schmerz in unregelmäßigen Abständen.
Endlich trat ich aus dem Hauptgebäude hinaus auf den Hof. Ich blieb kurz stehen und blinzelte hinauf in den Himmel. Überrascht registrierte ich was für ein schöner Tag es war. Ich wußte nicht wieso mir das gerade in diesem Moment auffiel – aber es war tatsächlich ein wunderschöner Tag auf L1. Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel, es war warm und ich konnte sogar irgendwo ein paar Vögel singen hören.
Ich seufzte. Es hatte keinen Sinn sich Gedanken über das Wetter zu machen, ich könnte es ja doch nicht genießen. Außerdem sollte ich mich lieber beeilen, wer wußte schon wohin J gegangen und wann er zurückkommen würde.
Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend machte ich mich auf den Weg zu dem kleinen Häuschen das früher einmal Heeros und mein Quartier gewesen war und das ich nun völlig allein bewohnte. Heero und ich waren immer froh gewesen das wir abseits der anderen Sklaven wohnten. Aber nun hatte ich schon einige Male überlegt, ob ich nicht doch besser in eines der größeren Quartiere umziehen sollte. Dann wäre ich vielleicht nicht mehr so einsam.
Doch meist hielt dieser Gedanke nicht lange vor. Ich würde in den größeren Quartieren nicht weniger einsam sein. Vielleicht sogar noch mehr. Ich würde dort ein Außenseiter sein – und das wäre mit Sicherheit sogar noch schlimmer zu ertragen als ganz allein die Wände in meinem Quartier anzustarren.
Eine neue Schmerzwelle durchzuckte mich und ich keuchte laut auf. Die hier war wirklich schlimm, und ich merkte wie meine Füße unter mir wegklappten. Ich streckte die Hand aus und konnte mich gerade noch an der Wand abstützen so daß ich nicht vollkommen umfiel und auf meinem Gesicht landete. Aber auch so kam ich hart auf meinen Knien auf und der Aufprall sandte einen weiteren Schmerzimpuls durch meinen Körper.
Benommen kniete ich für eine Weile an der Wand und versuchte die weißen Punkte vor meinen Augen wegzublinzeln. Mein Atem ging wieder schneller und meine Muskeln zuckten unkontrolliert. Als mein Blick sich schließlich wieder etwas klärte stand ich nicht sofort auf sondern blieb eine Weile einfach dort sitzen und versuchte wieder zu Atem und zu Kräften zu kommen.
Ich hob den Kopf und sah mich um. Außer mir waren noch einige andere Sklaven auf dem Gelände und gingen der einen oder anderen Aufgabe nach. Keiner von ihnen sah zu mir her oder kam gar zu mir rüber. Ich lächelte traurig. Ich hatte eigentlich auch nichts anderes erwartet. Keiner der anderen hatte Heero oder mir jemals geholfen. Es war einfacher und vor allem sicherer für sie einfach so zu tun als würden sie uns nicht sehen wenn J mal wieder etwas an uns getestet hatte. Und ich konnte es ihnen auch nicht wirklich verübeln.
Ich seufzte und wollte meinen Blick schon wieder abwenden als mir etwas ins Auge fiel. Offenbar wurde ich nicht von allen ignoriert; dort drüben stand ein junger Mann und sah zu mir herüber. Ich starrte ihn überrascht an. Sowohl Heero als auch ich waren schon vorher auf dem Hof zusammengebrochen, aber noch niemals hatte das irgendwelche Aufmerksamkeit bei den anderen Sklaven erregt. Warum also blickte dieser hier mich an?
Verblüfft sah ich ihn etwas genauer an. Es war ein junger Mann, jünger als ich wenn ich mich nicht täuschte, mit goldblondem Haar und aquamarinblauen Augen. Ich blinzelte. Ich hatte ihn noch niemals hier gesehen – vielleicht war er ja ein neuer Sklave? Das würde dann auch erklären warum er die ungeschriebene Regel J's Assistenten zu ignorieren nicht kannte.
Der blonde junge Mann legte den Kopf leicht schief und ließ seinen Blick suchend über mich wandern. Ich runzelte die Stirn. Irgendwie hatte ich fast das Gefühl als würde er etwas von mir wollen. Aber das war doch Unsinn, was sollte er schon von mir wollen?
Doch schon im nächsten Moment setzte der junge Mann sich in Bewegung und kam zu mir rüber. Er ging neben mir in die Knie, sah mir noch einmal prüfend ins Gesicht und lächelte dann. Ich war vollkommen überwältigt. Dieses Lächeln ging mir durch und durch, und wenn ich nicht so fertig gewesen wäre hätte ich das Lächeln sicherlich erwidert.
„Hey," sagte der junge Mann und seine Stimme war fast so umwerfend wie das Lächeln. „Ist alles in Ordnung mit dir?"
Ich konnte ihn nur mit großen Augen stumm anstarren. Dieser Vorfall war so außergewöhnlich das ich einfach nicht wußte wie ich darauf reagieren sollte.
„Du siehst nicht gut aus," fuhr der Blonde fort und seine Stimme und auch sein Gesichtsausdruck wurden eindeutig besorgt. Und alles was ich tun konnte war ihn weiterhin stumm anzustarren.
Der fremde junge Mann war besorgt um mich. Um mich, einen für ihn völlig Fremden. Außer Heero hatte sich niemals jemand um mich gesorgt – schon gar nicht einer der anderen Sklaven die J gehörten. Wer war dieser junge Mann nur?
Ich ließ meinen Blick schnell über ihn wandern. Er trug eine von J's Hausuniformen, also mußte er so wie alles hier in J's Besitz sein. Aber er konnte es noch nicht lange sein, nicht wenn er noch einen so mitfühlenden Charakter besaß. Mitgefühl zahlte sich bei J niemals aus – J konnte und hatte so etwas bereits als Widerspruch ausgelegt.
„Kannst du aufstehen?" fragte der junge Mann, und ich war so sehr in meine Gedanken über ihn versunken das ich ohne groß nachzudenken nickte und dann mit einer schnellen Bewegung aufstand. Was ich allerdings besser gelassen hätten, denn sofort durchzuckte mich eine neue Schmerzwelle und meine Beine gaben erneut unter mir nach.
Doch diesmal fiel ich nicht zu Boden; der junge Mann war zusammen mit mir aufgestanden, und als ich drohte zu Boden zu sinken griff er schnell zu und hielt mich fest.
„Vielleicht sollte ich dir besser helfen," sagte er und schenkte mir erneut ein wunderschönes Lächeln. Und obwohl ich nicht wußte wer er war oder warum er mir half oder warum ich so seltsam auf ihn reagierte ließ ich zu das er einen meiner Arme um seine Schulter legte, mir einen Arm um die Taille schlang und dann mit mir zusammen loslief.
Ich blickte hinab auf seinen blonden Kopf – der junge Mann war mehr als einen halben Kopf kleiner als ich – und wunderte mich. Wieso half er mir? Und viel wichtiger, warum ließ ich mir so bereitwillig helfen? Meine Gedanken rasten in meinem Kopf hin und her, und so merkte ich erst gar nicht wo wir hingingen.
Als mir schließlich irgendwann auffiel, das wir schon viel zu lange unterwegs waren und mein Quartier eigentlich schon längst erreicht haben sollten und mich umsah, hatten wir J's Anwesen bereits verlassen und bewegten uns auf die Wälder zu.
Erschrocken blieb ich stehen und zwang meinen Begleiter so ebenfalls stehen zu bleiben. Keuchend blickte er fragend zu mir auf. „Was ist los?" fragte er atemlos.
„Wo bringst du mich hin?" fragte ich leise und mißtrauisch.
Der Blonde blinzelte einmal kurz, dann fragte er, „Hab ich das etwa nicht gesagt?"
Ich schüttelte den Kopf, doch bevor einer von uns beiden noch etwas sagen konnte überschwemmte mich eine weiter Schmerzattacke und ich krümmte mich zusammen. Und diesmal konnte der Blonde mich nicht festhalten. Glücklicherweise war der Boden hier etwas weicher, was den Aufprall etwas weniger schmerzhaft machte.
„Trowa!" rief der junge Mann besorgt und kniete neben mir nieder. „Was ist los?"
Ich keuchte und schlang die Arme um meinen Körper. Trotz der Schmerzen hatte ich gehört was der Blonde gesagt hatte. Und erneut stürmten Fragen auf mich ein. Er kannte meinen Namen. Woher kannte er meinen Namen? Ich bezweifelte das auch nur zwei Prozent von J's Sklaven meinen und Heeros Namen wußten; für sie waren wir einfach nur immer 'J's Assistenten' gewesen. Und der junge Mann hier mußte ein neuer Sklave sein – woher also kannte er meinen Namen?
Und dann war da noch ein anderes Detail. Er war völlig außer Atem, und das nur dadurch daß er mich beim Gehen gestützt hatte. Gut, er hatte einen Großteil meines Gewichts tragen müssen, da ich so sehr zitterte das ich kaum selbst stehen geschweige denn gehen konnte. Aber er hätte eigentlich mit Leichtigkeit in der Lage sein müssen mein ganzes Gewicht tragen zu können, auch wenn er fast einen Kopf kleiner war als ich. Ich hatte schon kleinere und schmächtigere Menschen viel schwerere Dinge tragen sehen. Was war hier los?
„Wer... wer bist du?" fragte ich atemlos. Ich würde das jetzt herausfinden.
Der Blonde blinzelte erneut. „Hab ich das etwa auch nicht gesagt?" rief er aus.
Ich schüttelte leicht den Kopf. Der Blonde warf mir einen verlegenen Blick zu und wurde leicht rot.
„Tut mir leid," sagte er. „Ich weiß auch nicht wie ich das vergessen konnte. Mein Name ist Quatre." Er lächelte mich wieder an. Als ich nicht reagierte sondern ihn nur weiterhin regungslos anstarrte fügte er hinzu, „Ich bin ein Freund von Heero."
Ich keuchte erstaunt auf. Was hatte er da gerade gesagt? Ein Freund von Heero? Mein Erstaunen mußte wohl deutlich auf meinem Gesicht zu lesen gewesen sein, denn Quatre lächelte erneut.
„Du kannst mir ruhig glauben," sagte er.
„Du bist zu spät," flüsterte ich.
„Zu spät?" Quatre runzelte die Stirn.
„Heero ist nicht mehr hier."
„Oh," erneut lächelte Quatre. „Ich weiß. Das heißt, eigentlich ist er schon wieder hier. Er sucht dich nur wo anders."
„Was?" Ich blinzelte Quatre vollkommen verblüfft an. Was er da gesagt hatte machte überhaupt keinen Sinn.
„Naja, wir dachten das Heero vielleicht erkannt werden würde, deshalb haben er und Duo die Durchsuchung des umliegenden Geländes übernommen, während ich für J's Anwesen zuständig war."
Ich blinzelte erneut. Langsam drang das was Quatre gesagt hatte in mein Hirn vor. „Heero ist hier?" flüsterte ich ungläubig.
„Aber natürlich," war Quatres Antwort.
Ich schloß gepeinigt meine Augen. Nein. Also das war es weswegen J vorhin so schnell verschwunden war. Er hatte Heero letzten Endes doch noch gefangen. Das konnte doch nicht sein!
Eine Hand legte sich auf meine Schulter. „Trowa?" hörte ich Quatres besorgte Stimme direkt neben meinem Ohr. „Was ist los?"
Ich öffnete die Augen und mein Blick fiel direkt in Quatres Augen, die mich besorgt ansahen. Für ein paar Momente konnte ich nichts anderes als einfach nur stumm in diese aquamarinblauen Tiefen zu starren, dann riß ich mich gewaltsam von diesem Blick los.
„Wie... wie hat J das geschafft?" fragte ich.
„Wie hat J was geschafft?"
„Heero wieder einzufangen."
Quatre antwortete nicht darauf und ich richtete meinen Blick wieder auf ihn. Quatre saß neben mir und blinzelte mich verblüfft an.
„Heero wieder einzufangen?" fragte er langsam, dann weiteten sich seine Augen erschreckt. „Nein! Du hast das falsch verstanden! J hat Heero nicht wieder eingefangen! Heero ist hier um dich zu holen!"
„Heero ist hier um mich zu holen?" wiederholte ich.
Quatre nickte enthusiastisch. „Natürlich! Schließlich hat er es dir doch versprochen! Und wir helfen ihm dabei."
„Wir?" fragte ich schwach. Irgendwie war das zu viel für mich. Ich konnte nicht wirklich glauben, was Quatre mir da alles erzählte.
„Ja, Duo und ich und Wufei und Noin, und dann noch Treize und Zechs – und natürlich Wing und Shini nicht zu vergessen..." Quatre brach ab als er meinen total überrumpelten Blick bemerkte und seufzte. „Ich schätze, das ist jetzt eine viel zu lange Geschichte. Wir sollten jetzt besser sehen das wir das Schiff erreichen. Reden können wir dann später."
Ich nickte wieder schwach und ließ mir von Quatre aufhelfen. Erneut auf ihn gestützt liefen wir weiter auf ein kleines Wäldchen zu. Wir hatten es schon beinahe erreicht, als ich ein Summen hörte. Ein nur allzu bekanntes Summen.
„Quatre!" keuchte ich, „Jäger!"
Quatre warf einen hastigen Blick hinter sich und ich tat es ihm nach. Und dann konnte ich ihn sehen – es war nur einer soweit ich erkennen konnte, aber auch ein Jäger war mehr als genug.
Quatre blieb stehen und drehte sich ganz zu dem Jäger um. Er runzelte die Stirn und legte den Kopf schief. „Ich glaube das ist Shini," sagte er und ich konnte ihn nur verblüfft anstarren. Quatre war vollkommen ruhig – er wirkte nicht im geringsten besorgt oder ängstlich oder gar panisch, was eigentlich die normalen Reaktionen auf einen angreifenden Jäger waren.
Bevor ich noch etwas sagen konnte war der Jäger auch schon heran und ich schloß ergeben die Augen und spannte meine Muskeln an. Doch nichts geschah und nach einer Weile hörte ich Quatre schließlich erfreut auflachen.
Ich riß meine Augen weit auf und was ich da sah ließ mich an meinem Verstand zweifeln. Statt uns anzugreifen schwirrte der Jäger nur um uns herum, und Quatre hatte eine Hand ausgestreckt als wollte er den Jäger streicheln und lächelte fröhlich dabei!
„Ich hatte recht!" rief er und strahlte mich an, „Es ist Shini!"
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Was auch immer J diesmal an mir ausprobiert hatte, es mußte wirklich schlimm gewesen sein, denn offenbar lag ich schon im Fieberdelirium. Oder vielleicht war ich sogar schon tot und das hier war das was auch immer nach dem Tod kam?
„Shini, wo sind Duo und Heero?" rief Quatre, und so unglaublich es auch schien, das Summen des Jägers klang fast wie eine Antwort.
„Ach Mist, ohne Wing verstehe ich nicht was du sagst," Quatre seufzte. „Macht nichts. Shini, kannst du mir helfen Trowa zum Schiff zu bringen?"
Und das Unglaubliche geschah. Der Jäger schwirrte noch einmal um uns herum, dann flog er hinter mich und ich konnte fühlen wie er mich ergriff, mich beim Gehen stützte und dann mit mir zusammen neben Quatre in Richtung des Wäldchens flog.
Ich starrte Quatre aus großen Augen an. Wer oder was war er? Wie hatte er den Jäger dazu gebracht das zu tun was er wollte? Ich fühlte mich vollkommen überfahren, ich hatte schon lange die Kontrolle über die ganze Situation verloren.
Vielleicht wenn ich nicht so benommen von den Schmerzen gewesen wäre, vielleicht hätte ich dann die ganze Situation mehr hinterfragt, hätte genauer wissen wollen was da gespielt wurde bevor ich Quatre, der ja eigentlich ein Fremder für mich war, einfach irgendwohin gefolgt wäre. Klar, er hatte zwar behauptet, ein Freund von Heero zu sein, aber wußte ich das wirklich? Aber ich war nicht in der Lage mich zu wehren oder irgendwelche Fragen zu stellen, und so wurde ich einfach von Quatre und dem Jäger durch die Gegend geschoben.
„Q! Wir sind hier drüben!"
Ich drehte meinen Kopf in Richtung dieser neuen Stimme. Nicht weit von uns konnte ich zwei Gestalten durch die Bäume in die selbe Richtung wie Quatre und ich laufen sehen. Noch konnte ich nicht genau erkennen, um wen es sich handelte, aber einer der beiden hob die Hand und winkte wild während er den Kurs änderte und nun auf uns zulief.
Quatre blieb kurz stehen, drehte den Kopf ebenfalls in die Richtung der Stimme und lächelte dann breit. Dann änderte er den Kurs, so daß sein Weg den der beiden anderen kreuzen würde und der Jäger – und damit auch ich – folgte ihm einfach.
„Hat Shini dich gefunden?" rief die selbe Stimme wieder, nur um gleich darauf hinzuzufügen, „Oh, ich seh schon."
Und dann standen wir den beiden Gestalten gegenüber. Den einen der beiden kannte ich nicht, es war derjenige der gesprochen hatte. Er war größer als Quatre, aber kleiner als ich, hatte einen langen Zopf und ungewöhnliche Augen. Ich war mir sicher, das ich mich erinnert hätte wenn ich ihm jemals zuvor begegnet wäre.
Doch im Grunde nahm ich den Fremden gar nicht wirklich wahr. Denn die andere Gestalt, die neben dem langhaarigen jungen Mann stand war mir nur zu bekannt. Es war Heero.
Ich starrte ihn aus großen Augen an und konnte gar nicht für möglich halten was ich da sah. Auch wenn Quatre behauptet hatte, das Heero hier war um mich zu retten, so hatte ich es nicht wirklich glauben können. Ich hatte immer mehr das Gefühl als würde ich das alles nur träumen.
Doch nicht lange, denn als Heero mich sah, leuchteten seine Augen auf, ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht – ich blinzelte kurz; ich hatte Heero noch niemals so lächeln gesehen – und dann stand er direkt vor mir.
„Trowa!" rief er und umarmte mich.
„Heero?" fragte ich ungläubig. Er schien es tatsächlich zu sein. Ich konnte seine Arme um mich spüren, und das würde ich doch sicherlich nicht können, wenn er nur eine Halluzination wäre, oder?
Heero ließ mich wieder los, trat einen Schritt zurück und nickte. Er hatte immer noch dieses freudige Lächeln im Gesicht.
„Was..." fragte ich und schüttelte verwirrt den Kopf. „Wie... was..." Ich brach ab und schüttelte erneut den Kopf. Eigentlich wußte ich gar nicht wie ich anfangen sollte – es gab so vieles zu fragen.
Heero lächelte schief. „Das ist eine wirklich lange Geschichte," sagte er.
„Ja, ja," schnaubte der langhaarige junge Mann, „aber wir haben jetzt kaum Zeit dafür. Wir müssen schnell hier weg, schon vergessen Ro?"
Ich richtete meinen Blick auf den Langhaarigen. Seine Stimme, die vorhin noch fast fröhlich geklungen hatte als er nach Quatre gerufen hatte, hatte auf einmal einen beinahe ärgerlichen Klang. Und sein Blick, den er auf mich gerichtet hatte sah auch nicht gerade freundlich aus. Ich blinzelte verwirrt.
„Duo hat recht," sagte Quatre und lächelte mich an. „Wir haben später noch genug Zeit für Erklärungen, wir sollten erstmal hier wegkommen."
Heero nickte, trat an mich heran und legte mir einen Arm um die Taille um mich so beim Gehen zu stützen. Duo – wie der langhaarige junge Mann offenbar hieß – warf mir einen abweisenden Blick zu, dann hob er den Kopf und sah auf den Jäger, der mich in dem Moment losgelassen hatte als Heero mich umarmt hatte und der nun über unseren Köpfen schwirrte.
„Shini!" rief Duo und streckte seinen Arm in die Luft – und dann beobachtete ich ungläubig wie der Jäger Duos Arm umschwirrte und sich schließlich als festes Armband darum legte.
Im nächsten Moment rannten und stolperten wir auch schon weiter durch das Unterholz, so das mir kaum Zeit blieb über diese erneute verblüffende Beobachtung nachzudenken. Wer waren Quatre und Duo nur? Wo hatte Heero sie gefunden? Und wie waren sie in der Lage den Jäger zu beherrschen? Das waren die Fragen die mich am meisten bewegten. Und ich hoffte sehr, das wir bald bei diesem Schiff angekommen wären von dem Quatre dauernd gesprochen hatte. Ich konnte es kaum noch erwarten endlich ein paar Antworten zu bekommen.
