Titel: Enjoy the Silence
Autor: Zanna
Disclaimer: siehe Kapitel 1
Beta: Laren

Kommentar: So, diesmal hats nicht so lang gedauert. Freut mich das ihr alle noch dabei seid (auch wenn ich Touya irgendwie ein bißchen vermisse - die war doch sonst immer die erste die ein Kommi geschrieben hat ;-)). Und was all eure Vermutungen angeht - wow, darauf wär ich nie gekommen 'kicher'. Sollten mir mal die Ideen hierfür ausgehen komm ich drauf zurück. 'g' Aber eigentlich hab ich das Ding ja schon fertig geplant im Kopf, also glaub ich nicht daß einer von euch Recht behält. :-) Und dann gabs auch noch Fragen zu dem bösen kleinen Plotbunny, das ich zur Zeit auch noch nebenher schreib. Also, obwohl es ein One-Shot ist, scheint es doch was längeres zu werden. Aber natürlich werdet ihr es zu lesen bekommen sobald es fertig ist! Als ob ich was schreiben und es dann nicht veröffentlichen würde! Dann gäbs ja gar keine Kommis nicht und ich bin doch süchtig danach:-)


Kapitel 32
Heero POV

Erstaunlicherweise war gar nicht so viel Zeit vergangen seit J den Planeten wieder verlassen hatte. M's Anwesen war in einer unglaublichen Geschwindigkeit abgebrannt, aber mir war es vorgekommen als wären Stunden verstrichen während wir dort gestanden und den Flammen zugesehen hatten.

Als wir Wing und das andere Schiff erreichten teilten wir uns sofort entsprechend auf. Genauso schweigend wie wir den Weg zurückgelegt hatten betraten wir die Schiffe. Wir alle wußten im groben was wir vorhatten, und die Einzelheiten konnten wir auch besprechen während wir unterwegs waren. Wir wollten nicht noch mehr Zeit verschwenden.

„Wing!" rief ich während ich nach vorne ins Cockpit rannte. „Wir müssen so schnell wie möglich starten und den Planeten verlassen ohne dass es jemand merkt. Kriegst du das hin?"

„Natürlich," war Wings ruhige Antwort und nur Sekunden später konnte ich hören wie Wing die Triebwerke hochfuhr.

Duo, Quatre und Trowa waren mir gefolgt und Quatre ließ sich im zweiten Pilotensitz neben mir nieder während Duo und Trowa sich jeweils neben uns stellten.

„Treize," sagte Quatre nachdem er eine Verbindung zum anderen Schiff aufgebaut hatte, „am besten folgt ihr Wing einfach bis wir die Atmosphäre verlassen haben."

„In Ordnung," nickte Treize und ich konnte im Hintergrund Zechs erkennen, der mit ein paar wenigen Handgriffen das Schiff in die Luft brachte.

„Was ist passiert?" fragte Wing auf einmal. „Wieso starten wir?"

„J hat M's Haus zerstört," antwortete Duo, setzte sich seitlich auf die Armlehne meines Sitzes und legte eine Hand auf meine Schulter.

„Kannst du J's Schiff noch orten?" fragte ich Wing.

Für ein paar Sekunden herrschte Stille, dann antwortete Wing, „Das kann ich."

„Meinst du es ist möglich ihm zu folgen ohne dass er uns bemerkt?" warf Quatre ein.

Wieder schwieg Wing für einige Momente, dann antwortete sie, „Das sollte möglich sein. Ich werde meine eigene Signatur so gedämpft wie möglich halten, und das andere Schiff sendet sowieso keine Signatur aus. Wir werden J im größtmöglichen Abstand folgen. Solange er nicht aktiv nach uns Ausschau hält sollte er uns nicht entdecken."

„Und falls doch?" hakte Quatre nach.

„Auch das sollte kein Problem sein," antwortete Wing. „Treizes und Zechs' Schiff kann sich jederzeit vor ihm verstecken indem sie einfach den Antrieb deaktivieren, und ich bin schneller als J's Schiff. Sollte er uns entdecken können wir ihm auf jeden Fall entkommen."

Ich starrte aus dem Sichtfenster und beobachtete wie Wing die Atmosphäre des Planeten und anschließend das Sonnensystem verließ. Ich war noch immer ziemlich geschockt von all dem was sich soeben unten auf dem Planeten abgespielt hatte.

Das alles war so unglaublich schnell geschehen. In einem Moment hatten wir noch friedlich in M's Bibliothek gesessen und Texte gewälzt, und im nächsten Augenblick befanden wir uns bereits auf einer wilden Verfolgungsjagd. Ich hatte noch nicht wirklich Zeit gehabt all das zu verarbeiten. Und dem Schweigen nach zu urteilen ging es den anderen genauso.

Ich konnte es immer noch nicht so wirklich fassen. Sicher, ich hatte immer gewusst dass J grausam war und dass man ihm alles zutrauen konnte, und dennoch hatte mich das brennende Haus mehr erschüttert als alles andere. Denn wenn J ein Menschenleben auch nichts wert war, so hatte er dort unten etwas vernichtet, das er normalerweise weitaus mehr schätzte als seine Sklaven.

Denn so viele Fehler J auch haben mochte – und ich hatte jetzt gerade nicht genügend Zeit um jeden einzelnen davon aufzuzählen – so war er vor allem anderen doch Wissenschaftler, und er schätzte das Wissen. Das er hinging und M's Archiv, eine derartige Ansammlung von Wissen einfach so zerstörte, das zeigte mehr als alles andere wie ungeheuer groß dieses Geheimnis sein musste, das J um jeden Preis bewahren wollte.

Und ich hoffte wirklich sehr dass J nicht einfach nur auf dem Weg zurück nach L1 war. So gerne ich auch zur Erde zurückkehren wollte – vor allem jetzt, wo ich wusste dass Duo mich liebte – so war ich doch unglaublich neugierig. Was konnte nur so schrecklich sein, dass J zu solchen Maßnahmen griff? In all den Jahren die ich auf L1 verbracht hatte, hatte J niemals auch nur das geringste Anzeichen gezeigt dass irgendetwas nicht stimmte.

Ich schlang einen Arm um Duo, der immer noch auf der Lehne saß und lehnte meinen Kopf seufzend an seine Hüfte. Duo blickte kurz lächelnd auf mich hinab und sah dann weiter zum Fenster hinaus. Auch er schien in Gedanken meilenweit weg zu sein, denn er fing nur an gedankenverloren durch meine Haare zu streicheln, reagierte aber sonst nicht weiter auf meinen Seufzer.

Ich lächelte leicht. Auch wenn das alles noch relativ neu für mich war, so konnte ich mir dennoch nicht mehr vorstellen wie es vor Duo gewesen war. Als ich noch niemanden gehabt hatte, an den ich mich lehnen konnte, niemanden der mich liebte. Wie hatte ich nur all die Jahre überleben können?

So saßen wir noch eine ganze Weile einfach so da, jeder in seine jeweiligen Gedanken versunken. Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung was Quatre und Trowa genau taten, denn ich achtete nicht wirklich auf die beiden. Aber die Stille im Schiff schien doch darauf hinzuweisen, dass auch diesen beiden nicht nach reden zumute war.

Irgendwann seufzte Duo schließlich und stand auf. „Mann, ich bin ganz schön müde," gähnte er und streckte sich. „Das war ein wirklich langer Tag. Ich geh schlafen."

Ich sah zu ihm hinauf und lächelte ihn an. „In Ordnung."

Duo ging auf unsere Kabine zu, blieb aber kurz vorher stehen und blickte zu mir zurück. „Kommst du nicht?"

„Ich bin noch nicht müde," antwortete ich ihm. „Geh du ruhig schon, ich komm später nach."

„Ok," antwortete Duo. „Nacht Ro." Und damit verschwand er in unserer Kabine.

Ich seufzte kurz und lehnte mich wieder in den Sessel zurück. Ich hatte nicht ganz die Wahrheit gesagt. Genau wie Duos war mein Tag sehr lang gewesen. Aber obwohl ich relativ müde war, so konnte ich dennoch noch nicht schlafen. Dafür ging mir noch zuviel im Kopf herum.

Auch wenn es unsinnig erschien, so hatte ich das Gefühl dass ich irgendetwas über dieses Geheimnis wissen müsste. Immerhin, ich hatte jahrelang bei J gelebt, hatte Tag für Tag mit dem Mann gearbeitet – wie konnte mir da etwas so großes wie dieses Geheimnis entgangen sein?

Und so versuchte ich mich an jede einzelne Minute in J's Gegenwart zu erinnern, versuchte mir jedes einzelne Gespräch das dieser mit anderen OZ geführt hatte ins Gedächtnis zu rufen, um zu prüfen ob ich nicht irgendetwas übersehen hatte. Doch egal wie sehr ich mich auch anstrengte, mir fiel einfach nichts ein. J hatte niemals auch nur den geringsten Hinweis gezeigt, dass er ein Geheimnis verbarg – weder vor mir und Trowa, noch vor den anderen OZ.

„Fragst du dich auch ob dir nicht etwas hätte auffallen müssen?" hörte ich plötzlich Trowas Stimme, und als ich den Kopf drehte sah ich ihn neben mir im anderen Pilotensitz sitzen. Offenbar war Quatre genau wie Duo ebenfalls schon zu Bett gegangen.

„Ja." Ich nickte. Es wunderte mich nicht dass Trowa die selben Gedanken durch den Kopf gingen wie mir. Wir waren uns in vielen Dingen ähnlich.

„Und ist dir im Nachhinein irgendetwas eingefallen?"

Ich schüttelte den Kopf. Nein. Da war nichts gewesen. Es hatte keine geheimen Treffen gegeben, keine verdächtigen Unterhaltungen, keine Geheimnistuereien, nichts. Zumindest nicht bis zu dem Tag an dem wir Trowa gerettet und ich mit Duo zusammen J belauscht hatte. Seitdem hatte sich mein Bild von J drastisch geändert.

„Mir auch nicht," sagte Trowa.

„Sieht so aus als ob wir ihn doch nicht so gut gekannt haben wie wir immer angenommen haben, hm?" fragte ich leise. Trowa nickte stumm. Wir beide waren immer ziemlich stolz darauf gewesen, dass wir J's Verhalten exakt vorhersagen konnten. Wir hatten mit der Zeit gelernt auf jeden noch so kleinen Hinweis zu achten, und so hatten wir immer gewusst wie J reagieren würde. Wir hatten gewusst wann J zufrieden war weil ihm ein Experiment besonders gut gelungen war, wann er schlecht gelaunt war und wir ihn besser in Ruhe lassen sollten, und wann wir eine Bestrafung zu erwarten hatten.

Aber all dieses Wissen über J nutzt uns jetzt gar nichts mehr. Ich hatte nicht mehr die geringste Ahnung was J gerade vorhatte und wie seine nächste Handlung aussehen würde.

Bei diesem Gedanken fiel mir etwas ein. „Trowa?" fragte ich. „Wieso hast du deine Meinung geändert?"

„Was meinst du?" fragte Trowa.

„Naja, am Anfang sah es nicht so aus als wärst du sonderlich begeistert von der Suche nach dem Geheimnis. Klar, es hätte dich nicht gestört wenn wir es herausgefunden hätten, aber du warst nicht wirklich neugierig darauf. Aber jetzt..." Ich brach ab und sah Trowa fragend an.

„Jetzt scheine ich ziemlich begierig zu sein es zu lösen, stimmts?" Trowa zog einen Mundwinkel leicht hoch.

Ich nickte stumm.

Trowa seufzte und drehte seinen Kopf um aus dem Cockpitfenster zu sehen. Eine Weile sagte er nichts sondern starrte einfach nur hinaus, und ich ließ ihn. Ich wusste dass er einfach nur etwas Zeit brauchte um seine Gedanken zu sammeln.

„Quatre," sagte Trowa schließlich. Ich legte meinen Kopf schief und sah ihn fragend an. Wieder zog Trowa einen seiner Mundwinkel leicht hoch. „Dir ist sicherlich nicht entgangen das ich ihn vor ein paar Tagen ziemlich angefahren habe."

Wieder nickte ich nur stumm.

„Ich war wirklich wütend auf ihn – ich hab mich gefragt, warum er mich nicht einfach in Ruhe lassen konnte, warum er ständig darauf bestanden hat, dass ich mich mit der Geschichte und der Politik der OZ befasse." Trowa zog beide Beine an, stellte seine Füße auf den Sessel und schlang die Arme um seine Knie.

„Und als er mir dann endlich den Gefallen getan hat und mich tatsächlich in Ruhe gelassen hat, da hab ich mir gesagt das ich froh darüber bin. Aber das war ich nicht. Seine Worte sind mir einfach nicht aus dem Kopf gegangen. Ich hab tatsächlich angefangen darüber nachzudenken was er gesagt hat. Und das hat mich erst noch wütender gemacht." Trowa warf mir einen kurzen Blick zu und ich nickte ihm erneut stumm zu, um ihn aufzufordern weiterzuerzählen.

„Ich wollte nicht darüber nachdenken warum die OZ uns versklavt haben. Ich wollte nicht darüber nachdenken, dass nicht jeder OZ so ist wie J, dass sie nicht alle Monster sind. Ich wollte sie einfach alle weiter hassen können. Aber mit jedem Text den ich las – vor allem mit Quatres Worten im Hinterkopf – konnte ich es weniger. Hast du gewusst dass nicht alle OZ für die Sklaverei sind?" Trowa sah mich fragend an.

„Nein," sagte ich. Woher hätte ich das auch wissen sollen? Ich hatte außer J kaum andere OZ gekannt.

„Ich weiß nicht ob es heutzutage immer noch so ist, aber früher gab es eine ziemlich große Gruppe die die Sklaverei abschaffen wollte. Und vor ungefähr zweihundert Jahren haben sie sogar einen Krieg deswegen geführt!" Trowa schüttelte leicht den Kopf, so als könnte er es immer noch nicht glauben.

„Kannst du dir das vorstellen? Das OZ gegen andere OZ gekämpft haben – für uns! Weil sie der Meinung waren, dass es Unrecht ist uns Menschen weiterhin wie Tiere zu behandeln!"

Ich blickte Trowa stumm an. Ich hatte ihn noch niemals so aufgewühlt erlebt – es war deutlich zu sehen, dass sein gesamtes Bild der OZ dadurch auf den Kopf gestellt worden war.

„Was ist damals geschehen?" fragte ich leise. „Ich habe noch niemals von diesem Krieg gehört."

„Was wohl," antwortete Trowa. „Die Seite die für die Sklaverei war hat gewonnen. Und nach dem was ich dem Text entnehmen konnte den ich gelesen habe hat die Siegerseite dafür gesorgt dass die ‚Unruhestifter' zum Schweigen gebracht wurden. Und dann haben sie die ganze Sache heruntergespielt und alles so gut wie möglich vertuscht." Trowa seufzte kurz.

„M hatte einige Randbemerkungen zu dem Text gemacht. Anscheinend wissen auch die OZ selbst kaum noch etwas von den Ereignissen vor dreihundert Jahren. Es wird in ihren Geschichtsbüchern nicht erwähnt, und wenn doch dann höchstens als Handlungen von Terroristen. Der Text den M ausgegraben hatte war der Bericht eines der Sklavereigegner. So eine Art Tagebuch." Trowa brach ab und biss sich auf die Unterlippe. Dann seufzte er wieder.

„Ich hätte nie gedacht dass ich das mal sagen würde aber – ich denke, ich hätte diesen M gerne kennen gelernt. Verdammt!" Trowa stand abrupt auf und lief vor dem Pilotensessel auf und ab. „Wieso konnte Quatre mich nicht in Ruhe lassen? Alles war sehr viel einfacher als ich noch alle OZ hassen konnte!"

Ich blickte schnell nach unten um mein Lächeln zu verbergen. Vielleicht hätte ich Trowa vor Quatre warnen sollen. Ich selbst hatte schließlich am eigenen Leib erfahren dürfen dass Quatre bei weitem nicht so harmlos war wie er aussah. Und aus irgendeinem Grund hatte Quatre sich entschlossen Trowas Weltbild auf den Kopf zu stellen. Nicht dass ich das so schlimm fand – ich war froh dass Quatre in der Lage war Trowa aufzurütteln. Ich denke das war genau das was Trowa brauchte – ich hatte ihn noch niemals so aufgewühlt erlebt, oder soviel auf einmal reden hören.

„Meinst du es gibt auch jetzt noch OZ die der Meinung sind dass die Sklaverei abgeschafft werden sollte?" fragte ich schließlich.

„Ich weiß es nicht!" rief Trowa. „Die geschichtlichen Texte die ich gelesen habe waren nicht chronologisch sortiert. Keine Ahnung was für ein Ordnungssystem M hatte, aber es ist auf jeden Fall keins das ich nachvollziehen kann. Es war ganz schön schwierig sich immer wieder in die verschiedenen Epochen reinzulesen. Ich hätte gerne einen aktuellen Text zu dem Thema gelesen, aber der jüngste den ich gefunden hab war über hundert Jahre alt. Aber Heero..." Trowa blieb stehen und beugte sich über den zweiten Pilotensessel zu mir vor, „... was ist wenn es tatsächlich so ist?"

Ich wusste nicht was ich darauf erwidern sollte und so blickte ich ihn einfach nur an.

„Wir haben auf L1 ein so abgeschiedenes Leben gelebt," fuhr Trowa fort. „J ist so gut wie nie von dort weg, und wenn doch dann hat er uns nicht mitgenommen. Womöglich gibt es dort draußen eine riesige Gruppe von OZ die gegen die Sklaverei ist – und wir wissen es einfach nicht!"

„Das glaube ich nicht," unterbrach ich Trowa leise.

„Was glaubst du nicht?"

„Das es dort draußen eine riesige Gruppe mit Sklavereigegnern gibt."

„Wieso nicht?"

Ich zuckte mit den Schultern. „So abgeschieden war unser Leben auch wieder nicht, Trowa. Wenn es tatsächlich eine große Gruppe geben würde die die Menschen befreien wollte, dann hätten wir es mitbekommen. Auch wenn J nicht oft von L1 weggekommen ist, so ist er doch eine bekannte Persönlichkeit. Zumindest ist sein Name bekannt, immerhin gehört ihm eine der größten Fabriken die Jäger herstellt. Jeder OZ hat schon von ihm gehört, und es hätte mit Sicherheit irgendwann einmal Schwierigkeiten oder Proteste oder irgendwas gegeben mit dem J sich hätte befassen müssen. Das hätten wir erfahren."

Trowa sah nicht so aus als wäre er überzeugt, also fuhr ich fort, „Und selbst wenn J dafür gesorgt hätte dass wir nichts erfahren – was angesichts der Tatsache dass wir seine Sprache verstanden haben und er nichts davon wusste gar nicht so einfach gewesen wäre – Treize und Zechs hätten es bestimmt gewusst. Denkst du nicht dass M ihnen davon erzählt hätte? Sie hätten sich doch sicherlich nicht zu einsamen Rebellen erklärt und auf eigenen Faust versucht Sklaven zu befreien wenn es eine solche Gruppe geben würde."

Trowa seufzte auf und ließ sich wieder in den Pilotensessel fallen. „Du hast recht," antwortete er und seine Stimme klang enttäuscht. „Ich schätze... es wäre wohl zu viel verlangt... ich wünschte nur..."

„Ich weiß," sagte ich. Mir ging es genauso. Ich wünschte auch dass wir irgendetwas tun konnten um all den anderen Menschen zu helfen. Aber was konnten wir allein schon unternehmen? Selbst mit Duo und den anderen, die in der Lage waren die Jäger zu kontrollieren. Hätten wir dagegen die Unterstützung einer großen Gruppe von OZ, so sähe alles schon ganz anders aus.

Eine Weile saßen Trowa und ich einfach nur schweigend da, bis ich schließlich beschloss nun doch schlafen zu gehen. Ich wünschte Trowa eine gute Nacht und ging dann in meine Kabine.

Leise, um Duo nicht zu wecken, näherte ich mich dem Bett. Duo lag auf der Seite, sein Gesicht mir zugewandt, und schlief. Ich blieb am Fuße des Bettes stehen und blickte auf ihn hinab. Manchmal konnte ich es immer noch nicht fassen, dass mein Duo wirklich mich liebte. Ich meine, wieso sollte Duo, der jeden haben konnte, ausgerechnet mich wollen? Er war so fröhlich, so voller Leben, und ich war – langweilig. Aber dennoch liebte er mich, und ich würde mein Glück nicht auf die Probe stellen indem ich den Grund dafür hinterfragte.

Rasch zog ich mich aus und kletterte dann neben Duo ins Bett. Ich schmiegte mich an seinen Rücken, schlang einen Arm um seine Mitte und presste mein Gesicht in seinen Nacken. Dann atmete ich Duos Duft tief ein und schloss die Augen.

Doch obwohl ich inzwischen wirklich mehr als müde war konnte ich nicht einschlafen. Trotz – oder vielleicht gerade wegen – des Gesprächs mit Trowa waren meine Gedanken immer noch nicht zur Ruhe gekommen. Was Trowa mir über die Geschichte der OZ erzählt hatte klang wirklich interessant. Ich selbst hatte mich den eher wissenschaftlichen Texten gewidmet, aber so interessant sie auch waren, so stellte ich jetzt fest, dass mich die Geschichte der OZ doch mehr interessierte.

Laut Trowas Bericht hatte er nur über Geschehnisse gelesen die sich innerhalb von ca. dreihundert Jahren abgespielt hatten. Aber es musste doch noch sehr viel mehr geben. Ich wusste zwar nicht genau wie alt, aber das Reich der OZ war älter als ‚nur' dreihundert Jahre. Was war mit der Geschichte der OZ bevor sie die Raumfahrt hatten? Oder die Jahre kurz danach? Und was für Dinge waren in den letzten hundert Jahren geschehen?

Aber das würde ich jetzt wohl niemals erfahren, oder? Dafür hatte J schon gesorgt. Beim Gedanken an all das Wissen das erst vor Stunden in Flammen aufgegangen war biss ich vor Wut die Zähne aufeinander. Allein dafür könnte ich J mit Freuden erwürgen. Alles was davon noch übrig war waren die wenigen Texte die ich kurz vor unserer Flucht hastig eingepackt hatte.

Dieser Gedanke vertrieb die Möglichkeit des Schlafs dann endgültig. Nachdem ich mich erst einmal daran erinnert hatte, hatte ich das Gefühl als würden die Dateien in der Tasche am Boden der Kabine förmlich glühen – oder nach mir rufen.

Und so löste ich mich vorsichtig von Duo – es war schließlich nicht nötig ihn aufzuwecken – und ging dann leise zur Tasche hinüber. Ich holte die Lesepads und die Datenspeicher heraus und kletterte wieder zurück ins Bett. Ich setzte mich neben Duo, lehnte mich mit dem Rücken an das Kopfteil und stapelte die Datenspeicher neben mich. Dann begann ich die Dateien zu überfliegen.

Ein Großteil der Texte waren irgendwelche wissenschaftliche Abhandlungen – zwar sehr interessant, aber nicht das was ich im Moment suchte. Die anderen Dateien waren diejenigen die Trowa untersucht hatte und handelten sich um geschichtliche und politische Texte. Doch leider beschäftigten sie sich mit genau der Zeitperiode die Trowa schon studiert hatte. Verdammt. Ich hatte gehofft ich hätte ein paar ältere Sachen erwischt.

Ich wollte die Sachen schon wieder frustriert wegpacken als mir plötzlich das Lesepad in die Hand fiel das Duo repariert hatte. Ich warf meine schlafenden Liebsten einen kurzen Blick zu und lächelte leicht, dann aktivierte ich das Pad. Selbst wenn es nichts wichtiges enthielt, so würde ich es dennoch lesen. Duo würde es sicherlich freuen wenn ich ihm am Morgen etwas über den Inhalt berichten könnte.

Doch zu meinem Erstaunen handelte es sich nicht um irgendeinen Roman oder etwas ähnliches, wie ich insgeheim angenommen hatte. Ich meine, wenn es sich um irgendeinen wichtigen Text gehandelt hätte, hätte M ihn sicherlich eher in seiner Bibliothek aufbewahrt statt in irgendeiner staubigen Truhe auf dem Dachboden, oder?

Aber offenbar hatte M selbst nicht gewusst was er da hatte. Wer wusste schon wie lange das Teil da genau auf dem Dachboden gelegen hatte? Vielleicht hatte irgendeiner von M's Vorfahren es dort gelagert weil es nicht mehr funktioniert hatte und es war dann in Vergessenheit geraten.

Wie auch immer, Duo hatte da einen wahren Schatz gefunden. Denn es handelte sich um ein Logbuch. Ein sehr altes Logbuch wie ich nach kurzer Suche feststellte. Als ich das Datum eines der Einträge sah keuchte ich erstaunt auf. Das Logbuch war über sechshundert Jahre alt! Das war der mit Abstand älteste Text den sowohl Trowa als auch ich bis jetzt gelesen hatten!

Aufgeregt blätterte ich oberflächlich durch die Einträge. Bei genauerem Ansehen konnte ich feststellen, dass das Logbuch nicht mehr vollständig war – kein Wunder, nach sechshundert Jahren konnte man das auch kaum erwarten. Einige der Einträge waren teilweise unleserlich, andere waren vollkommen zerstört.

Aber das machte nichts, allein die Tatsache dass überhaupt etwas davon erhalten geblieben war! Und mein Duo hatte es gefunden und repariert! Ich war mir sicher dass er außer sich vor Freude sein würde wenn ich ihm erzählen würde, dass er tatsächlich etwas wichtiges gefunden hatte.

Gespannt rief ich den ersten Eintrag auf und begann zu lesen. Es war gar nicht so einfach, denn natürlich hatte sich die Sprache der OZ verändert in sechshundert Jahren. Es war schwierig sich durch die mehr als gestelzt wirkenden Sätze zu kämpfen – und sie dann auch noch zu verstehen! Glücklicherweise hatte sich die Schrift kaum oder gar nicht verändert. Sonst hätte ich überhaupt nichts mit dem Logbuch anfangen können.

Offenbar handelte es sich um einen der ersten Raumflüge überhaupt die die OZ unternommen hatten. Aufgeregt rief ich das Bild auf das ich vorher beim kurzen durchblättern gesehen hatte. Bei den neun OZ die darauf zu sehen waren handelte es sich um die Crew des Schiffes. Ich betrachtete ihre Gesichter lange und versuchte mir vorzustellen, wie das gewesen sein musste. Was sie wohl gedacht hatten, als sie einfach so losgezogen waren? Es musste schon ein gewisser Mut dazugehören einfach so ins Blaue loszufliegen, ohne zu wissen was es dort draußen gab.

Ich blätterte zurück zu den Logbucheintragungen. Der Captain des Schiffes hatte leider nicht allzu regelmäßig Logbuch geführt – entweder hatte er zu der eher faulen Sorte gehört, oder es war einfach nichts interessantes geschehen. Dafür hatte er die Berichte dann meistens etwas länger gehalten – und mehr als nur einmal mit seiner persönlichen Meinung nicht hinter dem Berg gehalten, statt einfach nur Objektiv die Fakten zu nennen.

Doch das störte mich überhaupt nicht, denn so bekam ich einen viel besseren Einblick in das Leben an Bord des Schiffes als wenn ich nur trockene Berichte gelesen hätte. Ich erfuhr eine Menge über die Gruppendynamik der Crew – offenbar gab es des Öfteren die eine oder andere Reiberei. Vor sechshundert Jahren waren die Schiffe noch sehr viel langsamer gewesen als jetzt, wie ich durch die offenbar zurückgelegten Wegstrecken feststellen konnte, und so musste die Crew doch eine ziemlich lange Zeit miteinander verbringen.

Alles in allem schien die Mannschaft jedoch relativ gut miteinander auszukommen. Ich schätze das war nur natürlich – hätte es mit einem Mitglied der Crew größere Probleme gegeben so wäre es sicherlich ausgetauscht worden.

Inzwischen war meine gesamte Müdigkeit vergessen. Das Logbuch war unglaublich interessant – das Weltall und alles was es darin zu entdecken gab aus den Augen von jemandem zu sehen, der das alles zum ersten Mal sah und noch keine Ahnung hatte was ihn erwartete, das war aufregend. Denn obwohl ich selbst nur selten wirklich durch das Weltall gereist war, so hatte ich natürlich eine Menge darüber gelesen und auch von J erfahren. Immerhin war Astronomie eines seiner Spezialgebiete, da war es nur natürlich dass seine Assistenten darüber bescheid wissen mussten.

Und dann kam ich an einen Eintrag der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Dabei erkannte ich im ersten Moment noch nicht einmal was ich da las. Ich war so verwirrt, dass ich sogar noch einmal von vorne anfangen musste. Doch auch beim zweiten Durchlesen änderte sich der Text nicht.

Doch ich konnte es immer noch nicht glauben, und so rief ich hastig den nächsten Eintrag auf, und danach den nächsten und immer so weiter. Doch jeder weitere Eintrag bestätigte nur aufs neue den vorherigen. Immer detaillierter breitete sich eine Geschichte vor mir aus die mich zutiefst erschütterte.

Eine ganze Weile danach saß ich einfach nur so da und starrte auf das Logbuch. Was ich soeben gelesen hatte war – unfassbar. Was konnte das nur bedeuten? Das warf alles über den Haufen was ich bis jetzt angenommen hatte. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Und am allerwenigsten wusste ich, wie ich den anderen davon erzählen sollte.