Titel: Enjoy the Silence
Autor: Zanna
Disclaimer: siehe Kapitel 1
Beta: wie immer Laren

Kommentar: Ohje, Asche auf mein Haupt, ich hab ein ganz schlechtes Gewissen weil es so lang gedauert hat bis ich endlich mal wieder ein Kapitel geschrieben hab. Aber ich hatte ja dieses andere Bunny um das ich mich kümmern mußte, und dann hat mich (schon wieder) ein neues Bunny angefallen (das ich aber immerhin auf das Ende von ETS vertrösten konnte). Jedenfalls hatte ich jede Menge Streß in den letzten Wochen, und zwar nicht nur wegen den Plotbunnies sondern auch im RL (sowas gibts? 'g'). Aber ich schwöre ich werde jetzt wieder brav sein und etwas regelmäßiger schreiben 'schwör'. Außerdem bin ich ja auch schon ziemlich scharf darauf mit dem neuen Bunny anzufangen, und da muß ich mich ja schließlich ranhalten bei ETS (jep, genau, mein Baby nähert sich seinem Ende, so unglaublich es auch klingt. Nur noch ein paar Kapitelchen und es ist fertig 'schnief').

So, genug gelabert, viel Spaß mit dem Kapitel!


Kapitel 33
Duo POV

Ich gähnte, streckte mich und öffnete blinzelnd die Augen. Ich hatte keine Ahnung wie lange ich geschlafen hatte, aber ich fühlte mich erfrischt. Das Licht in unserer Kabine war zwar aus, aber das hatte nichts zu bedeuten. Hier im Weltall konnte man nicht einfach aus dem Fenster schauen um zu sehen, ob die Sonne schon aufgegangen war. Man musste sich voll und ganz auf die Uhren verlassen wenn man einen ‚normalen' Tagesablauf einhalten wollte.

Ich tastete mit meiner Hand die rechte Seite des Bettes ab, auf der Suche nach Heero, doch das Bett war leer. Ich setzte mich auf und sah mich fragend um. Wo war Heero? War er etwa vor mir aufgewacht und schon aufgestanden? Das wäre aber völlig ungewöhnlich gewesen – sonst waren weder Heero noch ich früher aufgestanden und hatten den jeweils anderen allein im Bett liegen lassen wenn wir früher aufgewacht waren, zumindest nicht seit wir wussten dass wir uns liebten.

Oder hatte ich gar nicht so lange geschlafen wie ich dachte und Heero war noch gar nicht zu Bett gegangen? Ich öffnete schon den Mund um nach Heero zu rufen als ich ihn schließlich entdeckte. Er kauerte auf einer der Sitzflächen vor dem Fenster und starrte hinaus in das vorüberziehende Weltall. Er trug nur eine Boxershorts und ein T-Shirt. Offenbar hatte er sich zumindest fürs Bett umgezogen.

„Heero?" rief ich leise. Doch Heero reagierte nicht sondern starrte weiter einfach nur aus dem Fenster. Leicht verwundert stieg ich aus dem Bett und lief zu Heero hinüber.

„Heero?" sagte ich erneut seinen Namen, um ihn nicht zu sehr zu erschrecken, und legte ihm gleichzeitig eine Hand auf die Schulter.

Diesmal reagierte Heero. Überrascht drehte er den Kopf in meine Richtung und sah zu mir auf. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe und er sah aus als ob er nicht geschlafen hatte.

„Was ist los, Ro?" fragte ich.

Heero lächelte mich schwach an. „Nichts... ich weiß nicht..." Er brach ab und seufzte tief. „Ich konnte nicht schlafen weil ich über vieles nachdenken musste."

„Willst du mir davon erzählen?" fragte ich ihn besorgt. Worüber hatte Heero nur die ganze Nacht grübeln müssen dass er jetzt so erschöpft aussah? Was auch immer es war, es schien ihm wirklich schwer auf der Seele zu liegen.

„Ich weiß nicht..." Heero schüttelte den Kopf. „Ich... Ich weiß nicht wie ich anfangen soll..."

„Dann lass es," erwiderte ich, setzte mich hinter Heero auf die Sitzbank so dass er zwischen meinen Beinen saß und schlang die Arme um seinen Oberkörper. „Denk einfach noch ein wenig darüber nach, und wenn du dann bereit bist erzählst du es mir, ok?"

Heero nickte stumm und lehnte sich in meine Umarmung zurück. Ich lächelte leicht und legte meine Wange an Heeros Hinterkopf. Was auch immer ihn beschäftigte, er würde es mir früher oder später erzählen. Es handelte sich offensichtlich nicht um irgendein Problem in unserer Beziehung wie ich in einer ersten Schrecksekunde befürchtet hatte. Vielleicht hatte es ja irgendwas mit J zu tun. Ich konnte solange warten bis Heero bereit war darüber zu reden.

So saßen wir dann dort eine ganze Weile. Ich glaube ich habe mich noch niemals zuvor in meinem Leben so glücklich gefühlt wie in diesem Moment. Dieses Gefühl des Friedens und der Zufriedenheit das mich erfüllte, während ich einfach nur so an Heero angeschmiegt dasaß – es war unbeschreiblich.

Irgendwann merkte ich dann dass Heeros Atemzüge tiefer und regelmäßiger geworden waren. Ein schneller Blick nach unten zeigte mir dass er tatsächlich eingeschlafen war. Mit einem kleinen Lächeln erhob ich mich und trug Heero zum Bett hinüber. Nachdem ich ihn dort abgelegt hatte streckte ich mich neben ihm aus und betrachtete ihn einfach eine Weile.

Heero sah im Schlaf so friedlich und so jung aus. Viel jünger als seine ungefähr fünfundzwanzig Jahre. Ich strich ihm zärtlich eine der Strähnen aus dem Gesicht, die ihm ständig unordentlich in die Augen hingen. Ich schätze mal, Mode und eine schicke Frisur wurden bei den OZ nicht gerade groß geschrieben. Eigentlich kein Wunder, wo die OZ doch selbst nicht ein einziges Härchen am Körper hatten.

Oder vielleicht war es auch einfach nur Heero; immerhin trug Trowa ja doch eine recht eigenwillige Frisur. Möglich dass auch Sklaven sich um ihr Aussehen sorgen machten. Nur Heero schien es völlig egal zu sein wie er aussah, noch immer schien er sich seiner Attraktivität absolut nicht bewusst zu sein. Aber das fand ich nur umso liebenswerter an ihm.

Ich hauchte einen kleinen Kuss auf Heeros Stirn, dann erhob ich mich und zog mich an. So gerne ich mich auch einfach zu Heero gelegt hätte, aber ich fühlte mich nicht das geringste bisschen müde. Und Heero würde sicherlich mehrere Stunden schlafen, wenn er tatsächlich die ganze Nacht kein Auge zugetan hatte.

Leise schlurfte ich aus unserer Kabine und schloss mich Trowa und Quatre an, die nebeneinander in den Pilotensitzen saßen und sich leise unterhielten. Bei meinem Eintreten sahen die beiden zu mir hinüber.

„Guten Morgen, Duo," rief Quatre mir entgegen. „Du bist heut aber spät dran."

Ich zuckte mit den Achseln. Eigentlich war ich schon eine ganze Weile wach, aber ich würde den beiden jetzt nicht erzählen wie ich die letzte Stunde verbracht hatte. Dazu war mir der Moment viel zu kostbar.

„Morgen Q, Morgen Tro, Morgen Wing," erwiderte ich, holte mir etwas zu essen und setzte mich neben Q einfach auf den Boden. Noch immer hatten wir außer den beiden Pilotensesseln und den Betten in den jeweiligen Kabinen keinerlei Sitzgelegenheiten an Bord. Leider waren wir während unseres Aufenthalts auf M's Anwesen nicht dazu gekommen hier irgendetwas umzubauen.

„Guten Morgen, Duo," antwortete Wing mir, während die anderen beiden nur kurz nickten.

„Wo ist Heero?" fragte Quatre.

„Schläft noch," nuschelte ich zwischen zwei Bissen.

„Er schläft noch?" fragte Quatre und zog eine Augenbraue hoch.

Ich nickte.

Quatre grinste.

Ich blinzelte ihn an.

Quatre grinste noch breiter.

„Was?" fauchte ich.

„Ich hätte ja gedacht dass von euch beiden Heero die größere Ausdauer hätte, mit all den genetischen Verbesserungen und so."

Ich starrte Quatre einen Moment lang ungläubig an. „Quatre!" rief ich empört und spürte wie ich rot anlief. Verdammt, wie machte er das nur? Ich war doch sonst nicht so schüchtern.

Quatre biss sich auf die Unterlippe – offensichtlich um ein Lachen zu unterdrücken.

„Nur damit du es weißt – obwohl ich gar nicht weiß was dich das angeht – Heero schläft noch, weil er offensichtlich die ganze Nacht nicht geschlafen hat – und zwar nicht aus den Gründen die du dir in deinem perversen kleinen Hirn gerade ausdenkst!"

Diesmal gab sich Quatre nicht die geringste Mühe sein Lachen zu unterdrücken.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Ich wünschte wirklich, dass die Pilotensitze nicht fest im Boden verankert gewesen wären, denn dann hätte ich Quatres Stuhl jetzt einen Tritt verpasst der Quatre zu Boden geworfen hätte. Doch so blieb mir nichts anderes übrig als zu schmollen.

„Oh Duo," gluckste Quatre, „du hättest dein Gesicht eben sehen sollen. Das war die beste Fischimitation die ich jemals gesehen habe!"

Ich streckte ihm die Zunge raus. Eigentlich war ich ja derjenige der normalerweise die anderen auf die Schippe nahm, aber irgendwie war ich heute Morgen nicht ganz auf der Höhe. Vielleicht weil mir nicht ganz wohl zumute war wegen J's Verfolgung.

Sicher, ich hatte nicht protestiert als die anderen beschlossen hatten dass wir J folgen sollten. Im Gegenteil, ich hatte sogar sofort zugestimmt. Aber nicht weil ich selbst J unbedingt verfolgen wollte, sondern weil ich wusste wie viel Heero daran lag. Und ich konnte ihn verstehen, er musste diese Sache hier zu Ende bringen, oder es würde niemals einen Abschluss für ihn geben.

Doch das bedeutete nicht dass ich nicht dennoch ein ungutes Gefühl hatte was die Sache anging. Erstens waren wir schon sehr viel länger unterwegs als wir eigentlich vorgehabt hatten. Quatres Vater und seine Schwestern würden nicht mehr lange abwarten bevor sie anfingen uns zu vermissen. Ich wollte mir gar nicht vorstellen was für eine Art von Suchaktion Mr. Winner mit all seinem Geld lostreten konnte. Und wie sollten wir unser Verschwinden erklären wenn wir irgendwann wieder zurückkämen? Ich hoffte nur dass Quatre rechtzeitig eine gute Ausrede einfallen würde.

Und zweitens war da natürlich J. Nach allem was ich inzwischen von ihm erfahren und selbst erlebt hatte war mir klar, dass er gefährlich war. Skrupellos, grausam und absolut egoistisch. Was hatten wir dem schon entgegen zu setzen?

Klar, wir waren nicht darauf aus J irgendwie zu bestrafen oder ihm Einhalt zu gebieten, wir wollten nur herausfinden was dieses Geheimnis war. Doch was dann? Wenn wir es wüssten? Was sollten wir dann tun? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir mit zwei Schiffen, neun Menschen und einem Jäger eine galaxieweite Revolution erfolgreich durchziehen konnten.

Und wenn ich ehrlich war, ich vermisste die Erde. So sehr ich dieses Abenteuer im Weltall genoss – hey, wer würde das schließlich nicht? – so sehr sehnte ich mich nach zu Hause. Ich wollte so gerne endlich mal wieder meinen üblichen Tätigkeiten nachgehen. Einfach nur das Leben genießen ohne mir Sorgen um OZ, Jäger und irgendwelche Geheimnisse zu machen.

Und es gab noch so vieles was ich Heero auf der Erde zeigen wollte. Jetzt wo ich wusste dass ihm tatsächlich alles völlig unbekannt war was es dort gab konnte ich es kaum erwarten ihn überall herumzuführen. Und – wie mir gerade einfiel – wir hatten jetzt ein Raumschiff! Wir konnten uns jeden Fleck der Erde ansehen, ohne Geld für einen Flug oder ein Hotel ausgeben zu müssen. Die Möglichkeiten waren geradezu unendlich!

Aber wie gesagt, zu erst mussten wir diese Sache mit J zu Ende bringen – und so wie es aussah, näherten wir uns dem Ende. Ich hoffte nur, dass wir nicht wieder in einer Sackgasse landen würden.

Die nächsten Stunden beschäftigten wir uns damit indem wir uns leise unterhielten. Hauptsächlich redeten Quatre und ich – aber das störte mich nicht. Ich war daran gewöhnt Unterhaltungen praktisch selbst zu bestreiten. Wir erzählten Trowa von der Erde, und von uns. Als er erfuhr dass Quatre 29 Schwestern hatte fielen ihm fasst die Augen aus dem Kopf. Verständlich. Ich konnte es ja auch nicht wirklich begreifen, und das obwohl ich Quatre schon fast mein ganzes Leben lang kannte. Ich war mir noch nicht mal sicher ob ich schon all seine Schwestern kennen gelernt hatte. Denn zu allem Überfluss sahen sie sich alle auch noch verdammt ähnlich.

Diese Aussage meinerseits löste in Quatre einen wahren Lachanfall aus – offenbar fand er es unglaublich witzig dass ich seine Schwestern nicht auseinander halten konnte – und sogar bei Trowa meinte ich ein leichtes Hochziehen seiner Mundwinkel zu erkennen. Hah, sollte er ruhig lachen solange er noch konnte, er würde es ja selbst sehen wenn wir erst wieder auf der Erde wären!

Irgendwann öffnete sich dann schließlich die Tür zu meiner Kabine und Heero kam herausgeschlurft. Doch obwohl er einige Stunden geschlafen hatte, sah er nicht sehr erholt aus. Im Gegenteil. Besorgt sah ich zu wie er sich eine Tasse Kaffee holte und sich dann – aufgrund fehlender Sitzgelegenheiten – einfach neben mich auf den Boden fallen ließ.

„Heero?" fragte ich leise, während sich Quatre weiter mit Trowa unterhielt und uns dadurch die Möglichkeit gab uns privat zu unterhalten. „Ist alles in Ordnung?"

Heero lächelte mich schwach an und nickte. Dann nahm er einen Schluck von seinem Kaffee, seufzte auf und lehnte seinen Kopf auf meine Schulter. Sofort schlang ich meinen Arm um seine Taille und zog ihn näher an mich heran. Was auch immer ihn die ganze Nacht lang beschäftigt hatte, es beschäftigte ihn noch immer. Langsam begann ich mir wirklich Sorgen zu machen.

„Ich bin nun in der Lage zu sagen welchen Kurs J eingeschlagen hat," verkündete Wing in diesem Moment.

„Das ist gut," antwortete Quatre. „Wohin fliegt er? Zurück nach L1?"

„Nein," erwiderte Wing. „Sein derzeitiger Kurs führt ihn nicht nach L1 zurück. Meine Berechnungen haben ergeben, dass er eine seiner Jägerfabriken anfliegt."

„Eine seiner Fabriken?" fragte Trowa verwundert. „Was sollte er denn dort wollen?"

„Vielleicht hat er dort ja irgendwelche Hinweise auf das Geheimnis versteckt," mutmaßte Quatre.

„In einer Fabrik?" warf ich ein. „Das ist ein wirklich dämlicher Ort um Geheimnisse zu verstecken."

„Nicht wirklich," sagte Trowa. „Diese Fabriken arbeiten vollautomatisiert. Offenbar trauen die OZ den Menschen nicht dort zu arbeiten. Wir könnten ja schließlich irgendwas mit der Produktion anstellen, und am Ende hören die Jäger dann gar nicht mehr auf die OZ." Er schnaubte abfällig. „Jedenfalls sind diese Fabriken völlig autonome Raumstationen. Sie liegen weitab der üblichen Raumschiffrouten und sind völlig abgeschottet."

„Hm," machte Quatre. „Du hast recht, das ist gar nicht so abwegig als Aufbewahrungsort für irgendwelche wichtigen Daten. Nur fürchte ich, wenn dass alles so abgeschottet ist, dann wird die Sicherheit dort ebenfalls sehr stark sein. Nun ja, darüber machen wir uns am besten Gedanken wenn es soweit ist."

Während all der Zeit hatte Heero sich nicht ein einziges Mal an der Unterhaltung beteiligt. Was ungewöhnlich war, vor allem wenn man bedachte wie wichtig ihm die ganze Sache eigentlich war. Doch er saß einfach nur da, starrte blind vor sich hin und nahm ab und zu einen Schluck von seinem Kaffee. Sonst nichts.

Und das änderte sich auch in den nächsten Stunden nicht. Heero wirkte abwesend und fahrig – kurz als würde er gar nicht wahrnehmen was um ihn herum geschah. Und nicht nur mir war das aufgefallen, inzwischen warfen ihm auch Quatre und Trowa immer wieder besorgte Blicke zu.

„Heero?" fragte ich leise und näherte mich der etwas abseits stehenden Figur meines Liebsten. Ich hatte entschieden dass es nun genug wäre. Ich würde jetzt rausfinden was Heero so sehr bedrückte.

„Hm?" machte Heero abwesend.

„Was ist los? Und sag nicht wieder dass nichts los ist. Ich sehe doch wie bedrückt du bist. Rede mit mir. Bitte." Ich legte Heero eine Hand auf die Schulter und sah ihm ins Gesicht.

Heero seufzte. „Du hast recht. Ich weiß nur nicht, wie ich anfangen soll."

„Wie wäre es mit dem Anfang? Gestern Abend war doch noch alles normal. Was ist geschehen, Heero?"

Heero schloss kurz die Augen, dann nickte er entschlossen. „Also gut. Aber ich denke, Quatre und Trowa sollten es auch hören. Es geht sie auch an."

Ich lächelte ihm aufmunternd zu, dann gingen wir gemeinsam zu Quatre und Trowa hinüber.

„Ich... ich muss euch etwas erzählen," fing Heero zögernd an. „Vielleicht sollten wir uns besser hinsetzen."

„Am besten gehen wir in meine und Trowas Kabine," erwiderte Quatre. „Wir haben immerhin zwei Betten, plus einem Klappbett. Da können wir am bequemsten sitzen."

Wir alle nickten und folgten Quatre in die Kabine. Nachdem wir endlich Platz genommen hatten – Heero und ich auf dem einen, Quatre und Trowa auf dem anderen Bett – fing Heero an zu sprechen.

„Ich hab gestern Nach ein wenig in den Datenpads gelesen, die ich von M's Anwesen mitgenommen habe," sagte Heero. „Nach dem was du mir erzählt hast war ich neugierig," er lächelte Trowa kurz an, dann fuhr er fort. „Aber in den Dateien die ich dabei hatte befand sich nichts was ich nicht schon kannte. Und dann ist mir das Lesepad in die Hand gefallen, dass Duo repariert hat."

„Du hast es gelesen?" rief ich erfreut. Um die Wahrheit zu sagen, ich aufgrund des Chaos gar nicht mehr an das Pad gedacht. Aber Heero hatte daran gedacht, und er hatte es sogar gerettet. Ich strahlte ihn an.

Heero lächelte mich kurz an. „Ja. Du hast wirklich gute Arbeit geleistet, Duo. Es handelt sich um ein altes Logbuch eines Raumschiffcaptains. Es war zwar nicht mehr alles lesbar, aber noch genug." Heero brach ab und kaute auf seiner Unterlippe.

„Und was war jetzt so schlimm an diesem Logbuch?" fragte Quatre, als Heero keine Anstallten machte weiterzureden.

„Es ist über sechshundert Jahre alt," antwortete Heero.

„Was?" rief Trowa verwundert aus und auch mir entkam ein erstauntes Keuchen. „Das ist älter als alles was ich bei M gelesen habe!"

Heero nickte. „Ja. Es handelte sich um den Flug eines der ersten Schiffe der OZ. Nach dem was ich entnehmen konnte war es noch gar nicht so lange her gewesen dass sie die Raumfahrt entdeckt hatten. Wenn man es so nennen kann," setzte Heero bitter hinzu.

„Was meinst du damit?" fragte ich und blickte ihn besorgt an.

„Das die OZ die Raumfahrt nicht selbst erfunden haben."

„Was?" Trowa schüttelte ungläubig den Kopf. „Aber... wer war es dann?"

Heero blickte Trowa einen Moment schweigend an, dann sagte er, „Wir waren es."

„Was? Was meinst du damit?" fragte ich und blinzelte verwirrt. Irgendwie verstand ich nicht worauf Heero hinaus wollte. Ein schneller Blick auf das andere Bett zeigte mir, dass es Trowa genauso ging. Quatres Gesichtsausdruck allerdings zeigte weniger Verwirrung, sondern er sah eher so aus als würde ihm etwas übles dämmern.

„Ich meine damit, dass die Menschen die Raumfahrt erfunden haben und es dann den OZ gezeigt haben."

„Aber..." Trowa schüttelte erneut den Kopf. „Wie konnten die OZ die Menschen denn versklaven wenn sie noch gar keine Raumfahrt hatten?"

„Offenbar waren die Menschen zu diesem Zeitpunkt noch nicht versklavt," erwiderte Heero. „So wie ich es mir zusammengereimt habe hat es sich wohl so abgespielt, dass irgendwann vor gut sechshundert Jahren Raumschiffe auf dem Heimatplaneten der OZ gelandet sind. Raumschiffe der Menschen. Die OZ waren noch nicht so weit um interstellare Raumschiffe zu bauen. Doch die Menschen zeigten sich großzügig und zeigten den OZ die nötige Technologie. Ich weiß nicht wieso die Menschen damals bei den OZ gelandet sind oder warum sie ihnen halfen, Raumschiffe zu bauen, aber Fakt ist, dass ohne die Hilfe der Menschen die OZ nicht so bald von ihrem Planeten runtergekommen wären."

Daraufhin herrschte erst einmal Schweigen. Ich kann wohl mit Recht behaupten, dass mich diese Geschichte mehr als überraschte. Und wenn es schon mir so ging, so konnte ich mir gar nicht erst vorstellen wie erschüttert Heero und Trowa darüber waren. Immerhin, dass stellte eigentlich ihr gesamtes Weltbild auf den Kopf.

„Willst... willst du damit sagen das WIR ihnen erst den Weg ins Weltall ermöglicht haben?" fragte Trowa ungläubig.

„Es kommt noch schlimmer," sagte Heero düster. „Natürlich kann ich nicht hundertprozentig sicher sein ob es dann tatsächlich so abgelaufen ist, aber wenn das was der Captain in seinem Logbuch geschrieben hat tatsächlich verwirklicht wurde..." Erneut brach Heero ab und biss sich auf die Unterlippe. Ich legte einen Arm um seine Schulter und strich beruhigend über seinen Oberarm.

„Die meisten Einträge in dem Logbuch sind ganz normal, sie berichten über Phänomene im Weltall, schwarze Löcher, weiße Zwerge, rote Riesen, das was Forscher nun mal so erforschen. Aber an einer Stelle berichtet der Captain von einem Zusammentreffen mit einem Schiff der Menschen. Und das was er da über die Menschen schreibt – da ist soviel Hass und Neid dabei. Offenbar hatte er das Gefühl dass die Menschen auf die OZ herabblicken. Und dass sie der Meinung sind dass die OZ ihnen dankbar sein müssten nachdem sie ihnen doch so gönnerhaft ihre Technologie überlassen haben – die seiner Meinung nach wahrscheinlich sowieso veraltet war. Einerseits hat er es wohl gehasst dass die OZ in gewisser Weise von den Menschen abhängig waren, andererseits hat er gleichzeitig das Gefühl gehabt, dass sie ihm etwas vorenthalten."

Ich griff mit meiner freien Hand nach Heeros Hand und drückte sie beruhigend. Mir ging es nun genauso wie Quatre vorhin. Ich hatte das dumpfe Gefühl dass ich bereits wüsste worauf Heero hinaus wollte.

„Es war klar herauszulesen dass der Captain die Menschen verabscheute – und der Rest seiner Crew offenbar auch. Ich hab keine Ahnung ob das was er gesagt hat stimmt, und ob nur er und seine Crew so gedacht haben oder alle OZ. Aber nach dem was wir wissen können wir wohl von letzterem ausgehen. Am Ende des Logbucheintrages über das Zusammentreffen mit den Menschen schreibt er noch, dass wenn es nach ihm ging, er diesen Menschen schon zeigen würde, welche Spezies die wirklich überlegenere von beiden ist."

Wieder herrschte Schweigen, diesmal noch länger als zuvor. Bis Trowa dann schließlich sagte, „Tja... ich schätze, genau dass haben sie dann wohl getan, oder? Sie haben die Jäger erfunden und dann angefangen die Menschen zu versklaven, die ihnen vorher geholfen haben." Er ballte wütend die Fäuste.

„Trowa," sagte Quatre, legte eine Hand beruhigend auf Trowas Faust und schüttelte leicht den Kopf. „Nicht."

„Wieso nicht? Sie haben von den Menschen alles geschenkt bekommen, aber es war ihnen nicht genug! Sie mussten uns auch noch versklaven! Weil sie einfach nicht genug bekommen konnten!" Trowa schrie beinahe.

„Das weißt du nicht," erwiderte Quatre ruhig. „Alles was wir haben sind die Aufzeichnungen eines Raumschiffcaptains. Aufzeichnungen die wie es sich anhört sicherlich nicht sonderlich objektiv sind. Wir wissen nicht was sich damals wirklich abgespielt hat. Vielleicht gab es ja einen Krieg. Und selbst wenn es so war wie du denkst – das ist jetzt sechshundert Jahre her, Trowa. Es hat keinen Sinn sich darüber aufzuregen. Du kannst es nicht mehr ändern."

Während Quatre weiter auf Trowa einredete, der störrisch den Kopf schüttelte, wandte ich mich an Heero. „Hey," sagte ich leise und lehnte meine Stirn an seine. „Wie geht es dir?"

Heero lächelte mich schwach an. „Besser," antwortete er ebenso leise und schlang seine Arme um mich. „Das hat ganz schön an mir genagt."

Ich nickte. „Das kann ich verstehen."

„Meinst du..." Heero biss sich auf die Unterlippe und sah mich unsicher an. „Meinst du dass Trowa recht hat?"

„Ich weiß es nicht," seufzte ich. „Möglich dass die Menschen damals nicht aus völlig uneigennützigen Motiven gehandelt haben. Vielleicht haben sie ja tatsächlich auf die OZ herabgesehen, wer weiß das schon? Aber wie Quatre gesagt hat, dass ist jetzt völlig egal. Ihr beide, du und Trowa – und auch jeder andere Mensch dort draußen – seid nicht verantwortlich für das was eure Vorfahren vor über sechshundert Jahren getan haben. Ihr solltet nicht dafür büßen müssen. Und egal was sie auch getan oder nicht getan haben, die OZ haben trotzdem kein Recht euch zu versklaven."

Heero lächelte mich an und ich konnte sehen dass Erleichterung in seinem Blick lag. Hatte er etwa wirklich befürchtet, dass er aufgrund der Taten von Menschen die vor sechshundert Jahren gelebt hatten verdient hatte ein Sklave zu sein? Das er irgendwie dafür büßen müsste? Das war doch kompletter Unsinn.

„Danke," flüsterte Heero, dann lehnte er sich vor und küsste mich. Ich lächelte in den Kuss und erwiderte ihn freudig. Als wir uns schließlich heftig atmend voneinander lösten geschah das nur weil weder Heero noch ich Lust darauf hatten Quatre und Trowa eine kostenlose Show zu bieten.

Inzwischen schien Quatre Trowa auch wieder beruhigt zu haben, denn Trowa sah nicht mehr ganz so wütend aus wie noch Minuten zuvor.

„Und was machen wir jetzt?" fragte ich.

„Machen?" Quatre sah mich fragend an.

„Naja, mit dieser Information. Sollen wir es den anderen erzählen? Und hat es überhaupt noch Sinn J zu verfolgen?"

„Was meinst du?" Quatre runzelte die Stirn. „Dass das hier das große Geheimnis ist?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Klar. Warum nicht?"

„Möglich wäre es," Quatre wiegte den Kopf leicht hin und her. „Aber ich glaube es eigentlich nicht. Was ist daran schließlich so schlimm? Aus der Sicht der OZ, meine ich."

Jetzt war es an mir die Stirn zu runzeln.

„Naja, ich meine, für die OZ ist es doch völlig egal ob sie die Raumfahrt selbst erfunden haben oder ob sie die Technologie von den Menschen bekommen haben," erklärte Quatre. „Und was die anschließende Versklavung der Menschen angeht – völlig egal was damals wirklich geschehen ist, ich bin sicher dass es in den Geschichtsbüchern der OZ so dargestellt ist, dass sie selbst nicht allzu schlecht dargestellt sind. Der Sieger schreibt schließlich die Geschichtsbücher."

„Hm," dem konnte ich nicht widersprechen. „Aber wenn es kein Geheimnis ist, wieso wissen dann Heero und Trowa nichts davon?"

„Ich sagte nicht dass es allgemein bekannt ist," erwiderte Quatre. „Nach sechshundert Jahren ist es nicht mehr gerade aktuelle Geschichte. Die meisten OZ und auch Menschen wissen wahrscheinlich gar nichts über derart weit zurückliegende Geschehnisse. Oder weißt du etwa was auf der Erde so vor sechshundert Jahren alles los war?"

„Öh... Mittelalter?" Ich grinste ihn kurz an.

„Gut geraten," Quatre grinste zurück. „Spaß beiseite. Ich denke nur an etwas, was J gesagt hat als ihr ihn auf L1 belauscht habt. Dass nicht einmal die OZ von diesem Geheimnis erfahren sollen. Selbst wenn ich verstehen kann warum die OZ den Menschen nichts davon erzählen, warum sollte man diese Tatsache vor den OZ geheim halten müssen? Das macht keinen Sinn."

Ich dachte kurz darüber nach. Dann nickte ich. „Ok, du hast recht. Also was machen wir?"

„So weiter wie bevor," war Quatres einfache Antwort. „Wir folgen J."