"Hinsetzen, meine Lieben." sagte Iva eindrücklich, als sie in der Messe angekommen waren. Zuvor hatten sie noch einen kleinen Schwenk vorbei an Lucas' Kabine gemacht, wo dieser sich dann umgezogen hatte. Zum Glück des Teenagers war Iva dabei und konnte den Sänger davon abhalten durch gewisse Sichtfenster zu schauen. Rufus wusste schon mit Iva sollte man sich besser nicht anlegen. Also hatten sie brav und nichts tuend auf Lucas gewartet. Nun saßen der Musiker und das Computergenie an einem Tisch in der Messe und waren schon bei der Vorstellung von zu viel Essen mehr als satt.

"Meinst du wir können wieder versuchen einfach wegzulaufen?" fragte Rufus.

"Wir werden sehen. Vielleicht wenn sich die Chance dazu bietet. Ich hoffe das Beste für uns."

"Ich darf gar nicht daran denken wie lange ich Klavier spielen muss, um das alles wieder von den Rippen zu kriegen. Ob sie Verständnis dafür hätte, wenn ich ihr erkläre, dass ich für meine Fans eine gute Figur halten muss? Meine Schwester fängt schon an mich mit kleinen Polstern zu ärgern."

"Erklär mich für verrückt, aber ich glaub das interessiert die gute Iva herzlich wenig."

Endlich hatte es die Küchenfrau auch geschafft mit einem Tablett voller Leckerein zu beiden zu kommen. "So, da bin ich. Ich hoffe ihr musstet nicht zu lange auf mich warten."

Lucas gingen die Augen über. "Das alles sollen wir essen?"

Iva war entzückt und kniff Lucas in die Wange. "Nicht doch mein Kleiner, keine Angst. Das Tablett ist nur für dich, Rufus bekommt ein eigenes." Von nun an stand der pure Horror in den Gesichtern der beiden. Das konnte sie ja wohl unmöglich ernst meinen.

"Entschuldigt, mit meinem Arm konnte ich nicht beide Tabletts gleichzeitig bringen."

"Oh, vielleicht kann ich beim Tragen helfen." bot Rufus an, nicht ohne den Hintergedanken, dass jeder Gang schließlich schlank machte.

"Nein nein, schön hinsetzen. Die ganze Zeit dort in der Wildnis muss sehr anstrengend gewesen sein. Ihr habt euch das verdient." Schon war die gute Seele von Küchenfrau wieder unterwegs um auch das Tablett für den Sänger zu holen.

"Wir haben das verdient? Ich möchte mal wissen, was wir verbrochen habe." gummelte Rufus.

"Bei dir fallen mir da einige Dinge ein." grinste Lucas.

Der Sänger setzte einen seiner berühmten unschuldigen Blicke auf. "Ich weiß beim besten Willen nicht was du meinst."

"So mein lieber, hier ist auch dein Tablett." Iva war zurück und setzte dem Musiker sein Essen vor. "Lasst es euch schmecken. Und schön aufessen."

Rufus blickt entsetzt auf sein Tablett. "Hey, das ist unfair. Ich hab viel größere Portionen als Lucas!"

Lucas glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. "Halt doch den Mund." presste er durch die Zähne hindurch.

"Nein nein, gleiches Recht für alle. Das gilt auch für Foltermethoden."

"So macht man sich keine Freunde, weißt du?"

"Heißt das, du willst mein Freund sein, wenn ich dich deine kleineren Portionen essen lasse?" Rufus grinste und hatte das Wort Freund auf eine ganz bestimmte Weise betont.

"Vergiss es." In dem Moment kam Iva schon wieder zurück und hatte einen Topf dabei, aus welchem sie dem Teenager gleich eine extra Portion auf schenkte. "Danke, das wäre echt nicht nötig gewesen." sagte Lucas deprimiert.

"Das mach ich doch gern." antwortete sie gutgelaunt, ohne auch die leiseste Ahnung, was wirklich in dem Computergenie vorging.

Sich zwingend zu lächeln schauten Rufus und Lucas die Küchenfrau an, in der Erwartung, dass diese gleich gehen würde, um weitere Köstlichkeiten vorzubereiten oder ähnliches…allerdings war dem nicht so. Iva hatte anscheinend nichts zu tun und setzte sich glücksselig an den Tisch. "Also, guten Appetit."

Lucas und Rufus wechselten verzweifelte Blicke untereinander. Was sollte denn das jetzt? Jetzt konnten sie sich noch nicht einmal mit gegenseitigem Jammern trösten und mussten so tun als wären sie unendlich dankbar für dies köstliche Essen und hätten ewig nichts zu essen bekommen. Bevor Rufus anfing hier das essen in sich reinzuschaufeln, versuchte er noch eine letzte Sache. "Das geht doch jetzt aber nicht, dass wir ihnen hier etwas vor essen. Wie unhöflich von uns. Hier, wir teilen gerne unser Essen mit ihnen Iva." Der Sänger hatte zwar teilen gesagt, schob aber gleich das ganze Tablett in Richtung der Küchenfrau.

"Ach nein Kinder, esst mal. Ich habe das mit ganz viel Liebe für euch zubereitet und ab und zu genascht." Sie fing an zu kichern. "Da kann ich doch nicht widerstehen, gehört schließlich zu meinem Beruf." Sie kicherte erneut. "Das fehlt noch, dass ich euch euer Essen wegesse." Iva schob dem Sänger sein Tablett wieder zurecht.

Lucas schaute grimmig zu Rufus, da dieser anscheinend gerade versucht hatte, sich um das Essen zu drücken, ohne Lucas davon profitieren zu lassen.

Niedergeschlagen stocherte Rufus in seinem Essen herum. Er war noch gar nicht halb vor dem Hungertod, da konnte er doch hier noch nichts essen, schon gar nicht so viel. Hin und wieder landete etwas in seinem Mund, allerdings nur dann, wenn Iva sich mit Blicken bei dem Sänger erkundigte, warum denn dieser eigentlich gar nichts aß.

Ähnlich sah es auch bei Lucas aus. Er hatte es geschafft ein wenig von dem Auflauf zu essen, der ja auch wirklich lecker geschmeckt hatte, aber wo nicht mehr Platz war, war einfach nicht mehr Platz. So einfach war das. Aber so gesehen schien Iva in einer anderen Welt zu leben. In der Welt der unbegrenzten Mägen. Wer wusste das schon.

Als Rufus kurz davor sich geschlagen zu geben, stand Iva ganz plötzlich von ihrem Platz auf. "Ich hab ja euren Nachtisch ganz vergessen. Sagt doch etwas!" Und schon war die verletzte Küchenfrau wieder unterwegs und gab den beiden somit Zeit sich kurz über ihre Leiden auszutauschen. "Ich kann nicht mehr." beschwerte sich Rufus.

"Was jammerst du? Du hast doch kaum etwas gegessen, im Gegensatz zu mir. Du hast doch keine Ahnung."

Ganz plötzlich erschrecket sich Rufus und drehte sich völlig geschockt um, in die Richtung, in die Iva gerade eben verschwunden war.

"Was! Was was was?" wollte Lucas wissen, der gar nicht wusste, was jetzt los war.

"Puh…ich dachte sie kommt schon wieder. Ich sehe schon Gespenster und krieg bestimmt Alpträume heute Nacht…hm…es sei denn du würdest heute Nacht vielleicht bei mir schl…"

"Rede lieber gar nicht weiter…" Lucas schaute von Rufus' grinsendem Gesicht auf dessen Tablett. "W-wie hast du das gemacht?"

"Was?" dieses Mal war es Rufus, der nicht wusste, was sein Gegenüber meinte.

Lucas zeigte auf Rufus' leeres Tablett. "Das!"

Mehr als nur verblüfft schaute Rufus auf das nicht vorhandene Essen. "Keine Ahnung." Er nahm das Tablett in die Hand, welches völlig blank geputzt schien. Die beiden schauten sich verwirrt an und begannen dann gleichzeitig unter den Tisch zu gucken, auch wenn ihnen ihr vernünftiger Menschenverstand sagte, dass es da nicht sein würde. Gleichzeitig kamen sie auch wieder unter dem Tisch hervor.

Lucas verstand gar nichts. "Hast du jemanden gesehen?"

"Nein…" sagte Rufus die Stirn in Falten gelegt. "Du bist dir aber sicher, dass du das nicht warst?"

"Natürlich!"

"Hätte ja sein können, vielleicht um mir so zu zeigen, wie gern du mich hast." Er grinste.

"Wie hätte ich das denn machen sollen?" fragte Lucas vorwurfsvoll.

"Weiß ich nicht. Du bist doch hier das Genie."

"Dir trau ich aber auch alles zu." Bevor sich die beiden noch ernsthaft anfingen zu streiten hörten sie ein Geräusch, was sie entfernt an ein Rülpsen erinnerte und es schien aus Rufus' Brusttasche zu kommen. Lucas hob eine Augenbraue hoch. "Ach nee, soll ich das jetzt glauben?"

Rufus holte den kleinen Wolfgang Amadeus aus der Tasche und schaute sich den Kleinen genau an. Das Tier schien mit sich und der Welt im Reinen zu sein, denn es schien mehr als glücklich. "Täusch ich mich, oder ist sein Bauch gerade nicht gerade unbedeutend angewachsen?" fragte Rufus.

"Mir kann keiner erzählen, dass dieses kleine Tier hier das ganze Tablett leer geputzt hat. Auch noch ohne dass wir etwas davon mitbekommen.

"Ist halt ein flinkes Kerlchen." sagte Rufus daraufhin, allerdings auch nicht wirklich überzeugt.

"Das ist unmöglich."

Rufus blickte leicht verächtlich, aber mit einem Grinsen zu Lucas. "Wissenschaftler!" Als Antwort bekam der Musiker lediglich ein großes Augenrollen.

Wolfgang Amadeus entschied sich in der Zwischenzeit dazu, von Rufus' Hand herunter zu springen, um auf dem Tisch zu landen. Interessiert blickten die beiden Menschen auf das kleine Wesen. Vorsichtig näherte es sich Lucas' Tablett.

"Vielleicht bist du dein Essen auch gleich los." bemerkte Rufus optimistisch. Lucas antwortete nicht, sondern beobachtete das Geschehen weiter.

"Hey mein kleiner, du musst dich beeilen, Iva kommt gleich wieder." feuerte Rufus seinen kleinen Freund an. Interessiert blickte sich Wolfgang Amadeus zu dem Sänger um und legte den Kopf schief. Wieder eine Augenbraue hochziehend blickte Lucas zu Rufus.

"Was denn?" fragte Rufus verwirrt.

"Nichts."

Im nächsten Moment war auch tatsächlich Lucas' Tablett leer und das Computergenie und der Sänger konnten nur staunen. "Hast du's gesehen!" fragte Rufus total überrascht.

"Äh…" antwortete Lucas noch völlig perplex. "…mehr aus den Augenwinkeln. Aber es ging verdammt schnell." Der Teenager kam mit seinem Kopf immer dichter an Wolfgang Amadeus heran. "Du bist ein verdammt merkwürdiges Kerlchen."

Wolfgang Amadeus schien einen amüsierten Laut von sich zu geben und plumpste auf sein Hinterteil. "Guck mal, er hat schon wieder etwas zugelegt. Der arme hat hoffentlich eine gute Verdauung." sagte Rufus besorgt.

"Ich glaub dem geht's bestens."

In dem Moment kam Iva wieder mit zwei großen Schalen voller Pudding. "Schaut mal, was ich Feines für euch hab…" Erst jetzt erkannte sie, dass die Tabletts beider leer waren. "Oh, ihr habt ja schon aufgegessen! Wie schön. Möchtet ihr noch einen Nachschlag, ihr scheint mir ja fast ausgehungert."

"Nein!" riefen beide im Chor. Lucas fügte noch ein leises: "Äh, nein danke. Wir sind satt." hinzu.

"Dann ist es jetzt Zeit für meinen berühmten Pudding. Nach einem Geheimrezept."

"Ähm, könnten wir uns den vielleicht mitnehmen? Es gibt noch einiges zu tun."

"Wirst du wieder mit Arbeit zugeschüttet, mein armer Kleiner?" fragte Iva gleich ganz besorgt.

"Nein nein, so schlimm ist es nicht. Dennoch, vielleicht wäre es besser ich würde jetzt gehen. Ich esse den Pudding dann später. Versprochen!"

Rufus blickte leicht panisch zu Lucas rüber, da dieser sich gerade ein hübsches Alibi zusammen bastelte…das war an und für sich nicht weiter schlimm, nur die Tatsache dass dieses Alibi ihn nicht mit einbezog störte ihn sehr.

Lucas bemerkte den leidensvollen Blick und wollte mal nicht so sein. "Es geht um den kleinen Wolfgang Amadeus. Ist ein Forschungsprojekt, wir müssten also los." Das Computergenie zeigte auf das kleine Wesen. welches mittlerweile zurück in Rufus Tasche, aus dieser herausschaute.

Iva folgte der Richtung, die Lucas' Finger angab und kam zu einer Erkenntnis. "Ahhhh, eine Ratte!" fing sie an zu kreischen. "Und das hier in der Messe! Vorsicht, gleich beißt sie zu!" Iva traute sich gar nicht auf den Sänger auch nur einen Schritt zu zugehen.

Rufus hielt den kleinen Wolfgang Amadeus die Ohren zu. So etwas sollte er lieber nicht hören. Wie gemein ihn mit einer Ratte zu vergleichen.

"Ganz ruhig, das ist keine Ratte." versuchte Lucas die Küchenfrau zu beruhigen. "Das ist eine seltene Affenart, zumindest glauben wir das, die wir von der Insel mitgebracht haben. Unser neues Forschungsprojekt."

Leicht misstrauisch blickte Iva zu ihrem Lieblings-Lucas. "Für mich sieht das aber eher nach einer Ratte aus. Bist du dir sicher?" fragte sie leicht ängstlich.

"Ganz sicher. Es ist hundert pro keine Ratte. Wirklich."

"Na gut, wenn du das sagst. Aber sorg bitte trotzdem dafür, dass das Tier hier nicht in der Messe oder gar der Küche rumläuft. Da versteh ich keinen Spaß, so etwas gehört sich nicht."

"Genau, deswegen sollten wir auch jetzt wirklich gehen." meldete Rufus sich zu Wort und marschierte davon.

"Danke fürs Essen!" sagte Lucas noch und war kurz darauf hin auch verschwunden. In einem Gang versteckt wartete der Sänger auf ihn. "Sorry, ich musste da jetzt wirklich, wirklich schnell weg."

"Ja, schon gut." Das Computergenie sah den Sänger gar nicht an, sondern achtete mehr auf dessen kleinen Begleiter, der aus der Brusttasche des Hemdes neugierig die Umgebung betrachtet, die doch so fremd im Gegensatz zu seiner gewohnten Umgebung war.

"Der kleine hat mächtig Hunger gehabt. Möchte mal wissen, wo er das alles hin steckt. Werden wir das jetzt untersuchen gehen?" Sofort blickte Rufus wieder auf und sah zu Lucas.

"Nein, ich würde schon ganz gerne mehr über den wissen, aber das muss warten. Erst muss ich Bridgers Bitte nachkommen und mir mal ansehen, was auf der Brücke eigentlich gerade alles so schief geht."

"Wird schon schief gehen." sagte Rufus, der das auch noch lustig fand und lachte.