Ford klopfte bei Bridger. Es dauerte einen Moment bis ihnen geöffnet wurde. Der Captain zog eine Augenbraue hoch, als er die beiden vor seinem Quartier stehen sah. "Gibt es Probleme?"
Mit verschränkten Armen sah der Commander ihn an und legte den Kopf leicht schief. "So ähnlich könnte man das nennen. Dürfen wir rein kommen? Ich fürchte das hier könnte ein klein wenig dauern."
"Wir sollten Dr. Smith dazu holen." ergänzte Lucas.
Bridger sah den Teenager fragend an.
"Keine Sorge, wir erklären ihnen gleich alles, aber erst einmal sollten wir uns dazu irgendwo zusammen setzten, wo uns nicht ständig einer im Weg steht." Damit meinte Lucas den Offizier, der nicht unweit von ihnen damit beschäftigt war eine defekte Platte auszutauschen und die darunter liegenden Kabel auf Schäden zu untersuchen.
Der Captain öffnete ein Stück weiter die Tür und ließ sie eintreten, während er selbst zu der internen Kommunikationskonsole ging und nach Dr. Smith rufen ließ. Er packte ein angefangenes Buch zur Seite und setzte sich in einen der Sessel. Süßigkeiten befanden sich dieses mal keine in seinem Quartier, die ihm jemand weg essen könnte. "Ich durchlebe gerade nur ein kleines Deja vú, mir kommt das hier alles sehr bekannt vor. Ich hoffe nur, das hier wird nicht wieder zur Gewohnheit."
Commander Ford musste tief durchatmen. "Allerdings, ich weiß nur zu gut was sie meinen. Kaum ist dieser Kerl wieder an Bord geht hier alles drunter und drüber und das Vieh das er angeschleppt hat, tut sein übriges."
"Damit sollten wir warten bis Dr. Smith hier ist." sagte Lucas und setzte sich zwischen die beiden Offiziere an den Tisch.
"Ich bitte darum." sagte Bridger, dem das hier nicht nur ein bisschen nervte, sondern nun wirklich lästig wurde. "Diese ganzen kleinen Sitzungen hier bin ich wirklich sehr leid."
"Es gibt aber einen Grund, Captain und den sollten sie sich anhören. Ich weiß nicht was Lucas vermutet, aber das was wir gerade auf der Brücke erlebt haben, war nicht von schlechten Eltern, wenn sie verstehen." sagte der Commander.
Bevor Bridger etwas erwiedern konnte, klopfte es an der Tür und nach einem kurzen Zeichen des Captains, betrat Wendy Smith die Kapitänskajüte. "Sie hatten mich rufen lassen?" Ihr Blick fiel auf die Anwesenden.
"Oh ja, aber mehr auf Befehl von Mr. Wolenczak hier, der wichtige Neuigkeiten für uns hat." sagte Nathan mit einem sarkastischen Unterton.
Lucas schenkte ihm nur ein missbilligendes Lächeln. "Das hier ist vielleicht ernster als wir vorher dachten."
"Was du nicht sagst." ließ der Commander vernehmen.
"Worum geht es denn?" Wendy sah zu Lucas. Sie versuchte ihn nicht zu lesen, was ihr durch ihre nun aufgeweckte Neugier nur schwerer fiel.
"Es geht um unsere kleine Entdeckung, die wir untersuchen wollten, sobald hier an Bord wieder mehr Ruhe eingekehrt ist." Lucas machte eine kurze Pause in welcher er die anderen Personen im Raum ansah.
"Um diesen kleinen Affen?" sagte Wendy.
"Wenn es denn ein Affe ist." sagte Ford und lehnte sich dabei in seinem Stuhl zurück. "Ich zweifel da stark daran."
"Captain, wir haben eben auf der Brücke gesehen wie dieses Tier irgendwie die Systeme an einer beschädigten Station wieder hergestellt hat und ich weiß wirklich nicht wie. Es stand einfach nur da, hat mit seinen Pfoten geklatscht und auf einmal war alles wieder ganz. Das ist nicht normal." Lucas gestikulierte wild mit den Händen.
Bridger hatte die Beine übereinander geschlagen und sich genauso wie Ford zurück gelehnt. Sein Ellenbogen ruhte auf der Lehne. Er warf Wendy einen kurzen Blick zu. "Meinst du in Form von Telepathie?"
"Könnte sein, anders weiß ich nicht mehr wie ich das erklären soll." zuckte Lucas mit den Schultern.
"Das ist unmöglich. Es ist noch niemals nachgewiesen worden, dass Affen telepathische Fähigkeiten haben. Das müsste ich doch wissen." warf Wendy ein.
"Und was ist wenn es kein Affe ist?" bestand Lucas weiterhin auf seinem Standpunkt.
"Der Meinung bin ich auch. Unser Sängerknabe hat sich ein Wesen direkt aus der Hölle angelacht und zieht mit seinem neugebundenen Teufelspakt durch die Welt. Wer weiß, am Ende werden wir noch alle verflucht und müssen seine Musik ununterbrochen hören."
Lucas sah den Commander an, als hätte dieser eben verkündet, er würde demnächst im Clownskostüm zum Dienst erscheinen. "Das kann man wohl kaum als Hölle bezeichnen." Er schüttelte kurz den Kopf und kehrte lieber wieder zum Thema zurück. "Die Sache ist die, dass der Vorfall auf der Brücke nicht der einzige seiner Art war, sondern bereits vorher komische Sachen passiert sind. Captain, sie selbst haben sicherlich auch schon etwas wahr genommen als sie vorhin auf dem Seedeck mit dem Wesen zusammen gestoßen sind. Irgendwas richtet das mit uns an. Dazu kommt noch, dass das Ding frisst als bestünde sein Magen aus einem schwarzen Loch! Sie kennen Ivas Portionen, niemand schafft es zwei davon mit einem Mal zu verputzen, das ist schier unmöglich!"
"Ja, aber was ist es deiner Meinung nach?" fragte Bridger, der nicht wirklich wusste, was er davon halten sollte.
"Keine Ahnung, ich habe schon zuviel gesehen um auch nur etwas auszuschließen."
"Hast du bereits versucht etwas über diese Spezies heraus zu finden? Vielleicht haben wir ja Glück und es findet sich doch etwas." schlug Dr. Smith vor.
"Oder aber wir fragen in den Labors von allen Wissenschaftlern nach, ob denen eines ihrer Experimente abhanden gekommen ist, das halte ich eher für wahrscheinlich." sagte Ford.
"Das erklärt aber nicht den Vorfall auf der Brücke. Ich mag zu bezweifeln, das solche Fähigkeiten allein durch genetische Experimente hervorgerufen werden können." äußerte Lucas sofort seine Bedenken.
In dem Moment wurde die Tür aufgerissen und Rufus stürmte herein gefolgt von einem peinlich berührten Lieutenant Brody, der dem Sänger sofort eine Predigt halten wollte, dass man nicht ohne anzuklopfen herein stürmte. "Ich muss ihnen etwas zeigen!" sagte der Sänger in großer Pose, als wäre er auf der Bühne. Brody blieb letztendlich nichts mehr übrig, als noch die Tür hinter ihnen zu schließen und sich von dieser nicht weg zu bewegen. Vielleicht musste er schnell genug flüchten, da war er an dieser Stelle genau richtig.
Augenrollend atmete Ford schwer aus. "Es hat sie niemand hierher gebeten. Soweit ich mich erinnere lautete mein Befehl, dass sie sich zu ihrem Quartier begeben sollten und dort auch bleiben!" Die Stimme des Commanders hatte einen festen Unterton angenommen.
"Ja ja, schon gut. Jetzt muss ich ihnen etwas zeigen, das ist großartig." Rufus Wainwright huschte leichtfüßig um den Tisch herum und blieb vor Lucas stehen. Nachdem er merkte, dass es doch etwas unbequem war gebeugt da zu stehen und dem Computergenie das Tier auf seiner Hand vor die Nase zu halten, kniete er sich vor ihm hin. Interessiert sahen die andern dem Schauspiel zu, während Lucas Angst bekam hier gleich einen Heiratsantrag zu bekommen.
"Was hast du vor?" fragte Lucas mit gerunzelter Stirn. Das fehlte hier noch, dass der Sänger wieder peinlich wurde und das obwohl er ihm doch so einiges an Versprechen abgerungen hatte.
"Keine Angst, nichts schlimmes. Guck einfach nur Wolfgang Amadeus fest in die Augen und du mein kleiner machst jetzt mit Lucas das, was du vorher bei Jimmy gemacht hast, ja?" Er drückte dem Tier einen Kuss auf den Kopf und beobachtete dann aufmerksam Lucas, der nun das Wesen auf der Hand von Rufus betrachtete.
"Und? Es guckt mich an, sonst nichts."
"Ja genau, und nun pass auf. Lucas, könntest du dir vorstellen doch schwul zu werden?"
"Auf gar keinen Fall."
Angewidert verzog Rufus das Gesicht. "Wahrscheinlich hat der kleine gerade keine Lust." Er drehte die Hand wieder zu sich und streichelte Wolfgang Amadeus über den Bauch.
"Mr. Wainwright, wenn sie unsere Zeit verschwenden wollen, dann gehen sie lieber woanders hin, hier haben wir gerade weitaus wichtigere Dinge zu besprechen." seufzte Commander Ford vor sich hin.
Rufus blickte zu dem dunkelhäutigen Mann und auch sein kleiner Wolfgang Amadeus hatte sich zu diesem herum gedreht. Die großen Kulleraugen schienen ihn fast anklagend zu betrachten.
"Los verschwinden sie und packen das Vieh endlich mal in einen Käfig." Ihm wurde von Augenblick zu Augenblick unwohler zumute, je länger das Tier ihn ansah.
Rufus stemmte den freien Arm in die Hüfte. "Können sie mir eigentlich einmal sagen, was sie so sehr an mir stört? An meiner Person selbst kann es doch nicht liegen!"
"Sehr gerne, sie sind das was ich früher immer sein wollte und nicht werden durfte, weil mein Vater was dagegen hatte. Sie kommen hier an Bord, werden von allen umschwärmt, nur weil sie ein wenig auf dem Klavier herum klimpern und dabei noch hübsch singen. Das kann ich alles auch, nur ich habe das nicht zum Beruf machen können! Statt dessen bin ich zur Navy gegangen. Ich war ein hervorragender Tänzer und hätte eine Wahnsinnskarriere machen können, doch wenn man von allen Seiten nur zu hören bekommt, man würde schwul sein oder letztendlich als solcher enden, dann hilft das nicht gerade seinen Traum zu verwirklichen! Ich möchte auch einmal ganz losgelöst von allen Vorurteilen und Zwängen auf der Bühne stehen und mich selbst verwirklichen! Mir sollten die Frauen rote Rosen auf die Bühne werfen, mir jeden Wunsch von den Augen ablesen wollen und an der Schleuse bereits auf mich warten, damit ich ihnen Autogramme gebe. Wegen mir campiert keiner tagelang an irgendwelchen Stränden, schenkt mir Muffins und was weiß ich nicht noch was."
"Oh, wo wir gerade bei Muffins sind." unterbrach Lucas mit einem mal den Redeschwall des Commanders. "Hast du Dave Kuchen gegeben?" Er hatte Rufus dabei auf die Schulter getippt bis dieser sich zu ihm herum drehte.
"Wie? Ach das, ja, ich habe ihm die Muffins gegeben, die ich von meinen Fans am Tag meiner Abreise bekommen habe. Wieso? Hättest du gerne etwas davon gehabt?" Sofort war der Commander vergessen und Rufus kroch auf seinen Knien näher an Lucas heran. "Sieh Wolfgang Amadeus genau an und dann sag mir was du möchtest. Los kleiner, mach das Lucas mir seine wahren Gefühle offenbart."
Wolfgang Amadeus hatte aber keine Lust, statt dessen sprang er Rufus von der Hand und auf die Schulter von Lucas, wo er sich an diesen anschmiegte. Glücklich schloß das Tier seine Augen und begann ein kleines Nickerchen auf der Schulter des Computergenies. "Nun wissen wir, was er genau macht und auch warum Dave mit Magenproblemen auf der Krankenstation liegt." seufzte das Computergenie. Wie kann man nur so dumm sein und Backwaren von Leuten, die man nicht einmal kannte, jemanden zum essen geben? Und der kleine Wolfgang Amadeus brachte die Menschen dazu ihre innersten Gefühle zu offenbaren. Das Boot glich mehr und mehr einem Hexenkessel.
Verwirrt blickte der Sänger zu Lucas. "Bitte?" Der Teenager ignorierte ihn.
Commander Ford hatte die Ellenbogen auf den Tisch gestützt und das Gesicht in den Händen verborgen. Er konnte nicht glauben, was er gerade gesagt hatte.
"Nun Wendy, meinen sie nicht auch, dass es einen weiteren Besuch auf der Insel wert ist, wo wir unseren kleinen Besucher her haben?" sagte Bridger.
"Ich habe so etwas noch nie gesehen. Es ist, als würde dieses Tier in das Innerste eines jeden Menschen blicken und ihn dazu bringen das zu sagen, was einen tief innen bewegt."
"Nicht wahr? Der kleine ist fantastisch und er kann sogar sprechen. Aber noch nicht sehr viel." Rufus rückte näher an Lucas heran, wo er mit dem Zeigefinger über den Rücken von Wolfgang Amadeus strich. "Sie werden ihm doch jetzt nicht etwa was tun? Ich werde es nicht erlauben, wenn sie ihm Nadeln in seinen kleinen süßen Körper stecken und ihm weh tun!"
"Niemand hat etwas davon gesagt, Rufus." meinte Lucas abschätzig und versuchte etwas von diesem davon zu rücken, doch weiter ging es nicht mehr, denn er saß schon halb Bridger auf dem Schoß.
"Och komm schon. Er hätte ruhig dich dazu bringen können mir zu sagen, was du tief in dir fühlst, du hast doch genauso Angst dich zu offenbaren wir der Commander. Im übrigen können sie gerne als Tänzer mit zu mir auf die Bühne kommen, wenn sie möchte und Jim kriegt später sein Autogramm das er unbedingt wollte." Er zwinkerte Brody an der Tür zu, der sofort knallrot im Gesicht anlief.
Ford warf Brody einen bösen Blick zu. Er fühlte sich verraten, ausgerechnet in Jim Brody einen Fan dieses Sängers zu finden war wie ein Schlag ins Gesicht.
"Wir sollten nichts überstürzen." brachte Bridger endlich Ordnung in die Runde. "Mr. Wainwright, ich möchte von ihnen, dass sie diese neue Fähigkeit dieses Wesens nicht missbrauchen, andernfalls werde ich anordnen, dass es auf dem Wissenschaftsdeck unter Beobachtung gestellt wird, wo sie nicht mehr ran kommen. Dann werden wir sobald das Schiff wieder fährt diese Insel erneut ansteuern und uns dort nach weiteren von diesen Wesen umsehen. Bis dahin kannst du ja versuchen etwas darüber heraus zu finden, Lucas."
Das Computergenie nickte, als ihn der Captain ansah.
"Wenn es sich machen lässt, würde ich jetzt ganz gerne einige Untersuchen an dem Tier durchführen." Als Wendy den drohenden Blick des Sängers sah, ergänzte sie schnell. "Keine Sorge, es geht nur um Körperfunktionen, Röntgenaufnahmen und solche Dinge. Nichts wo ich Nadeln bräuchte oder es ihm weh tun könnte."
"Das will ich auch hoffen!"
"Gut, da das nun geklärt ist, möchte ich sie bitten zu gehen. Wir haben nun einiges zu tun und sie sollten sich wirklich für eine Weile in ihr Quartier zurück ziehen, Mr. Wainwright." Bridger erhob sich. Brody hatte bereits die Tür geöffnet und war auf dem Weg zur Brücke.
Lucas stand vorsichtig auf, damit Wolfgang Amadeus nicht von seiner Schulter fiel. Etwas was gar nicht möglich war, denn das Tier hatte sich mit seinem Schwanz und den Pfoten an seinem Hemd festgekrallt, dass es wie ein Klettverschluß festsaß. Selbst als Rufus versucht hatte ihn herunter zu holen, blieb er auf der Schulter. "Nun... dann muss ich eben warten, bis er wieder aufwacht."
"Ich bin dann in meiner Kabine und versuche etwas im Internet zu finden." sagte Lucas mit einem kurzen Nicken in Richtung Bridger und Smith. Der Commander hatte sich nicht weiter bewegt und saß nach wie vor halb verzweifelt am Tisch.
Rufus schlug ihm auf den Rücken. "Ach kommen sie schon. Ihre feminime Seite ist doch wirklich hübsch."
Dieser Blick, den der Commander nun für Rufus übrig hatte, konnte die nächste Eiszeit beschwören und der Sänger beschloß sich fürs erste davon zu machen. Über sein kleines Trauma musste der Commander erst einmal hinweg kommen, dann konnten sie vielleicht noch einmal miteinander darüber verhandeln, ob er nicht als Pianist bei Rufus in der Band anfangen wollte. Er konnte immer mal neue Musiker gebrauchen und wenn Ford wirklich so gut war, wie er behauptete würde es auf gar keinen Fall schaden, ihn dabei zu haben.
