Wolfgang Amadeus schlief schon längst nicht mehr. Während Lucas am Computer saß und nach weiteren Hinweisen über ihren eigenartigen Gast suchte, inspizierte das Wesen seine Kabine.
Mit dem Ellbogen auf den Tisch gestützt suchte Lucas mehr frustriert als motiviert im Internet. Er fand gar nichts. Lediglich die normalen Affenarten, aber mehr auch nicht. Wolfgang Amadeus sprang von seiner Koje direkt auf seine Schulter und kuschelte sich an seinen Hals. Leise fiepend sah es den Teenager mit großen Augen an.
"Was hast du denn?" Lucas streichelte ihm sanft über den Rücken. Wolfgang Amadeus zwinkerte ihm liebevoll, fast schmachtend zu und Lucas hatte das seltsame Gefühl hier Rufus in Form eines Tieres vor sich zu haben. Zum Glück hielt dies nur einen Moment an, denn dann zupfte der kleinen an den Haaren die ihm in den Nacken hingen herum. Der Teenager ließ das Tier gewähren. Solange es nichts weiter anstellte, konnte es ruhig auf ihm herum turnen.
Die Tür zur Kabine flog auf. "Hey Luke!" Tony Piccolo lief locker die paar Stufen hinab und öffnete seinen Spind. Wolfgang Amadeus drehte sich auf der Schulter des Computergenies herum und sah Tony an. Der Ex-Häftling bemerkte ihren Gast im ersten Moment gar nicht und holte sich etwas aus seinem privaten Süßigkeitenvorrat. Er riß eine Packung M&M's auf und schon im nächsten Moment hatte Wolfgang Amadeus den Sprung von der Schulter des Teenagers auf den Arm Piccolos geschafft. Mit seinen kleinen Pfötchen wühlte das Wesen in der Tüte. Erschrocken ließ Tony die Tüte fallen und schüttelte seinen Arm, damit das Ding von ihm endlich losließ, doch Wolfgang Amadeus krallte sich in dessen Hemd.
Lucas sprang vor Schreck auf. Er hatte bemerkt, wie das Tier von ihm gegangen war, aber diese Behandlung durch Tony verdiente es wirklicht nicht. "Hör auf, du tust ihm vielleicht weh!" Er legte seinem Freund beruhigend die Hand auf die Schulter und versuchte dessen Abschüttelaktion mit der anderen aufzuhalten. Zum Glück gab Tony Ruhe und starrte auf das Tier. "Was macht das hier? Nimm es weg!"
Wolfgang Amadeus schüttelte sich den Kopf, wie als würde sich alles um ihn herum drehen. Auf dem Boden lagen die ganzen Schokolinsen verstreut von denen es eigentlich nur ein paar naschen wollte. Nun geschah etwas, was Lucas von Wolfgang Amadeus noch nicht kannte. Er kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und mit einem Mal sah das Tier nicht mehr süß und niedlich aus, sondern gemein und voller Wut.
"Nimm – es – weg!" wiederholte Tony seine Aufforderung an Lucas gewand.
"Schon gut, schon gut, ich nehme ihn wieder an mich. Aber du musst ihn dennoch nicht so erschrecken?"
"Erschrecken? Wer hat hier wen erschreckt? Ich traue mich nicht einmal meinen Arm noch zu bewegen, weil es einfach nicht von mir ablässt!" Mit dem Zeigefinger der linken Hand zeigte er auf Wolfgang Amadeus, der sofort danach schnappte und zubiß. "AU!" Nun huschte das Wesen endlich von Tony weg und versteckte sich hinter dem Monitor von Lucas' Computer. Der Teenager sah ihm kurz nach, dann wandte er sich seinem Freund zu. "Siehst du? Du hast ihm weh getan und jetzt war er wütend. Du lässt dich auch nicht durchschütteln und nimmst es dann gelassen hin!"
"Aber ich beiße niemanden in den Finger bis ihm das Blut daraus hervor schießt." Er hielt den schmerzenden Finger in der Hand und versuchte mit einem Taschentuch die Wunde zuzupressen.
Es stimmte, die Bißwunde blutete wirklich, aber nicht so stark, dass man meinen könnte er wäre ernsthaft verletzt. "Geh am besten zu Dr. Smith, die wird sich das ansehen und dir ein Pflaster geben." Lucas schob seinen Freund aus dem Zimmer. Nun konnte er sich um das traumatisierte Tier kümmern. "Wolfgang Amadeus?" Er sah vorsichtig hinter den Monitor. Es könnte ja sein, dass er als nächstes gebissen wurde, doch da lugte das Wesen bereits scheu um die Ecke und sah ihn traurig an. Lucas schmolz das Herz in der Brust und er hielt ihm die offene Hand hin, wo der Kleine drauf zu tapste und sich zu einer Kugel zusammen rollte. Der Teenager streichelte das Wesen ein wenig und schmuste mit ihm, bis es aufgehört hatte zu zittern. Er legte ihn auf sein Kopfkissen und sammelte die Schokolinsen vom Boden auf. Auf dem Tisch stand noch eine kleine Schale in welche er diese tat. Sobald das getan war, blickte er wieder zu seinem kleinen Gast. "Geht es wieder?"
Wolfgang Amadeus wackelte mit der Nase und sprang Lucas auf den Kopf, wo er sich in dessen Haaren erneut zusammenrollte. "Lieb." hörte der Teenager eine fiebsige Stimme von oben. Es war einfach unglaublich. Je länger sie hier mit diesem Tier zusammen waren umso mehr lernte es von ihrer Sprache. Vielleicht half ihm genau das bei seiner Suche weiter. Sofort saß er wieder am Computer und suchte nach Forschungsberichten über Tiere, die in der Lage waren menschliche Laute oder gar Wörter wieder zu geben. Leises Schnarchen von seinem Kopf verriet ihm, was Wolfgang Amadeus gerade tat.
Eine viertel Stunde später trat jemand anders durch die Tür und ließ sich auf der obersten Stufe des Zimmers nieder. Er hatte seinen Kopf auf die Hand gestützt und begann Trübsal zu blasen. Lucas dachte erst, Tony sei zurück und traue sich nur nicht weiter hinein, weil er Wolfgang Amadeus nach wie vor bei sich hatte, doch dem war nicht so. Als er zur Seite sah, weil er nachsehen wollte, ob er noch etwas zu trinken in seiner Nähe hatte, erkannte er, wer es eigentlich war. "Rufus?"
"Hmhm?" brummelte der Sänger verträumt vor sich hin.
"Stimmt etwas nicht?" Eigentlich interessierte es ihn nicht sonderlich, aber er war nun einmal so erzogen worden. Gegen seine Kinderstube konnte man einfach nichts machen. Wenn Anteilnahme gefragt war, dann hatte man sie auch den Leuten entgegen zu bringen.
"Das kann man wohl sagen." Er setzte sich gerade hin und hatte nicht mehr den Kopf auf seine Hand gestützt, die mit dem Ellenbogen auf dem Bein aufgestützt gewesen war. "Was würdest du machen, wenn es jemanden schlecht geht und er etwas von dir verlangt, was du unter normalen Umständen sofort tun würdest und sogar bereit wärst mehr mit ihm zu machen", er schielte dabei nicht unbeabsichtigt auf die Betten. "aber dir das einfach ein schlechtes Gewissen bereitet, weil du weißt, da ist jemand, der bekommt das mit."
"Wieso schaffst du nicht einfach denjenigen aus dem Weg, der das mitbekommen könnte?" Irgendwie verstand Lucas nicht worauf der Sänger hinaus wollte.
"Ich kann dich doch nicht einfach so von mir fern halten. Schon gar nicht, wenn ich deine Nähe suche!" sagte Rufus entrüstet.
Augenrollend wandte sich Lucas dem Bildschirm wieder zu. Warum war er nicht gleich darauf gekommen, dass es wieder um ihn ging?
"Du weist mich doch jetzt schon ab, wie soll das erst werden, wenn ich hier eine Affäre mit Dave anfange?" Der Sänger war ernstlich verzweifelt. Nicht, dass er nicht wirklich Lust hätte mal mit jemanden, der nicht ganz so verklemmt und verschlossen war. Vieles fiel einem leichter, wenn man mit einer Person zusammen war, die in etwa gleich dachte und wusste worauf es ankam.
"Da wird gar nichts anders, ich würde mich freuen, dich endlich los zu sein. Du jagst einem Traum hinterher." Die Finger des Computergenies flogen über die Tasten und begannen eine neue globale Suchabfrage in den geheimen Dateien von Forschungslabors. Wenn sich in den öffentlichen Unterlagen nichts finden ließ, musste man eben auf andere Weise weiter arbeiten.
Rufus ließ die Schultern hängen. "Du bist herzlos! Ich versuche hier alles, um dich rum zu kriegen, benehme mich und das ist das einzige was ich zu hören bekomme. Wie war das eigentlich mit unseren Küssen? Hast du das nicht genossen? Hat es dir nicht mal ein kleines bisschen gefallen?"
"Doch, hat es. Du kannst wirklich toll küssen." Lucas hielt inne und sah mit geweiteten Augen weg vom Monitor zu Rufus, der nicht mindert überrascht über das Gesagte war, als Lucas selbst. "Das hab ich jetzt nicht gesagt!"
"Doch, doch, das hast du!" Rufus nickte und auf seinem Gesicht begann sich ein breites Grinsen zu bilden. "Soll ich dich nochmal küssen?"
"Gerne." Ehe Lucas es stoppen konnte, war es schon raus und Rufus hing um seinen Hals. Mit Händen und Füßen versuchte er sich zu wehren und hielt auf einmal Wolfgang Amadeus in seinen Händen zwischen ihnen beiden. "Du bist das gewesen!" klagte Lucas das Wesen an, das unschuldig von einem zum anderen sah.
Rufus war sofort entzückt und nahm seinen kleinen Freund an sich. "Daddy hat dich so lieb mein Kleiner!"
Schmollend drehte sich Lucas weg von den beiden. "Das war nur ein fieser Trick. Was auch immer das Ding tut, es war nicht besonders ehrlich!"
Der Sänger hing augenblicklich wieder schmachtend bei ihm. "Ach komm schon, das muss dir wirklich nicht peinlich sein. Wir zwei sind wie füreinander gemacht. Ich werde nur ein ganz harmloses Date mit Dave haben, bei welchem ich ihn nicht ran lasse, weil ich dir versprochen bin und anschließend gehöre ich ganz dir. Deine wahren Gefühle hast du mir ja nun gezeigt."
Augenrollend schubste der Teenager ihn von sich weg. "Davon träumst du. Der arme Dave kann ruhig ein wenig Aufmunterung vertragen. Wolfgang Amadeus hingegen solltest du besser unter Kontrolle bringen. Oh und du solltest auch aufpassen, er hat vorhin Tony gebissen. Man darf ihn nicht zu sehr ärgern."
Rufus hörte nur noch mit halben Ohr zu. Er war zu sehr mit schmachten beschäftigt, als das er sich darum kümmerte, wer hier welche Sorgen hatte. Sein kleiner Freund schmiegt sich in seiner Hand an ihn. "Soll ich dir einen Kakao bringen, liebster? Ich habe auch einen neuen Song, den ich dir vorspielen kann. Was hälst du davon, wenn ich meine Gitarre hole und ihn dir gleich präsentiere?"
Lucas warf mit einem Kissen nach Rufus. "RAUS!"
Breit grinsend fing Rufus das Kissen auf. "Aber, aber, so schnell musst du nicht mit Hinweisen um dich werfen. Wenn du etwas möchtest, dann sag es mir doch einfach ganz normal."
Nun war das Fass endgültig übergelaufen. Schäumend vor Wut stürmte Lucas an dem Sänger vorbei und huschte durch den nächsten Gang davon. Ratlos sahen sich Wolfgang Amadeus und Rufus an. Was hatte ihr junger Freund denn auf einmal? "Soll ich dir meinen neuen Song vorspielen?"
Wolfgang Amadeus verzog das Gesicht zu einer Art Grinsen und kniff die Augen begeistert zusammen. "Hehehehe, spielen."
"Gut, dann lass uns gehen. Ich wette du hast ein ausgesprochenes Gespür für gute Musik und wirst es lieben."
