h1 Das Grab der Zeitdämonin /h1

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Als Inu Yasha wieder zu sich kam, stand der Vollmond schon hoch am Himmel und zeigte ihm, dass die Nacht schon weit voran geschritten war. Erschrocken wollte er sich aufrichten, doch schon bei der kleinsten Bewegung durchschoss ihn ein unerträglicher Schmerz und er lies sich wieder vorsichtig nach hinten sinken. ‚Die Schlange!' Er hob seinen Arm um sich die Wunde ansehen zu können, sah aber nur einen fein säuberlich angelegten Verband.

Schritte näherten sich ihm, im ersten Moment dachte er, es wäre Kikyou. Der Geruch ähnelte ihr einfach zu sehr, noch mehr als bei Kagome. Eigentlich wollte er sie jetzt nicht ansehen, nicht an Kikyou erinnert werden, denn diese Erinnerung schmerzte noch immer. Letztendlich sah er doch auf und der Anblick des Mädchens lies ihn einen Moment die Luft anhalten. Während seine Verletzungen verbunden waren, war ihre Haut, die über und über mit Verbrennungen übersät war, noch völlig unversorgt. Ihrem Gesicht waren deutlich die Schmerzen anzusehen, die sie haben musste. Trotzdem:

„Komm, wir müssen weiter, die Zeit läuft uns davon."

„Hast du dich denn schon wieder erholt?"

„Keh! Ich bin ein Halbdämon und kein schwächliche Mensch. So eine blöde Schlange kriegt mich nicht gleich unter."

Und obwohl er sie ziemlich schroff angefahren hatte, lächelte sie ihn selig und ruhig an.

„Na dann lass uns gehen." Sie fragte nicht einmal wohin.

Inu Yasha erhob sich, er hatte noch immer Schmerzen, würde das aber um keine Preis der Welt zugeben. Langsam gingen sie nebeneinander her.

„Was ist mit dem Dämon passiert?"

„Du hast ihn erledigt."

Er nahm ihr Antwort einfach schweigend zur Kenntnis, und genauso setzten sie auch ihren Weg fort. Er wollte sie nicht ansehen, nicht mir ihr reden. Sie glich Kikyou viel zu sehr, viel mehr als es Kagome tat.

Der Boden war noch bedeckt von Asche und Glut, deren leuchten die Nacht noch unheimlicher zu machen schien. Die Luft war feucht und roch nach dem Regen, der wohl bald kommen würde. Hin und wieder stiegen Rauchsäulen vom Boden auf, dort wo die Glut Nahrung gefunden hatte und kleine Flammen an dem Holz verstreuter Äste empor leckte.

Der Hanyou hatte keine Probleme damit, über die heiße Erde zu schreiten, was bei dem Menschenmädchen jedoch ganz anders aussah. Immer wieder hörte es sie scharf die Luft einziehen vor Schmerz, so leise, als sei sie darum bemüht nicht gehört zu werden. Was bei Inu Yasha's feinem Gehör aber nicht funktionierte. Irgendwann reichte es ihm und nahm sie einfach auf dem Rücken.

„Du bist zu langsam." War alles was er dazu sagte.

Jetzt fiel es ihm noch schwerer nicht über sie nachzudenken, ihren Geruch zu ignorieren, der genau wie der Kikyou's war.

Seine Gedanken wanderten zu den letzten Minuten, in denen er ihr gegenüber gestanden ist, Den Hass in ihren Augen hat brennen sehen und ihre ruhige Hand den Pfeil auf ihn gerichtet hatte. Unfähig ihr, seiner ersten Liebe, etwas anzutun, hatte er die Pfeile auf sie zukommen sehen. Immer wieder hatte sie auf ihn geschossen, solange bis er bewegungsunfähig an der Wand gehangen hatte. Der letzte hätte ihn töten sollen, doch sein Geist hatte sich gegen die ewige Dunkelheit gewehrt und Kikyou nichts von dem Geheimnis der Höhle gewusst. Nur dem war es zu verdanken, dass er jetzt noch am Leben war.

Unbemerkt hatten sich Tränen in seine Augen geschlichen, die Erinnerungen an damals schmerzten, auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte. Schnell warf er einen Blick nach hinten, in das Gesicht des Kindes, das auf seinem Rücken vor Erschöpfung eingeschlafen war und machte sich bewusst, dass es nicht SIE war, die ihn damals hatte töten wollen.

‚Sie ist ein paar Jahre jünger, als Kagome, als sie mich damals vom Goshinbuko befreite. Und dennoch wirkt die Kleine hier viel ernster und reifer.'

Zeit um noch länger zu sinnieren blieb ihn allerdings nicht. Er war angekommen, stand nun am Fuße des Fujiyama und über seinen schneebedeckten Gipfel erhob sich der Vollmond. Dieser schien ihn anzulächeln, als wisse er etwas, das er noch nicht wusste.

Vorsichtig lies der Halbdämon das Mädchen von seinem Rücken gleiten und bettete sie auf ein Stück weiches Gras, das zwischen Büschen verborgen lag. Diesen Weg würde er allein gehen.

Zum Gipfel zu gelangen war für ihn ein leichtes, der Berg war nicht steil und der Schnee störte ihn wenig. Nun stand er am Rande des Krater und blickte hinunter auf die Erde. Weit konnte er allerdings nicht sehen, denn hinter ihm hatte sich eine Wolkendecke geschlossen und trennte den Sitz der Götter von der restlichen Welt.

„Nichts." Suchend blickte er sich immer und immer wieder um. „Einfach nichts, nur Schnee und Eis. Aber das Grab muss doch hier sein. Die Nacht ist noch nicht um. Ich MUSS es einfach finden."

Normalerweise hätte es ich auf die Fähigkeiten seines dämonischen Erbes verlassen können um dieses Youkai Grab zu finden. Aber dies war nicht irgendein Ort, sondern eben der Sitz der Götter und tauschende Energien umschwebten den Gipfel.

„Verdammt!" rief er und schlug mir der Faust in die Schneedecke. Der Schnee löste sich und donnerte als Lawine ins Tal.

„Pass auf was du tust Hanyou." Tadelte ihn jemand. Inu Yasha suchte nach dem Besitzer der Stimme, konnte aber niemanden sehen.

„Wer bist du! Zeig dich du Feigling!"

„Na, na. Du brauchst doch nicht gleich so auszurasten. Hier unten bin ich."

Zweifelnd sah er langsam zu Boden und sah aber nichts als eine Kröte.

"Wo?"

„Na hier du hohle Nuss."

„Niemand nennt mich eine hohle Nuss!" Aufgebracht zog er sein Schwert, doch nichts geschah. Tessaiga blieb ein einfaches, altes Schwert.

„Ha, ha ,ha." Die Kröte schien sichtlich amüsiert und langsam wandelte sich ihre Gestalt in die eines alten Mannes. „ Du befindest dich hier am Sitz der Götter, keine Waffe der Welt zeigt hier ihre Wirkung. Das solltest du wissen." Verstört blickte der Hanyou von Tessaiga zu dem Mann. ‚Wenn mich hier jemand angreift, werde ich mich nur schwer verteidigen können.' Er erwartete nicht ohne Hindernisse zu dem Grab gelangen zu können.

„Ich bin der Sennin, Gama. Und du musst Inu Yasha sein."

„Woher weißt du...?"

„Ich habe dich bereits erwartet."

Der Mann war ihm unheimlich, er sah hinauf zum Himmel und die Situation wurde ihm erst recht nicht ganz geheuer. Der Mond hatte sich während der Zeit, die er schon auf dem Gipfel zugebracht hatte – und das waren sich er schon einige Stunden – keinen Millimeter vom Fleck bewegt. ‚Irgendetwas stimmt da doch nicht. – Gama? Das kommt mir doch bekannt vor!'

Und dann ging ihm ein Licht auf:

i „Es ist auf dem Berg Fuji, Gama - Sennin wacht über ihre letzte Ruhe." /i

‚Der Sennin Gama; das ist der Gama-Sennin!' Er packte den Mann am Kragen.

„Wo ist das Grab!"

„Lass mich erst mal wieder runter, Junge."

„Pah!" Doch er lies den Sennin wieder los, wenn auch unsanft.

„Das Grab liegt in der Mitte des Kraters. Ganz dort unten." Erklärte er und zeigte auf die tiefste Stelle des erloschenen Vulkans.

„Aber dort ist nichts."

„Junge! Die Augen spielen einem manchmal Streiche." Und während er dies sagte verschwanden die Falten aus seinem Gesicht und vor Inu Yasha stand ein junger Mann, vom Aussehen her nicht älter als er selbst. In nächsten Augenblick war er auch schon wieder eine Kröte, wie zu Anfang ihres Gespräches. „Und komm nicht zu früh an!" rief er dem Halbdämonen noch zu, ehe er davon sprang und unter dem Schnee verschwand.

„Was soll das heißen? Nicht zu früh?"

Er machte sich auf den Weg hinab in den Krater, was nicht so einfach war, wie es zunächst ausgesehen hatte. Durch die Wärme die von dem ruhenden Vulkan noch durch das Gestein nach oben drang, und die Kälte der Luft, die hier herrschte, lag eine feste Eisschicht unter dem Schnee. Immer wieder rutschte Inu Yasha aus und konnte nur durch einen gewagten Sprung verhindern, unkontrolliert die Schräge hinab zu purzeln.

Und irgendwann sah er was der Sennin gemeint hatte, seine Augen hatten ihm einen Streich gespielt. Vor ihm erstreckte sich ein Wald mit riesigen Schneeweißen Laubbäumen. Die Bäume standen dicht an dicht, in einem Kreis, wie mit einem Zirkel gezogen. Nirgends war ein Weg oder eine sonstige Möglichkeit des Durchkommens zu erkennen.

„Ich soll nicht zu früh ankommen? Meinte er nicht vielleicht doch zu spät?" Wieder und wieder wanderte er um den kleinen Wald herum, immer in der Hoffnung, nicht doch eine Lücke entdecken zu können. „Was habe ich nur übersehen? Da muss doch etwas sein?"

i Keine Waffe der Welt zeigt hier ihre Wirkung. /i

Ihm war als hätte er die Worte direkt noch einmal vernommen und sah sich nach der Kröte um. Aber wohin er auch blickte, er sah nur weiße Flächen.

„Die Waffe? Sollte ich Tessaiga vielleicht ablegen?"

Zögerlich zog er sein Schwert und legte es behutsam auf den Boden, ihm blieb immer noch die Scheide, mit der er sich im Notfall verteidigen konnte.

Inu Yasha blickte wieder auf, und tatsächlich: Die Bäume hatten sich gebogen und eine schmalen Pfad freigegeben. Mutig durchschritt er die Öffnung, welche sich hinter ihm sogleich wieder schloss.

„Irgendwie fühle ich mich auf einmal seltsam." Ihm war wahrlich nicht wohl bei der Sache und dennoch schritt er weiter zwischen den Bäumen hindurch, die hinter ihm jedes Mal den Rückweg verschlossen. „Für Kagome!" In Gedanken bei ihr schritt der durch die weißen Bäume.

Plötzlich blieb er stehen. „Ich kenne dieses Gefühl! Aber es ist doch Vollmond!"

i Komm nicht zu früh an. /i

Wieder hallte dieser Satz in seinem Kopf, der ihm noch immer Rätsel aufgab. Er stand noch immer an der selben Stelle, als er bemerkte wie seine Krallen anfingen zu verschwinden.

„Ich ... ich verwandle mich! ... Bei Vollmond?" Inu Yasha war nun gänzlich verwirrt.

i Komm nicht zu früh an. /i

„War das damit gemeint? Ich darf mein Ziel nicht als Hanyou erreichen, sondern nur als Mensch?" Wieder etwas ruhiger ging er weiter, dem Weg folgend, dem ihm die Bäume freigaben. Ohne Vorwarnung endete der Wald und er stand auf einer schönen, grasbewachsenen Lichtung. Alles war hier weiß, sogar das Gras. Er griff in sein Haar und hatte nun eine schwarze Strähne in seinen menschlichen Händen.

Dann drehte er sich um, um nach dem Weg zu sehen, von dem er gekommen war. Doch da war nichts. Nicht dass der Weg fort gewesen wäre, damit hätte er sogar gerechnet, aber da war jetzt wirklich NICHTS. Keine Bäume, kein Berg, nur ewige weiße Graslandschaft. Er drehte sich wieder nach vorne, schaute auf die Mitte dessen, was ursprünglich eine kleine Lichtung gewesen war. Dort stand etwas, von dem er sicher war, es vor wenigen Minuten noch nicht gesehen zu haben: eine große, steinerne Sonnenuhr.

Er ging darauf zu, und erst jetzt fiel ihm die Stille auf, die hier herrschte und sogar das Geräusch seiner Schritte verschluckte.

„Ist das, das Grabmahl." Auch seine Stimme ging in der Stille unter, alles was er hörte, waren seine eigenen Gedanken. Hilflos stand er davor. ‚Und wo soll die Asche sein?' Er sah auf die Zeichen der Uhr, die ihm bekannt vor kamen, ihm aber die Bedeutung nicht offenbaren wollten. Kein Schatten lag auf dem Ziffernblatt, er blickte gen Himmel und konnte die Sonne und den Mond nur als fahlen Schatten erkennen. Die Uhr schien funktionslos.

Er sah sich weiter um, die ewige Farblosigkeit schmerzte ihn beinahe in seinen Augen und er hatte keine Ahnung was er tun sollte. Plötzlich erschien ein weißer Nebel um die Scheibe vor ihm.

„Hallo, Inu Yasha!"

Inu Yasha wich ein paar Schritte vor dem Nebel zurück, dieser begann langsam Konturen anzunehmen.

„Ich bin Tempera, deren Asche du suchst."

„Woher weißt du das?"

„Ich kenne die Zukunft all jener, deren Schicksal mit dem Brunnen zusammenhängt. Und das sind nicht viele, wie du bestimmt weißt."

„Du kennst die Zukunft? Dann sag mir, werden wir Naraku besiegen?"

„Das darf ich dir leider nicht sagen, aber bist du nicht aus einem anderen Grund zu mir gekommen?"

„Ach ja! Die Asche! ... Ich brauche deine Asche um Kagome zu retten. Gib sie mir!"

„Sonst was?" Der Geist lachte leise. „Ich gebe sie dir gerne. Unter einer Bedingung."

„Welche! Ich tue alles."

„Stehe meinem Sohn zur Seite."

„Deinem Sohn? Nemura?"

„Ja. Er hat eine schwere Entscheidung getroffen, und ich möchte – egal was du noch erfahren sollest - das DU ihm zur Seite stehst."

„Keh! Kein Problem, ich bin stark."

‚Diese Aufgabe wird aber noch ganz andere Stärke von dir verlangen.' Dachte sie, sprach es aber nicht aus. Ihr nebelartiger Geist verschwand wieder in der Scheibe der Uhr, welche sich danach in die Lüfte erhob und die Urne, die in dem Sockel verborgen war, frei gab.

Inu Yasha wusste, dass er nicht das ganze Gefäß mit nehmen durfte, zu groß war die Gefahr, dass die Überreste der Zeitdämonin in falsche Hände gerieten.

-Er dachte dabei an Kikyou deren Gebeine so schändlich missbraucht worden waren. -

Er nahm den kleinen Deckel ab und entnahm eine Handvoll der grauen Asche. Sie fühlte sich noch immer warm an, als wäre der Tag ihrer Verbrennung noch nicht lange her. Schnell lies er es in einen kleine Beutel rieseln, den er mitgebracht hatte und verschloss die Urne wieder. Nach dem er von dem Sockel zurück getreten war, senkte sich auch wieder das Ziffernblatt herab und verschloss die Öffnung. Gerade wollte er noch fragen, wie er zurück käme, als auch schon alles um ihn herum zu verblassen begann und er bald darauf wieder im Krater des Fujiyamas stand. Im Osten waren bereits die ersten Strahlen der Morgendämmerung zu erkennen und als sie das innere des Kraters erreichten, wechselte die Farbe seines Haares zu weiß. Sein Mensch sein hatte wieder einmal ein Ende gefunden. Er bückte sich und nahm Tessaiga, welches nun auf einmal neben ihm lag, und lies es zurück in dessen Scheide gleiten.

Er blickte aus dem Krater hinaus, hinauf auf dessen Ränder. Der Rückweg würde sich als schwierig erweisen, denn die Hänge waren unter dem Schnee noch immer eisglatt. Er lies seinen Blick weiter entlang der Kante schweifen, als er an einer Stelle jemanden stehen sehen konnte. Dann flog auch schon ein Seil zu ihm hinunter und er begann sich daran hochzuziehen.

„Bald Kagome, bald geht es dir besser."