A/N: Hi, ihr Süßen! Aufgrund fieser computer-technische Probleme im Hause RemusBride gab es bisher keine Review-Antworten. Es tut ihr wahnsinnig leid, aber wenn ein Prozessor stirbt. Na ja … Ich (BineBlack) werde mich jedenfalls gleich daran machen, dem Ganzen abzuhelfen. Mein PC funktioniert ja Gott sei Dank wieder. (Jawohl, auch der war kurzzeitig dahin!) Also nicht böse sein.

Als Wiedergutmachung gibt es jetzt ein extralanges Kapitel von uns. Dieses Mal ist es wirkliche Zusammenarbeit. Viel Spaß. Und hey – für 11 Din-A-4-Seiten wollen wir extra viele Reviews, okay?

Erinnerungen an Pfirsiche

„Na sieh´ mal einer an, wenn das nicht unser Freund Lupin ist!"

Snapes Stimme schnarrte noch immer genauso überheblich, wie Remus sie von seinen gelegentlichen Besuchen am Grimmauldplatz kannte. Und dieses höhnische Grinsen hatte er schon als Kind gehasst! Behutsam schob er sich zwischen die entsetzte junge Mutter und den schwarzgekleideten Mann, der ihn noch immer mit seinem Zauberstab bedrohte.

„Was willst du, Snape?", fragte er barsch.

„Nun, wie wäre es mit einem Leben in Saus und Braus, einem neuen, faltbaren Zinnkessel in Normgröße Drei und natürlich der hübschen Miss Spencer hinter dir, Lupin?"

Remus schob sich nur noch dichter vor die Frau – Miss Spencer. Sein eigener Zauberstab war jetzt ebenfalls auf die Brust des ehemaligen Tränkemeisters gerichtet. „Was willst du von ihr?"

„Informationen." Snape blickte an ihm vorbei, direkt in Catherines dunkelbraune Augen. „Was hat Mundungus Fletcher Ihnen in Port Sinclair gegeben, bevor die Todesser ihn umgebracht haben?" wollte er wissen.

Catherine starrte ihn an. Mundungus Fletcher. Dung. Der Mann, der vor ihrem Restaurant getötet worden war ... „Nichts." Sie war selbst erstaunt, dass sie in der Lage war, ihre Stimme zu gebrauchen. „Er hat mir nichts gegeben. Er hat nur gesagt ..."

Was hat er gesagt, Miss Fletcher?" Keine Spur von Wärme war aus Snapes Stimme herauszuhören.

„Er sagte, ich solle nach London gehen. Zum ... zu Harry Potter." Gerade noch rechtzeitig bremste Catherine sich. Sie würde diesem Kerl die Adresse nicht nennen! „Ich sollte Harry Potter sagen, dass es ihm Leid täte ... Ich weiß nicht einmal, worum es überhaupt ging."

Nachdenklich betrachtete Snape die junge Frau, die noch immer ihren Sohn an sich presste. Dann wanderte sein Blick zurück zu dem Mann, der sich noch immer beschützend vor ihr aufgebaut hatte. Sein Gesicht verzog sich erneut zu einem höhnischen Grinsen, bevor er plötzlich den Zauberstab senkte. „Wissen Sie was, Miss Spencer? Ich glaube Ihnen!"

„Sie ... glauben mir ...?" Irgendwie war Catherine nicht mehr in der Lage, diese einfache Information zu verdauen. Ihre Knie gaben nach und sie musste sich gegen die Wand in ihrem Rücken lehnen, als die Erschöpfung sie zu überwältigen drohte. Was war das hier alles? Ein Alptraum?

Snape beachtete sie nicht mehr. Seine ganze Aufmerksamkeit war jetzt auf Remus gerichtet, dessen Zauberstab noch immer drohend auf seine Brust wies. „Bist du über die Sache mit den Horkruxen unterrichtet?"

Remus nickte zögernd, während er sein Gegenüber weiter misstrauisch musterte.

„Eines dieser Objekte ist vor vielen Jahren von Regulus Black gestohlen worden. Es befand sich bis vor kurzem noch am Grimmauldplatz. Bis Fletcher es entdeckte. Er konnte noch nie widerstehen, wenn er schnelles Geld gewittert hat. Er hatte es bei sich, als die Todesser ihn in Port Sinclair aufspürten. Und der Dunkle Lord ist der Ansicht, dass er es an sie übergeben hat." Er zeigte auf Catherine. „Was sie auf den obersten Platz seiner Wunschliste katapultiert – oder vielleicht auch auf Platz zwei nach Potter. Bring sie in Sicherheit, Lupin. Sie und das Kind. Denn wenn sie in seine Gewalt geraten ..." Er musste den Satz nicht beenden.

Remus starrte ihn finster an, während seine Gedanken jagten. „Weshalb sollte ich dir trauen, Snape? Du hast Dumbledore ermordet."

Ein düsterer Ausdruck erschien in den schwarzen Augen des anderen Mannes, bevor er bedächtig nickte. „Stimmt, das habe ich getan." Und mit diesen Worten drehte er sich um und ging einfach davon, es Remus überlassend, ob der ihm einen Fluch hinterherschicken würde, oder nicht.

Remus sah ihm lange nach, bevor er sich zu Catherine umdrehte, die sichtlich am Ende ihrer Kräfte war. „Sie wollten zu Harry Potter, Miss Spencer? Ich werde Sie zu ihm bringen. Und ich bin wirklich furchtbar gespannt auf Ihre Geschichte."


Oh Mann! Was war passiert? Wo zur Hölle war er? Und welcher Hyppogreif hatte ihn, bei Merlins Bart, einfach niedergetrampelt?

Sirius hatte auf keine dieser Fragen eine Antwort, war aber im ersten Moment viel zu beschäftigt damit, seine Lungen wieder mit Luft zu füllen, als dass er sich darüber hätte ärgern können.

Grade eben hatte er sich doch noch mit Bellatrix duelliert. War Flüchen ausgewichen und hatte ebensolche auf diese widerliche Reinblüterin, mit der er das Unglück hatte, verwandt zu sein, abgefeuert. Sicherlich eine auf Dauer anstrengende Sache … aber er fühlte sich momentan, als sei er von England bis zur Küste Frankreichs geschwommen, ohne Pause. Und anschleißend noch durch diese eigenartige, laute Muggelmaschine gedreht worden, die Lily früher besessen hatte. Ein Muxer?

Schwer atmend kämpfte er gegen die aufsteigende Übelkeit an, die in ihm hoch wallte, gepaart mit einem immensen Schwindelgefühl. Irgendetwas stimmte hier gar nicht.

Jemand strampelte unter ihm und machte eigenartige Geräusche. Mühsam schaffte er es, sich zur Seite zu drehen. Es war ihm noch nie so schwer gefallen, die Augen zu öffnen. Er fühlte sich, als erwache er aus einer Art bleiernem Winterschlaf. So musste sich Moony nach Vollmond fühlen …

Mit aller Willenskraft, die er aufbringen konnte, öffnete er die Augen. Es dauerte einen Augenblick, ehe sie etwas fokussieren konnten und er die schmuddelige Decke über sich erkannte. Der Grimmauldplatz? Wie war er denn hierher gelangt?

Ein Geräusch neben ihm weckte seine Aufmerksamkeit und er wandte den Kopf. Sein Sehvermögen schien wirklich lädiert zu sein, denn er war der festen Überzeugung, dass da eine junge Frau neben ihm lag. Bella, dieses Biest, musste ihn am Kopf getroffen haben!

Er blinzelte mehrmals. Aber statt zu verschwinden, wie er es von dieser überaus appetitlichen, kleinen Fata Morgana erwartet hatte, klärte sich höchstens der Schleier und machte ihr Bild schärfer – in zweierlei Hinsicht ...

Sirius riss überrascht die Augen auf, als er begriff, dass sie keine angenehme Sinnestäuschung seines von einem Schocker arg lädierten Schädels war. Blondes, langes Haar umrahmte ihr fein geschnittenes Gesicht, welches er nur im Profil erkennen konnte. Eine grade, hübsche Nase, volle Lippen, lange Wimpern. Ihre Brust hob und senkte sich, als wäre sie mit ihm durch den Suez-Kanal geschwommen.

Einen winzigen Moment später, nachdem er ihre nicht leugbare Attraktivität bewundert hatte, schoss ein zweiter Gedanke durch sein Hirn. Sie war nicht nur schön – sie war vor Allem eine Fremde! Und Fremde waren potentiell gefährlich!

Als sie sich an den Kopf fasste und sich mühsam auf die Ellbogen stützte, ging er automatisch in Abwehrhaltung, bereit zum Angriff, wenn es nötig wurde. Jeder Muskel war gespannt, während er mit angehaltenem Atem darauf wartete, was sie tun würde. Fast automatisch schätzte er Größe und Körpergewicht seines Gegenübers. Er würde sie problemlos überwältigen können. Wenn er schnell genug war und ihrem eventuellen Zauberstab entging.

Ihre Augenlider flatterten, ehe sie mit einem gequälten Laut den Kopf wandte und ihn ansah. Ihre Augen waren von einem bernsteinfarbenen Braun. Winzige goldene Funken tanzten um ihre Iris herum. Und kamen ihm seltsam bekannt vor…

Sie starrte ihn einen Moment an, ehe sie etwas völlig Unerwartetes tat – sie fiel in Ohnmacht. Mit einem dumpfen Plumps ging sie zu Boden. Etwas, was Sirius fast mehr erschreckte, als der Angriff, den er erwartet hatte.

Das Ganze hier war ihm wirklich nicht geheuer!

Ein eisiger, unangenehmer Schauer lief seinen Rücken hinab, als hätte jemand plötzlich mitten im Dezember ein Fenster geöffnet, und er folgte dem Drang, auf die eigenen Füße zu kommen. Allerdings wollte sein rechtes Bein ihn nicht recht tragen. Er konnte sich dunkel an einen Schocker erinnern, der ihn am Bein getroffen hatte. Mit einem leisen Schmerzenslaut ging er zurück auf alle Viere. Offenbar war sein Kopf nicht das Einzige lädierte Körperteil. Na wunderbar!

Während er langsam und möglichst ruhig gegen den scharfen Schmerz im Bereich seines Knies atmete, betrachtete er wieder die Fremde neben ihm. Vielleicht war sie ja gar nicht ohnmächtig, sondern es hatte sie bei seinem Anblick schlicht der Schlag getroffen. Immerhin war er Sirius Black, zwölffacher Mörder und Irrer!

Ein reichlich zynisches Lächeln verzog seine Lippen. Wenn man bedachte, dass er unter normalen Umständen nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tat.

Er beugte sich über sie, einen Moment ratlos, was er tun sollte. Nach einem längeren Zögern entschied er sich dafür, sich über sie zu beugen und das Ohr nahe an ihre Lippen zu bringen. Er hörte ihren leisen Atem. Und während er den ruhigen Zügen lauschte, bemerkte er etwas Anderes. Verflucht war seine viel zu lang angewandte Animagus-Gestalt und der damit verbundene übersteigerte Geruchssinn! Sie duftete nach … er suchte einen Augenblick in seinem schwammigen Geist nach dem richtigen Wort. Verfluchtes Askaban! Verfluchte Dementoren! Manchmal fehlten ihm immer noch bestimmte Worte in seinem Sprachschatz. Vorzugsweise Dinge, die er gern gehabt hatte. Soviel wusste er zumindest.

Nach ein paar Sekunden fiel es ihm wieder ein. Pfirsiche! Sie duftete nach Pfirsichen! Sirius hatte diese Früchte früher geliebt!

Er ließ sich zurück sinken und beobachtete einen Augenblick misstrauisch ihre Gestalt, dass vertraute Gefühl ignorierend, welches ihr Duft in ihm auslöste. Ebenso wie das Verlangen, sie zu berühren.

Also nicht tot.

Gut.

Oder?

Er hatte sie schlicht nur umgehauen … allerdings aus anderen Gründen als früher. Er schnaubte. Damals, in seiner Jugend, hatte er die Mädels mit einem Lächeln ohnmächtig werden lassen – heute gerieten sie nicht mehr in Verzückung, sondern kippten um vor Schreck. James hätte seine helle Freude!

Der Gedanke an seinen alten Freund ließ ihn die Augen schließen, den Schmerz versteckend, der ihn durchfuhr wie ein heißes Messer. Apropos …

„Harry!" Er riss die Augen wieder auf und startete den zweiten Versuch, auf die Füße zu kommen, mühsam gegen die Panik in ihm ankämpfend. Ging es ihm gut? Hatte er als Beschützer seines Patensohnes etwa schon wieder versagt?

Nach dem Ersten greifend, was ihm in die Finger kam, zog er sich an einer Kommode an der Wand empor und stieß dabei eine Vase um, die laut klirrend zu Boden ging. Ihm war es egal. Alles, was zählte war der Junge! Harry! Bei Merlin! Verdammt!

‚Bitte lass ihm nichts geschehen sein!' flehte Sirius stumm, während er mühsam auf die Füße zurückkam, das Gewicht auf das nicht schmerzende Knie verlagernd.


Währenddessen hatte das Klirren der zerbrechenden Vase Molly Weasley, Ginny, Ron und Hermine im Erdgeschoß aufgeschreckt. Sirius hörte das Gestampfe ihrer Füße, als sie die Treppe hinauf rannten und sah sich panisch nach etwas wie einer Waffe um. Er entdeckte den Zauberstab der jungen Frau neben sich und riss ihn aus ihrer Hand.

Im nächsten Augenblick sah er sich vier gezückten Zauberstäben gegenüber.

Molly war die Erste, die ihn erkannte. Sie gab einen erstickten Laut von sich, während sie mit kugelrunden Augen den tot geglaubten Mann vor sich anstarrte.

„Sirius?" Ihre Stimme klang kieksig und ein wenig schrill, während die drei Teenager ihn nur mit offenen Mündern anstarrten.

„Zur Hölle, Molly!" fluchte Sirius, ehe er den Zauberstab sinken ließ. „Fast hätte ich euch …"

Im nächsten Moment war die ältere Frau ihm schluchzend um den Hals gefallen. Sirius stockte und ließ es reichlich befremdet über sich ergehen. Mit peinlich berührtem, abgewandtem Gesicht tätschelte er ihr förmlich zur Salzsäule erstarrt den Rücken. Was, bei Merlin, brachte Molly dazu, IHN zu umarmen?

„Du lebst."

Es war Ginnys leise Stimme, die diese zwei Worte hervorbrachte. Molly hatte sich mittlerweile ein wenig beruhigt, Vanna am Boden entdeckt und war neben ihr auf die Knie gegangen – nachdem sie sich mit dem Ärmel über die Augen gewischt hatte. Kein anderer achtete sonst auf die junge Frau am Boden.

Ginnys Worte hallten fast in dem dämmrigen Flur. Einen Moment noch zögerte die junge Hexe, ehe sie sich umwandte und zu Harrys Zimmertür stürzte. Sie riss sie in einer einzigen Bewegung auf.

„HARRY!" schrie sie förmlich.

Endlich würde er wieder lachen! Endlich …

Sie stutzte, als sie das Zimmer leer vorfand. Sirius, in den bei der Erwähnung seines Patensohns Bewegung gekommen war, humpelte zu der geöffneten Zimmertür und lugte hoffnungsvoll hinein.

„Wo ist er?" fragte er, die Panik, die in ihm aufstieg, unterdrückend. Doch jeder konnte sie hören. Ginny hatte den dämmrigen Raum mittlerweile betreten und das Stück Pergament aufgehoben, welches bei ihrem stürmischen Türöffnen hinunter geflattert war. Sie las den kurzen Text und eine steile Falte bildete sich auf ihrer Stirn.

Dieser … dieser … Er war so ein Idiot! Ein heldenhafter, liebenswerter Idiot, den sie trotz seiner Dummheiten liebte wie keinen Anderen.

Sie musste ihm folgen! Schnell!

Wortlos drückte sie Sirius das Stück Pergament in die Hand und ging dann an ihm vorbei. Auch er überflog es, ehe er zischen Luft holte.

„Verdammt!" polterte er los, die Nachricht in seiner zitternden Hand zerknüllend. „Da ist man mal für ein paar Stunden ausgeknockt – und ihr VERLIERT meinen Patensohn?"

„Sirius?" Es war Hermine, die sich zaghaft zu Wort meldete. „Ähm … Du warst nicht nur für … ein paar Stunden … ich meine … ich …"

Ron trat neben sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie verstummte wie durch ein stummes Zeichen.

„Du warst tot, Sirius", erklärte er nun mit seltsamer Stimme. „Mehr als ein Jahr."

Er war noch nie ein Freund von sinnlosem Herumdrucksen gewesen …

Ginny konnte das entsetzte Taumeln Sirius´ förmlich hören, als er gegen die Wand hinter sich stolperte. Aber sie achtete nicht darauf. Sie war schon unten in der Halle, riss ihren Reiseumhang von dem Trollbein, über den sie ihn heute Morgen achtlos geworfen hatte und ging hinüber zum Kamin.

Wieso war sie nur ein Jahr jünger als Ron? Wenn sie vor ihm geboren worden wäre, dann könnte sie apparieren und müsste nicht flohen. Und dass, ohne ein definitives Ziel.

Wo würde er hingehen? Was wäre Harrys Ziel? Wo würde sie ihn finden? Wenn sie einer falschen Spur folgte, dann würde sie kostbare Zeit vergeuden.

Sie verfluchte sich selbst dafür, dass sie heute Morgen geschwindelt hatte. Sie hatte einfach nicht widerstehen können, ihn ein wenig zu necken. Sozusagen eine winzige Rache zu üben für seinen furchtbaren Heldenmut, der ihn ihre grade beginnende Beziehung hatte beenden lassen. Und den sie so sehr an ihm liebte! Weil er ein Teil ihres Harrys war!

Sie war dumm gewesen! Hätte ihm sagen sollen, dass sie wegen ihm hier war. Nicht wegen Ron. Weil er ihr fehlte! Weil sie ihn in Sicherheit wissen wollte …!

Weil sie bei ihm sein wollte. Was, wenn ihm etwas passierte?

Ginny schüttelte heftig den Kopf. Sie wollte nicht einmal daran denken! Mit einer fließenden Bewegung schlüpfte sie in den leicht abgetragenen Umhang, griff dann in die Schale mit dem Flohpulver und entzündete ein Feuer im Kamin. Hoffentlich war er nicht vom Floh-Netzwerk genommen worden…

„Drei Besen, Hogsmead", erklärte sie mit fester Stimme, nachdem sie das Pulver in die sich daraufhin grün färbenden Flammen geschleudert hatte und selbst hinein getreten war. Sonst fiel ihr einfach nichts ein …


Offenbar war Sirius grade nahe dran, es der jungen Frau auf dem Fußboden nachzutun und einfach ohnmächtig zu werden. Der Wechsel seiner Gesichtsfarbe ließ zumindest darauf schließen.

Er war tot? Nein, das konnte nicht sein! Unwillkürlich überprüfte er das Erste, was ihm dazu einfiel. Keine schemenhafte Gestalt wie bei den Geistern in Hogwarts. Immer noch sein Körper. Und Geister hatten doch auch keine Schmerzen im Bein, oder?

Aber Ron sah nicht aus, als wolle er jeden Moment „April, April!" rufen. Und auch Hermine sah ernst aus. Sogar ernster, als er sie in Erinnerung hatte.

Molly hatte derweilen damit begonnen, Evannas Wange zu tätscheln.

„Evanna? Evanna? Machen Sie die Augen auf." Als sie nicht reagierte, sah sie mit missbilligendem Stirnrunzeln zu Sirius auf.

„Was hast Du mit ihr gemacht? Die Arme ist ja vollkommen weggetreten."

„Ich hab´ gar nichts getan!"

„Wenn Du das sagst." Er konnte in ihrem Gesicht lesen, dass sie es ihm schlicht nicht abkaufte. Aber was dachte sie denn bitte schön? Dass er sie K.O. geschlagen hatte? Obwohl, wenn er ehrlich war, er war nahe dran gewesen.

Mollys Stimme unterbrach diesen Gedankengang. „Los, steh´ nicht rum, sondern hilf mir lieber!"

„Wie denn?"

„Na, Du bist doch ein großer Kerl! Trag sie!"

„Ich kann mich kaum selbst auf den Beinen halten!" Er deutete auf sein rechtes Knie, dass er immer noch in Schonhaltung hielt. Molly stutzte, bevor sie kurz nickte. „Das sehe ich mir gleich an. Ron, Hermine? Helft mir bitte. Ich will sie nicht levitieren, solange ich nicht weiß, was wirklich mit ihr los ist."

Während die Drei Vanna hoch hievten, stieß sich Sirius vorsichtig an der Wand ab und folgte ihnen stumm mit Blicken, ehe er in Richtung Treppe humpelte.

Das Haus sah anders aus, stellte er auf seinem Weg verwundert fest. Weniger dunkel. Die schwarzen Vorhänge fehlten fast vollständig und auch ansonsten schien es ein wenig freundlicher um ihn geworden zu sein – als habe man in einem erdrückend stickigen Raum ein Fenster geöffnet und frische Luft hinein gelassen.

Die Hauselfenköpfe fehlten – und Kreacher auch, offensichtlich. Zumindest konnte er nirgendwo gemurmelte, unflätige Flüche hören. Vielleicht war der alte Stinker endlich abgenippelt! Er musste in einem freundlicheren Paralleluniversum gelandet sein! Vielleicht gab es auch das Portrait seiner Mutter nicht mehr!

Sirius machte sich auf den beschwerlichen Weg die Treppe hinunter, wobei er durch sein lädiertes Bein mehr hüpfte als ging. Leider wurde er unten enttäuscht, denn es gab immer noch die schweren Samtvorhänge an der Wand. Und ehe er sich einbilden konnte, dass sich dahinter vielleicht ein netteres Gemälde versteckte, knallte die Eingangstür hinter ihm gegen die Wand, so heftig wurde sie aufgestoßen. Und seine Mutter begann sofort mit ihrer Litanei, während Sirius so schnell er konnte zu den Neuankömmlingen herumwirbelte.

Als allererstes entdeckte er eine recht junge, dunkelhaarige Frau. Hochschwanger, mit einem vielleicht drei Jahre alten Jungen auf dem Arm. Sie wirkte völlig erschöpft. Und hinter ihr erschien – Remus.

Heiße Freude durchströmte Sirius bei seinem Anblick. Ehe er bei dem Bild, das sich im bot, die Stirn runzelte. Dieser alte Schlawiner! Hatte ihm jahrelang mit seinem Moony-Blues in den Ohren gelegen, dass er ja „zu arm, zu alt, zu gefährlich" war, um eine Familie zu gründen. Und jetzt spazierte er hier einfach mit Frau und Nachwuchs durch die Tür!

Sein Freund warf die Türe hinter ihnen zu. Auch er wirkte reichlich abgekämpft.

„Stören Sie sich nicht an dem Gemälde, Miss Spencer. Es ist keine Gefahr. Ich …"

Während Remus diese Worte sprach, wandte er sich um – und erstarrte! Vor ihm stand …

In einer für ihn recht kindischen Handlung rieb er sich mit dem abgewetzten Ärmel seines Umhangs über die Augen. Doch der Mann vor ihm verschwand nicht. Er stemmte eher die Hände in die Hüften und erklärte mit spöttisch erhobener Augenbraue: „Na wenigstens Du scheinst Dein Leben in vollen Zügen genossen zu haben, Remus Lupin! Gleich zwei Kinder? Da ist man mal kurz tot und dann das! Du schlägst den bestehenden Marauder-Rekord, ist Dir das klar!"

„Sirius?" Remus Stimme klang reichlich dünn, während er seine zitternden Hände in den Falten seines Umhangs zu verbergen suchte. Das konnte nicht sein. Konnte nicht sein! Er musste träumen.

„Wie ich leibe und lebe. Obwohl – beim Letzteren bin ich nicht so ganz sicher … Laut Ron bin ich …"

„… tot?"

„Ich glaube, dass waren seine Worte."

Und ehe Sirius sich versah, steckte er in der zweiten leicht peinlichen Umarmung dieses Tages.

„Du lebst!"

„Wenn Du mich jetzt küsst, Moony, schreie ich das gesamte Haus zusammen!"

Remus konnte nichts gegen das leise Lachen tun, dass in ihm hochstieg. Wie lange war es her, dass er so etwas Einfaches getan hatte wie Lachen. Nur Sirius schaffte es selbst in der ernstesten Situation, ihn dazu zu kriegen.

„Und Deine Frau könnte das auch echt falsch verstehen. Von Deinem Sohn mal ganz abgesehen!"

Das Lächeln verschwand und machte einem reichlich irritierten Stirnrunzeln Platz. „Wovon in aller Welt sprichst Du?"

„Remus Lupin, Deine Familie steht da und starrt uns an! Sag´ mir nicht, dass Du das bezaubernde Wesen da vorn schon vergessen hast! Ich meine, ich weiß, dass ich diese Wirkung auf Frauen habe. Aber Du solltest …"

Ganz langsam dämmerte Verstehen in Moonys Gesicht. Er warf der Frau hinter ihm einen Blick über die Schulter zu, die allerdings zu erschöpft zu sein schien, um sich über das seltsame Geplänkel der beiden Männer zu wundern.

„Verzeihung", stammelte er und wurde ungewollt ein wenig rot. „Catherine Spencer? Das hier ist Sirius Black. Der … ehemalige Hausbesitzer dieses Fleckchens. Sirius, dass sind Miss Spencer und ihr Sohn …"

„Josh", erklärte Catherine müde. Ihr kleiner, erschöpft eingeschlafener Junge war mittlerweile schwer wie ein Stück Blei, und wenn sie sich nicht bald setzen konnte, dann …

Jemand nahm ihr den Kleinen ab und aus einem Impuls heraus wollte sie ihn fest halten. Doch der Blick in den Augen des Fremden – Sirius? – war seltsam vertrauenserweckend. So, als wüsste er, was totale Erschöpfung durch Flucht und Todesangst bedeuten würde …

„Schon gut. Ich nehm´ ihn. Ihn schaffe ich noch so grade."

Er wandte sich zu Mr. Lupin um, der sich bisher nicht gerührt hatte. „Und Du wirst sie nehmen. Sie fällt uns nämlich gleich um, Mr. Gentleman." Wie auf Kommando begannen Catherines Knie zu zittern und das nächste, was sie wusste war, dass auch sie hochgehoben wurde. Ihr war es egal. Sie wollte nur noch schlafen.


Ziemlich unschlüssig blickte Harry die Straße in Hogsmead auf und ab. Gut, er war hier. Aber offenbar niemand sonst. Die meisten Fensterläden waren geschlossen, manche sogar vernagelt. Nichts rührte sich um ihn herum. Es war ein völlig anderer Ort, als er ihn kannte.

An den Hogsmead-Wochenenden hatte hier normalerweise rege Betriebsamkeit geherrscht. Und auch das Schloss in der Ferne war erleuchtet gewesen und hatte nicht wie ein altes, verwittertes Gebäude gewirkt. Sondern wie sein zuhause. Wie schnell sich Dinge änderten.

Er schluckte mehrmals verzweifelt gegen den Kloß in seinem Hals an, ehe das Gefühl der Enge ein wenig nachließ. Ob Hogwarts je wieder das sein würde, was es für ihn gewesen war? Er beantwortete sich diese Frage selbst mit einem Kopfschütteln. Nein. Nicht, nachdem Dumbledore tot war.

Er straffte die Schultern, bemüht sich nicht zu fühlen wie damals, als er als 5-jähriger von den Dursleys in den Schrank unter der Treppe verfrachtet worden war. Er hatte sich beinah in die Hosen gemacht. Aber jetzt war er erwachsen, zum Henker. Der „Retter". Der strahlende Held!

O Himmel! Wenn er eines in diesem Augenblick nicht war, dann das. Er sehnte sich schmerzhaft nach einer warmen, tröstenden Hand.

Langsam machte er sich auf den Weg hinauf zum Schloss. Ob Filch wohl noch da sein würde? Oder Hagrid? Was war aus den ganzen restlichen Lehrern geworden? Es musste doch irgendjemanden geben, der ihn hinein lassen würde.

Er hatte fast den halben Weg zurückgelegt, als er plötzlich leises Rascheln hinter sich hörte. Er gefror mitten in der Bewegung und horchte. Im nächsten Moment wirbelte er herum und ohne darüber nachzudenken hatte er die entsprechende Zauberformel bereits in seinem Kopf: ‚Levicorpus!'.

Ein heller Schrei zerriss die Stille. Und Ginny hing kopfüber mitten in der Luft, ihr langes, rotes Haar verdeckte ihr Gesicht, genauso wie ihr Reiseumhang und der Rock, der ihr über den Bauch gerutscht war. Sie strampelte hilflos wie ein Fisch am Haken.

„Lass mich runter, Harry! Wenn Du mir unter den Rock gucken wolltest, dass hättest Du auch anders haben können."

Vor lauter Schreck hätte er fast seinen Zauberstab fallen lassen, ehe er ein hastiges: ‚Liberacorpus!' dachte. Ginny kam mit einem dumpfen ‚Plumps!' als Knäuel aus Stoff und Haaren auf dem Boden auf. In der nächsten Sekunde war er neben ihr und half ihr, sich aufzusetzen.

Ohne darüber nachzudenken strich er ihr das Haar aus dem Gesicht und begann damit, sie systematisch mit den Augen nach Verletzungen abzutasten. Erst, als er eine winzige Schramme mitten auf ihrer rechten Wange fast schon übertrieben genau untersucht hatte und doch endlich zu dem Schluss gekommen war, dass diese wohl kaum tödliche enden würde – bemerkte er, wie nah sie sich waren. Dass ihre weichen, dunkelrosafarbenen Lippen nur wenige Zentimeter von seinen entfernt waren. Und dass sie ihn mit einem Funkeln in den Augen ansah, welches sein Herz in seine Kehle hüpfen ließ, um dort wie verrückt zu trommeln.

Harry räusperte sich und war so schnell wieder auf den Füßen, dass er einen Moment gegen den Schwindel ankämpfen musste.

Auch Ginny brauchte einen Moment, um sich wieder einigermaßen zu fangen. Hatte sie sich die Sehnsucht in seinem Blick nur eingebildet? Sie kannte sie so gut – aus ihrem eigenen Gesicht.

„Ich bin so froh, dass ich Dich gefunden habe, Harry!" Ihre Stimme schwankte leicht, zum einen vor Erleichterung ihn wirklich gefunden zu haben, zum anderen wegen der unerwarteten Spannung zwischen ihnen, während sie – ohne seine Hilfe – ebenfalls wieder auf die Füße kam. Eigentlich hätte er ihr geholfen – aber er konnte sie jetzt einfach nicht berühren. Nicht, nachdem seine Fingerspitzen immer noch von der schmerzlich vermissten Nähe kribbelten. Sie schien nichts dergleichen zu empfinden, denn Ginny begann damit, scheinbar unbeteiligt ihre Kleidung zu ordnen.

Hatte sie es nicht gespürt? Unfreiwilliger Ärger wallte in ihm auf und ließ seine Stimme harscher klingen als beabsichtigt: „Geh´ nach Hause, Gin."

„Wie bitte?"

„Geh´ nach Hause. Ich komm schon klar." Mit diesen Worten wirbelte er so abrupt herum, dass sich sein Umhang in bester Snape-Manier um seine Beine bauschte. „Das ist kein Ort mehr für ein …"

Er verbiss sich das letzte Wort. Denn entweder würde er etwas reichlich Verletzendes sagen – oder etwas davon faseln, dass er nicht gewusst hatte, dass sie einem einzelnen Sommer so schön geworden war.

„Ein was?" fragte sie allerdings prompt mit gefährlich klingender Stimme, während sie ihm trotz seiner Zurückweisung folgte. Er presste die Lippen aufeinander, eine trotzige Geste, die ihre Wut nur noch anstachelte.

„Los, spuck´s aus, Potter! Dann kann ich Dir hier und sofort die Nase platt hauen! Du bist so ein …!"

Weiter kam sie nicht, denn das Licht eines fremden Zauberstabes blendete sie für einen Moment so sehr, dass sie die Hand vor die Augen nehmen musste. Keiner hatte während ihres kleinen Disputs auf den Weg geachtet. Na wunderbar!

„Mr. Potter! Miss Weasley! Was tun Sie denn hier? Haben Sie die Eulen nicht erhalten?"

Es war Minerva Mc Gonnagals Stimme, die diese Fragen stellte. Das Licht wurde gemildert, bevor ihre ehemalige Hauslehrerin endgültig in das Licht von Harrys Zauberstab trat und sie verwirrt ansah. Ginny konnte ein leises Seufzen der Erleichterung nicht unterdrücken. Harry hingegen schien sich keinen Moment gefürchtet zu haben. Blöder Kerl!

„Hogwarts ist geschlossen worden. Es wird keinen Unterricht mehr …"

„Das wissen wir", erklärte Harry seltsam ruhig. „Ich weiß nicht, ob Professor Dumbledore in Ihrer Gegenwart davon gesprochen hat, aber … ich bin auf der Suche nach …"

Sie schnitt ihm mit einer ungeduldigen Handbewegung das Wort ab und bedeutete ihm, den Mund zu halten. „Kommen Sie erst einmal rein! Solche Dinge sollte man nicht an solch´ einem – „Ort" – erörtern! Ich denke, mein Büro ist der geeignetere Platz. Folgen Sie mir!"

Mit diesen Worten wirbelte sie herum und ging mit ihnen auch noch den letzten Rest Weg hinauf zum Schloss.

Beide folgten ihr – schweigend.


Na, wenn das jetzt nicht eine gehörige Portion Sirius war. Bitte lasst uns eine Review da, ja? Sonst ist das Autorinnen-Leben so traurig ... °Schluchz!°