Wer so fleißig reviewt - daran sind Bine und ich uns einig - hat ein Extra-Kapitel verdient. Und da Ihr die 500er-Marke geknackt habt, gibts hier schon mal die Fortsetzung! Viel Spaß beim Lesen! Ach, und vergesst bitte nicht, uns einen klitzekleinen Kommentar dazulassen, ja?
Snapes Geschichte
Sirius verschloss die Tür seufzend und lehnte sich einen Moment dagegen. Hier in der Abgeschiedenheit seines eigenen Raumes, spürte er die plötzlich immens werdende Müdigkeit bis in die letzen Muskeln und erlaubte sich wenigstens kurzzeitig einen Moment der Schwäche. Er lehnte den Kopf erschöpft gegen das Türblatt und atmete ein paar Mal tief durch, ehe er sich wieder zwang hochzukommen.
Er durchquerte den Raum und blieb neben dem Bett stehen, sich das Hemd mit einem leisen Stöhnen über den Kopf ziehend. Zum ersten Mal spürte er seine fast 40 Lenze. Und er hatte grade mal die Hälfte davon genießen können …
Während er behutsam jeden verspannten Muskel in seinem Rücken und seinem Schulterbereich lockerte, ließ er den Tag Revue passieren.
Okay, wie war der Stand der Dinge? Er war nicht mehr tot. Allein der Gedanke, dass er bereits in Hades' Hand gewesen war, ließ ihn unwillkürlich frösteln.
Dann war da Harry. Und es ging ihm gut. Vermutlich zumindest. Und er war nicht allein, denn Ginny war bei ihm. Wenigstens einer, der Acht auf den Jungen gab. Er schluckte gegen den bitteren Geschmack der Schuldgefühle an, ehe er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht einem besonders verspannten Muskel widmete.
Den Arm langsam kreisend dachte er über Catherine Spencer nach. War sie eine Spionin? Oder nur eine Art Bauer in diesem perfiden Schachspiel um die Welt? Er war ihr den ganzen Tag gefolgt, hatte auf etwas Verräterisches gelauert. Aber da war nichts gewesen – sie hatte den halben Tag im Bett verbracht und den Rest entweder mit ihrem kleinen Sohn gespielt oder Moony sehnsüchtige Blicke zugeworfen. Aber sie HATTE den Horcrux! Er wurde einfach nicht schlau daraus.
Und dann war er auch noch verlobt. ER! Der, der immer beim bloßen Gedanken, sich lebenslang an eine Frau zu binden, allerhöchstens süffisant gelacht hatte. Moony war der Typ zum heiraten. Oder James!
James …
Sirius hielt in seiner Bewegung inne, umrundete das Bett und starrte blicklos aus dem Fenster, welches jetzt nicht mehr von schwarzen Samtvorhängen verhüllt war. Ja, James Potter war zum Heiraten geboren worden. Ungebeten stahl sich eine Erinnerung in seinen Geist:
„Ihr werdet also echt heiraten?" Sirius starrte James mit einer Mischung aus Neugierde und blanker Abscheu an. Wie konnte ein gesunder, vitaler Mann wie James Potter nur an so etwas denken? Sich absichtlich an eine einzige Frau ketten? Da draußen wartete die Welt! Hunderte von schönen Frauen! Warum also diese hirnrissige Idee?
Aber James verschwendete schon lange keinen Blick mehr auf andere Frauen. Er schien ganz und gar ausgefüllt von Lily Evans. Nicht, dass die Kleine nichts zu bieten hätte, ganz im Gegenteil. Sie war unbestreitbar süß. Ehrlich. Und ihr Po war … na ja, darüber hielt er besser den Mund. Das letzte Mal, als Padfoot seinem besten Freund gesagt hatte, dass Lilys Brüste unbestreitbar knackig waren und er durchaus einmal gern … hatte er ihm fast die Nase gebrochen. Unwillkürlich befühlte er diesen ehemals lädierten Körperteil
Aber das Wichtigste war - sie passte zu James. Zumindest war Sirius dieser Meinung, wenn man von seiner geringen Erfahrung mit romantischem Firlefanz ausging. James strahlte jedenfalls mit der Sonne um die Wette, wenn er in ihre Nähe kam. Und schmolz förmlich, wenn sie ihn berührte oder küsste.
Trotzdem – Ehe? Nee, das war nicht Sirius´ Stil. Außerdem kannte er kein verheiratetes Paar, was sich auch nur annähernd gut verstand. Außer Cousine Andromeda vielleicht, mit ihrem Muggel. Oder James Eltern.
„Hmmmm", war James einzige, reichlich verträumte Antwort auf die Frage seines Freundes. Er starrte Gedanken versunken mit diesem dämlich verliebten Gesichtsausdruck aus dem Fenster ihres Schlafsaales. Entfernt hatte er Ähnlichkeit mit einem Schaf.
„Ich werde niemals heiraten", verkündete Sirius schließlich im Brustton der Überzeugung. „Nie und immer."
Mit diesem Satz schien er die allgemeine Aufmerksamkeit zu erregen. Remus, der bäuchlings auf seinem Bett lag und lernte – wie immer – schaute endlich aus seinem Buch auf. Und auch James schien er aus seinen Zukunftsträumereien gerissen zu haben, denn er wandte ebenfalls den Kopf und hob eine Augenbraue.
„Wetten, Du wirst doch?", fragte sein bester Freund herausfordernd. „Stimmt´s Leute? Sirius wird hundertprozentig heiraten!"
„Pfff", erwiderte Sirius abschätzend und schnitt eine fiese Grimasse. „Nur über meine Leiche! Diesen romantischen Firlefanz überlasse ich euch, Jungs! Jemand wie Moony heiratet. Ich NIE!"
„Hey, lasst mich aus dem Spiel", bat Remus hastig. „Ich hab´ nichts zu tun mit eurer Thematik!"
„Du heiratest bestimmt die kleine Ravenclaw aus dem 4. Schuljahr, Moon!", stichelte Sirius sofort grinsend. „Die, die Dir immer so sabbernd hinterher rennt. Sie würde Dir zum Beispiel bei jedem Vollmond mit verklärtem Gesicht den Bauch kraulen!"
Remus lief nur puterrot an, murmelte ein leises „Halt die Klappe, Padfoot." und vertiefte sich defensiv wieder in seinem Buch.
„Du wirst", kam James zurück auf ihr eigentliches Thema und grinste. „Und wenn ich diese Frau kennen lerne, die Dich vor den Altar zerrt, Padfoot, werde ich sie umarmen und ihr im Namen der gesamten weiblichen Erdenbevölkerung danken, dass sie Dich räudigen Köter von der Straße geholt hast, ehe Du noch einen größeren Schaden anrichtest!"
Sirius schluckte heftig gegen den Kloß in seinem Hals an, der ihn zu ersticken drohte, während er sein Spiegelbild im Fensterglas betrachtete.
„Du hattest Recht, alter Junge", flüsterte er mit rauer Stimme. „Jetzt werde ich doch heiraten. Und ich wünschte, Du wärst jetzt hier, um mich lauthals auszulachen …"
Bei dem Gedanke an James´ warmes Gelächter, das Harrys so glich, spürte er Tränen in sich aufsteigen. Ein lautes Türklappern ließ ihn zusammenfahren und sich hastig über die Augen wischen. Hinter ihm stand Evanna. Offenbar fuchsteufelswild.
Sie würde ihm die Augen auskratzen! Mit Genuss! Soviel stand fest! Evanna kochte vor Wut. Den ganzen Tag über hatte sie sich dieses Herumgeschleiche angesehen, hatte zusehen müssen, wie dieser blöde Macho Sirius hinter Catherine her scharwenzelte und sie kaum aus den Augen ließ. Wenn er glaubte, dass sie sich so etwas gefallen ließ, dann war er gehörig schief gewickelt! Heute Morgen war er so nett gewesen – und jetzt geiferte er hinter anderen Röcken her? So nicht, Freundchen! Ob es jetzt eine Liebeshochzeit war oder nicht, sie würde sich nicht schon vorher von ihm zum Gespött der Leute machen lassen!
Vanna hatte bereits Luft geholt, um ihn ungespitzt in den Boden zu rammen, als er sich zu ihr umwandte. Erst jetzt bemerkte sie seine bedrückte Miene – direkt bevor sie seinen nackten Oberkörper erspähte und jeder weitere Gedanke aus ihrem Hirn gelöscht wurde. Sie starrte ihn an, als sei er der erste Mann, den sie so zu Gesicht bekam. Stimmte nicht wirklich. Oder, vielleicht doch – denn er war definitiv der Erste, der ihr Herz ins Stolpern brachte.
Er war schön! Nicht im herkömmlichen Sinne, aber er strahlte etwas aus, was ihr die Knie weich werden ließ. Seine Hüften waren schmal, etwas was ihr erst jetzt auffiel, da er ansonsten weit geschnittene, hochgeschlossene Hemden trug. Jetzt wurde ihr auch klar, wieso – seine Askaban-Tätowierung, die ihn als Sträfling identifizierte.
Seine Schultern waren breit, allerdings war er im Ganzen ein wenig zu dünn. Kein Wunder. Wenn man tot war, nahm man vermutlich nicht wirklich etwas zu sich. Und in Askaban stand auch mit Sicherheit kein 3-Sterne-Koch am Herd. Er strahlte gleichzeitig immense Kraft, aber auch Unsicherheit aus, die er mit störrisch hervor gerecktem Kinn zu überspielen versuchte.
„Was?", blaffte er und holte sie so zurück in die Gegenwart. Weg von Gedanken über Tätowierungen, die sie mit der Zunge nachmalen wollte.
Sie straffte die Schultern und funkelte ihn an. „Ich habe ein Hühnchen mit Dir zu rupfen!"
Er runzelte die Stirn und spähte verwirrt an ihr vorbei. Es dauerte einen Moment, ehe sie verstand, dass er offensichtlich das ‚Hühnchen' suchte. Noch so ein Reinblüter, der von Muggeln keine Ahnung hatte. Sie war auch reinblütig, trotzdem waren ihr solche Phrasen geläufig. Denn SIE hatte auch Muggelfreunde gehabt!
Solche waren vermutlich unter seiner Würde gewesen! Zuverlässig flammte Zorn erneut in ihr auf.
„Das war nur so gesagt", fauchte sie etwas heftiger, als es der Situation entsprochen hätte.
„Aha. Drücke ich demnächst bitte verständlicher aus. Was ist also?", fragte er, während er die Arme vor der Brust verschränkte.
„Wieso geiferst Du Catherine hinterher?" Sie tat es ihm nach und verschränkte ebenfalls die Arme. Allerdings rückte das ihre Brüste direkt in sein Blickfeld. Er schluckte, ehe er sich wieder halbwegs auf ihren Vorwurf konzentrieren konnte.
„Ich tue bitte was?"
„Du geiferst dieser Frau nach!"
Er wollte schon Luft holen, um ihr zu versichern, dass er so etwas mit Sicherheit nicht tat – doch dann verzog ein spitzbübisches Grinsen sein Gesicht. Gott, machte ihn das attraktiv!
„Du bist eifersüchtig, oder?"
Vanna wollte den Mund empört aufreißen. Aber alles was ihr gelang war ein verräterisches Erröten und ein wenig überzeugendes „Pöh!"
Sirius Grinsen wurde noch breiter. „Ich fühle mich sehr geschmeichelt, mein Süße." Ihr Puls jagte hoch bei diesem Kosewort und nur mit einiger Mühe gelang es ihr, sich an ihrer Wut und ihrer Empörung festzuklammern.
„Das tut hier gar nichts zur Sache!" zischte sie angriffslustig und bemerkte an seiner selbstgefällig hochgezogenen Augenbraue, dass sie leider vergessen hatte, ihre Eifersucht abzustreiten. Der Kerl machte sie fertig!
„Fakt ist", versuchte sie das Thema in weniger peinliche Bahnen zu lenken – zumindest in weniger peinliche Bahnen für sie, „dass Du heute den gesamten Tag hinter ihr hergeschlichen bist! Direkt, nachdem Du mich …" Dieses Erröten wurde wirklich lästig! Vanna fühlte sich zurückkatapultiert in ihre Teenagerzeit – und diesen Rückschritt genoss sie keineswegs!
„Ich will hier nur eines klar stellen. Egal woraus diese … diese …"
„… Ehe?", half er grinsend.
„Ja, bei Merlin! Ich kann es nicht leiden, wenn man mich unterbricht!"
„Dann sprich´ Deine Sätze zu Ende und stottere nicht drum herum!", schlug er vor.
Sie würde ihn erwürgen! Kalt lächelnd! Hier und jetzt!
„Ich werde nicht dulden, dass Du mich in irgendeiner Weise bloß stellst. Hast Du verstanden?"
„Evanna, Du hast es falsch verstanden", versuchte Sirius endlich einzulenken. „Ich habe Catherine …"
„Sag´s nicht! Ich habe gesagt, was ich sagen wollte und jetzt ist dieses Thema für mich beendet." Mit diesen Worten wirbelte sie herum und wollte erneut aus dem Zimmer stürmen, doch seine warme Hand schloss sich um ihren Oberarm.
„Und ich kann es nicht leiden, wenn man mich nicht aussprechen lässt!", zischte nun er und funkelte sie an. Sie erwiderte den Blick gespielt unbeteiligt.
„Ich bin Miss Spencer nicht nachgeschlichen. Zumindest nicht so, wie Du denkst", fügte er mit blitzenden Augen hinzu.
Sie maß ihn mit einem kühlen Blick. „Und weshalb dann?"
„Weil sie vielleicht gefährlich für uns ist."
„Habt ihr großen Kerle etwa Angst vor einer schwangeren Frau?"
„SIE HAT EINEN HORCRUX, VERDAMMT! SIE IST EINE SPIONIN VOLDEMORTS UND WILL UNS VERMUTLICH ALLE TÖTEN!"
Überrascht schwieg Vanna und starrte Sirius an. „Du meinst einen dieser Seelenfetzen von Dem-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf?"
Sirius nickte nur kurz. Vanna jedoch schüttelte ungläubig den Kopf. „Das glaub´ ich nicht", widersprach sie ihm. Keiner der Beiden konnte ja ahnen, dass Catherine Spencer grade in diesem Moment an ihrer Tür vorbeiging und bei diesen Worten wie erstarrt stehen blieb.
„Woher willst Du das wissen?"
„Erinnerst Du Dich an den Ausspürzauber, den Hermine gefunden hatte, bevor ich … zurückgekehrt bin?"
Evanna nickte. Natürlich erinnerte sie sich. Daraufhin hatte Remus ihr ja erst von den Horcruxen erzählt.
„Ich habe ihn durchgeführt. Und das Ergebnis ist eindeutig. Catherine Spencer hat einen der Horcruxe in ihrem Besitz. Er befindet sich in ihrem Zimmer. Und sie hat ihn den Todessern nicht gegeben, die sie verfolgt haben, obwohl sie den kleinen Josh bedroht haben. Welche Mutter würde da auch nur eine Sekunde zögern?"
„Und was bedeutet das genau?", wollte Vanna wissen, der der Kopf schwirrte.
„Diese Verfolgungsjagd, in deren Verlauf Remus sie gerettet hat, könnte inszeniert gewesen sein, um sie hier bei uns einzuschleusen, Evanna. Sie könnte eine Spionin sein. Vielleicht sogar eine Attentäterin!"
Im nächsten Moment flog die Tür mit lautem Krachen auf und beide starrten in das eisige Gesicht Catherine Spencers…
- - - - -
Er war sich nicht sicher, ob seine gute Konstitution dafür verantwortlich war, dass er relativ schnell das Bewusstsein zurückerlangte, oder ob das in dem Gewölbe widerhallende Wutgebrüll Greybacks und die verzweifelten Schreie Potters und Weasleys aus ihrer Zelle heraus ihn aus seiner Benommenheit gerissen hatten. Und im Moment fühlte er sich auch gar nicht in der Lage, darüber nachzudenken, weil er, als er die Augenlider hob, einen reichlich verschwommenen, dreifachen Fenrir rasend vor Zorn auf eine ebenfalls reichlich verschwommene, dreifache kleine, zierliche Frau mit feuerroten Haaren einprügeln sah.
Ricarda Rabastan. Der Name schoss ihm durch den Kopf, während er sich mühsam auf die Füße zurückkämpfte und gegen den Schleier vor seinen Augen anblinzelte. Die Frau, die Lily Evans auf dem ersten Blick so beunruhigend ähnlich sah. Die Frau, die Voldemort mit Greyback verheiraten wollte. Diese Hochzeit würde wohl doch nicht stattfinden, wie es aussah…
Er musste sich an die Wand lehnen, um nicht den Halt zu verlieren, als er seinen Zauberstab aus dem Gürtel zog. Wieder blinzelte er. Und endlich schoben sich die dreifachen Schemen vor seinen Augen wieder zu einem festen Bild zusammen.
„STUPOR!"
Er war sich nicht bewusst, dass er den Schockzauber gebrüllt hatte, bis ein armdicker, roter Energiestrahl aus der Spitze seines Zauberstabes schoss und den alten Werwolf mitten in die Brust traf. Er wurde zurückgeschleudert und prallte gegen die Wand hinter ihm.
„PETRIFICUS TOTALUS!", setzte Snape noch einen nach, um ganz sicher zu gehen, dass Greyback außer Gefecht gesetzt blieb. Dann taumelte er zu der jungen Frau hinüber, die reglos auf dem feuchten Kellerboden lag, und tastete nach ihrem Puls.
Sie lebte noch. Tatsächlich, sie lebte noch! Angesichts der Art, wie Greyback sie durch den Raum geprügelt hatte, grenzte das fast an ein Wunder. Und wenn sie weiter so viel Blut verlor, würde das auch nicht mehr allzu lange so bleiben.
Als er sich wieder aufrichtete, blickte er in die fassungslosen grünen Augen Harry Potters, der ihn durch die offene Sichtluke der Kerkertür anstarrte. Und etwas hinter ihm stand das Weasley-Mädchen, die rehbraunen Augen in dem von Tränen überströmten Gesicht ebenfalls ungläubig aufgerissen.
Mit einem Schwenk seines Zauberstabes ließ er den schweren, rostigen Riegel durch die Ösen gleiten. „Alohomora Tresoreus!"
Die Tür schwang auf, aber weder der Junge noch die Kleine hinter ihr rührten sich. Schweigend starrten sie ihn über die Breite des Raumes hinweg an. Und in den grünen Augen des Jungen zeigten sich allmählich wieder die mittlerweile vertrauten Gefühle des Hasses und der Verachtung.
Doch dafür blieb im Moment keine Zeit. Snape schnarrte: „Ich brauche hier Ihre Hilfe, Potter, Weasley. Also kommen Sie gefälligst hier herüber! Oder soll sie etwa verbluten?"
Die ehemaligen Schüler gehorchten schweigend. Ginny hockte sich auf den kalten Boden und bettete den Kopf der verletzten Frau vorsichtig in ihrem Schoß. Angesichts des übel zugerichteten Gesichtes der Fremden, die ihr Leben riskiert hatte, um Harry und sie zu befreien, wäre sie am liebsten erneut in Tränen ausgebrochen. Besonders schlimm sah die Platzwunde an ihrem Haaransatz aus, aber auch der Kiefer schien ausgerenkt zu sein, die Augen schwollen langsam zu und weiteres Blut tropfte aus der Risswunde an ihrer Lippe.
Und das war noch lange nicht das Schlimmste. Unter einem der Tritte Greybacks musste der Oberschenkelknochen ihres linken Beines gebrochen sein und der Knochen hatte nicht nur die Haut durchstoßen, sondern vermutlich auch ein größeres Blutgefäß verletzt, weil die Blutmenge, die Rica an dieses Stelle verlor, die der Kopfwunde noch bei weitem übertraf.
Unter Snapes geschnarrten Anweisungen, half Harry mit zusammengepressten Lippen, aber erstaunlich ruhigen Händen gerade, diese Wunde zu reinigen, damit der verhasste Tränkemeister den Knochen einrichten und magisch fixieren und das verletzte Blutgefäß zumindest provisorisch zusammenfügen konnte. Alles Weitere musste ein erfahrener Heiler erledigen.
„Was wird jetzt mit ihr passieren?" Ginny strich behutsam über das übel zerschlagene Gesicht Ricas. „Lassen Sie uns sie mit in die Zelle nehmen und geben Sie uns wenigstens Verbandsmaterial und etwas Trinkwasser für sie. Und eine Matratze und eine Decke…"
„Was bringt Sie auf den Gedanken, Miss Weasley, dass ich die Absicht habe, Sie und Potter in die Zelle zurückzubringen?"
„Vielleicht die Tatsache, dass Sie Professor Dumbledore ermordet haben?" Das war Harry. Und seine Stimme klang, als würde er seinem ehemaligen Lehrer liebend gern das Herz mit bloßen Händen herausreißen. „Sie sind ein Todesser. Ein feiger Verräter. Ein Mörder! Sie haben einen hervorragenden Mann getötet, der nur einen einzigen Fehler begangen hatte; er hat Ihnen vertraut!"
In Snapes Gesicht zuckte kein Muskel bei diesen Anschuldigungen. Er stand auf und bemerkte, dass seine Glieder nach dem Schockzauber noch immer etwas angegriffen waren. „Bleiben Sie hier, ich bin gleich zurück!"
Ginny starrte ihn an wie einen Geist.
Harry schnaubte verächtlich. „Was bringt Sie denn auf den Gedanken, dass wir nicht fliehen, wenn Sie uns unbewacht hier zurücklassen?"
„Die Tatsache, dass Sie sie", er wies auf Rica, die noch immer bewusstlos am Boden lag, „wohl kaum hier zurücklassen würden, solange er", ein weiteres Deuten mit der Hand, diesmal auf den besinnungslos an der Wand hängenden Greyback, „nur darauf lauert, das zu beenden, was er gerade begonnen hat."
Harrys Blick zuckte zu dem alten Werwolf hinüber, den die Ganzkörperklammer Snapes wehrlos an die Mauer gepinnt hatte, und der das Bewusstsein nach dem Schockzauber noch nicht zurückerlangt hatte.
Snape sprach weiter. „Und natürlich der Umstand, dass Sie vermutlich ohne Ihre Zauberstäbe nicht weit kommen würden. Und vielleicht auch die Überlegung, dass Miss Weasley sich in trockener Kleidung und mit ihrem Umhang vielleicht bei weitem wohler fühlen würde. Also bleiben Sie gefälligst hier, bis ich Ihnen Beides geholt habe!" Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand durch die Holztür.
„Ich traue ihm nicht!", zischte Harry zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor, während er sich suchend umsah und sein Blick an dem Gang hängen blieb, durch den Rica gekommen war. „Er hat Dumbledore getötet! Vor meinen Augen hat er ihn mit dem Avada Kedavra belegt!"
„Was willst du tun, Harry? Er hat Recht, wir können Rica hier nicht einfach zurücklassen! Und ohne unsere Zauberstäbe kommen wir hier nicht heraus, geschweige denn nach…" Gerade noch rechtzeitig stoppte sie sich, bevor sie ihr Ziel preisgab.
„Ich könnte sie tragen!"
„Vermutlich könntest du das, aber wie weit? Und was ist, wenn sie innere Verletzungen hat? Dieses Monster dort drüben hat sie fast totgeschlagen!" Ginny schüttelte den Kopf. „Wir haben keine Wahl, Harry. Wir müssen auf Snape warten."
„Hör' auf deine Freundin, Potter!" Snape kam durch die Tür zurück und warf ihm seinen Umhang zu, bevor er Ginny den ihren reichte. „Sie hat offenbar mehr Verstand als du!"
„Meinen Verstand verliere ich erst in dem Moment, in dem ich beschließe, Ihnen zu trauen, Sir!" Das letzte Wort betonte er in einer Art, für die das Wort „beleidigend" kaum noch zutraf.
„Aufhören! Alle beide!"
Verblüfft wendeten sich die zwei Streithähne Ginny zu, die sie aus vor Zorn funkelnden Augen ansah. „Rica braucht einen Heiler! Und wir müssen hier raus! Alles andere hat Zeit, bis später!"
„Gin, er ist ein Verräter! Er wird uns nicht helfen, sondern uns nur in eine noch schlimmere Falle locken, als die, in der wir hier festsitzen!"
„Was könnte schlimmer sein, als diese Zelle und Greyback davor, der sie bewacht?", hielt sie dagegen.
„Du solltest dich entscheiden, Potter. Komm mit, oder bleib hier. Du hast die Wahl!" Mit diesen Worten ließ Snape eine Trage entstehen und hievte mit einem gemurmelten „Mobilcorpus" den regungslosen Körper der schwer verletzten jungen Frau hinauf, bevor er sie mit einer Wolldecke zudeckte. „Ich werde eure verletzte Freundin jedenfalls ins St. Mungos bringen."
„Wo sie vor der Rache Ihrer Todesser-Freunde auch ganz sicher sein dürfte!", schnappte Harry. „Dann können Sie sie ebenso gut gleich hier lassen!"
„Hast du eine bessere Idee, Potter?"
„Wie wäre es mit dem Grimmauldplatz?", schaltete Ginny sich ein.
„Bist du verrückt, Gin?" Harry fuhr herum und starrte sie entsetzt an. „Du kannst doch den da nicht auf Si … auf unsere Freunde loslassen! Er wird vermutlich mit einem ganzen Todessergeschwader dort auftauchen!"
„Mach dich nicht lächerlich, Potter! Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich Lupin wohl nicht den Wolfsbanntrank, sondern ein gewisses Werwolfsrudel dorthin geschickt."
„SIE waren das?"
„Meines Wissens nach gibt es nicht allzu viele Tränkemeister, die dieses Gebräu hinbekommen!"
„Warum haben Sie dann Professor Dumbledore getötet, zum Troll noch mal? Tanzen Sie auf zwei Hochzeiten?"
„Ich habe ihn getötet, weil er es von mir verlangt hat!", brüllte Snape. Zum ersten Mal zeigten sich auf seinem Gesicht Emotionen. „Voldemort hat ihn zum Träger eines seiner Horcruxe gemacht, und es war ihm nicht gelungen, den entsprechenden Gegenzauber zu finden, um diesen aus sich herauszuholen! Bisher war es mir immer wieder gelungen, ihn zum Abwarten zu überreden, bis ich den Expartis-Zauber gefunden haben würde. Aber der Dunkle Lord ist nicht leicht zu überlisten. Und er teilt seine Geheimnisse nicht gern. Und dann, gerade als ich ihn gefunden hatte", fügte er mit erstickter Stimme hinzu, „ist Dumbledore mit dir in diese verfluchte Höhle gegangen und hat den Trank getrunken, den ich vor vielen Jahren im Auftrag des Dunklen Lords zusammengebraut habe. Eine Sicherheitsmaßnahme, die er ersonnen hatte, um diesen Horcrux zu schützen. Und damit war sein Schicksal besiegelt, oder sollte ich zulassen, dass er eine hilflose Marionette in den Händen Voldemorts wird, weil dieses Gebräu ihn dessen Willen vollkommen unterworfen hätte? Meinst du, er hätte das gewollt?" Heftig atmend starrte der Tränkemeister seinem ehemaligen Schüler in die Augen. „Ich habe den Mann getötet, der mir mehr ein Vater war, als mein eigener es je hätte sein können, weil er es so wollte. Weil er wusste, dass DU, Potter, nicht den Mumm dazu aufbringen würdest!"
Harry starrte ihn an und flüsterte mit tauben Lippen: „Ich habe ihm diesen Trank gegeben. Er sagte zuvor, ich müsse ihm unter allen Umständen den ganzen Trank einflößen. Bis zum letzten Tropfen. Er hat es mich schwören lassen…"
Wieder sah er Dumbledore vor sich, auf jener Insel in der Höhle, wie er sich in Schmerzen auf dem Boden wand. Hörte sein Stöhnen, sein Flehen. „Nichts mehr, bitte, nichts mehr…" und dann das verzweifelte „Töte mich!" nach dem vorletzten Becher…
Ginny kam zu ihm hinüber und schlang die Arme um ihn. „Du konntest es nicht wissen! Woher hättest du das wissen sollen?"
„Ich habe ihn umgebracht, Ginny! Ich habe Professor Dumbledore getötet…"
„Falsch, Potter! Voldemort hat Professor Dumbledore getötet. Du tätest gut daran, Dir das immer wieder vor Augen zu halten. Wir waren nur die Werkzeuge in seinem perfiden Spiel! Und jetzt nimm deinen Zauberstab und beleuchte den Gang, damit wir endlich hier fortkommen und mit eurer verletzten Freundin zum Grimmauldplatz apparieren können."
„Ich gehe nicht zum Grimmauldplatz!"
„Harry!"
„Nein, Gin. Ich mache da weiter, wo wir aufgehalten wurden. Ich suche diesen Horcrux! Das bin ich Dumbledore schuldig! Geh du mit ihm, damit unsere Freunde ihn nicht nach Askaban verfrachten."
Störrisch schüttelte sie den Kopf. „Ich komme mit dir!"
„Ginny! Wenn er", Harry deutete auf Snape, „den Grimmauldplatz betritt, ohne dass ihn einer von uns begleitet, hexen sie ihn zurück ins Mittelalter!"
„Das ist mir egal!" Energisch schob sie das Kinn vor. „ER ist mir egal! Aber du bist mir nicht egal. Und ich werde dich begleiten, komme, was da wolle!"
Harry zögerte einen Moment, ehe er sich an Snape wandte. „Haben Sie etwas zu schreiben?"
Wortlos zog dieser ein Blatt Pergament und eine Feder aus seinem Umhang. Seine schwarzen Augen folgten der Bewegung der Feder auf dem Papier.
Harry kritzelte ein paar Zeilen, faltete das Blatt und drückte seinen Zauberstab auf die Faltstelle, was den Brief verschloss. „Das sollte dafür sorgen, dass Sie nicht in Askaban landen", murmelte er und reichte Pergament und Feder zurück. „Bringen Sie Rica ins Hauptquartier. Remus wird vermutlich wissen, wo Madam Pomfrey zu finden ist…"
Snape verzichtete darauf, ihm zu erklären, dass die Krankenschwester ohnehin täglich am Grimmauldplatz zu finden war, seit die Jagd der Todesser Catherine Spencer, die Harry und Ginny ohnehin noch nicht kennen gelernt hatten, fast ihr Baby gekostet hatte, und nickte nur. „Viel Glück."
„Ihnen auch." Und das würde er wahrscheinlich brauchen, dachte Harry fast ein wenig belustigt. Remus mochte sich ja vielleicht von dem Brief beruhigen lassen, den er Snape mitgegeben hatte, aber Sirius… Mühsam kämpfte er gegen den fast übermächtigen Drang an, Snape zum Grimmauldplatz zu begleiten, um seinen Paten endlich wieder zu sehen. Er würde es bald nachholen, aber zuerst musste er diesen Horcrux finden! Er musste ihn finden und zerstören, das war er Professor Dumbledore einfach schuldig…
„Harry?"
Er blickte Ginny an, als sie ihre Hand in seine schob. „Ja?"
„Wir finden dieses Ding, Harry. Und wir finden auch die anderen Horcruxe. Und dann soll Voldemort sich vorsehen!"
Er spürte, wie seine Lippen sich angesichts ihres vertrauensvollen Blickes zu etwas verzogen, das vermutlich entfernt an ein Lächeln erinnerte. „Ja, Gin. Wir finden sie alle!"
Großer Gott, ist dieser Junge ein Sturkopf! Ob er den Horcrux findet? Und wie mag es Snape ergehen, wenn er am Grimmauldplatz ankommt? Wer will es wissen?
