Hallo, Ihr Lieben! Diese Woche bekommt Ihr Euer Update ein kleines bisschen früher. Und das hat einen guten Grund. Unsere arme Bine muss sich nämlich das halbe Wochenende in einer Fortbildung um die Ohren schlagen - für Hebammen etwa zwölfundneunzig Mal im Jahr gesetzlich vorgeschrieben - und braucht deshalb jede Aufmunterung, die sie bekommen kann. Und was muntert mehr auf, als ein paar nette Reviews? °Winkt ganz hektisch mit dem Zaumpfahl° Also tut mir den Gefallen und baut meine süße Co-Autorin nach Kräften auf, okay? DANKE!
Greybacks Rache
Wann hatten seine Hände zum letzten Mal so schrecklich gezittert? Und wann hatte sein Herz das letzte Mal so furchtbar gehämmert, dass er befürchtete, es würde ihm den Brustkorb sprengen?
Während er im Laufen die Finger fester um das zusammengefaltete, leicht vergilbte Pergament in seiner Hand schloss, damit er es nicht versehentlich fallen ließ, es sorgfältig in die tiefste Tasche seines Umhangs schob, und es trotzdem nicht wagte, die Hand wieder hervorzuziehen, versuchte Snape sich an eine solche Begebenheit zu erinnern. Aber es gelang ihm einfach nicht. Jedenfalls nicht für den Zeitraum all der Jahre, die jener verhängnisvollen Halloween-Nacht vor sechzehn Jahren gefolgt waren ... Er hatte stets kalten Blutes getan, was getan werden musste. Er hatte sogar mit ruhiger Hand seinen innig verehrten Mentor getötet, den Mann, der in dieser langen Zeit wie ein Vater für ihn gewesen war.
Es stimmte wohl – Übung machte anscheinend wirklich den Meister … Zumindest in den meisten Augenblicken …
Aber heute war das anders. Heute – unter der Last der Erinnerungen und angesichts der neuesten, besorgniserregenden Entwicklungen – riss die harte, spröde Mauer ein, die ihn in der Vergangenheit emotional geschützt hatte, bröckelte, drohte ihn unter sich zu begraben. Und nicht nur seine Hände zitterten. Sein Puls brach gerade sämtliche Rekorde und es stand nur zu hoffen, dass sein Herz, diese verfluchte, verräterische Pumpe, die so etwas überhaupt nicht gewöhnt war, nicht einfach explodierte. Oder wäre es vielleicht besser …? Zumindest hätte er es dann hinter sich. Und würde nicht mehr des nachts schweißgebadet erwachen, weil ein Paar smaragdgrüner Augen ihn vorwurfsvoll ansah ... Mühsam riss er sich zusammen und erinnerte sich an seine Mission. An das, was er unbedingt tun musste! Sofort!
Alles war in Gefahr!
All die langen Jahre, in denen er im Dienste des Ordens bei Voldemort und seinen Anhängern spioniert hatte, in denen er täglich sein Leben gewagt hatte, immer bedroht von unverzeihlichen Flüchen, die ihm Unterwerfung, Folter und Tod bringen konnten, drohten sich nun als vergeblich zu erweisen! Es blieben ihnen nur noch vierundzwanzig Stunden. Ein einziger, kurzer Tag und all die Opfer – einschließlich Dumbledore – wären umsonst gestorben.
Voldemort wollte neue Horcruxe erzeugen, um die von Potter zerstörten Seelengefäße zu ersetzen!
Noch immer konnte Snape es nicht fassen, dass er von dieser Nachricht so überrascht worden war. Warum um alles in der Welt, hatte er nicht damit gerechnet? Er hatte sich zwar darüber gewundert, dass die Aktivitäten des dunklen Lords in letzter Zeit doch recht eingeschränkt gewesen waren, es aber auf die Umsiedlung in die walisischen Höhlen und den Tod dieses verdammten Schlangenviehs geschoben.
Er hatte es einfach so hingenommen und nicht weiter beachtet. War sogar froh gewesen, weil die plötzliche Stille im Lager des dunklen Lords ihm Zeit gegeben hatte, über andere Dinge nachzudenken. Natürlich nur, wenn er sicher in seiner Kammer war und keinen anderen Todesser in seiner Gegenwart fürchten musste. In diesen stillen Augenblicken hatte er über rote, schimmernde Haare nachgedacht. Und blitzende grüne Augen, von denen er eigentlich sicher gewesen war sie zu hassen, seit Potter ihm ständig mit solchen Augen anblickte. Genauso störrisch und angeekelt wie sein Vater es immer getan hatte. Verflucht, irgendwie musste er doch die Erkenntnis verarbeiten, dass es wieder einer Frau gelungen war, ihm so unter die Haut zu gehen, dass er sogar im Wachzustand von ihr träumte...
Aber statt wirklich so still und leise seinen Wunden zu lecken, hatte Voldemort ein paar Objekte zusammengetragen, denen er weitere Teile seiner ohnehin schon schrecklich verstümmelten Seele anvertrauen wollte. Er hatte ihm sogar die fünf magischen Schatullen gezeigt, in denen diese Gegenstände aufbewahrt wurden, bevor sie ihrer Verwendung zugeführt werden würden!
Himmel, überlegte er erschauernd, während er seinen Umhang fester um sich zog gegen die eisigen Schauer, die ihm immer wieder den Rücken hinabrannen, und den langen, finsteren Gang entlang eilte. Wie unmenschlich wollte dieser Kerl denn noch werden?
„Fünf neue Horcruxe, Severus!", hatte der Dunkle Lord mit seiner typischen, hohen, kalten Stimme verkündet und ein fieses, hinterhältiges Lächeln war über seine schrecklichen, von den vielen magischen Verwandlungen arg verunstalteten Züge geglitten, während der Tränkemeister all seine Willenskraft gebraucht hatte, um die Okklumentik-Mauer in seinem Kopf aufrecht zu erhalten. Besonders weil die Gedanken in seinem Kopf förmlich rotiert waren …
Fünf neue Horcruxe … Das bedeutete, dass vermutlich nur noch einer übrig war … Der Hufflepuff-Becher! Er musste es sein! Und niemand außer Black konnte ihn aufspüren! Und der benötigte dafür eine genaue Abbildung…
So sehr er sich innerlich gegen den Gedanken sträubte, ausgerechnet diesem Schwachkopf Black behilflich zu sein, er musste etwas unternehmen! Und das schnell!
Erschrocken war ihm gleich darauf bewusst geworden, dass er den Worten des Lords schon eine Weile keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt hatte, was diesem aber glücklicherweise entgangen zu sein schien, denn er hatte immer noch geredet. Dennoch – so etwas durfte ihm einfach nicht passieren! Verflucht, vielleicht hatte er grade etwas Wichtiges versäumt! (A/N: Hähähähä!)
‚Konzentriere Dich, Severus!'
„Und deshalb die fünf neuen Horcruxe, Severus. Den Sechsten, den Wichtigsten von allen, werden diese Narren sowieso nie finden. Niemals." Das hämische Lachen des Schwarzmagiers war durch das Höhlengewölbe gehallt. „Damit habe ich dann wieder magische Sieben. Und mit jedem neuen Seelengefäß wird meine Macht wachsen! Harry Potter wird mich niemals bezwingen können!"
Mühsam hatte Snape seine Aufmerksamkeit wieder Voldemort zugewandt. ‚Der sechste, wichtigste ...' Das waren seine Worte gewesen! Was wohl bedeuten musste, dass Nagini tatsächlich ein Horcrux gewesen war … Und dass jetzt alles davon abhing, dass sie den Hufflepuff-Becher rechtzeitig fanden!
Innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden!
Das stinkende, grüngrau schimmernde Elixier, welches die Erschaffung der Seelengefäße möglich machte, blubberte mittlerweile in einem großen Bronzekessel und warf Blasen, aus denen hochgiftige Gase aufstiegen, die das Betreten des Raumes für den Zeitraum der Zubereitung unmöglich machen würde. Und das bedeutete, dass er daran auch nichts mehr drehen konnte. Severus selbst war mit der Zubereitung beauftragt worden, als hoch gelobter Tränkemeister. Und er hatte beim Ansetzen keine Möglichkeit gehabt, etwas an dem Gebräu zu verpfuschen – Voldemort selbst hatte ihn mit Argusaugen beobachtet, begierig darauf harrend, dass er die fünf Schatullen endlich in den Kessel versenken konnte.
Das Elixier würde in exakt vierundzwanzig Stunden fertig sein, eine Aussicht, die Snape die Kehle zuschnürte. Allein die Vorstellung! Wenn es ihnen nicht gelang, bis dahin diesen Becher zu finden und zu zerstören und Voldemort zum Endkampf zu stellen – einen Endkampf, dessen Ausgang auch nach der Zerstörung dieses Dinges noch nicht einmal gewiss war – standen sie wieder ganz am Anfang!
Und Voldemort – durch die weitere Verstümmelung seiner Seele noch viel furchtbarer als jemals zuvor – würde vielleicht tatsächlich noch viel mächtiger und skrupelloser werden!
Und zu all diesen Problemen, kam noch ein weiteres hinzu.
Und dieses Eine war es, das seinen Puls zu neuen Höchstleistungen antrieb und ihm den kalten Angstschweiß ausbrechen ließ, obwohl er geglaubt hatte, dass ihm so etwas nie wieder passieren könnte. Nicht mehr nach jener Nacht vor sechzehn Jahren, als er zu spät in Godrics Hollow angekommen war, um Lily – und, ja, auch ihren ihm so verhassten Ehemann und ihr gemeinsames Baby - vor dem bevorstehenden Angriff Voldemorts zu warnen. Wenige Minuten früher und alles wäre vermutlich anders gekommen. Aber er war aufgehalten worden – ausgerechnet von Lucius Malfoy, seinem einstigen besten Freund. Und diese Minuten hatten über das Schicksal Lilys und ihrer Familie entschieden…
Und jetzt drohte sich all das zu wiederholen! Wieder war eine Frau in Gefahr, die all seine Sinne ansprach und seine Gedanken Tag und Nacht beherrschte ... Aber diesmal würde er nicht zu spät kommen, das schwor er sich feierlich. Diesmal würde nicht wieder eine wunderschöne, mutige Frau mit feuerroten Haaren und Augen wie Smaragden sterben, nur weil er nicht rechtzeitig kam!
Diesmal nicht!
Das Herz schlug ihm bis zum Hals hinauf, als er sich flüchtig umblickte und sich vergewisserte, dass er allein war. Er durfte keine Zeit mehr verlieren!
Als er vorhin aus Voldemorts Bibliothek gekommen war – in die er sich nach der Unterredung mit dem Dunklen Lord und dem Ansetzen des ekelhaften Gebräus geschlichen hatte, um dort heimlich nach einer Abbildung des Hufflepuff-Horcruxes zu suchen – war er beinahe über Greyback und Rabastan gestolpert. Und er hatte schon befürchtet, dass jetzt alles vorbei war.
Dass sie ihn entdecken und die Pergamentseite finden würden, die er aus einem Buch gerissen hatte, um sie schnellstens an den Grimmauldplatz zu schaffen. Dass sie ihn an den dunklen Lord ausliefern würden und dieser ihn töten würde. Langsam und qualvoll, während er vor Wut raste. Als Schauspiel für seine Anhänger.
Aber es war – zumindest seiner Meinung nach – sogar noch schlimmer gekommen!
Die Worte, die an sein Ohr gedrungen waren, hatten ihm fast das Herz stehen bleiben lassen!
Da hatte er also bleich und vor Wut und Entsetzen am ganzen Körper zitternd in einer dunklen Nische gestanden und zwei Todesser belauscht, die sich in dem finsteren Gang flüsternd darüber unterhielten, dass sie bald, sehr bald schon, Rica in ihren Händen haben würden ... Und auf welche Weise sie sie bestrafen würden.
Er hatte sich mühsam zusammengerissen und versucht herauszuhören, auf welchem Wege sie ihrer habhaft werden wollten, aber dazu hatten sie sich in dem von ihm belauschten Teil der Unterhaltung nicht mehr geäußert. Verflucht! Stattdessen hatte er die widerlichen Fantasien des alten Werwolfs über sich ergehen lassen müssen, die allesamt etwas mit grausamer, erniedrigender Vergewaltigung zu tun hatten.
Mit Gewalt und Blut und Verstümmelung.
Mit Tod.
Und sein Herzschlag hatte ausgesetzt bei dessen grausamen Worten – nur um dann mit doppelter Geschwindigkeit das Blut durch seine Adern zu pumpen.
Nein! Nicht das! Nicht SIE!
Allein die Vorstellung, dass die zarte, wunderschöne Rica mit den scheuen Augen und dem zögernden Lächeln, das in ihm immer dieses warme, innige Gefühl hervorrief, dessen er sich nie für fähig gehalten hatte, diesem Untier ausgeliefert sein könnte, ließ ihm noch immer heiße Wut durch die Adern schießen. Und die Art, wie dieses verdammte Monster über sie geredet hatte ... So, als wäre sie irgendein Stück Fleisch und nicht eine bezaubernde, junge Frau...
Verdammt, er musste zum Grimmauldplatz! Sofort!
Und so war er in sein Quartier geeilt, hatte sich seinen Umhang geschnappt und hastete jetzt den Gang entlang ins Freie, während seine zitternden Finger das Pergament mit der Abbildung des Hufflepuff-Bechers sorgfältig verstauten. Nur weg hier! Raus aus den mit Anti-Apparationszaubern belegten Höhlen.
Die zwei Schatten, die ihm in einigem Abstand folgten, bemerkte er nicht.
- - - - -
Catherine war nach der Auseinandersetzung mit Remus wutschnaubend die schmale Kellertreppe wieder hinaufgestürmt – sofern man das, was sie im hochschwangeren Zustand zustande brachte, überhaupt noch als ‚stürmen' bezeichnen konnte. Aber weil es mit dem zornigen ‚die Treppe hinauf rennen' nicht so geklappt hatte, wie es nötig gewesen wäre, um ihre heiße Wut auch nur annähernd zu besänftigen, hatte sie oben wenigstens der Versuchung nachgegeben, die Kellertür mit einem befriedigend lauten Knall ins Schloss zu werfen. Und ganz besonders befriedigend war die Vorstellung gewesen, dass dieser unmögliche, total bescheuerte, unglaublich sture Werwolf in seinem selbst gewählten Gefängnis bei diesem Geräusch erschrocken zusammenzuckte und dass ihm ob des Kraches die bald felligen Ohren dröhnten!
Hoffentlich!
Großer Gott, dieser Mann würde sie noch in den Wahnsinn treiben mit der Art, wie er sich selbst für etwas bestrafte, das ganz eindeutig nicht seine Schuld war! Wo, bitte schön, sah er hier eigentlich einen Vollmond, he! Die Sonne stand hoch am Himmel und er verkroch sich doch tatsächlich in einem finsteren, kahlen Kellerraum! Als ob er am helllichten Tag von einer Sekunde zur anderen transformieren könnte! Es waren noch beinahe elf Stunden bis Mitternacht! Reichte es denn nicht aus, wenn er sich irgendwann am späten Abend dort unten verbarrikadierte? Musste er sich selbst für seine Lycantrophie bestrafen, indem er sich bereits am hellen Vormittag in diesen düsteren, deprimierenden Raum einsperrte? Musste er SIE bestrafen, indem er sie von sich ausschloss. Sie nicht teilhaben ließ?
Verdammt, verdammt, verdammt!
Zornige Verwünschungen vor sich hinmurmelnd, von denen sie ganz sicher nicht gewollt hätte, dass sie Josh zu Ohren kamen, stapfte sie den Gang zur Halle entlang. Besser sie ließ gleich hier Dampf ab, bevor ihr Sohn noch ein paar Ausdrücke aufschnappte, die er sich eigentlich frühestens in zehn Jahren aneignen sollte.
Sie war genau in der richtigen Stimmung für eine Auseinandersetzung, als Sirius das Pech hatte, ihr in der Halle über den Weg zu laufen. Und offenbar verfügte er noch nicht einmal über einen besonders ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb, denn statt ihr schleunigst aus dem Weg zu gehen und ihr keine Veranlassung zu geben, ihn genüsslich in der Luft zu zerfetzen, sprach er sie auch noch an.
„Cathy, ich ..."
„Wie konntest du das zulassen?" fuhr sie ihn wütend an und ihre dunklen Augen sprühten Funken. „Du bist sein bester Freund, verdammt noch mal! Wie kannst du zulassen, dass er sich das antut? Wie kannst du ihm noch dabei helfen? Das ist barbarisch! Menschenunwürdig! Und er ist ein Mensch! Er ist KEIN wildes Tier! Also warum lässt du zu, dass er sich selbst auf eines reduziert!"
„Weil er es so wollte! Er hat dieses Mal keinen Banntrank gehabt, Catherine. Snape konnte sich nach der Sache in diesen Katakomben nicht darum kümmern, weil er ständig unter Beobachtung stand! Und Remus traut sich selbst nicht, weil er nicht weiß, wie der Wolf reagiert, wenn er nach der langen Zeit, in der er regelmäßig durch den Wolfsbann in Schach gehalten wurde, endlich mal wieder so richtig frei und ungehindert durchbrechen kann."
„Das ist Blödsinn, und das weißt du auch, verdammt noch mal!" schnappte sie. „Noch nie hat sich jemand bei helllichtem Tag verwandelt!"
„Da hast du vollkommen Recht, aber der Wolf ist dennoch präsent so kurz vor Vollmond. Und Remus will auf keinen Fall … Na ja, er hat Angst, dass…"
„Er fürchtet sich davor, wie Josh und ich reagieren könnten, wenn er sich etwas ungewöhnlich benimmt, ist es das? Er hat Angst, uns zu erschrecken!"
Angesichts der Schnelligkeit, in der ihr wütender Ausdruck sich verlor und sie plötzlich nur noch traurig und verletzt aussah, konnte er nur schlucken. „Himmel, Cathy, er liebt euch. Josh und du, ihr seid die wichtigsten Menschen in seinem Leben! Und der Gedanke, dass ihr euch vor ihm erschrecken könntet, vielleicht sogar Angst bekommt … Bisher hatte er in dieser Beziehung nie viel Glück. Bisher ist nahezu jede seiner ohnehin nicht besonders zahlreichen Beziehungen daran zerbrochen."
„An der Angst der Frauen oder an seiner Angst vor ihren Reaktionen?"
„Was? Wie meinst du das?" Aber insgeheim befürchtete er, nur zu genau zu wissen, wie sie es meinte. Und er befürchtete, dass diese wütende Frau dort vor ihm in ihrer Einschätzung gar nicht so falsch lag. Er erinnerte sich spontan an ein oder zwei Frauen, denen Moony nicht einmal die Chance eingeräumt hatte, sich bewusst für ihn zu entscheiden. Für ihn und den Wolf. Vielmehr war er vorher davon gerannt …
In Catherines Augen glänzten Tränen der Demütigung. „Es ist nicht leicht, mit jemandem zusammen zu sein, der einem nicht einmal so etwas Elementares wie Vertrauen entgegenbringt, meinst du nicht auch? Verdammt, Sirius, du behältst doch auch kein T-Shirt an, wenn du mit Evanna zusammen bist, aus Angst, deine Askaban Tätowierung könnte sie auf den Gedanken bringen, dass du vielleicht doch ein irrer Massenmörder sein könntest, oder?"
Er zuckte unter ihren Worten wie geschlagen zusammen, doch sie scherte sich nicht darum. Genauso wenig wie um die Angst, die plötzlich in seinen braunen Augen loderte. Sie war viel zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, um sie überhaupt zu bemerken.
„Und dabei ist diese Tätowierung doch genauso ein äußeres Zeichen dafür, was in deinem Leben schief gelaufen ist, wie die Veränderung, die Remus an Vollmond durchmacht. Ihr seid beide unschuldige Opfer der Umstände. Der Wolf ist ein Teil von ihm, Sirius. Ich verstehe, dass er für die Zeit der Transformation Vorsichtsmaßnahmen ergreifen muss – zumindest, wenn er keinen Wolfsbann hatte – immerhin bin ich ja nicht blöd. Aber dass er mir zutraut, mich von ihm abzuwenden, wenn er nicht immer der perfekte Gentleman ist – das kann ich einfach nicht akzeptieren!"
Erschrocken über den Schmerz in ihrer Stimme griff er nach ihrer Hand. „Um Himmels Willen, Catherine! Dieser Mann liebt dich bis zum Wahnsinn! Mach ihm das bitte nicht zum Vorwurf! Er will doch nur …"
„Mommy?" Josh stand plötzlich neben ihr und zupfte an ihrer Hand. „Wo ist denn Daddy, Mommy?"
Unter dem eisigen Blick, mit dem sie ihn streifte, bevor sie sich zu ihrem Sohn herabbeugte, wäre Sirius fast geschrumpft. Und er bewunderte sie dafür, dass ihre Stimme dennoch sanft und liebevoll klang, als sie die Frage des Knirpses beantwortete. „Er fühlt sich heute nicht gut, Schatz. Hast du denn auch ordentlich gefrühstückt? Und brav deine Milch getrunken?"
Der Versuch einer Ablenkung scheiterte kläglich. Ein flüchtiges Nicken, dann war Josh wieder bei seinem Lieblingsthema. Seinem Remus-Daddy. „Ist er in seinem Zimmer? Kann ich ihn besuchen?"
Catherines Lippen pressten sich zusammen, als sie den Kopf schüttelte. „Nein, er ist nicht hier. Deshalb müssen wir nachher allein in den Garten gehen. Morgen geht es ihm bestimmt besser und er kommt zurück. Willst du schon mal deinen Ball holen?"
„Okay." Mit hängenden Schultern trottete der Knirps zur Treppe. Ballspielen ohne Remus? Wo seine Mommy doch gar nicht mehr so schnell laufen konnte? Vermutlich sollte er doch lieber das Bilderbuch mitbringen…
„Ich habe meinen Sohn noch nie angelogen!" zischte Catherine wütend an Sirius gewandt und wischte sich mit dem Handrücken eine einzelne Träne von der Wange. „Und ich habe auch nicht vor, das zur Gewohnheit werden zu lassen! Also sollte dein bester Freund sich schleunigst ein paar Gedanken machen, wie er das in Ordnung bringen will! Denn ich werde seine idiotischen Versuche, uns aus diesem Bereich seines Lebens auszuschließen, auf keinen Fall tolerieren! Entweder, er will uns auch an Vollmond – oder gar nicht! In guten wie in schlechten Tagen, Sirius. Das ist etwas, das ich sehr ernst nehme!"
„Es ist doch nicht so, dass Remus dir nicht vertraut, Cathy", versuchte Sirius noch einmal die Wogen zu glätten. „Diese Sache – der Wolf – er hasst ihn so sehr, dass er sich einfach nicht vorstellen kann, dass jemand anders ihn einfach so akzeptieren könnte. Mit ihm leben könnte. In dieser Beziehung ist er furchtbar verunsichert."
„Nun, ich kann damit leben. Aber ob ich mit einem Mann leben kann, der einen wichtigen Teil von sich niemals mit mir teilen will…" Sie kämpfte gegen weitere Tränen an und gewann diese Schlacht. Aber ihre Stimme klang dennoch rau und gepresst, als sie sich – schon halb im Gehen begriffen – noch einmal umdrehte und Sirius in die Augen sah. „Remus wird sich entscheiden müssen. Ich liebe ihn. Ich liebe ihn mehr, als ich mir je hätte vorstellen können. Aber wenn ich ihn nicht ganz haben kann…"
Mit einen hilflosen Kopfschütteln ließ sie ihn stehen und stieß die Hintertür auf, die in den Garten hinaus führte.
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Sirius starrte Catherine hinterher und musste sich selbst gegenüber zugeben, dass sie vollkommen Recht hatte. Moony war ein Idiot. Er würde ein paar Takte mit ihm reden müssen – morgen, wenn der Freund sich von den Nachwirkungen seiner Transformation erholt hatte. Es wäre doch wirklich eine Schande, wenn Remus diese wunderbare Frau verlieren würde, nur weil er seiner Lycantrophie eine zu große Bedeutung in seinem Leben zugestand. Himmel Herrgott noch mal, Vollmond war EINMAL im Monat! Und er setzte deswegen die Chance aufs Spiel, JEDEN anderen Morgen neben Catherine aufzuwachen!
Er war so in Gedanken versunken, dass er Josh nur abwesend anlächelte, als dieser mit Ball und Bilderbuch an ihm vorbeiflitzte und seiner Mommy in den Garten folgte. Und erst Krummbeins Fauchen in Richtung Haustür machte ihm bewusst, dass dort schon mehrfach jemand geklopft hatte. Mit einem innerlichen Seufzer schob er den schweren Riegel zurück.
Der Anblick des frühen, unangemeldeten Besuchers ließ ihn allerdings finster die Stirn runzeln.
„Weißt du, Snape, die Tatsache, dass wir auf der gleichen Seite stehen und ich beschlossen habe, vorbehaltlos mit dir zusammen zu arbeiten, bedeutet nicht, dass ich dich unsagbar vermisse, wenn du dich nicht jeden Tag mindestens zweimal hier zeigst." Er schloss die Haustür hinter seinem Überraschungsgast. „Du darfst auch ruhig ein paar Tage länger wegbleiben, ohne dass ich vor Sorge um dich den Verstand verliere."
„Da gibt es ohnehin nicht viel zu verlieren, Black."
Der Besucher verzog keine Miene angesichts des unfreundlichen Empfangs. Stattdessen zog er ein Blatt Pergament aus einer der Taschen seines Umhangs. „Eine Abbildung des Hufflepuff-Bechers. Lupin erwähnte neulich, dass du so etwas brauchen würdest, um den Horcrux aufzuspüren. Und wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Dieser ist der Letzte. Aber Voldemort hat vor, neue Horcruxe zu erzeugen. Er hat mich vor knapp einer Stunde mit der Herstellung des Elixiers beauftragt, das er dazu benötigt. Es wird schon morgen fertig sein. Und er wird ganz sicher keine Zeit verlieren. Morgen Nacht wird er fünf Morde begehen und so seine Seele in weitere Teile aufspalten…"
Diese Nachricht ließ Sirius erstarren und ein kalter Schauer rann ihm den Rücken hinab. Verflucht und zugehext! Allerdings wäre er lieber gestorben, als diese Reaktion ausgerechnet Snape gegenüber sichtbar werden zu lassen.
„Sind dir und deinen Todesserfreunden etwa die Eulen ausgegangen?", spottete er stattdessen, wenngleich auch mit deutlich rauer Stimme, während er das Pergament entgegennahm und es eilig auseinander faltete, um einen Blick darauf zu werfen.
Harry hatte Recht gehabt, stellte er fest. Dieser Becher war wirklich ausnehmend hässlich ... Er blickte auf und bemerkte mit einiger Verblüffung die leichte Röte auf den Wangen seines Lieblingsfeindes, die Anspannung in seiner Haltung. Und dessen raschen Atem, den nervösen Blick, die zitternden Hände...
Angst?
Snape hatte Angst?
Himmel, der Kerl war doch normalerweise so kalt wie eine Hundeschnauze! JETZT war Sirius wirklich beunruhigt!
„Greyback schmiedet Rachepläne gegen Miss Rabastan. Ich habe vorhin zufällig ein Gespräch zwischen ihm und ihrem Bruder belauscht. Er ist fest entschlossen, sie in die Finger zu bekommen, weil er sie für Potters Flucht und damit indirekt für Naginis Tod verantwortlich macht. Und natürlich dafür, dass Voldemort ihn mit dem Cruciatus belegt hat. Und Emiliano Rabastan, dieser rückgratlose Feigling, hofft, dass Voldemort sein Versagen bei der Bewachung Ricas vergisst, wenn er ihm seine Schwester wieder ausliefern kann."
Das erklärte einiges. Auch wenn Sirius noch immer nicht verstehen konnte, warum Rica sich ausgerechnet Snape gegenüber so besorgt gab. Warum sie sich ausgerechnet zu diesem zwielichtigen Kerl hingezogen fühlte. Aber die Zuneigung beruhte offenbar auf Gegenseitigkeit ... Wer hätte gedacht, dass es eine Frau geben könnte, die Snapes verkümmertes Gefühlsleben zu solchen Höchstleistungen reanimieren könnte?
Bevor er jedoch eine seiner patentverdächtigen, spitzen Bemerkungen loswerden konnte, sprach dieser schon weiter.
„Sie habe irgendeinen Plan, um sich ihrer zu bemächtigen. Ich hielt es nicht für besonders klug, diese Information und die Abbildung eines HORCRUXES einer TODESSER-EULE anzuvertrauen. Sie würde länger brauchen und könnte verfolgt werden, und das würde den Verlust meiner Tarnung bedeuten. Und sie könnte dazu gebracht werden, euer Versteck preiszugeben."
Okay, hier war seine Chance zu einem verbalen Rundumschlag. Und Sirius konnte einfach nicht widerstehen. „Soll ich jetzt raten, welche dieser Möglichkeiten den Ausschlag für deine Entscheidung gegeben hat, uns heute früh mit deiner Anwesenheit zu beehren?"
Wieder ging Snape über die Bemerkung hinweg. „Ihr solltet ein paar Sicherheitsmaßnahmen ergreifen."
„Großer Gott, Snape! Dies ist der sicherste Platz, den man sich denken kann! Das Haus ist förmlich unter Schutzzaubern begraben. Hier kann niemand eindringen und einfach jemanden entführen oder töten. Das müsstest du eigentlich wissen."
„Zusätzlicher Schutz ist nie verkehrt, Black! Und ich habe ein verdammt mieses Gefühl bei dieser Sache."
Ja, ja, die Liebe … Innerlich feixend wollte Sirius gerade zu einer weiteren spöttischen Bemerkung ansetzen, als die Tür zum Garten plötzlich aufgestoßen wurde und Josh mit angstvoll aufgerissenen Augen und verheultem Gesicht auf ihn zustürzte.
„Onkel Sirius! Meine Mommy …"
Heftiges Schluchzen ließ ihn abbrechen und Sirius hockte sich instinktiv mit ausgebreiteten Armen auf den Boden und fing den kleinen Jungen auf, der sich ihm heftig weinend an die Brust warf.
Neben ihm sog Snape scharf die Luft ein, aber das bemerkte er kaum, weil er sich völlig auf das wimmernde Kind konzentrierte.
„Was ist mit deiner Mommy, Josh?" fragte er, während er den Kleinen bereits auf seine Arme hob und sich mit ihm in Richtung Garten aufmachte, dicht gefolgt von dem Tränkemeister, der plötzlich noch bleicher wirkte als gewöhnlich und dessen Lippen eine schmale, harte Linie bildeten. „Geht es ihr nicht gut? Ist es das Baby?"
„Nein." Josh schüttelte den Kopf und weinte womöglich noch lauter. „Sie ist weg, Onkel Sirius. Meine Mommy ist weg. Der böse, alte Mann mit den vielen Narben im Gesicht hat sie mitgenommen."
Verdammt, Cliff! Was tust Du denn schon wieder hier? Hast wohl eine feuchte Wohnung, was? Dieser Kerl ist sowas von nervig ...
Vergesst bitte die Reviews für unsere Bine nicht, okay? Sie braucht bestimmt ein bisschen Aufmunterung, wenn sie heute Nacht halbtot durch die Tür gekrochen kommt...
