Hallo Ihr Lieben! Wochenende! Und Zeit für ein neues Kapitel, sofern der liebe Gott und diese verrückte Seite hier es zulassen. Fast drei Tage ging ja gar nix, was uns fast zur Verzweiflung getrieben hat, als wir versuchten „Liebe und Muggelmagie" zu aktualisieren! Das war für uns so furchtbar, dass wir bereits begonnen haben, eine eigene Website zu programmieren! Das ist kein Witz! Aber jetzt geht es ja erst mal wieder – mal sehen, wann es das nächste Mal im Netzt kriselt ... Wir wünschen Euch jedenfalls viel Spaß in den Katakomben! Und vergesst die Kommis nicht, okay?
Die Katakomben
Harry schlug hart auf kaltem, steinigem Boden auf. Einen Augenblick lang presste ihm der Aufprall die gesamte Luft aus den Lungen. Er krümmte sich zusammen, das in Stoff eingewickelte, ominöse Päckchen fest umklammernd, als ginge es um sein Leben.
Es dauerte einen Moment, ehe er wieder einen halbwegs klaren Gedanken fassen konnte. Und dieser Gedanke beinhaltete nur eines – Ginny! Oh Gott, Ginny! Er musste zu ihr zurück! Sofort! Sie würde … Andrescu würde ... Er musste...
Mühsam versuchte er genügend Kraft zu sammeln, um vom Boden hochzukommen. Sein gesamter Körper war plötzlich bleischwer und es gab vermutlich nicht eine einzige Zelle darin, die nicht schmerzte. Aber schlimmer als die körperliche Qual war das wunde, hohle Gefühl in seinem Innern, als ihm klar wurde, dass er es nicht schaffen würde. Dass er nicht zurückkehren konnte. Wenn es dem Vampir gelungen war, ihn mit solcher Leichtigkeit aus seinem Reich zu befördern, wäre es auch keine Herausforderung für ihn, ihn an einer Rückkehr zu hindern. Kraftlos sank er in sich zusammen und kämpfte gegen die Tränen an, die in seiner Kehle aufstiegen.
Warum verlor immer er die Menschen, die er liebte? Seine Eltern, Dumbledore ... und jetzt – in einer einzigen Nacht – hatte dieser verdammte Vampir ihm auch noch Sirius, Vanna, Ron und Hermine genommen. Und Ginny ... Seine süße, anbetungswürdige Ginny ...
Anstatt zurück auf die Füße zu kommen schwankte er zwischen gnädiger Bewusstlosigkeit und quälendem Wachsein. Immer wieder drohten ihn die schwarzen Wellen seiner Verzweiflung förmlich zu ertränken. Wenn er doch einfach die Augen schließen und schlafen könnte ... vergessen könnte. Aber etwas hämmerte in seinem Schädel, etwas, das er weder ignorieren noch verdrängen konnte. Er musste etwas tun ... etwas Wichtiges ... Auch wenn er keine Ahnung hatte, worum es sich dabei handelte. Er wollte jetzt auch nicht darüber nachdenken! Alles was er wollte, war sich auf diesen kalten Steinen zusammenzurollen. Nicht mehr fühlen zu müssen...
Was machte es schon aus, ob er lebte oder starb? Was machte es aus, ob er hier einfach liegen blieb? Sein Leben war sowieso vorbei ... Er war mit Ginny gestorben. Alles, was jetzt noch von ihm blieb, war eine leere Hülle, die vermutlich irgendwann einfach auseinander fallen würde. Ein Gespenst. Er war nicht einmal mehr sicher, ob er überhaupt noch sichtbar war für andere Menschen ... Bis er hörte, wie jemand seinen Namen rief. Die Stimme, die durch seine Verzweiflung drang wie durch dichten, wabernden Nebel, klang seltsam vertraut. Und sie kam unerbittlich näher.
„Harry? Harry! Oh mein Gott! Wach auf! Bitte, du musst zu dir kommen!"
Wie durch dicke Watte drang die Frauenstimme in sein Bewusstsein und unwillkürlich kämpfte er gegen die Benommenheit in seinem Kopf an, während kühle, weiche Hände ihm über das Gesicht strichen. Da waren noch andere Stimmen im Hintergrund, Männerstimmen. Leise, besorgte Stimmen. Aber im Augenblick war er noch nicht in der Lage, sich auf sie zu konzentrieren. Im Moment war nur die Frau ihm nahe genug … vielleicht, weil sie diejenige war, die ihn berührte.
Seine Lider waren so unendlich schwer! Es war ein Kampf, die Augen zu öffnen und in das Licht der kleinen Laterne zu blinzeln, die auf einmal direkt neben seinem Kopf stand. Am liebsten hätte er einfach aufgegeben und sich in die tröstliche Bewusstlosigkeit zurücksinken lassen. Aber da war etwas, das er tun musste … eine Pflicht, die es zu erfüllen galt … wenn auch nicht mehr für ihn selbst …
Er blinzelte erneut, und die Frau, die bis dahin nur eine Stimme für ihn gewesen war, nahm Gestalt an. Langes, dunkelrotes Haar, grüne Augen, ein sanftes, besorgtes Lächeln … Sollte es … Konnte es sein …?
„Mom?" flüsterte er rau.
Aber bereits während er die Frage stellte, bemerkte er seinen Irrtum. Nein, das war nicht seine Mutter. Das hier war nicht Lily Potter. Seine Mutter war tot. Schon seit sechzehn Jahren. Tot, wie so viele andere Menschen, die ihm etwas bedeutet hatten. Die er geliebt hatte. Sein Dad, Dumbledore, Ron, Hermine, Vanna … … Sirius … und seine Ginny …
Heißer Schmerz stieg erneut in ihm auf und trieb ihm die Tränen in die Augen. Er hörte wieder Andrescus grausames Lachen. Die kalte, lauernde Stimme, mit der er ihn, Ron und Sirius aufforderte, sich zu entscheiden, ob sie lieber Ginny, Hermine oder Vanna opfern würden, um ihr Leben zu retten …
Eine unmenschliche, völlig unmögliche Wahl. Niemand von ihnen wäre bereit gewesen, eine solche Möglichkeit auch nur in Erwägung zu ziehen! Und das konnte nur eines bedeuten – sie waren tot. Andrescu hatte sie kaltblütig getötet.
Und ihn hatte er zurück geschickt. Vermutlich, weil er entschieden hatte, dass Voldemort den Kampf aller Wahrscheinlichkeit nach gewinnen würde. Und dass der Dunkle Lord dann das Privileg schätzen würde, den verhassten Gegner persönlich zu töten ... Bekanntlich war es ja immer klug, auf Seiten des Siegers zu stehen. So etwas wirkte sich schließlich ausgesprochen positiv auf das eigene Überleben aus …
Harry schloss die Augen, unfähig gegen den neuaufwallenden Schmerz anzukämpfen. Überleben – ha! Wozu denn noch? Er wollte einfach nur noch sterben.
Aber nicht einmal der Tod kam, wenn man ihn herbeisehnte. Mit einem rauen Schluchzen, das er kaum durch den Hals brachte, schlug er endgültig die Augen auf. Er befand sich in einem großen Raum mit einer hohen, spitzbogenverzierten Decke ... Hölzerne Bankreihen ... ein Altar mit einem großen Kreuz darüber ... eine Kirche? Andrescu hatte ihn in einer KIRCHE abgeladen? Aber ...
„Er ist wach!" rief die Frau und ihre Hand legte sich prüfend auf seine Stirn.
Jetzt erst erkannte Harry die Stimme. Das war Rica, die sprach! Aber wie konnte das sein? Rica war doch in England! Sie wollte heute Nacht mit Remus und Snape in die Katakomben! Um Catherine zu retten …
Himmel, war der Kampf gegen Voldemort an sich nicht schon schwer und verlustreich genug? Musste es solchen grausamen Kreaturen wie Greyback und Andrescu auch noch gelingen, noch mehr Opfer zu fordern?
„Harry!"
Es war dieses Mal eine männliche Stimme, und durch den sich langsam lichtenden Nebel in seinem Kopf glaubte Harry Remus zu erkennen. Mühsam hob er den Kopf ... und schluckte unwillkürlich.
Sein ehemaliger Professor und mittlerweile väterlicher Freund sah einfach furchtbar aus. Die Sorge um Catherine hatte ihn binnen Stunden um Jahre altern lassen. Er wirkte blasser, dünner und mitgenommener als nach jedem Vollmond, den Harry miterlebt hatte.
„Habt ihr ... habt ihr Catherine gefunden?" fragte der Junge nach mehrmaligem Schlucken mit kratziger Stimme.
Remus' Augen verdunkelten sich und er schüttelte müde den Kopf. „Nein. Es … ist noch nicht Zeit. Greyback hat den Eingang zu den Katakomben mit einem temporären Verschlusszauber gesichert. Wir kommen erst in ein paar Minuten hinein. Wie geht es Dir, Harry? Und wo ist Sirius?"
Die Art, wie Harry ihm in diesem Moment mit seinem Blick auswich, sagte mehr, als er eigentlich wissen wollte. Mehr, als er glaubte, ertragen zu können. Remus taumelte unter dem neuen, heftigen Schlag. „Oh mein Gott", flüsterte er tonlos.
„Nicht nur Sirius." Diese Worte waren nicht mehr als ein kratziges Flüstern, kaum zu verstehen und von Tränen erstickt, die erbarmungslos an die Oberfläche drängten. Und Harry hatte einfach keine Kraft mehr, dagegen anzukämpfen. „Voldemort hatte den letzten Horcrux einem Vampir zur Aufbewahrung übergeben ... Und der hat sie getötet. Alle. Sirius, Vanna, Ron, Hermine und ... Ginny!" Er schluchzte, ehe er ihren Namen wiederholte. „Ginny! Oh mein Gott! Sie wollten uns helfen. Uns retten! Und er hat sie einfach umgebracht ..."
In diesem Augenblick hatte er nichts mehr von dem entschlossenen 17-jährigen, den Remus und die Anderen kennen gelernt hatten. Er weinte wie ein Kind, während Rica ihn sanft hin und her wiegte und leise auf ihn einsprach, obwohl auch ihr die Tränen über die Wangen rannen.
Remus und Snape, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hatte, wechselten einen stummen Blick. Remus mit unendlichem Grauen – und selbst der sonst so emotionslose Tränkemeister wirkte nicht mehr ganz so selbstsicher, wie er es sonst tat.
Doch er fasste sich schließlich als Erster.
„Potter?"
Als Harry nicht reagierte gebrauchte er die typische Lehrer-Stimme, die er immer im Unterricht benutzte, und die normalerweise jeden im Umkreis von zwanzig Metern zusammenzucken ließen. „POTTER!" donnerte er.
Remus setzte bereits zum Sprechen an, um ihn zornig darauf hinzuweisen, dass dieser Tonfall dem ohnehin schon angeschlagenen Jungen gegenüber nun wirklich überflüssig und unangebracht war – Merlin! – als Harrys Schluchzen zu seiner Verwunderung tatsächlich verstummte.
Es dauerte zwar noch ein paar Atemzüge, aber dann hatte er sich so weit gefasst, dass er sich selbstständig aus Ricas Armen befreite und sich schwankend aufsetzte. Er fasste sich in einer fahrigen, unbestimmten Geste an den Kopf, in dem Versuch den Schwindel zu bändigen, der ihn bei der ruckartigen Bewegung ergriff. Und genau bei dieser Geste rutschte das Päckchen neben ihm auf die Erde, das er bis dahin immer noch unbewusst umklammert hatte.
Snapes Augen folgten dem Bündel, ehe er leise fragte: „Was ist das?"
„Ich weiß nicht." Harry starrte das Bündel an, nahm es zum ersten Mal bewusst wahr.
„Was heißt, Sie wissen es nicht, Potter! Sie hatten es bei sich, bei Merlins Barte!"
„Andrescu ... der Vampir warf es mir zu, bevor er … bevor er ..." Er verstummte und kämpfte erneut gegen die Tränen.
Snape, wieder vollkommen in seiner alten Rolle, schnaubte nur missbilligend, ehe er das Päckchen aufhob und den Stoff auseinander schlug. Seine Augen weiteten sich überrascht.
„Für einen Feind macht dieser Kerl aber teure Geschenke."
„Wie bitte?" Etwas in seiner Stimme veranlasste Harry, den Kopf zu heben.
„Er hat Ihnen den Horcrux verehrt, Potter. Und außerdem befindet sich Ihr Zauberstab in diesem Päckchen." Er warf ihm das Instrument zu. „Und ein völlig verdreckter Fetzen, der wohl ehemals Ihr Tarnumhang war."
„Den Horc… ? Aber … aber wieso …?" Fassungslos starrte Harry auf den hässlichen, goldenen Becher, der, noch immer halb in das Tuch eingeschlagen, in der Hand des Tränkemeisters lag.
Eine schwarze Augenbraue wanderte in die Höhe. „Das wollte ich eigentlich gerade Sie fragen."
Verwirrt starrte Harry auf das Gefäß. Seine Gedanken rasten. „Er … er erwähnte etwas davon, dass er kein direkter Anhänger des dunklen Lords mehr sei. Dass er nur noch sich selbst die Treue halten würde …"
Und vermutlich hatte er sich ausgerechnet, überlegte der Junge weiter, dass es weitaus befriedigender und unterhaltsamer sein würde, ihn – Harry – am Leben zu lassen und zu sehen, ob sich die Prophezeiung erfüllen würde, als ihn mit seinen Freunden zusammen einfach umzubringen … Dieser Vampir hatte wirklich eine ziemlich perfide Art von Humor! Außerdem zahlte es sich vielleicht seiner Meinung nach aus, zweigleisig zu fahren … Sozusagen als Absicherung...
Herrgott, glaubte er etwa allen Ernstes, Harry würde ihm im Falle eines Sieges dankbar sein? Würde vergessen, dass dieses Monster seine Freunde …
Erneut schnitt der Schmerz wie ein Messer durch ihn hindurch.
Nicht daran denken! Er durfte nicht daran denken! Nicht jetzt! Diese furchtbare Nacht war noch nicht vorüber und jetzt ging es erst einmal um den Rest seiner Familie … um Catherine und ihr Baby … sie durften doch nicht auch noch sterben! Und danach war Voldemort an der Reihe. Und wenn er das überlebte, hatte er Zeit zum Trauern. Und er hatte Zeit, um …
‚Andrescu, du widerliches Monster, sieh dich vor! Eines Tages werden wir uns wieder begegnen …'
Er schluckte, straffte dann entschlossen die Schultern und begrüßte die heiße, brodelnde Wut, die beim Gedanken an den Vampir in ihm aufgestiegen war. Die das Blut schneller durch seine Adern pulsieren ließ und ihm neue Kräfte verlieh. Zorn war besser als Trauer und Schmerz. Zorn machte stark und entschlossen, nicht schwach und hilflos. Er blickte zu Remus auf, der noch immer erschreckend bleich war, aber den gleichen harten, kriegerischen Ausdruck im Gesicht hatte, den er vermutlich selbst zur Schau trug.
„Wie lange dauert es noch, bis der Zugang zu den Katakomben sich öffnet?"
„Nur noch ein paar Minuten. Aber Harry, du musst nicht …"
„Doch", unterbrach er den Anderen mit ruhiger Stimme. „Ich muss. Was sollte ich denn sonst tun? Wo sollte ich denn hingehen, Remus? Die einzigen Menschen, die mir noch geblieben sind, sind hier. Und, bei Merlin, ich werde nicht zulassen, dass heute Nacht noch ein Mitglied meiner Familie wehrlos abgeschlachtet wird!"
Remus atmete tief durch, bevor er zögernd nickte. „Dann halt' dich an Snape, versprichst du mir das? Bleib' in seiner Nähe! Er weiß, was zu tun ist."
Etwas in seinem Ton machte Harry stutzig. Fragend blickte er zu seinem ehemaligen Zaubertranklehrer hinüber, aber dessen Gesicht war – wie gewöhnlich – nichts zu entnehmen. Die schwarzen Augen blickten so gleichgültig und verschlossen wie eh und je. Er erweckte sogar eher den üblich genervten Anschein, als ginge es ihm gehörig gegen den Strich, schon wieder als Babysitter zu fungieren, so wie im Unterricht. Also wendete er sich wieder dem väterlichen Freund zu. Grüne Augen bohrten sich förmlich in Graue. Und als der Ältere schließlich den Blick senkte, packte Harry ihn kurzerhand am Revers seines Umhanges und zwang ihn zu erneutem Augenkontakt.
„Ich werde jetzt nicht mit dir diskutieren. Schon allein deshalb nicht, weil wir dafür vermutlich auch gar keine Zeit haben. Aber eines ist ganz sicher – NIEMAND aus meiner Familie wird heute Nacht mehr sterben! NIEMAND! Hast du mich verstanden, Remus?"
Und mit diesen Worten drehte er sich zu der Pforte hinter dem Altar um, die genau in diesem Moment kurz aufleuchtete, und richtete gleichzeitig mit Rica, die das Ende des temporären Sperrzaubers wohl auch bemerkt hatte, seinen Zauberstab darauf.
„Aloho…"
„BOMBADA!"
Das Krachen und Splittern des Holzes war noch nicht verklungen, als Harry bereits in den aufgewirbelten Staubwolken verschwand.
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Als er das letzte Mal in diesem Drecksloch gewesen war hatte Harry – das musste er ehrlich zugeben – nicht besonders auf seine Umgebung geachtet. Damals war ihm nur wichtig gewesen, Rica und Ginny so schnell wie möglich heraus zu schaffen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er genau den gleichen Weg entlang lief, den Snape ihm und Ginny gewiesen hatte, um aus den Katakomben heraus zu kommen. Nur, dass sie nicht in der Kirche direkt herausgekommen waren, sondern durch ein schmale Nebenpforte, die sich allerdings nur von innen magisch öffnen ließ, in eine schmale Seitengasse geschlüpft waren. Und vor dort aus war ja Seidenschnabel ihr Transportmittel gewesen...
War das tatsächlich erst wenige Wochen her? So viele Dinge hatten sich seitdem verändert...
‚Nicht jetzt, Harry. Denk jetzt nicht daran. Denk an das, was getan werden muss. Denk an Catherine. Ihr müsst sie finden. Ihr müsst sie hier herausholen!'
Diesmal erschien ihm der Gang nicht so lang und dunkel wie noch vor ein paar Wochen. Der Unterschied bestand wohl darin, dass er diesmal nicht auf der Flucht war, sondern wissentlich in eine Gefahrensituation hineinlief. Und vermutlich auch darin, dass er der Begegnung mit dem alten Werwolf geradezu entgegenfieberte. Er war Greyback schon in der Nacht begegnet, in der Professor Dumbledore starb. Und sein Hass auf ihn war noch gewachsen, als er sich später daran erinnerte, dass ausgerechnet er Remus mit der Lycantrophie infiziert hatte. Aber beide Gründe verblassten vor der Ungeheuerlichkeit der Entführung einer hochschwangeren Frau. Nur, um sie als Druckmittel zu verwenden. Und um mit Hilfe dieses Druckmittels eine andere Frau und einen sehr guten Freund ermorden zu können ...
Verdammt, er würde nichts lieber tun, als dieses verdammte Monster in die Steinzeit zurück zu hexen!
Hinter sich hörte er die leichten Schritte von Rica und die etwas schwereren von Snape und Remus. Keiner von ihnen schritt zögernd oder zaghaft aus. Dazu blieb ihnen auch gar keine Zeit. Nicht einmal mehr dreißig Minuten bis Mitternacht ... Und zu dieser Zeit würden Greyback und Remus sich verwandeln. Und so wenig es Harry stören würde zuzusehen, wie sein ehemaliger Professor diese Bestie zerriss, so wenig würde Remus damit klarkommen, seine Freunde und die Frau, die er liebte, zu gefährden.
Am besten wäre es, wenn sie die Katakomben zu diesem Zeitpunkt schon verlassen hätten. Und wenn Remus noch genug Zeit bliebe, zum Grimmauldplatz zu apparieren und sich im Keller zu verbarrikadieren.
Das war das Ziel. Der ideale Ablauf.
Allerdings hatte es in Transsylvanien auch einen idealen Ablauf gegeben. Geplant war, unerkannt in das Schloss zu kommen, den Becher zu finden und damit zu entkommen. Rein und raus. Das Resultat hatte allerdings ganz anders ausgesehen...
‚Nicht jetzt, Harry. Nicht jetzt. Später, wenn alles vorüber ist, kannst Du darüber nachdenken ... Wenn Catherine gerettet ist ... und Voldemort besiegt ... Falls es jemals dazu kommt ... Aber nicht jetzt!'
Je näher sie dem großen Raum kamen, von dem die feuchte Zelle abging, in der er und Ginny gefangen gewesen waren, desto angespannter wurde er. Immer war er sich gegenwärtig, dass hinter jeder Unebenheit in der Mauer, in jeder Nische ein äußerst gefährlicher Werwolf lauern konnte, der kurz vor der Verwandlung stand. Oder ein anderer Todesser.
Oder gar Voldemort persönlich.
Nun, falls dieser hier auftauchte, würde er es zumindest als normaler Sterblicher tun müssen, denn der letzte Horcrux befand sich ... Ach du Schreck, er befand sich noch immer in Snapes Obhut! Allerdings war Snape kaum fünf Schritte hinter ihm und er – Harry – würde das Seelengefäß vermutlich problemlos zerstören können, wenn es darauf ankam...
Einer inneren Eingebung folgend verhielt Harry im Schritt und wandte sich zu Snape um, der direkt hinter ihm war. „Professor? Geben Sie mir bitte den Horcrux."
Und zu seiner Verwunderung reichte der Angesprochene ihm das Gewünschte sofort und er kam sich augenblicklich dumm vor. Irgendwie hatte er fest damit gerechnet, dass sich der Tränkemeister weigern oder zumindest eine fadenscheinige Ausrede finden würde. Und so wie Snape ihn ansah, schien er zu wissen, was Harry gedacht hatte. Innerlich eine Grimasse schneidend nahm er den erneut in Stoff eingeschlagenen Becher entgegen und stopfte ihn unter seinen Umhang. Dann setzte er den Weg endlich fort.
Der Gang war zuende und vor ihm tat sich der große Raum mit den Fackeln an den Wänden auf. Und noch immer war keine Spur von Greyback zu entdecken. Aber dafür hörte er verzweifeltes Schluchzen hinter der Tür der Zelle. Merlin sei Dank! Catherine war am Leben!
„Alohomora Tresoreus!" murmelte er.
Snape, der gemeinsam mit Remus den Raum mittels eines schnellen Rundgangs durchsucht hatte und der jetzt mit kampfbereit gezücktem Zauberstab an der anderen Holztür Position bezog, hinter der noch vor kurzem die Todesser-Quartiere gelegen hatten, während der andere Mann zu Harry hinüberstürzte, um seine Frau in Empfang zu nehmen, warf dem Sohn seines ehemaligen Lieblingsfeindes einen anerkennenden Blick zu. Und er wunderte sich höchstens eine Sekunde lang, dass er so etwas Unsinniges wie Anerkennung für James Potters Sohn so leicht aufbrachte …
„Eines muss man Ihnen lassen, Potter! Sie haben tatsächlich eine schnelle Auffassungsgabe", bemerkte er leise.
Der Junge zuckte lediglich die Achseln als Reaktion auf dieses unerwartete Kompliment des Tränkemeisters, ohne den Blick von dem schweren Riegel zu lösen, der entnervend langsam durch die stählernen Ösen glitt. Sein Zauberstab war auf die Türöffnung gerichtet. Er traute Greyback alles zu, auch dass er sich gemeinsam mit seiner Geisel in einer Zelle einsperrte.
„Man vergisst selten einen Zauber, der einem einmal das Leben gerettet hat, Sir."
Das heftige Schluchzen hinter der Tür war verstummt, dafür erklang jetzt ein langgezogenes, schmerzerfülltes Stöhnen. Verdammt, wie lange dauerte es denn, diesen verdammten Riegel zu öffnen? Catherine hatte offenbar Schmerzen! Und sie standen hier herum und konnten nichts tun ... Er warf Remus neben sich aus den Augenwinkeln einen raschen Blick zu, registrierte dessen Anspannung, die Art, wie seine Finger sich nervös um den Zauberstab schlossen, und war sich in diesem Augenblick hundertprozentig sicher, dass dieser die Tür am liebsten aus den Angeln gerissen hätte.
Himmel, er konnte die Nervosität des Älteren nur zu gut nachvollziehen! Die wenigen Wochen, die er Catherine Spencer bisher kannte, hatten genügt, um sie ins Herz zu schließen. Sie verkörperte in seinen Augen die perfekte Partnerin für Remus. Eine Frau, die mit Leib und Leben für ihre Überzeugungen einstand. Die sogar in schwangerem Zustand mit Riesenschlangen kämpfte und nicht zuließ, dass der Mann, den sie liebte, seine Lycantrophie zwischen sie kommen ließ.
Ja, er bewunderte sie wirklich! Und er mochte sie, liebte sie als Teil seiner Familie. Und er würde alles was in seiner Macht stand tun, um sie sicher hier heraus zu bringen. Um sie UND REMUS vor Mitternacht sicher hier heraus zu bringen. Ehe die Situation ihm erneut aus den Händen glitt. So wie in Andrescus Schloss.
Als die Tür schließlich aufsprang wäre Harry am liebsten sofort in den dunklen Raum gestürmt, etwas, das der sonst so besonnene, vorsichtige Werwolf offenbar auch für eine gute Idee hielt. Aber der Junge nahm sich zurück und ließ seinem ehemaligen Lehrer den Vortritt. Und angesichts der Art, wie dieser, nachdem er die Zelle mit einem heiseren „Lumos" erleuchtet hatte, vor der zitternden, auf dem kalten Steinboden zusammengerollten Frau in die Knie sank und sie behutsam in seine Arme zog, angesichts ihres haltlosen Schluchzens, mit dem sie sich an ihn klammerte, stiegen ihm ebenfalls die Tränen in die Augen.
Remus strich Cathy mit zitternden Händen das schwarze Haar aus dem Gesicht und flüsterte leise und beruhigend tröstende Worte. Sein Herz krampfte sich zusammen bei ihrem Anblick. Bleich, schmutzig, nass, frierend. Und dann war da dieser Ausdruck in ihren Augen, die in Tränen förmlich zu schwimmen schienen. Dieser Ausdruck eines gehetzten Tieres. Wut stieg in ihm auf, heiß und verzehrend. Aber er beherrschte sich mühsam. Cathy brauchte jetzt nicht noch einen tobenden Werwolf, der sie in Angst und Schrecken versetzte. Sie brauchte … ihn! Und er würde für sie da sein, jede Minute, die sie rasch herannahende Mitternacht ihm ließ.
Rica ging es offenbar ähnlich wie Harry. Ihre grünen Augen glitzerten ebenfalls feucht. Und sie drehte sich diskret weg, als Remus Catherines bleiches, tränennasses Gesicht mit sanften Küssen bedeckte und ihr immer wieder zuflüsterte, wie sehr er sie liebte und dass sie vollkommen Recht gehabt hätte ... dass er sich nicht in diesem Keller hätte verkriechen dürfen, weil Greyback sie doch nur deswegen ...
Mit einem leisen Seufzer legte Rica dem Kopf an Snapes Schulter, nicht fähig gegen diesen inneren Drang, seine Nähe zu suchen anzukämpfen, und lächelte leicht und mit deutlicher Bewunderung im Blick, als Catherine Remus' Selbstvorwürfe schließlich unterbrach.
„Hör auf! Du bist nicht Schuld an den Dingen, die andere tun! Und du bist auch nicht für meine Handlungen verantwortlich! Ich hätte dich nicht unter Druck setzen dürfen, mich nicht so in meinen Ärger hineinsteigern dürfen … hätte das Grundstück nicht verlassen dürfen, als der Ball ..." Sie schluchzte erneut auf. „Wie geht es Josh? Remus, wie geht es meinem kleinen Jungen? Ist er …?"
„Shhhhh. Alles ist gut, Schatz. Ihm ist nichts geschehen. Er ist in Sicherheit." Er wechselte einen kurzen Blick mit Harry, der seltsam steif nickte. Oh ja, Josh ging es gut. Glücklicherweise. Er war als Einziger wirklich im Grimmauldplatz geblieben. Im Gegensatz zu … Hastig wandte er ihnen den Rücken zu, um die neuen Tränen zu verbergen.
Cathys Erleichterung war bei Moonys Worten fast körperlich spürbar. Sie atmete einmal zitternd durch, ehe sie leise fortfuhr: „Es tut mir so leid, Remus. Ich habe einfach nicht nachgedacht. Und dann stand plötzlich dieser ... dieser schreckliche, narbige Mann vor mir. Er hat mich geschlagen. Und er ... er sagte, dass ich ihm dazu verhelfen würde, dich und Rica ..."
Sie unterbrach sich, ihr gesamter Körper schien sich anzuspannen und sie stöhnte wieder gepeinigt auf. „Oh! Oh Gott, Remus, das Baby! Das Baby … es kommt! Die Abstände zwischen den Wehen sind schon so furchtbar kurz ..."
„Merlin, Cathy ... " Schreckensbleich starrte Remus sie an. Wehen ... das Baby ... Sie musste zu einem Heiler. Oder wenigstens zu Madam Pomfrey!
„Schaff sie hier raus, Moony!" Harry benutzte zum ersten Mal den Spitznamen des väterlichen Freundes und seine Stimme klang drängend. Er hatte Cathys Worte gehört und sie hatten ihn augenblicklich in Alarmbereitschaft versetzt. „Bring sie hier raus, wir anderen decken euch. Es ist noch fast eine Viertelstunde bis Mitternacht. Wir können es noch rechtzeitig bis zum Ausgang schaffen! Und dann apparierst du euch zurück zum Grimmauldplatz und hast sogar noch Zeit, in den Keller zu kommen! Mrs. Weasley wird da sein. Oder Madam Pomfrey. Vanna und … sie hätten Josh nie allein zurückgelassen! Aber wir müssen JETZT los!"
Er nickte hastig und wandte sich mit seiner Last dem Ausgang zu. Nicht einmal im Traum hätte er erwogen, sie abzusetzen! Eine Viertelstunde noch! Fünfzehn Minuten ... Sie konnten es tatsächlich noch schaffen!
Er war schon fast an der Tür, die in den Gang hinausführte, als eine neue Stimme erklang und etwas Festes, Stinkendes, Unsichtbares ihnen den Weg versperrte.
„Aber, aber! Wo zum Troll willst du denn mit meiner süßen, kleinen Beute hin, Schosswolf? Ausgerechnet jetzt, wo es interessant wird! Ich habe schon so lange kein Neugeborenes mehr gekostet! Oh, all dieses süße, unschuldige Blut!" Greybacks höhnische Stimme durchschnitt die feuchte Kerkerluft wie eine eisige Klinge und Remus erstarrte mitten in der Bewegung, während Catherine erschrocken aufschrie.
Ihre hilflose Panik angesichts der Worte des alten Werwolfs ließ Remus beinahe durchdrehen. Kampfbereit spannte er sich an. Was auch geschehen würde, er würde sie und das Baby bis zum letzten Atemzug verteidigen!
Catherines Schock wurde mit lautem, höhnischem Gelächter quittiert. „Ist es nicht erstaunlich, welche Resultate man erzielen kann, wenn man die Sicherheit mal außer Acht lässt und für einen Augenblick ein paar Anti-Apparationszauber aufhebt?"
Und im gleichen Moment materialisierten sich mehrere Personen im Raum.
Fenrir Greyback, der mit einem fiesen Grinsen in seiner narbigen Fratze den Durchgang blockierte, der den einzigen Fluchtweg darstellte, und dessen Zauberstab direkt auf Catherines gewölbten Leib wies.
Emilio Rabastan, dessen Zauberstab drohend auf seine Schwester und Snape gerichtet war, der sie beschützend hinter sich gezogen hatte, während ein fieses Grinsen das Gesicht des Todessers verzerrte.
Peter Pettigrew, der sich mit einem fiesem Grinsen und seinem Zauberstab zwischen den dicklichen Fingern der rechten, nicht silbrig schimmernden Hand etwas abseits aufbaute und der – wie Harry flüchtig bemerkte – in den dreieinhalb Jahren, die seit ihrer letzten Begegnung vergangen waren, nicht eben größer, schlanker oder ansehnlicher geworden war.
Und ... Bellatrix Lestrange! Die verhasste, mörderische Cousine seines Paten, deren bloßer Anblick Harry beinahe vor Wut und Hass explodieren ließ. Und während er zum zweiten Mal in seinem Leben in diese kalten, wahnsinnigen, schwarzen Augen starrte, die er seit seinem fünften Schuljahr in so unendlich vielen Albträumen gesehen hatte und in denen er auch jetzt seinen Tod lesen konnte, hätte er beinahe Greybacks nächsten Satz verpasst.
„Tja, dann kann die Party wohl beginnen, nicht wahr?" verkündete der alte Werwolf und lachte heiser. „Und wisst ihr, was wirklich schade ist? Dass Lord Voldemort in Kürze hier eintreffen wird. Und dass dann keiner von euch mehr am Leben sein wird, um ihn würdig zu begrüßen."
Und da ist er wieder! Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass Ihr unseren Freund Cliff schon schmerzlich vermisst habt und Euch jetzt riesig über sein Auftauchen freut. Oder aber, dass Ihr an unsere Vereinbarung denkt und ihn mit einem falschen Lächeln toleriert ... Zumal er im nächsten Kapitel auch noch Unterstützung bekommen wird, dieser Schlingel.
