Kapitel 5

In den nächsten vier Wochen, war Ingelside mit Vorbereitungen erfüllt. Nan und Di würden im September wieder ans College nach Kingsport gehen und bis dahin mussten Koffer gepackt und Bücher hervor geholt werden. Doch obwohl im Haus eine rege Betriebsamkeit herrschte, war es auch seltsam still. Die Jungs waren alle fort und das machte sich jetzt bemerkbar.

Anne hatte Angst davor, wie es sein würde, wenn auch die Zwillinge fort waren. Manchmal saßen sie alle zusammen im Wohnzimmer und plauderten. Wenn ein Brief von den Jungs kam, lasen jemand von ihnen ihn laut vor. Jedes mal waren es unterschiedliche Arten von Briefen.

Jem zum Beispiel schrieb sehr sachlich und berichtete über die Aufgaben ihrer Truppe. Erst ganz am Schluss fragte er nach den Familienmitgliedern oder schrieb, dass er den Duft von Susans Apfelkuchen vermisste. Anscheinend wollte er es nicht zulassen, dass Heimweh zu sehr in seinem Herzen aufkam.

Walters Briefe waren das ganze Gegenteil. Er schrieb so gut wie nie über den Krieg, sondern plauderte mehr. So als wolle er den Krieg vergessen, wenn er nachhause schrieb.

Shirleys Brief platzen vor Begeisterung, besonders als man ihm in Aussicht gestellt hatte wirklich zur Fliegerstaffel zu kommen. Das alles schien ein einziges Abenteuer für ihn zu sein.

An einem nebligen Septembermorgen fuhr Gilbert die Zwillinge zum Bahnhof. Anne und Rilla hatten sich schon zuhause von den beiden verabschiedet. Bevor sie in den Wagen stiegen, hatte Nan die kleine Schwester beiseite gezogen und geflüstert.

„Hab bitte ein Auge auf Mama, seit die Jungs fort sind, ist sie immer so bekümmert und besorgt. Versprich mir ihr nicht zusätzlichen Kummer zu bereiten."

„Hab ich Mama schon mal Kummer bereitet?" fragte Rilla entrüstet.

„Nicht wirklich, aber du solltest es auch nicht tun. Schon gar nicht jetzt." Nan wuschelte ihr durch den Kopf.

Mehr denn je fühlte sich Rilla wie das kleine Mädchen. Niemand hier schien zu bemerken, dass sie schon fast erwachsen war. Jeder nannte sie nur Kleine und Nan hatte sogar Angst, dass sie noch so kindisch wäre und Mama jetzt Kummer bereiten würde. Als wenn sie, Rilla Blythe, nicht wie eine Erwachsene mit der Situation umgehen könnte.

Wütend reckte Rilla ihr Kinn empor, als sie jetzt zusah, wie ihre beiden Schwestern davon fuhren. Sie würde es allen zeigen, dass sie kein kleines Mädchen mehr war, schließlich war sie schon fünfzehn.