Kapitel 8

Gilbert drehte sich im Bett um und bemerkte blinzelnd, dass Anne nicht im Bett war.

„Anne?" murmelte er verschlafen.

Er sah sich im Zimmer um und konnte sie nirgends entdecken. Die Zimmertür stand einen Spalt offen. Verwundert richtete er sich im Bett auf und lauschte. Nichts war im Haus zu hören. Er stand auf, zog seinen Morgenmantel auf und sah zur Tür hinaus.

Immer noch hörte er keinen Ton. Sein Blick glitt auf die andere Seite des Ganges, da bemerkte er, dass die Tür zum Dachboden ebenfalls offen stand.

Anne saß im Schneidersitz auf dem Boden und blickte aus der kleinen Dachluke hinaus. Leise trat Gilbert an sie heran und berührte sacht ihre Schulter.

„Anne, was ist los?"

Sie drehte ihm den Kopf zu und im Mondlicht sah er die Tränen, die an ihren Wangen hinunter glitten.

„Gil!" Sie versuchte die Tränen wegzuwischen, doch es waren zu viele, so dass sie den Ärmel ihres Nachthemds durchnässten.

„Was ist denn, mein Liebling?" fragte Gilbert erschrocken und fiel neben ihr auf die Knie.

„Ich konnte nicht schlafen und habe ein wenig in Erinnerungen geschwelgt. Sieh mal, " mit dem Finger zeigte sie aus dem Fenster. „Ist unser Traumhaus nicht immer noch so hübsch, wie damals?"

Auch Gilbert blickte jetzt aus dem Fenster, während er seinen Arm um ihre Schulter legte.

„Ja, es hat sich überhaupt nicht verändert", antwortete er leise. „Nur die Bäume im Garten sind größer geworden." Einen Moment lang sahen beide schweigend zu dem schlafenden Haus hinüber.

„Anne, warum konntest du nicht schlafen?" Fragte er dann plötzlich und drehte sanft ihr Gesicht zu sich selbst. Ihre grau-grünen Augen hatten immer noch das gleiche Glitzern, wie sie es mit 13 hatten, als er sie das erste mal sah, während eine Schiefertafel auf seinen Kopf niedersauste und damit sein Herz eroberte.

„Glaubst du an Vorahnungen, Gil?"

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Ich wusste gar nicht, dass du abergläubisch bist, Karotte. Sollte das ein Zug an dir sein, denn ich all die Jahre übersehen habe?"

„Nein, es ist mein Ernst, Gil. Ich hatte einen Alptraum und seither habe ich dieses klamme Gefühl in meinem Bauch, dass irgendetwas geschehen wird. Ich weiß es ist albern, aber ich kann es nicht vergessen."

Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, als er sie noch näher in seine Arme zog.

„Was hast du geträumt?"

„Ich weiß es nicht mehr richtig. Ich kann mich nur erinnern, dass es um den Krieg ging und das unsere Söhne darin vorkamen…." Erneut brach ein Schwall Tränen aus ihren Augen hervor.

„Anne, bitte mach dir keine Sorgen. Ich bin sicher, dass es nur ein Traum war." Versuchte er sie zu beruhigen, während er sie fest in seinen Armen hielt.

„Du hast bestimmt Recht, Gil. Das hoffe ich jedenfalls." Antwortete Anne und klammerte sich an ihn.

Das hoffe ich auch, dachte Gilbert und strich ihr zärtlich über das rote Haar.