Disclaimer: Ein Teil der vorkommenden Namen ist eingetragenes Warenzeichen von Paramount Pictures.

VII

In der Gegenwart...

Als Counselor Deanna Troi zu ihrer Frühschicht die Brücke betrat, wurde sie schon von einem höchst unglücklich dreinblickenden Commander Riker erwartet, der auf dem Kommandosessel saß. Sie nickte ihm zur Begrüßung zu und kam dann ohne Umschweife zur Sache: "Was ist passiert?" Er seufzte auf. "Eben hat sich Hayes wieder gemeldet. Er ist in zwei Tagen hier. Was geht hier nur vor? Mir scheint es, als würde er sich besonders beeilen hier anzukommen. Aber was verspricht er sich? Wie dem auch sei, Sie haben nur noch zwei Tage Zeit, den Captain psychologisch zu stabilisieren." Sie schüttelte leicht den Kopf, daß ihre schwarzen Locken sich schwungvoll mitbewegten. "Wahrlich keine leichte Aufgabe, zumal wir es seit sage und schreibe fünf Jahren versuchen." "Vergessen Sie nicht, daß der Captain nun endlich die Bereitschaft zeigt über das Vergangene zu sprechen, was er die ganzen letzten Jahre nicht getan hat." "Aber genügt das? Es sind nur noch zwei Tage, Will und er ist immer noch so gequält wie damals. Ich kann seinen Schmerz unverändert spüren." "Tun Sie Ihr Bestes!" "Aber..." "Tun Sie es einfach!" "Will, ich hatte mit mehr Zeit gerechnet. Zwei Tage liegt außerhalb dem Menschenmöglichen." "Glauben Sie, ich weiß das nicht?" gab er gereizt zurück. Resigniert setzte sie sich auf den Sessel rechts neben ihm. "Ich gebe mein Bestes, versprochen!" sagte sie schließlich. Er nickte. "Danke Deanna, ich weiß das zu schätzen."

Als Deanna mehrere Stunden später wieder im Bereitschaftsraum des Captains saß, um dort weiterzumachen, wo sie am vergangenen Tag aufgehört hatten, fiel es ihr schwer, nicht unablässig an Wills Worte denken zu müssen. Nur noch zwei Tage Zeit? So, wie der Captain momentan auf sie wirkte, war ihre Aufgabe auf keinen Fall in zwei Tagen zu schaffen. Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Picard stand, wie schon so oft am Fenster und blickte in die vorüberziehenden Sterne. Sie wußte, daß er sich ihrer Anwesenheit zwar bewußt war, aber trotzdem war er mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Nach einigen Minuten drehte er sich endlich zu ihr um. "Ich habe heute Nacht nochmal Revue passieren lassen, was auf dem Empfang passierte, bevor Beverly und ich ins Freie gingen, aber daran werden Sie sich ebenfalls erinnern." Sie nickte. "Ja, ich sprach gestern auch noch einmal mit Will und Geordi darüber. Auch ihnen ist der damalige Empfang noch in bester Erinnerung." "Ich verstehe..." Er wanderte einige Male auf und ab und erzählte Deanna dabei in kurzen Sätzen, wie es aus seiner Perspektive ausgesehen hatte und setzte sich dann endlich, nachdem er geendet hatte, zu ihr auf die Couch. "Wissen Sie, nachdem mich der Stein, oder was immer es war, getroffen hatte, verlor ich das Bewußtsein. Ich bin erst Stunden später wieder aufgewacht." Sie saß still da und ließ sich ein weiteres Mal vom Klang seiner Stimme 7 Jahre in die Vergangenheit tragen.

7 Jahre früher...

Desorientierung war das Erste was von Captain Jean-Luc Picard Besitz ergriff, als er die Augen wieder aufschlug. Kurz darauf kamen Hilflosigkeit und starke Kopfschmerzen dazu. "Wo... bin ich?" stöhnte er und merkte, daß jedes Wort zu viel war. Eine sanfte Hand strich ihm über den Kopf und eine beruhigende Stimme murmelte: "Shhhhht, Sie wurden am Kopf verletzt, Jean-Luc. Bleiben Sie ruhig liegen. Es ist alles in Ordnung." In Ordnung? "Beverly..." Er versuchte sich aufzusetzen, doch sie drückte ihn sanft, aber bestimmt wieder zurück auf den Boden. "Versuchen Sie, sich möglichst wenig zu bewegen. Wenn es Ihnen besser geht, werde ich Ihnen alles erzählen." Er spürte, wie etwas Feuchtes, Kühles seine Wunde berührte und atmete tief ein und aus. Irgendwie hatte diese kühle Feuchtigkeit eine beruhigende Wirkung auf ihn. Er schloß die Augen wieder und ließ Beverlys Berührung auf sich einwirken. Es dauerte nicht lange, bis er eingeschlafen war.

Er wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, als er erneut die Augen aufschlug. Dieses Mal erschien ihm alles viel klarer und er merkte erst jetzt, daß er sich in einer Höhle befand. Draußen war es inzwischen hell geworden und das Sonnenlicht schien durch den Eingang leicht hinein. Trotzdem war es unglaublich kühl hier drinnen. Und dann war da natürlich noch Beverly. Als er eben aufgewacht war, war ihm schlagartig bewußt geworden, daß sein Kopf die ganze Zeit auf ihren Oberschenkeln geruht hatte, da sie in kniender Körperhaltung auf dem Boden saß. So konnte sie seine Wunde versorgen, während er geschlafen hatte und bestimmt hatte sie schon längst bemerkt, daß er wach war. Er war ihr noch nie auf solch eine kuriose Weise nahe gewesen und irgendwie fing die gesamte Situation langsam aber sicher an, absurd zu werden. Ruckartig setzte er sich auf und drehte sich zu ihr nach hinten um. Was er sah, überraschte ihn doch etwas. Wie er schon gewußt hatte, kniete sie auf dem Boden, aber ihr Oberkörper war an einen Felsen neben ihr gelehnt und sie schlief. In einer Hand hielt sie noch immer einen Stoffetzen, der sich bei näherer Betrachtung als die kühle Feuchtigkeit entpuppte, die er gespürt hatte – sie hatte seine blutende Wunde ausgewaschen und bei noch näherer Betrachtung fiel ihm auf, daß sie das Stück Stoff aus dem Oberteil ihrer Uniform gerissen hatte. Wie als hätte sie seine Bewegung gespürt, schlug sie just in diesem Moment die Augen auf. "Beverly, ich..." Sie setzte ein mattes Lächeln auf. "Ich sagte Ihnen doch, Sie sollen ruhig liegenbleiben." "Ich... was ist passiert?" Sie streckte ihre Arme aus und stand langsam auf. "Ich werde es Ihnen erst erzählen, wenn Sie sich wieder hinlegen. Es ist höchst wahrscheinlich, daß Sie eine Gehirnerschütterung erlitten haben, Jean-Luc, und ich möchte nicht, daß Sie sich überanstrengen, bis Hilfe kommt!" "Hilfe? Beverly, könnten Sie sich etwas klarer ausdrücken?" Sie seufzte und näherte sich ihm langsam. "Wie ich bereits sagte: Schonen Sie sich! Wenn Sie sich wieder hingelegt haben, erzähle ich Ihnen alles." "Ich möchte mich aber nicht mehr hinlegen..." Sie seufzte erneut und stemmte ihre rechte Hand an die Hüfte. "Von allen Patienten, die ich je hatte sind Sie wohl mit Abstand der sturste, Jean-Luc. Vertrauen Sie meinen medizinischen Fähigkeiten nicht?" Das saß! Er hob abwehrend die Hände. "Nein, Beverly! Hören Sie... es..." Er nahm die Hände seufzend wieder herunter. "Natürlich vertraue ich Ihnen, aber es ist einfach so, daß ich momentan ein wenig sitzen möchte, wenn ich schon nicht aufstehen darf." Sie schüttelte sanft den Kopf. "Na schön, aber lehnen Sie sich wenigstens an eine der Felswände." Er wollte sich gerade mit den Händen ein wenig vom Boden abdrücken um näher an eine der Wände heranzurücken, als sie sich hinter ihn stellte, ihm unter die Achseln griff und ihm dabei half zur Felswand zu gelangen. "Bitte, strengen Sie sich nicht an." Er nickte ihr dankbar zu, als sie ihn wieder losließ. Dann lehnte er sich zurück und war froh, daß ihn der kalte Fels abstützte. Die Wunde auf seinem Kopf machte sich wieder bemerkbar und brannte höllisch. Er verzog kurz das Gesicht, bis der Schmerz ein wenig nachgelassen hatte und war sich sehr wohl bewußt, daß Beverly dies ebenfalls bemerkt haben mußte. Besorgt blickte sie ihn an und legte sanft eine Hand auf seine Schulter. "Geht es wieder?" Er nickte schnell, nicht daß sie sich unnötig aufregte. "Ja.." "Sie haben eine schwere Platzwunde auf dem Kopf davongetragen, ich bin froh, daß ich die Blutung einigermaßen zum Stillstand bringen konnte, aber ohne Hautregenerator müssen Sie wohl einige Zeit auf die Selbstheilung Ihres Körpers vertrauen." "Ich verstehe..., aber nun möchte ich doch wissen..." "Was passiert ist? Sie geben nicht auf Jean-Luc, oder?" Sie seufzte leise. "Na schön, ich werde es Ihnen endlich erzählen, damit Sie sich nicht aufregen." "Das ist sehr rücksichtsvoll von Ihnen, Doktor. Als letztes kann ich mich erinnern, daß diese Gestalten einen Sprengsatz an der Nordwestseite des Sternenflottenhauptquartiers angebracht hatten und daß die Außenmauer kurze Zeit später in die Luft flog. Was geschah dann?" Wieder seufzte sie. "Eine ganze Menge..." Sie besah sich noch einmal seine Wunde und setzte sich dann neben ihn an die Wand. "Ich wollte gerade die anderen warnen, als ich, genau wie Sie, die Explosion wahrnahm. Erschrocken drehte ich mich um und rief Ihren Namen, da ich schon befürchtet hatte, Ihnen wäre etwas passiert..." "Richtig, und ich antwortete Ihnen noch..." "Ja, aber anscheinend hatte ich sie abgelenkt, denn ich sah eines der Trümmerteile auf Sie zustürzen. Bevor ich Sie warnen konnte, war es bereits zu spät. Der Stein hatte Sie am Kopf getroffen und, wie ich schon erwähnte, eine große Platzwunde hinterlassen. Außerdem hatten Sie das Bewußtsein verloren. Ich.. es tut mir leid. Hätte ich Sie nicht abgelenkt, wären Sie dem Stein vermutlich ausgewichen." Er versuchte ein Lächeln aufzusetzen, doch es glich eher einer Grimasse. "Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Was geschehen ist, ist geschehen. Machen wir das Beste daraus." Sie schluckte und nickte dann zögernd. Um sie zu ermuntern, griff er nach ihrer Hand und drückte sie sanft. "Keine Vorwürfe, Beverly.." "Danke..." erwiderte sie leise und begann dann fortzufahren. "Gleich nachdem die Außenwand explodiert war, begann eine Schießerei und es schien, als kämen diese Terroristen oder was immer sie auch waren von allen Seiten. Zuerst hatte ich Angst, sie würden uns entdecken, doch irgendwie blieben wir im Schutz der Dunkelheit verborgen. Dort konnten wir aber auch nicht ewig bleiben. Früher oder später wären wir gefunden worden. Ich wußte zuerst nicht was ich tun sollte. Es war unwahrscheinlich, daß Sie in der nächsten Zeit aufwachen würden und selbst dann hätten Sie sich nicht bewegen können. Ins Hauptquartier zurückzukehren wäre einem Selbstmord gleichgekommen. Nach einigem Überlegen entschied ich mich für die nahen Berge. Es dauerte zwar einige Stunden, bis ich diese Höhle gefunden hatte, aber ich dachte mir, hier wären Sie sicher. Außerdem fließt in der Nähe des Eingangs ein kleiner Fluß vorbei." Jean-Luc hob die Hand. "Moment mal," unterbrach er, "bedeutet das, Sie haben mich den ganzen Weg in die Berge mitgeschleppt?" Sie antwortete nicht. "Beverly?" "Ja.. das habe ich getan... Was ist mir anderes übrig geblieben?" "Aber das ist doch unmenschlich. Ich war doch viel zu schwer. Warum haben Sie mich nicht liegengelassen?" "Und Sie dem Tod übergeben? Jean-Luc, es ist meine Pflicht, Leben zu retten..." "Es ist nicht gesagt, daß..." "Es ist gesagt, daß die Sie getötet hätten. Wer einen solchen Anschlag durchführt, für den ist ein verletzter, am Boden liegender Mann, noch dazu ein Captain der Sternenflotte ein gefundenes Fressen. Ich wußte was ich tat. Mir war ja nichts passiert und sonst war niemand da, den ich um Hilfe fragen konnte." Jean-Luc blickte zu Boden. Ihm hatte es die Sprache verschlagen. Beverly hatte ihn mutterseelenalleine vom Sternenflottenstützpunkt zu einer sicheren Höhle in den Bergen geschleppt und sich dann um seine Wunde gekümmert. Er wollte lieber nicht wissen, wie viele Kilometer sie zurückgelegt hatte und wie oft sie vor Erschöpfung beinahe zusammengebrochen war. Er drehte sich zu ihr hin und umarmte sie innig. Jede andere Geste erschien ihm zu gering, für das, was sie getan hatte. "Ich weiß nicht, wie ich das jemals wieder gut machen kann. Beverly..." flüsterte er. "Und da entschuldigen Sie sich dafür, mich abgelenkt zu haben... Es war sicher nicht leicht." Vorsichtig löste sie sich aus seiner Umarmung und stand langsam wieder auf, wobei sie ihn recht schief anlächelte. "Ich kann nur sagen, ich tat es für Sie... Aber bitte ruhen Sie sich aus. Ich bin sicher, Sie sind durstig. Warten Sie, ich hole etwas Wasser." Er blickte ihr nach, als sie aus der Höhle verschwand, um zu nahe gelegenen Fluß zu gehen, den sie erwähnt hatte. Sie hatte recht, er war wirklich sehr durstig. Er fragte sich, wie lange er wohl bewußtlos gewesen war und beschloß, sie das zu fragen, wenn sie wiederkam. Langsam begann sein Rücken zu schmerzen und er verlagerte die Sitzposition ein wenig. Dennoch fühlte er sich mehr als elend. Was wohl passiert wäre, wenn Beverly ihm nicht hätte helfen können? Er empfand tiefen Respekt und große Bewunderung für ihre Leistung, auch wenn er es nicht auszudrücken vermochte. Er atmete tief aus und versuchte, sich nicht auf die wieder auftretenden Schmerzen zu konzentrieren. Zum Glück gab es hier nirgends einen Spiegel, in dem er seine Wunde betrachten konnte, es war bestimmt kein schöner Anblick. Es dauerte nicht lange, bis Beverly zurückkehrte. In ihrer Hand hielt sie einen weiteren, aus ihrer Uniform herausgerissenen, tropfnassen Stoffetzen. Bevor er etwas sagen konnte, zuckte sie schon mit den Achseln. "Es tut mir leid, ich habe keine andere Möglichkeit, das Wasser zu transportieren." "Ist doch in Ordnung... Ich finde Ihre Idee eigentlich recht gut..." Lächelnd erwiderte sie: "Danke.." und näherte sich ihm dann langsam, bevor sie sich vorsichtig neben ihn kniete und ihm das nasse Stück Stoff reichte. "Wie ich sehe, haben Sie schon Ihren Durst gelöscht," meinte er, während er das Stoffstück annahm und gierig daran saugte – die nassen Haare ihres Ponys sprachen Bände. Sie nickte und wartete dann ab, bis er fertig war mit trinken, um ihm den Fetzen wieder abzunehmen. "Noch etwas?" "Danke, nein momentan nicht." "Gut.." Sie legte das Stück Stoff zur Seite. "Wie fühlen Sie sich?" Mit einem mehr aufgesetzten Lächeln antwortete er: "Naja, es könnte besser sein. Aber Sie haben mir sehr geholfen. Ich kann Ihnen nicht oft genug danken." "Ich denke, das hätte jeder getan." "Auf Commander Riker und Mister Data kann das auch ohne Umschweife zutreffen, aber..." Er seufzte und brach ab. "Sie meinen, für mich als Frau war das eine besondere Leistung?" "Genau!" "War es nicht! Es mag anstrengend gewesen sein, aber es war meine Pflicht." "Wenn Sie meinen... für mich bleibt es eine große Leistung. Aber was ich Sie noch fragen wollte: Wie lange war ich bewußtlos und wie lange sind wir schon hier?" Ohne groß nachzudenken entgegnete sie: "Ich denke, so um die fünf – sechs Stunden dürften Sie schon weggetreten gewesen sein, dann haben Sie noch mal gute fünf Stunden geschlafen. Also sind wir nun seit ungefähr zehn Stunden hier..." "Haben Sie auch geschlafen?" "Ja, ein wenig..." "Ich möchte, daß Sie sich ebenfalls ausruhen, Beverly. Ich laufe Ihnen nicht davon." Ein wenig mißtrauisch blickte sie ihn schon an. "Wirklich?" "Ich verspreche es!" "Ich will mich mal auf das Wort eines Sternenflottencaptains verlassen.., aber keine Tricks, Jean-Luc. Ich liege neben Ihnen, ich bekomme alles mit." Er lachte auf. "Sie sind sehr besorgt..." "Das bin ich um jeden meiner Patienten, aber Sie sind ein besonderes Exemplar." "Tatsächlich?" "Sie sind mit Abstand der am schwersten zu bändigende Patient. Sie sind stur und Sie kennen Ihre Grenzen nicht." "So hart, Beverly?" "Es ist nur die Wahrheit." Er begann zu schmunzeln. "Ist mir auch lieber... Aber nun erteile ich dem Leitenden Medizinischen Offizier einen Befehl: Ruhen Sie sich aus!" "Ich könnte Sie für dienstunfähig erklären, dann könnten Sie mir lange befehlen..." kam grinsend die Gegenantwort. "Aber Sie haben recht Jean-Luc. Ich bin müde und mir tun sämtliche Glieder weh. Nachdem ich Ihr ehrenhaftes Versprechen habe, daß Sie nicht davonlaufen, werde ich Ihnen glauben." Erleichtert beobachtete er, wie sie sich neben ihm auf den Boden legte, zusammenrollte und kurze Zeit später tief und fest schlief. Sie hatte es verdient, fand er, während er ihren regelmäßigen Atemzügen lauschte. Sie war schön, wenn sie schlief. Er blickte sie lange an und begann nachzudenken. Was bedeutete diese Frau für ihn und er ihr? Nachdem sie, um ehrlich zu sein, zu seinem großen Entsetzen, auf die Enterprise versetzt worden war, waren sie über die Jahre gute Freunde geworden. Und manchmal gab es diese Momente, in denen er glaubte, daß da mehr war als Freundschaft. Er wußte nicht wie er ihr Verhältnis nennen sollte, nach allem, was in der Vergangenheit geschehen war, aber manchmal ging es zweifellos über normale Freundschaft hinaus. Er schüttelte den Kopf. Verrückt! Hatte die Gehirnerschütterung ihm doch übler mitgespielt, als er dachte? "Wir sind Freunde, mehr nicht!" murmelte er leise vor sich hin. Und dennoch konnte er seine Augen nicht von ihr lösen. Er beobachtete, wie sich ihr Brustkorb regelmäßig hob und senkte und schließlich strich er ihr sogar sanft über die Haare.
Er wußte nicht, wie lange er dort in der Höhle in den Bergen des Planeten Serga VII gesessen hatte und lediglich Beverly beim Schlafen beobachtet, aber letzten Ende überkam auch ihn eine Müdigkeit. Er war nicht auf der Höhe, soviel war ihm bewußt, also war es kein Wunder, wenn er schneller ermüdete. Zwar war dieser Steinboden furchtbar schmutzig und unbequem, aber das konnte man nun auch nicht mehr ändern. Er war froh, daß er noch lebte. Nachdem er ausgiebig gegähnt hatte, legte er sich neben Beverly auf den Boden. Es beruhigte ihn, daß er ihre Wärme spüren und ihren Duft riechen konnte und bald war auch er eingeschlafen. Hoffentlich fand man sie bald, war sein letzter Gedanke, er wußte nicht, wohin das noch führte, mit dieser Frau alleine zu sein.
Es dämmerte schon, als er wieder erwachte. Das erste, was er bemerkte, noch bevor er gänzlich wach war, war daß der Platz, an dem sie gelegen hatte, leer war. Seine tastende Hand griff ins Leere. Er setzte sich langsam auf und sah sich in der Höhle um, aber Beverly war nicht da. Er sah nur das rötliche, auf Dämmerung hinweisende Licht im Höhleneingang und hörte zum ersten Mal, seit er hier war, den Fluß in der Ferne rauschen. Um wieder etwas Leben in seine etwas steif gewordenen Gliedmaßen zu bekommen, streckte er sich ausgiebig und setzte sich dann wieder an die Felswand. Es beunruhigte ihn zwar zutiefst, daß sie nicht da war, aber sie hatte ihm gesagt, er solle sich nicht überanstrengen und daran wollte er sich halten. Sie wußte bestimmt, was sie tat. Er vertrieb sich die Zeit, indem er sich in der kleinen, nicht besonders schönen Höhle umsah. Sie war kühl, hart und steinig, mehr konnte man dazu nicht bemerken. Außerdem machte sich ein breites Hungergefühl in seinem Magen breit. Er hatte seit einem Tag nichts gegessen und nur sporadisch getrunken, außerdem begann seine Wunde wieder wehzutun. Ob Beverly wohl zum Sternenflottenstützpunkt zurückgegangen war, um Hilfe zu holen? Nein, das konnte er sich nicht vorstellen, sie würde ihn niemals alleine hier liegen lassen. Aber Hilfe... er fragte sich, wann man sie finden würde. Nachdem, was sie ihm berichtet hatte, hatte es einen heftigen Kampf gegeben. Bis man sich davon nicht erholt hatte, würde man wohl keine Suchtrupps losschicken. Doch wann würde das sein? Ohne professionelle medizinische Versorgung, konnte er den Weg zum Stützpunkt nicht zurücklaufen. Aber war es überhaupt ratsam dorthin zurückzukehren? Was war, wenn die Kämpfe immer noch tobten? Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Aber was ihm noch mehr Sorgen bereitete war die Frage, ob es Tote gegeben hatte, was er für sehr viel wahrscheinlicher hielt. Warum konnte man diese Dinge nicht ohne Blutvergießen klarstellen? Warum waren immer Unschuldige die Opfer? Sie waren hergekommen, um die gespannte Situation mit Diplomatie zu lösen und alles war im Chaos geendet. Kein besonders großer Erfolg. Ihm fiel erneut Botschafter M'tarr ein. War es möglich, daß er dahintersteckte? Er wußte, daß an diesem Abend ein Empfang stattfinden sollte und daß man Starfleet damit einen empfindlichen Schlag versetzen konnte. Er glaubte nicht mehr an Zufall. Wenn er nur von hier weg könnte und jemandem seine Erkenntnisse mitteilen, der etwas damit anfangen konnte... Aber das war wohl reine Utopie, denn Beverly hatte ihm ausdrücklich verboten sich groß zu bewegen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und seufzte laut und vernehmlich. Es sah so aus, als müßte man nun ohne ihn und seine diplomatischen Fähigkeiten auskommen. Und alles bloß, weil ihn ein Trümmerteil am Kopf getroffen hatte. Aber auf der anderen Seite: was wäre passiert, wenn er im Gebäude geblieben wäre, wäre er dann überhaupt noch am Leben?
Das Geräusch von sich nähernden Schritten ließ ihn aus seinen Gedanken hochfahren. Automatisch zuckte er zusammen. Für den Fall, daß der sich nähernde Jemand feindlich gesonnen war, gab es für ihn keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Umso erleichterter atmete er auf, als er Beverly erkannte, die zum Eingang herein kam. Er sah, daß sie das Oberteil ihrer Uniform ganz ausgezogen hatte und zu einem Bündel zusammengeschnürt in der Hand hielt. Sie war nun am Oberkörper nur noch mit dem klassischen Tanktop der Sternenflottenoffiziere bekleidet. "Wo waren Sie?" fragte er, wobei er sie doch anlächelte, froh, daß sie wieder da war. "Ich habe mich draußen ein wenig umgesehen in der Hoffnung, etwas Eßbares zu finden," entgegnete sie ihm, während sie auf ihn zukam und das Bündel vor ihm abstellte. "Wie ich sehe, waren Sie erfolgreich..." "Naja mehr oder weniger..." Sie kauerte sich neben ihn und öffnete das zusammengebundene Uniformoberteil. Zum Vorschein kamen einige Wurzeln und Beeren. "Es tut mir leid, aber die Landschaft ist hier sehr rauh und unwegsam. Es hat über eine Stunde gedauert, das Wenige zu finden." Er berührte sie sanft am Arm und meinte dann: "Das ist schon mehr als genug. Ich rechnete nicht damit, die nächste Zeit überhaupt etwas Eßbares in Magen zu bekommen. Vielen Dank." "Gern geschehen..." Er betrachtete noch einmal die vor ihm ausgebreiteten Nahrungsmittel an, während sie sich ein weiteres Mal seine Wunde ansah. "Jean-Luc," fragte sie schließlich leise. "Schmerzt die Wunde noch sehr?" Er nickte. "Ja, es handelt sich um einen seltsam klopfenden Schmerz.." "Verdammt, wie ich mir dachte. Es hat sich entzündet und hier draußen habe ich keine Möglichkeit zur Desinfektion!" "Ist es sehr schlimm?" "Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Es kommt darauf an, wie es sich entwickelt, aber Wundfieber könnten Sie schon bekommen..." "Wundfieber..." murmelte er leise vor sich hin. "Aber das muß nicht der Fall sein, oder? Ich meine, momentan geht es mir noch gut und es kommt sicher bald jemand." Sie zuckte mit den Schultern. "Ich habe keine Ahnung.." "Und wenn Sie Hilfe holen gingen?" "Und Sie hier alleine lassen? Nie im Leben. Es dauert Stunden, bis ich den Stützpunkt erreicht habe. In dieser Zeit könnte mit Ihnen alles mögliche sein. Ich bleibe hier." Wieder nickte er. "In Ordnung. Um ehrlich zu sein, fühle ich mich auch wohler, mit Ihnen in der Nähe..." Sie lächelte ihn matt an und wechselte dann abrupt das Thema: "Ich werde Ihnen noch etwas zu trinken holen... Sie brauchen viel Flüssigkeit.." Bevor er ihr antworten konnte, war sie schon aufgestanden und mit einem ihrer Stoffetzen in der Hand aus der Höhle gegangen. Er mußte ein wenig schmunzeln. Es war schon bewundernswert, wie praktisch Beverly ihr Oberteil verwendet hatte und dieses Tanktop stand ihr ausgezeichnet, fand er.

Wenige Minuten später saß sie wieder neben ihm, während er gierig die Flüssigkeit aus dem Stück Stoff saugte. Als er fertig war, reichte er es ihr wieder und sie legte es neben sich auf den Boden. "Ich mache mir Sorgen, Jean-Luc.." gestand sie ihm leise. Überrascht sah er sie an. "Worüber denn?" "Um Sie... Mir gefällt diese Wunde überhaupt nicht und es wird immer schlimmer." Ermutigend legte er den Arm um sie und zog sie an wenig zu sich her. "Momentan geht es mir noch gut. Das Schlimmste muß nicht immer eintreten. Warten wir ab.." Sie nickte stumm und blickte traurig zu Boden. "Vielleicht haben Sie recht... Hoffen wir das Beste..." Es war ihm unerträglich, sie wegen ihm so niedergeschlagen zu sehen. "Recht daran glauben scheinen Sie nicht zu wollen?" Sie schüttelte leicht den Kopf. "Beverly.. ich..." Langsam hob sie den Kopf wieder und blickte ihm tief in die Augen. Er wußte nicht, was es war, aber irgend etwas in ihm brachte ihn in diesem Moment dazu, sie noch näher an sich heranzuziehen und dann küßte er sie sanft auf den Mund. Sein Bewußtsein schrie auf, denn er befürchtete fast, daß er sie erschreckt und verärgert hatte, immerhin war sie seine beste Freundin, doch zu seiner großen Überraschung erwiderte sie den Kuß zuerst zögernd und dann recht intensiv. Er schlang seine Arme um sie, um sie noch dichter bei sich zu haben, während er sie nun fordernder, verlangender küßte. Es war ihm bewußt, daß es nicht er selbst war, der dies tat, aber es fühlte sich einfach richtig an. Er spürte ihren warmen Atem und ihren Herzschlag wobei er zeitgleich mit seiner Zunge ihren Mund erforschte und sie das gleiche bei ihm tat. Es erschien ihm eine Ewigkeit, bis sie sich atemlos voneinander lösten, sich aber immer noch in einer engen Umarmung hielten, dicht aneinander geschmiegt, die Wärme und Nähe des anderen allgegenwärtig spürend. Er bemerkte die Tränen, die ihr die Wange hinunterliefen erst zu spät. "Es tut mir so leid... Ich wollte nicht... Ich habe dich verletzt..." flüsterte er rauh. Sie befreite sich vorsichtig aus seiner Umarmung und wich ein wenig nach hinten zurück. "Jean-Luc, du verstehst nicht..." Sie verbarg das Gesicht vor ihm. "Nicht jetzt..." Hastig stand sie auf und rannte aus der Höhle. Traurig blickte er ihr nach. Er hatte sich eine Menge vorzuwerfen. Wie hatte er dies auch tun können? Ihr Verhältnis würde nie wieder so sein, wie früher...
Als sie nach einiger Zeit zurückkehrte, sagte sie keinen Ton und setzte sich ein wenig weiter von ihm fort. Sie starrte ins Leere und ihre Wangen glänzten immer noch von Tränen, auch wenn sie nicht laut weinte. Es tat ihm so leid. Er hätte sie gerne in den Arm genommen und getröstet, aber er selbst war schuld an ihrer derzeitigen Gemütslage. Nur eines war ihm klar geworden: Seine Gefühle für sie waren nicht verblaßt, sondern noch so stark, wie vor 20 Jahren, vielleicht noch stärker. Doch er hatte es falsch angepackt und vielleicht komplett ruiniert. Welcher Teufel hatte ihn eben nur geritten? Sie sprachen den gesamten Abend nicht mehr miteinander, nur einmal kam Beverly zu ihm herüber und versorgte seine Wunde notdürftig, nahm sich ein paar Beeren aus dem Bündel und setzte sich wieder an ihren neuen Platz, um dann stillschweigend zu essen.
Irgendwann mußte er wohl eingeschlafen sein, denn als er durch das Geräusch schwerer Schritte aufgeschreckt wurde, war es mitten in der Nacht. Er hörte mehrere männlich klingende Stimmen, verstand aber auch dieses Mal kein Wort. Unmerklich versteifte er sich. Die dumpfe Vorahnung, daß diese Leute ihnen nicht freundlich gesonnen waren, beschlich ihn. Er hielt die Luft an, um unnötige Geräusche zu vermeiden und hoffte, aus welchem Grund auch immer, daß, wer immer es auch war, nicht vorhatte, die Höhle zu betreten. Leise setzte er sich auf und sah, daß Beverly ebenfalls wach war. Sie war aufgestanden und hatte sich an die Felswand gedrückt, während sie den Eingang beobachtete. Jean-Luc hörte, wie die Stimmen lauter wurden und näher kamen und preßte sich auch an die Felswand, obwohl er dieses Verhalten eigentlich unlogisch fand, es war wohl der uralte Reflex, sich verstecken zu wollen. Er spürte Beverly Blick auf sich und ihre unausgesprochene Botschaft, sich nicht anzustrengen. Stumm nickte er ihr als Bestätigung zu und starrte dann wieder auf den Höhleneingang, während er angespannt lauschte. Die Sekunden erschienen ihm wie eine Ewigkeit, in denen er eindringlich hoffte, diese Personen würden weiterziehen. Spätestens, als ihn der Strahl einer Handlampe traf, wurden alle seine Hoffnungen zunichte gemacht. Vom hellen Licht der Lampe geblendet, kniff er die Augen zusammen und konnte den näherkommenden Mann nicht erkennen, dieser ihn aber umso besser. Jean-Luc hörte ihn etwas in unbekannter Sprache nach draußen rufen und kurz darauf konnte er die Schritte weiterer Männer vernehmen, die Lampe blendete ihn noch zu stark, um etwas sehen zu können. Schützend hob er die Hand vor die Augen, denn er konnte dieser unerträglichen Helligkeit nicht mehr standhalten. Genau in diesem Moment nahm der Unbekannte seine Lampe von ihm weg und richtete sie auf Beverly, die noch immer an die Felswand gepreßt dastand. Es dauerte ein wenig, bis Picards Augen wieder richtig sehen konnten, aber als es endlich soweit war, erkannte er, daß sie trotz allem keine sichtbare Spur von Angst zeigte. Sie stand recht gefaßt da und fragte schließlich: "Was wollen Sie von uns?" Der Fremde nahm die Lampe herunter, daß sie nur noch den Boden beleuchte. "Sieh an, sie an," sagte er in gebrochenem Föderationsenglisch. "Ihr beide könnt ja auch sprechen. Was sagt man dazu, zwei Sternenflottenoffiziere inmitten dieser Einöde." "Dasselbe könnte ich Sie fragen," konterte sie hitzig. "Was machen fünf serganische Männer in dieser Einöde?" Er fing an zu lachen, aber es war ein freudloses, kaltes Lachen. "Da ihr beiden wahrscheinlich sowieso nicht mit dem Leben davonkommen werdet, kann ich es euch auch erzählen: Die serganische Befreiungsbewegung hat in diesen Bergen ihren Stützpunkt. Wir kehren gerade von einer halbwegs gelungenen Mission zurück und wollten hier eigentlich übernachten. Es ist wirklich großes Pech, daß ihr euch ausgerechnet diese Höhle als Unterschlupf ausgesucht habt." Mit dem Gesicht wies er auf den am Boden sitzenden Jean-Luc. "Er ist verletzt. Tötet ihn! Mit dieser Frau könnten wir unter Umständen noch etwas anfangen. Sie gäbe eine brauchbare Geisel ab."
Zwei seiner Leute traten vor und wollten Beverly ergreifen, während ein dritter sich, seine Schußwaffe zückend, auf Picard zubewegte und die Waffe dann auf ihn richtete. Reflexartig versuchte Jean-Luc nach hinten auszuweichen, stieß aber bald an die Höhlenwand und sah sich unmittelbar wieder mit dem Phaserlauf des Fremden konfrontiert. Er atmete tief ein und hoffte, es würde, wenn schon, bitte schnell gehen. Bevor der Serganer allerdings abdrücken konnte, wurde er von den Problemen seiner Kameraden abgelenkt, die ernsthafte Schwierigkeiten hatten, die wild um sich schlagende Beverly festzuhalten. "Was wollt ihr damit erreichen?" schrie sie, mit einem selbst für Jean-Luc überraschend wilden Gesichtsausdruck. Der Anführer lachte wieder. "Unsere Freiheit, was denn sonst?" Inzwischen hatten es die beiden Männer geschafft, Beverly festzuhalten, aber sie blickte den Anführer immer noch wütend an, ihre Haare hingen ihr quer über das Gesicht. "Und ist Gewalt die einzige Lösung? Die Enterprise kam hierher um Frieden zu stiften und das ist alles, was sie hier erwartet? Ein Anschlag?" Es gelang ihr, sich loszureißen und sie stellte sich schützend vor Jean-Luc. "Er ist verletzt und braucht Hilfe, aber statt dessen wollt ihr ihn töten?" "Ganz recht," kam die gefühlskalte Antwort. "Wir wollen die Sternenflotte hier nicht und solche Methoden sind die beste Möglichkeit, euch wieder loszuwerden.." "Es denkt aber nicht jeder so... Warum fließt immer unschuldiges Blut?" "Es reicht!" Mit einem weiteren Kopfnicken gab der Anführer demjenigen seiner Leute mit dem Phaser einen weiteren Befehl und dieser schubste Beverly brutal zur Seite um dann wieder auf Jean-Luc zu zielen. Sie wurde sofort von den beiden anderen Serganer gepackt, damit sie nicht noch einmal dazwischen kam, denn sie fing auch jetzt wieder an, wild um sich zu schlagen und zu treten. "Nein!" schrie sie. "Nein, nein, nein! Laßt ihn doch leben! Was habt ihr von seinem Tod?" "Wir statuieren lediglich ein Exempel!" kam die lapidare Antwort. "Und wozu?" Sie versuchte ihn hinzuhalten, aber er ging nicht wieder darauf ein. Gerade wollte er den Befehl zum Schießen erteilen, als ihn eine befehlende Stimme davon abhielt: "Merdok, sn'hea tlep wonhaa dl'aae!" Entgeistert drehten er und seine Leute sich zum Höhleneingang um und herein kam zu Picards größter Überraschung Botschafter Shandoz M'tarr. "Merdok, was tust du da?" wiederholte er noch einmal in für Picard nun auch verständlichem Englisch. Der Anführer, dessen Name also Merdok war, schleuderte M'tarr etwas auf serganisch entgegen, doch das entzog sich komplett dem Verständnis des Captains. Auffällig war nur, daß sich der Botschafter nicht beeindrucken ließ. Unbeirrt sprach er auf Englisch weiter: "Ich habe dich die ganze Zeit gesucht, um dir zu sagen, daß die Sternenflotte ein unbeteiligtes Schiff, die Enterprise geschickt hat, damit dieser Konflikt endlich diplomatisch geklärt wird. Es ist Zeit für Verhandlungen! Und du, du hättest beinahe den Captain dieses Schiffes getötet! Bist du dir der Konsequenzen dieser Tat eigentlich bewußt?" Merdok wies auf Picard und sagte etwas, das wie eine Frage klang. M'tarr nickte. Wieder stellte Merdok allem Anschein nach eine Frage. "Hoono hat mir gesagt, wo du dich aller Wahrscheinlichkeit nach aufhalten wirst. Ich bin froh, noch rechtzeitig gekommen zu sein." Resigniert blickte der Anführer zu Boden und machte dann seinen Männern klar, sowohl Jean-Luc, als auch Beverly in Frieden zu lassen. Ohne zu zögern ließ man die Ärztin los und auch der Phaserlauf verschwand vom Gesichtsfeld des Captains, obwohl Jean-Luc nicht sicher war, wie glücklich diese Männer über den Befehl ihres Anführers waren. Sofort kniete sich Beverly zu ihm hinunter und berührte ihn an der Schulter. "Alles in Ordnung?" flüsterte sie. "Danke, daß du sie hingehalten und um mein Leben gekämpft hast," entgegnete er sanft. Sie begann sanft zu lächeln. "Nichts zu danken..." Nichts erinnerte mehr an ihre emotionale Verfassung, noch vor ein paar Stunden, aber trotz allem stand dieser Kuß nun zwischen ihnen, egal, ob sie es verschwiegen oder verdrängten. In ihm jedenfalls hatte er die alten Gefühle wachgerufen und er fragte sich, wie er in Zukunft damit umgehen wolle. Im Moment allerdings verfolgte er lieber den harten Disput von M'tarr und Merdok, der nun zwar, da man von ihm und Beverly abgelassen hatte, komplett auf serganisch geführt wurde, doch die Intentionen und Tonlagen konnte er trotz allem verstehen. Er fragte sich, was M'tarr mit diesem selbsternannten Anführer der serganischen Rebellen zu tun hatte.
Der Streit der beiden Serganer dauert noch eine ganze Weile an, doch Botschafter M'tarr ging als Sieger hervor. Aufgebracht, aber ansonsten friedlich verließ Merdok mit seinen Leuten die Höhle, während ihnen der Botschafter zufrieden nachblickte. Jean-Luc selbst wußte nicht, was er von alledem halten sollte. Sicher, M'tarr hatte ihm und Beverly soeben das Leben gerettet, aber er wußte immer noch nicht, auf welcher Seite dieser Mann nun stand. Vorsichtig drückte er Beverlys Hand, was sie dazu veranlaßte, ihn anzublicken. "Mir ist diese Sache immer noch nicht ganz geheuer," flüsterte er, während sich M'tarr ihnen langsam näherte. "Wer weiß, ob wir nicht vom Regen in die Traufe geraten sind?" Langsam nickte sie und blickte ihn besorgt an. "Wir werden sehen, ändern können wir es sowieso nicht mehr..." Sanft strich sie über den Rücken, wohl um ihn ein wenig zu beruhigen. Ein wenig überraschte ihn ihr Verhalten schon, aber nicht unangenehm. Er lächelte kurz, wurde dann aber wieder ernst, als M'tarr dicht vor ihm stehen blieb. "Ich grüße Sie, Captain Picard und auch Ihre charmante Begleiterin, deren Bekanntschaft ich bisher nicht gemacht habe." Höflich nickte Jean-Luc dem Botschafter zu, während Beverly sich umgehend vorstellte. "Sie sind Botschafter Shandoz M'tarr, nicht wahr? Ich habe einiges von Ihnen gehört. Ich bin Dr. Beverly Crusher, Leitender Medizinischer Offizier der Enterprise." "Es freut mich, Sie kennenzulernen, Dr. Crusher." "Ganz meinerseits!" Angespannt verfolgte Picard die Konversation und fragte sich, ob und wann der Botschafter die Katze aus dem Sack ließe. Bisher verlief alles auf recht oberflächlicher Basis, aber es wollte auch niemand etwas falsches sagen. "Wie ich sehe, wurden Sie verletzt Captain. Die Wunde sieht nicht gut aus," bemerkte M'tarr nun. "Ja, es geschah während dem Anschlag auf das Hauptquartier ich hielt mich gerade im Freien auf und wurde von einem Trümmerteil getroffen." Hatte er zu viel gesagt? Sie waren diesem Mann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.. Nachdenklich runzelte der Serganer die Stirn, bis er schließlich zugab: "Merdok ist ein Narr. Er versteht diese ganze Situation nicht und dieser Anschlag war eine unnütze Verschwendung von Ressourcen und Gefährdung von Leben. Ich hoffte ihn, von seinem Vorhaben abbringen zu können, aber ich kam nicht mehr rechtzeitig. Dieses Mal nicht!" "Wie meinen Sie das?" Ein wenig überrascht war der Captain von dieser Aussage schon. M'tarr seufzte. "Es war keine neue Idee von Merdok, bei einem von Commander Waslewskis leider viel zu zahlreichen Empfängen einen Anschlag zu verüben. Er und seine Gruppe von Gleichgesinnten, wollen keinen Fortschritt, keinen Kontakt mit anderen Rassen. Durch den Eintritt des Planeten in die Föderation war für ihn klar, was sein Weg ist, aber ich konnte ihn jedesmal im letzten Moment überreden davon abzulassen." "Interessant..." Ganz recht mochte Picard ihm nicht glauben, aber was hatte er momentan für Möglichkeiten? Zur Zeit schien ihnen der Botschafter nicht feindlich gesinnt, auch wenn immer noch vieles im Dunkeln blieb. Er überlegte, ob er es riskieren konnte, den Botschafter um Hilfe zu fragen, ohne in eine Falle zu tappen, doch Beverly nahm ihm diese Überlegungen gänzlich ab. "Haben all diese Dinge nicht noch Zeit?" fragte sie ungeduldig, während sie auf Jean-Luc wies. "Sie haben gesehen, daß er verletzt ist, er braucht schnellstens medizinische Versorgung." "Sie haben vollkommen recht, Doktor. Wie dumm von mir!" "Könnten Sie unter Umständen, jemand von Starfleet über unseren Aufenthaltsort in Kenntnis setzen?" Sie wechselte ein paar Blicke mit dem Captain und er sah in ihren Augen, daß sie M'tarr genausowenig traute, wie er es tat, aber sie hatte recht, wenn sie sagte, er brauche medizinische Unterstützung, denn er spürte selbst, wie sich die Wunde mit jeder Stunde, die verstrich, stärker entzündete. Wenn er die beiden, ihnen zur Zeit verbleibenden Alternativen abwägte, blieb ihm und Beverly wirklich keine allzu große Wahl. Da sie sich vehement weigerte, alleine zu gehen und Hilfe zu holen, gab es nur die Möglichkeit auf die Rettungsteams zu warten, falls man überhaupt welche losschickte, oder die sich gerade eben ergebene Gelegenheit ergreifen und den nicht wirklich vertrauenswürdigen Botschafter um Unterstützung zu bitten. Eine Wahl zwischen Pest und Cholera, wie ihm schien. Und das, wo er nicht einmal wußte, wie die Lage zur Zeit im Hauptquartier von Starfleet an und für sich aussah. Die Stimme des Serganers riß ihn aus seinen Gedanken. "Bedauere," sagte er zu Beverly, "das ist mir momentan nicht möglich, allerdings könnten wir Ihren Captain zu einem unserer Lager schaffen, damit er die Versorgung, die er benötigt, dort erhält." Kummervoll blickte Beverly zu Jean-Luc herunter, sie ahnte was er dachte und war wohl der selben Meinung. "Ich fürchte, das kann ich nicht annehmen," entgegnete sie vorsichtig. Dieser gesamte Dialog glich zweier Raubkatzen, die vorsichtig umeinander herumschlichen, die Motive des anderen vermeintlich kennend, aber doch nicht angreifend. Und dann zückte M'tarr den Phaser. "Ich wußte, Sie würden so reagieren," bemerkte er kühl, wobei er die Waffe geradewegs auf die Ärztin richtete. Jean-Luc hörte sie empört aufkeuchen, er selbst fühlte nur seine Vermutungen bestätigt, selbst wenn ihn das Verhalten des Botschafters traurig stimmte. Der Serganer fuhr fort: "Es ist nicht persönlich, aber ich kann nicht zulassen, daß Sie meine Pläne durchkreuzen..." Picard sah, wie der Energiestrahl auf ihn zukam und ihn direkt traf. Er spürte nicht einmal Schmerzen und war schon nicht mehr bei Bewußtsein, als er seitlich auf den Steinboden kippte.