Disclaimer: Ein Teil der vorkommenden Namen ist eingetragenes Warenzeichen von Paramount Pictures.

IX

7 Jahre früher...

Jean-Luc Picard saß in seinem Quartier auf seinem Bett und blickte zu Boden. Es war noch keine zwei Stunden her, daß er von dem Planeten hochgebeamt wurde und nun hatte er erst einmal zwölf Stunden dienstfrei, wofür er recht dankbar war. In seiner Hand drehte er eine Rose hin und her und dachte über das, was zwischen ihm und Beverly geschehen war, nach. In Gedanken war er wieder in der Höhle, roch ihren Duft und schmeckte ihre weichen Lippen als sie sich küßten. Er seufzte laut, denn er wußte nicht, wie es weitergehen sollte. Was geschehen war, war geschehen, zusätzlich zu der Erkenntnis, daß er mehr für sie empfand, als Freundschaft, doch wie sollte er auf sie zugehen? Sie war einmal fortgelaufen, auch wenn er es nicht leugnen konnte, daß sie seinen Kuß zuerst leidenschaftlich erwidert hatte. Trotzdem hatte er Angst, sie könne ihm ein zweites Mal davonlaufen und das wollte er auf keinen Fall riskieren. Hinzu kam, daß er sich endlich, wenn auch vielleicht sehr verspätet für sein schlechtes Verhalten vor über 20 Jahren entschuldigen wollte, doch falls er ihr auch dafür die wahren Gründe nennen wollte, kam das einem Liebesgeständnis genauso gleich. Wieder seufzte er und zerbrach dabei die Blume. Er brachte es nicht über sich. Er, der mutige Captain Jean-Luc Picard, der so viele Gefahren überwunden und so viele Missionen erfolgreich beendet hatte, brachte es nicht über sich, zu seiner Schiffsärztin zu gehen und ihr seine Liebe einzugestehen. Es war zum aus der Haut fahren. Wütend schleuderte er die beiden Teile der Rose auf sein Bett und stand auf. Nervös lief er auf und ab. Sollte er seine Gefühle etwa wieder für sich behalten, wie die letzten Jahre? Oder wäre es nicht doch langsam an der Zeit, jetzt da sie wieder erwacht waren, etwas an der Situation zu ändern? "Mon Dieu!" murmelte er wütend und fiel dabei in seine Muttersprache Französisch zurück. "Comment est-ce que cela continuera?" Sein Blick fiel auf eines seiner Bücher, das aufgeschlagen auf dem Nachttisch, nur wenige Meter von ihm entfernt lag. Er griff es sich und riß die erste, noch unbedruckte Seite heraus. Dann ging er mit dem Stück Papier zu seinem Schreibtisch, wo er neben der ganzen Arbeit die dort lag, auch eine Sammlung von normalen Schreibstiften hatte. Natürlich wurde im 24. Jahrhundert nicht mehr auf Papier geschrieben, dennoch fand er es bisweilen recht praktisch, einige Informationen nicht einfach elektronisch festzuhalten. Außerdem kritzelte er des Öfteren wenn er alleine war und nachdachte auf irgendwelchen Papierblättern herum, die er dann wieder recycelte. Interesse an Malerei, so wie Lieutenant Commander Data hatte er nämlich nicht. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und fing an, die Dinge, die ihm durch den Kopf gingen auf den Zettel zu schreiben. Als er sich das Geschriebene nochmals durchlas, stellte er überrascht fest, daß er ein kleines französisches Gedicht verfaßt hatte:

Elle

Elle m'a dit beaucoup de choses et je la vois très souvent.
Presque chaque jour.
Mais...je ne pense qu'a
l'amour.
Elle est jolie.
Je sais qu'elle se ne trouve pas jolie,
Mais... je le sais. Elle est une jolie femme.
Seule moi pense comme ca.
C'est facile pourquoi!
Je l'aime!

Er seufzte noch einmal laut auf und schob das Papier zur Seite. Was hatte er da nur für einen Unsinn verzapft? Er wollte gerade aufstehen und diese unglaublich schlechte Anreihung von Versen dem Recycler anheim fallen lassen, als der Türsummer ertönte. Eigentlich hatte er nicht die geringste Lust gestört zu werden. Trotzdem erhob er sich mürrisch um den Besucher zu begrüßen und dann so schnell wie möglich wieder loszuwerden. "Entrez!" Er bemerkte, daß er gedanklich noch in seiner Muttersprache war und verbesserte sich schnell. "Herein!" Die Tür seine Quartiers öffnete sich zischend und herein kam die letzte Person, die er in seiner Verfassung sehen wollte – Beverly selbst. Oh nein! Nicht jetzt! "Guten Abend, Jean-Luc!" begrüßte sie ihn höflich. Er antwortete ihr nur mit einem Nicken. "Ich habe Sie schon lange nicht mehr Französisch sprechen hören.." "Naja.. das..." Er räusperte sich. "Wenn ich alleine bin, kommt es hin und wieder vor, daß ich zurückfalle. Die Sprache mit der man aufgewachsen ist, kann man nicht so einfach ablegen." Sie sah ihn verständnisvoll an. "Das kann ich mir denken. Für mich kam seit jeher keine andere Sprache als Englisch in Frage und ich habe auch niemals eine andere gelernt. Es wäre furchtbar wenn ich mich umorientieren müßte und ich gebe ehrlich zu, ich wüßte nicht was ich ohne die Universalübersetzer machen würde. Ich wäre wohl aufgeschmissen." Sie zuckte leicht mit den Achseln und lächelte. Jean-Luc grinste sie hilflos an, wobei er sich an seinen Schreibtisch lehnte und die Hände an die Tischplatte krallte. Sie war so schön, wenn sie lachte. "Früher, das gebe ich zu, habe ich mich auch auf die Übersetzer verlassen, aber als ich mich auf der Akademie einschrieb, war es Pflicht, die englische Sprache zu lernen und so mußte ich es wohl oder übel tun!" Sie kam ein wenig auf ihn zu und lehnte sich ebenfalls an den Schreibtisch, dann sah sie zu ihm herüber und nickte leicht. "Das stimmt wohl. Ich muß sagen, da das Englische nunmal die Sprache ist, mit der ich seit ich ein Kind war, lebe, habe ich mich darum nie großartig gekümmert. War das nicht manchmal ein Problem für Sie?" Er schüttelte den Kopf. "Nein, eigentlich nicht. Meine Umgebung war schon immer von dieser Sprache beeinflußt, zudem gibt es großen französischen Einfluß im Englischen. Mein Problem war eher, die Aussprache richtig hinzubekommen, als Grammatik und Vokabular. Aber das ist so lange her... Inzwischen ist es zu einer zweiten Muttersprache geworden. Bedauerlicherweise hat mein Vater dies immer als Verrat an meinen Wurzeln angesehen." Er seufzte. "Wie Sie ja wissen, konnte er sich zeitlebens nicht damit abfinden, daß ich zu Starfleet gegangen bin. Ihm wäre es lieber gewesen, ich wäre ein einfacher Winzer geworden und hätte das elterliche Gut bewirtschaftet. Aber genug davon! Sie sind sicher nicht hergekommen, um mit mir über Linguistik zu sprechen.." "Nein, eigentlich nicht," kam die ehrliche Antwort. "Sondern?" Sie stemmte die Hände in die Hüfte. "Jean-Luc, Sie wollen mir nicht weismachen, daß Sie es vergessen haben oder?" Er zuckte hilflos mit den Schultern. "Ich fürchte doch..." Wovon sprach sie nur? Er wischte sich die Hände an seiner Uniform ab und verschränkte sie dann schnell wieder hinter dem Rücken. Es war ihm unangenehm, so nervös zu sein, aber diese Frau! Sie hatte keine Ahnung, was sie anrichtete. Er blickte sie aufmerksam an... Wie viele Dinge hatte er sich vorgenommen zu sagen? Und doch brachte er keines davon über die Lippen, er konnte es einfach nicht tun. "Unser gemeinsames Abendessen!" rief sie ihm wieder ins Gedächtnis. "Sie haben mich für heute Abend eingeladen!" Ach du liebe Güte! Richtig! Verzweifelt blickte er sich in seinem Quartier um. Wie hatte er das nur vergessen können? "Entschuldigung," murmelte er, "Ich... ich war so in Gedanken und überhaupt... Es tut mir leid ich habe einfach nicht mehr dran gedacht!" Sie lächelte leicht und erwiderte dann: "Das kann doch jedem passieren, besonders nach den letzten Tagen, die ja wirklich mehr als anstrengend waren. Dennoch braucht uns das nicht daran zu hindern, trotzdem noch etwas zu essen, auch wenn jetzt nicht alles so ordentlich gedeckt ist, wie sonst." Er räusperte sich wieder. "Das ist allerdings... wahr. Also, was kann ich jetzt noch anbieten?" Sie dachte einen Augenblick nach. "Allzu großen Hunger habe ich nicht, also tut es eine Kleinigkeit ebenso gut, aber für etwas zu trinken wäre ich nicht undankbar!" Mit einem gemurmelten "Wird erledigt!" eilte er zum Replikator um das Gewünschte zu holen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie Beverly um seinen Schreibtisch herumging und den Zettel mit seinem Gedicht aufhob. Sie versuchte seine Schrift zu entziffern, kam aber mit der fremden Sprache nicht zurecht, wie er aus ihrem verwirrten Stirnrunzeln entnehmen konnte. Irgendwie beruhigte ihn das, denn er hätte nicht gewußt, wie er damit umgehen sollte, könnte sie verstehen, was er geschrieben hatte. Als er kurze Zeit wieder mit einem Tablett wiederkehrte, auf dem zwei gefüllte, sprudelnde Sektgläser sowie eine Schale mit Gebäck standen, hatte sie den Zettel wieder hingelegt, als wäre nichts gewesen. Er fragte sich, ob sie wußte, daß er sie gesehen hatte. Wortlos stellte er das Tablett auf den vor seinem Sofa stehenden Couchtisch. Dann hob er beide Gläser auf und reichte ihr eines davon. Sie sahen sich eine Weile in die Augen, bevor sie die Gläser mit einem melodischen Klingen anstießen und sich zuprosteten. "Auf Serga VII und den glücklichen Verlauf der Verhandlungen...," sagte Beverly leise. "Und auf Freundschaft," fügte Jean-Luc hinzu. Sie nickte, während sie an ihrem Sekt nippte und wiederholte dann lächelnd seinen Satz. Er selbst trank noch nichts, statt dessen beobachtete er sie lieber, während er sich an sein Glas klammerte. Irgendwie war er froh, daß sie an diesem Abend keine Uniform trug, sondern Zivilkleidung, die aus einem schulterfreien Pullover und einer enganliegenden Hose bestand. Als sie ihn überrascht ansah, trank er schnell einen Schluck und stellte das Glas dann ab. "Wollen wir uns nicht setzen?" fragte er dann und wies auf die Couch neben ihm. "Ich denke doch!" kam die Antwort. Beverly stellte ihr halbvolles Glas vorsichtig neben das seine und ließ sich dann langsam auf die Couch nieder. Er setzte sich dicht neben sie und hob nochmals sein Glas an, um daraus zu trinken. Sie faltete ihre Hände und blickte ihn mit ihren ausdrucksstarken blauen Augen an. "Was ist denn die Übersetzung des Gedichts, das auf Ihrem Schreibtisch liegt?" Er hätte sich fast an dem Sekt verschluckt, den er gerade trank und es kostete ihn große Mühe ihn nicht auszuprusten. Schnell schluckte er das Getränk hinunter und fragte dann so beiläufig wie möglich: "Welches Gedicht?" "Jenes, das sie auf ein Stück Papier geschrieben haben und das auf Ihrem Schreibtisch liegt.." "Ach so, das Gedicht! Warum haben Sie das nicht gleich gesagt..." Nervös zupfte er, unsichtbar für sie, an seiner Uniform herum. "Nun... es bedeutet nichts wirklich Wichtiges... Es war nur ein Gekritzel von mir..." "Ich finde nämlich, es klingt sehr schön, auch wenn ich es bis auf ein, zwei Wörter nicht verstehe!" "Tatsächlich? Das finden Sie? Und... ähm.. welche Wörter verstehen Sie?" Sie zuckte mit den Schultern. "Eigentlich verstehe ich nur die Artikel und Bindewörter. Jean-Luc, was haben Sie da geschrieben?" "Nur, was mir gerade durch den Kopf ging. Ich sagte es schon, nichts Wichtiges.." Fast schien es ihm, als könne er Enttäuschung auf ihrem schönen Gesicht ablesen, doch sie hakte nicht weiter nach, wofür er sehr dankbar war. Sie kannte ihn einfach schon zu gut, um ihn nicht weiter in Verlegenheit zu bringen, aber er fragte sich, was sie jetzt wohl denken mochte. Er wechselte das Thema, indem er sie nach ihrem Tagesablauf fragte. Bereitwillig erzählte sie ihm davon und er war froh, daß er um das heikle Thema seines Gedichtes geschickt herum manövriert war. Aufmerksam hörte er ihr zu, auch wenn das Gespräch nun seine Tiefgründigkeit verlor. Trotzdem genügte es ihm vorerst, dem Klang ihrer Stimme zu lauschen und sie schien es nicht zu bemerken, daß er im Verlauf ihrer Schilderungen ein wenig näher zu ihr hinrückte. Als sie schließlich geendet hatte, sah sie ihn fragend an. "Sie interessieren sich doch sonst nicht für meinen Tagesablauf, Jean-Luc. Was ist heute abend bloß los mit Ihnen? Sie vergessen Ihre Einladungen, schreiben seltsame, unverständliche Gedichte und interessieren sich für Dinge, nach denen Sie nie zuvor gefragt haben. Ich mache mir Sorgen um Sie." Er hob abwehrend die Hände. "Sie brauchen sich wirklich nicht zu sorgen. Ich bin nur etwas müde nach allem, was passiert ist, wie Sie sicher verstehen werden. Die Verhandlungen waren wirklich anstrengend. Außerdem habe ich diese Einladung ausgesprochen, bevor all diese Probleme begannen. Das werden Sie mir doch nachsehen können?" Sie seufzte und nickte dann. "Ich denke schon. Es tut mir leid, daß ich gleich mit der Tür ins Haus gefallen bin. Aber wenn Sie müde sind, wird es das Beste sein, wenn ich jetzt gehe, damit Sie sich ausruhen können!" Er wollte ihr widersprechen, wollte daß sie noch blieb, damit sie in seiner Nähe war, aber er erkannte, daß er damit seine sowieso schon fadenscheinigen Ausreden gefährdete. So nickte er lediglich. "Dafür wäre ich Ihnen nicht undankbar. Es tut mir leid, wenn ich Sie heute abend etwas unhöflich behandelt haben sollte, das wollte ich bestimmt nicht." Und wie er das nicht wollte. Er war froh, daß sie Verständnis dafür aufbrachte und aufstand. "Ich bin Ihnen nicht böse, Jean-Luc, im Gegenteil. Ich bin auch noch sehr erschöpft und bin froh, wenn ich mich ein wenig ausruhen kann, bevor ich wieder Dienst habe." Langsam ging sie zum Ausgang und er begleitete sie noch. Nachdem sie sich zum Abschied umarmt hatten, verließ sie sein Quartier. Er blickte noch eine Weile traurig auf die nun wieder verschlossene Tür und kehrte dann schleppend zu seinem Bett zurück, und ließ sich niedergeschlagen darauf fallen. Mit den Fäusten trommelte er in sein Kissen. Er hätte sich am liebsten selbst verflucht, für sein lächerliches Verhalten. "Ich habe alles vermasselt..." rief er immer wieder und er glaubte es in diesem Moment auch. Er blieb noch eine ganze Weile auf seinem Bett liegen und schlief irgendwann über seinen traurigen Gedanken ein.
Das Wecksignal holte ihn nach einigen Stunden aus seinem trüben, traumlosen Schlaf. Müde stand er auf und bemerkte, daß er in der Uniform geschlafen hatte. So brauchte er sich wenigstens nicht mehr anziehen, was auch einen Vorteil darstellte. Seine Erinnerung an den vergangenen Abend mit Beverly kehrte langsam zurück und er seufzte erneut. Sie schien ihm so fern und unerreichbar. Wie gerne würde er sie in den Arm nehmen und ihr alle die Liebe geben, die er schon so lange für sie empfand. Sie hatte ja keine Ahnung, was sie in ihm auslöste. Er schüttelte den Kopf und schleppte sich ins Bad, um sich noch ein bißchen frisch zu machen, bevor er seinen Dienst antrat. Er ging ans Waschbecken und ließ sich ein wenig kaltes Wasser über die Handgelenke laufen, was wieder ein klein wenig die Lebensgeister weckte. Schnell strich er sich noch über die Glatze und versuchte die wenigen Haare an seinem Hinterkopf ein wenig zu ordnen, bevor er sein Quartier verließ, um auf die Brücke zu gehen. Dabei entging ihm, daß ein weißer Zettel mit einem französischen Gedicht, der vormals auf seinem Schreibtisch gelegen hatte, nicht mehr dort war.

In der Gegenwart...

"Ich war so dumm!" sagte Captain Picard versonnen zu seiner Zuhörerin. "Über ein halbes Jahr lang habe ich mich nicht getraut, mit ihr reinen Tisch zu machen. Ich habe mich mit Ausreden und ähnlichem aus der Affäre gezogen und mußte immer mit der Angst leben, sie an einen anderen Mann zu verlieren. Verstehen Sie, ich hätte schon so viel früher... ach, das hat ja jetzt auch keinen Sinn mehr." Deanna Troi nickte stumm, sie konnte verstehen, wie ihm zumute sein mußte. Sie überlegte, was wohl geschehen wäre, wäre Beverly ein halbes Jahr früher schwanger geworden. Dann würde sie jetzt wahrscheinlich noch am Leben sein. Das Leben konnte so ungerecht sein und die wirrsten Wege gehen. "Wissen Sie, Counselor. Als ich damals.. als sie..." Traurig wendete Picard den Kopf ab und Deanna wußte sofort, wie der Satz weiter lauten mußte. Es dauerte eine kurze Weile, bis er sich wieder gefangen hatte, dann fuhr er leise fort. "Ich habe das Gedicht unter ihren persönlichen Sachen gefunden. Ich wußte nicht, daß es ihr so viel bedeutet hatte." Deanna versuchte beruhigend zu lächeln. "Oh doch, das hat es. Wissen Sie, es hat einige Zeit gedauert, bis sie die Bedeutung der Worte herausgefunden hatte, aber es war sehr wertvoll für sie, sonst wäre sie bestimmt nicht so neugierig darauf gewesen, die Übersetzung zu bekommen." "Hat sie es nicht einfach dem Übersetzer gegeben?" Picard war doch ein wenig überrascht. Beverly hatte ihm niemals verraten, wie sie an die Übersetzung seines Gedichtes gekommen war. Vielleicht auch, weil er es für eine offensichtliche Tatsache gehalten hatte. Der Counselor lächelte versonnen. "Nein hat sie nicht. Ich vermute, das war zuerst ihre Absicht, doch dann luden Sie sie einige Tage später ein, Sie auf Ihrem nächsten Landurlaub nach Südfrankreich zu begleiten." "Und weiter?" Deanna nickte. Vielleicht war es an der Zeit, daß sie dem Captain auch etwas erzählte und zwar, was ihr eine gute Freundin vor sieben Jahren anvertraut hatte.

7 Jahre früher...

Beverly Crusher lehnte sich entspannt in ihrem Stuhl zurück, während sie sich aus der warmen Thermoskanne heißen Kaffee in ihre Tasse einschenkte. Das Getränk dampfte noch und ihr stieg der würzige Geruch von dem Aroma der Kaffeebohnen in die Nase. Sie genoß diesen Duft immer wieder. Lächelnd stellte sie die Kanne zurück auf den Tisch und hob ihre Tasse an, doch bevor sie daraus trank blickte sie über den Tisch zu ihrem guten Freund Jean-Luc Picard. Er blickte sie schweigend an und es schien ihr, als bedrücke ihn etwas, aber da war er wohl nicht einzige. Ihr Gespür sagte ihr, daß der Kaffee noch zu heiß zum Trinken war und sie pustete ein wenig in die Tasse hinein, was die Flüssigkeit dazu veranlaßte sich in kleinen schwarzen Wellen zu kräuseln. Serga VII hieß, abstrakt ausgedrückt, die Quelle ihrer Nachdenklichkeit, denn was dort vor ein paar Tagen passiert war, hatte ihre Beziehung zu Jean-Luc nachhaltig verändert. Sie wußte, sie waren sich näher gekommen und ihr Verhältnis war ein wenig vertrauter geworden, doch es war noch mehr. Sosehr sie es auch vermeiden wollte, daran zu denken, sie hatten sich geküßt . Sie hatte lange darüber nachgedacht, was das zu bedeuten hatte und wie hoch sie diesen Kuß veranschlagen sollte. Für einen kurzen Moment hatte er ihr all die Geborgenheit und Wärme versprochen, die sie seit Jacks Tod nicht mehr verspürt hatte und sie war mehr als versucht gewesen, darauf einzugehen. Jean-Luc war ein guter Freund und sie würde ihm blind vertrauen, warum nicht einen Schritt weiter gehen? Aber dann war ihre Angst zurückgekehrt. Angst, er könnte es nicht ernst meinen. Immerhin hatte er sich den Kopf verletzt und auch wenn er einen normalen Eindruck auf sie gemacht hatte, wußte sie nicht, inwieweit ihm bewußt war, was er tat. Sie war verwirrt gewesen, denn in all den Jahren, in denen sie sich nun kannten, hatte er niemals Anstalten gemacht, intimer zu werden. Nunja, bis auf ein Mal, aber wie sich später herausstellte, war er von einem Doppelgänger ersetzt worden. Sie verspürte ein leichtes Kribbeln, als sie an jenen Abend vor vier Jahren zurückdachte und es wäre eine Lüge zu sagen, sie hätte es nicht genossen. Durch diesen Doppelgänger wurde sie zum ersten Mal in die Lage gebracht, ihm etwas näher zu sein, als es gewöhnlich der Fall war, und auch sein Vorschlag, die professionelle Distanz zu verringern war von ihr keineswegs abgelehnt worden. Umso überraschter war sie gewesen, als er sie nach relativ kurzer Zeit aus seinem Quartier geworfen hatte. Sie mußte ein wenig schmunzeln, als sie daran dachte, wie erleichtert sie war, als sich herausstellte, daß es sich nicht um den echten Jean-Luc handelte. Dennoch hatte das Double sie dazu gebracht, über eine mögliche Beziehung mit dem Captain nachzudenken und es war fast bedauerlich, daß er ihr die nächsten Jahre keine Gelegenheit dazu gegeben hatte. Bis jetzt...! Es war ihr keineswegs entgangen, wie sich sein Verhalten nach ihren gemeinsamen Erlebnissen auf dem Planeten verändert hatte. Er erschien ihr fast melancholisch, eben bedrückt und dann war da noch dieses seltsame Gedicht, das er geschrieben hatte. Sie hatte es eingesteckt, nachdem sie es gelesen hatte, um später in ihrem Quartier einen Übersetzer zu Rate zu ziehen, aber nun war sie sich nicht sicher, ob sie das wirklich tun sollte. Ihr Französisch war mehr als lückenhaft und sie hatte ihn nicht angelogen, als sie ihm sagte, was sie verstanden hatte und was nicht. Aber sie wüßte es so gerne. Natürlich war auch eine gewisse Portion Neugier dabei, das wollte sie nicht einmal ableugnen, aber in erster Linie wollte sie wissen, was ihn so nachdenklich stimmte, um ihm zu helfen. Ein Geräusch holte sie aus ihren Gedanken und sie blickte ihn wieder an, wobei sie die Tasse abstellte. Er räusperte sich und sie meinte fast zu sehen, daß er ein wenig rot wurde, als er anfing zu sprechen: "Die Enterprise hat doch in einer Woche die Gelegenheit, seit langer, langer Zeit wieder einmal zur Erde zurückzukehren, was natürlich für die Crewmitglieder bedeutet, ihre Familie wiedersehen zu können, wenn sie möchten, oder einfach zu entspannen. Ich wollte Sie fragen, ob Sie Lust hätten, mich nach La Barre zu meinem Bruder zu begleiten, wo ich ein paar Tage bleiben will?" Beverly glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Der Captain wollte sie mit zu seinem Bruder nehmen? Ein seltsames Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit, doch sie versuchte es zu ignorieren und lächelte statt dessen souverän. "Ich würde mich sehr freuen, Ihren Bruder einmal kennenzulernen. Es wäre mir eine Ehre, Jean-Luc!" Sie wußte nicht recht, was sie davon halten sollte, aber vielleicht war das ein Wink des Schicksals. Trotzdem durfte sie nicht zu voreilig sein. Er war ein guter Freund, vielleicht war es kindisch, mehr zu erwarten. Dennoch wollte sie abwarten und sehen, wie die Situation sich entwickeln würde. Seit Serga hatte es nunmal einige Veränderungen in ihrem Verhältnis zueinander gegeben, warum auch nicht? Über den Tisch hinweg sah sie, daß er wie erleichtert lächelte. "Das freut mich!" sagte er schlicht. "Glauben Sie mir, La Barre ist einen Besuch wert, auch wenn mein Bruder auf den ersten Blick etwas rückständig erscheint..." "Ich war noch nie in Frankreich!" gestand sie, "Aber ich vertraue Ihrem Geschmack. Und ich denke, daß ich Ihren Bruder trotz allem mögen werde." Wieder lächelte sie und beobachtete amüsiert, wie der Captain abwehrend die Hand hob. "Glauben Sie mir, er ist das genaue Gegenteil von mir, Sie werden überrascht sein!" "Das werde ich so oder so ganz bestimmt." Er nickte. "Das ist wohl wahr... sagen Sie, möchten Sie noch etwas Kaffee?" "Oh ja, bitte..."

Als Beverly spät am Abend nach ihrem Dienst in ihr Quartier zurückkehrte, war sie mehr als nur verwirrt. In Gedanken versunken streifte sie ihren blauen Arztkittel ab und warf ihn achtlos auf die Couch, bevor sie langsam ins Bad ging. Sie war zwar müde, nach diesem arbeitsreichen Tag, aber auch voller Fragen. Sie seufzte, als sie ihr Konterfei im Spiegel betrachte und strich sich einige Haarsträhnen zurück, die sich gelöst hatten. Der Captain, nein Jean-Luc hatte sie eingeladen, seine Familie kennenzulernen. Sie war sich durchaus bewußt, welchen Wert sie diesem Angebot beimessen konnte, denn der Captain war normalerweise sehr diskret, was sein Privatleben anging. Vielleicht war dies der erste Schritt zu etwas vollkommen neuem, etwas was er schon längst hätte tun sollen? Sie mußte an den Doppelgänger denken und wie sehr sich Jean-Luc von diesem unterschied. Dabei fiel ihr auf, wie lange sie diesen Vergleich nicht mehr angestellt hatte. Sie wußte, daß er, was seine Missionen und die Sicherheit des Schiffes anging, sehr korrekt und zuverlässig war. Dies waren Gebiete auf denen er sich auskannte und in denen er sich frei bewegen konnte, doch es fiel ihm unglaublich schwer, andere an seinen innersten Gedanken teilhaben zu lassen. Manchmal hatte sie das Gefühl, daß sie mehr über ihn wußte, aber der Hauptgrund dafür war wohl einfach ihre lange Freundschaft. Sie kannte ihn einfach inzwischen recht gut, hinzu kam, daß er sie in einigen Fällen sogar eher aufsuchte als Counselor Troi und ihr sein Herz ausschüttete. Leider kam dies viel zu selten vor. Sie fragte sich, wie alleine er sein mußte, ganz oben an der Spitze. Natürlich konnte sie ihn bis zu einem gewissen Grad verstehen, gegenüber der Mannschaft Diskretion bewahren zu wollen, aber es machte ihn auch zu einem Einzelkämpfer. Sie jedenfalls war immer für ihn da, wenn er sie brauchen sollte, das nahm sie sich vor. Gedankenverloren wusch sie sich die Hände und als sie sich umdrehte fiel ihr Blick auf ihr seidenes Nachthemd, das sie heute morgen ordentlich auf einem Hocker zusammengelegt hatte. Erst jetzt bemerkte sie, wie müde sie eigentlich war, von all der Anstrengung und den vielen Fragen. Sie hatte überlegt, noch ein oder zwei medizinische Berichte zu beenden, bevor sie sich schlafen legte, doch wenn sie recht darüber nachdachte, hatte das noch bis morgen Zeit. Schnell streifte sie sich auch die restliche Uniform vom Leib, wusch sich kurz unter der Schalldusche und schlüpfte dann in das bereitliegende Nachthemd. Der seidige Stoff auf ihrer Haut fühlte sich gleich viel angenehmer an, als die rauhe Uniform, stellte sie fest, als sie langsam zu ihrem Bett ging und unter die Decke kroch. Sie seufzte zufrieden, als sie sich in ihr Kissen sinken ließ und entspannt die Glieder ausstreckte. "Computer, Beleuchtung ausschalten!" murmelte sie noch, dann war sie eingeschlafen.

"Beverly!" Beverly konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie die leicht außer Atem klingende Stimme von Deanna hinter sich hörte. Sie beschloß erst einmal so zu tun, als hätte es nicht gehört. "Beverly!" Dieses Mal klang es schon ein wenig eindringlicher. Sie beschloß Deanna nicht länger warten zu lassen und drehte sich, nun wieder ernst schauend um. "Was kann ich für Sie tun?" fragte sie höflich. "Haben Sie einen Moment Zeit?" fragte der Counselor und Beverly konnte deutlich die Neugier aus der Stimme ihrer Freundin heraushören. "Sicher, worum geht es?" Sie bemühte sich, unschuldig zu klingen, bei einer Empathin ein sinnloses Unterfangen, dennoch war es jedes Mal einen Versuch wert. "Ich denke das wissen Sie genau!" kam verschmitzt lächelnd die Antwort. Beverly zuckte mit den Schultern. "Nein, weiß ich nicht!" Deanna sah ihr in die Augen und legte den Kopf leicht schräg, bevor sie mit dem Zeigefinger auf ihre Freundin zeigte. "Sie haben unser gemeinsames Training gestern vergessen! Was war los?" Unmerklich atmete Beverly aus. Wurde sie etwa paranoid? Fast hatte sie befürchtet, Deanna wollte sie etwas zu ihrer Beziehung, oder vielleicht auch Nichtbeziehung zu Jean-Luc fragen, neugierig und direkt wie sie sein konnte. Bei diesen Empathen konnte man nie wissen... Aber auf der anderen Seite, woher hätte sie es erfahren sollen? Von ihr bestimmt nicht und Jean-Luc, war auch sehr diskret. Ihre Freundin war schließlich als Halbbetazoidin nur empathisch und nicht telepathisch. Wäre sie letzteres gewesen, hätte Beverly wohl ein noch schwereres Los gehabt, Dinge geheim zu halten. Immerhin, eine Sache hatte sie bisher erfolgreich geheim gehalten. Bisher! Deanna entging die Nachdenklichkeit ihrer Freundin nicht. "Stimmt etwas nicht?" fragte sie. Beverly wußte, wollte sie weiteren Fragen entgehen, war es besser, schnell zu antworten. "Nein, nein. Es ist alles in bester Ordnung!" entgegnete sie deshalb hastig. "Ich bin nur in letzter Zeit etwas durcheinander. Das mit Gestern tut mir leid, ich war einfach zu müde!" Und das war nicht einmal eine Lüge. Wie es schien, war Deanna mit dieser Antwort halbwegs zufrieden, zumindest akzeptierte sie sie, ohne weiter nachzufragen. "Aber heute kommen Sie?" fragte sie schließlich. Beverly nickte. "Ich denke schon, und wenn nicht, sage ich Ihnen dieses Mal bestimmt Bescheid!" "Das wäre nett! Na gut, dann möchte ich Sie nicht weiter aufhalten, mein Dienst fängt außerdem gleich an!" "Ja, ich gehe nun besser auch auf die Krankenstation. Bis heute Abend dann!" Als sie wieder alleine war, schüttelte Beverly leicht den Kopf. Sie überlegte, ob sie Deanna von der Einladung nach La Barre erzählen sollte oder nicht. Ohne eine Antwort zu finden, ging sie ihren Dienst antreten.