Disclaimer: Ein Teil der vorkommenden Namen ist eingetragenes Warenzeichen von Paramount Pictures.

XVII

Zwei Gestalten betraten den Transporterraum. Es sah aus, als hätten sie sich für eine lange Reise fertig gemacht, von der sie nicht zurückkehren würden, denn sie hatten viel Gepäck. Es handelte sich um einen älteren Mann und ein kleines Kind. Beide sprachen kein Wort miteinander, sondern stellten sich abwartend neben die Transporterplattform. Es schien, als zögerten sie noch einige Momente, oder warteten auf jemanden. Die Tür öffnete sich ein weiteres Mal und es kamen sieben weitere Leute herein: ein kräftiger Mann mittleren Alters mit einem Vollbart, eine wunderschöne, exotische Frau mit schwarzen Locken, ein kleiner dunkelhäutiger Mann mit einer technologischen Sehhilfe, eine dunkelhäutige Frau mit einem großen, extravaganten Hut, ein bleicher Androide, ein grimmig dreinblickender Klingone und ein streng blickender Mann mit grauem Haar und dem Rang eines Admirals. Der Admiral stellte sich sofort auf die Transporterplattform und gab dem Transporterchief ein Zeichen, doch der Mann mit dem Vollbart hob das Zeichen auf. Jeder der sechs anderen umarmte den traurigen Mann mit seiner Tochter noch einmal und jeder sagte sein Lebewohl, mit Trauer, mit Bestürzung und dem Wissen man würde einander niemals wieder sehen. Der traurige Mann und seine Tochter bestiegen nun ebenfalls die Transporterplattform und kurz darauf entmaterialisierten sie, um tatsächlich niemals wieder gesehen zu werden.

Das Ende?... Nein, der Anfang!

Trennung. Verlust. Schmerz. Tränen. Trauer. Erinnerung...

Ewig werde ich bei dir sein.

Immer wenn du mich braucht, bin ich für dich da.

Immer wenn du an mich denkst, bin ich für dich da.

Immer wenn du denkst du bist allein, bin ich für dich da.

Wenn du weinst und traurig bist,

dann denke an mich und ich werde bei dir sein,

denn ich bin in deinem Geist,

in deiner Seele

und in jeder Faser deines Körpers.

Du bist ein Teil von mir.

Du gehörst zu mir,

wie ich zu dir.

Ohne dich wäre ich leer.

Ohne dich würde etwas fehlen.

Für dich würde ich sterben.

Du bist mein Geliebter!

Du bist nicht perfekt,

aber du bist perfekt du selbst.

Das macht dich so liebenswert

und wertvoll für mich.

Das Haus stürzte nicht ein,

als du gingst –

Die Vögel fielen nicht vom Himmel,

und die Straße bog sich nicht

unter deinen Schritten.

Mein Herz schlug weiter in mir.

Aber die Welt stand still.

Ist es noch wichtig?

Ist es noch wichtig, wenn ich sage ich liebe dich?

Ist es noch wichtig, wenn ich sage ich vermisse dich?

Ist es noch wichtig, wenn ich sage es tut mir leid?

Es tut mir leid, dass ich fort bin? Ist das wichtig?

Willst du es hören?

Ist es noch wichtig, wenn ich weine vor Einsamkeit?

Ist es noch wichtig, wenn ich schreie vor Wut?

Ist es noch wichtig, wenn ich zittere vor fehlender Wärme?

Wärme, die du mir gabst? Ist das wichtig?

Willst du es hören?

Ist es noch wichtig, wenn ich glaube zu sterben?

Ist es noch wichtig, wenn ich im Sterben liege?

Ist es noch wichtig, wenn ich sterbe? Ist das wichtig?

Willst du es hören?

Würdest du es als Entschuldigung akzeptieren?

Als Entschuldigung dafür, dass ich nicht bei dir sein kann?

Willst du es hören?

... "Wir sind heute zusammengekommen um einen Menschen aus unseren Reihen zu verabschieden, den jeder von uns auf seine eigene Art liebgewonnen hat. Wir alle fühlen die Leere in uns, die der Tod von geliebten Menschen zwangsläufig verursacht. Niemand ist dagegen gefeit, Trauer wird immer ein wesentlicher Bestandteil unseres Daseins sein. Trotzdem kommt der Tod immer zu früh. Beverly Picard war eine gute Freundin von jedem von uns, aber sie war noch mehr. Sie war eine Kameradin, sie war eine gute Ärztin und wir konnten uns immer auf sie verlassen. Ihr Tod wird in jedem von uns tiefe Spuren hinterlassen und wir werden sie niemals vergessen. Sie hat für immer einen Platz in unserem Herzen!" Will Riker hatte erstaunlich gefaßt seine Rede zu Ende gebracht und jeder, der ihm zugehört hatte, hier im Transporterraum, murmelte beifällig. Jean-Luc Picard stand, mit einem Säugling auf dem Arm, etwas abseits und starrte ins Leere. Auf der Transporterplattform wartete ein weißer Sarg mit einem durchsichtigen Sichtfenster. In Sternenflottenlettern stand der Name des Schiffes und der Name der Toten darauf. Ihr bleiches Gesicht wirkte friedlich, fast schlafend. Plötzlich fing das kleine Kind furchtbar an zu weinen und fluchtartig verließ der Captain den Transporterraum. Wie der Sarg ins All gebeamt wurde, bekam er nicht mehr mit.

Der Anfang

Die Golden Gate Bridge war nach wie vor das beeindruckendste Wahrzeichen San Franciscos. Ein Überbleibsel aus vergangener Zeit, gepflegt und erhalten, auch wenn die Brücke heute nur noch seltener zum Überqueren der Bucht genutzt wurde. Sie war eine Sehenswürdigkeit und nur Touristen oder Abenteuerlustige betraten das rote Monument. Ihre typischste Eigenschaft war es wohl, von der gesamten Küste aus gesehen zu werden, oder von einem der Hochhäuser in der Mitte der Stadt. Im Laufe der Zeit jedenfalls, wurde sie zu Jean-Luc Picards "bester Freundin" in seiner Einsamkeit. Nach seinem Fortgang von der Enterprise hatte Starfleet ihm eine Wohnung zur Verfügung gestellt, die er seit jener Zeit mit seiner Tochter bewohnte, doch die meiste Zeit war er alleine, weil Madeleine inzwischen die Schule besuchte. Ohne Arbeit hatte er jegliche Ablenkung verloren und hatte so noch mehr Zeit, seinen Gedanken und Erinnerungen nachzuhängen, als zuvor. Er hatte mit der Vorstellung gespielt, sich nachträglich an jenem Atlantis-Projekt zu beteiligen, das sein Freund Louis, bei seinem vorletzten Besuch in La Barre erwähnt hatte, doch inzwischen war zuviel Zeit vergangen und er hatte es nicht geschafft, sich einzuarbeiten. Trotzdem besuchte er seinen Bruder und Marie ein wenig öfter, jetzt da er auf der Erde wohnte. René verstand sich recht gut mit Madeleine, worüber er froh war. Das alles änderte aber nichts an der Tatsache, daß er viel alleine war. Seine Tochter war der einzige Grund warum er sich noch nicht ganz aufgegeben hatte, denn für sie trug er die Verantwortung. Er hatte es Beverly versprochen, damals, vor so langer Zeit. Es erschien ihm so weit entfernt und doch so nahe. In den einsamen Stunden, die er in der Wohnung verbrachte, stand er oft am Fenster und betrachtete die Brücke, die von jenem Standpunkt aus gesehen ins Zentrum seines Blickfelds rückte. Mit diesem Bauwerk teilte er das Alleinsein. Er war nicht glücklich mit diesem neuen Leben, denn es gab immer mehr freie Stellen in seinem Herzen. Nichts war an den Platz getreten, an dem vorher etwas gewesen war, Trauer und Vergessen an die Stelle von Liebe, Nähe, Kameradschaft, Freundschaft. Hier gab es keine Freunde, außer den Kindern mit denen seine Tochter spielte, es gab nur Familie, aber auch nicht allzu oft. Er zog sich noch mehr zurück und wurde von Vielen als seltsamer verbitterter alter Kauz belächelt. Er lebte sein neues Leben, Tag für Tag, zählte sie Stunden nicht. Er wachte morgens auf um Abends schlafen zu gehen, nicht und gleichzeitig genau wissend, was der neue Tag bringen würde. Wenn es etwas gab, was er im Überfluß hatte, dann Zeit, jetzt da er keinen Gebrauch mehr davon hatte. Zeit... Es sollte der Tag kommen, an dem die Zeit alles ändern sollte. Der stetige Fluß der Dinge sich ein neues Bett grub. Bald, sehr bald... Nachts wenn er schlief flüsterten Stimmen in sein Ohr, erzählten von vergangenen Tagen, riefen die Erinnerungen wach, das ewige nie verstummende Lied. Bald, Geliebter...

Veränderungen sind selten, sehr selten, doch sie kommen ohne Ankündigungen. Das menschliche Bewußtsein sieht sich vor vollendete Tatsachen gestellt. Manchmal jedoch, muß das Bewußtsein erst erreicht werden.
Jean-Luc Picard stand, wie so oft, am Fenster seiner kleinen Wohnung, die er mit seiner Tochter teilte, doch dieses Mal starrte er nicht hinaus auf die Bucht, nein er beobachtete Madeleine, die auf dem Boden saß und in das Spiel mit einem Stofftier vertieft war. Er wußte nicht einmal, ob sie ihn wahrnahm. Er verzog den Mund zu einer Grimasse, als er daran denken mußte, daß sie dies alles nicht erleben durfte. Sinnlos, so sinnlos... Seit das Kind die Schule besuchte, sah er es nur noch selten, doch es erschien ihm, daß Madeleine große Fortschritte erzielte. Er konnte stolz auf sie sein. Mit einem leichten Kopfschütteln versuchte er seine Gedanken zu verdrängen. So viele Menschen hatten es ihm immer und immer wieder gesagt und auch er selbst hatte es wahrgenommen. Er durfte gedanklich nicht in der Vergangenheit stecken bleiben, er mußte in der Gegenwart leben. Sechs Jahre waren eine lange Zeit, lange genug um die Trauer ablegen zu können und ein neues Leben zu beginnen. Doch dazu mußte er von seinen Schuldgefühlen loskommen und das gelang ihm nach wie vor nicht. Er war diesen Vorfall gedanklich so oft durchgegangen, nachts, wenn er wachlag und es gab so viele Variablen, die, nur leicht verändert, bewirkten, daß dieses sinnlose Tod nicht hätte passieren müssen. Vielleicht sollte er wirklich darüber hinwegkommen, ein neues Leben anfangen, es zumindest probieren. Momentan gab es nichts, außer dem spielenden Kind auf dem Fußboden, was sein Dasein in irgendeiner Weise ausfüllte. Er hatte keine Arbeit und auch keine richtigen Hobbys. Das leise Piepen einer hereinkommenden Nachricht holte ihn aus seiner Nachdenklichkeit und mit schnellen Schritten ging er hinüber zum Tisch, auf dem ein kleiner Handcomputer stand. Er setzte sich davor, drückte eine Taste und das Bild seines Bruders Robert erschien. "Ich wollte mich mal wieder nach dir erkundigen!" rief dieser gerade heraus, "Aber wie ich sehe geht es dir unverändert ." Jean-Luc nickte. "Woher diese plötzliche Besorgnis?" Robert lächelte bitter. "Ich mache mir schon lange Sorgen, auch um deine Tochter." "Ich bitte dich..." Lustlos winkte Jean-Luc ab. "Du glaubst nicht, wie oft ich das in den letzten sechs Jahren gehört habe.." "Aber sicher nicht von deinem älteren Bruder!" "Nicht in dieser Form. Hör zu, ich habe diese Diskussion bereits mit meinen Offizieren geführt und ich habe nicht die geringste Lust..." "JEAN-LUC! Verdammt noch mal, ich bin nicht einer deiner Offiziere, ich brauche dir keinen Respekt zu erweisen, ich brauche nicht zu schweigen, wenn du mich nicht reden hören willst! Und ich habe diesem Unsinn lange genug zugesehen! Als du vor acht Monaten zur Erde zurückgekehrt bist, hatte ich ja gar keine Ahnung, was du dir bereits fünf Jahre lang angetan hast, war aber nach wie vor der Meinung, jetzt, nachdem du die Enterprise und all das hinter dir gelassen hast, würde es langsam besser werden. Leider habe ich mich getäuscht." Jean-Luc seufzte genervt und rollte mit den Augen, unterbrach seinen Bruder jedoch nicht mehr. Trotzdem sah man ihm deutlich an, daß es ihm keine allzu große Freude machte, zuzuhören. "Ich weiß wieviel sie dir bedeutete, der Glanz in deinen Augen war eindeutig, aber du mußt loslassen, wenn du wieder anfangen willst ein normales Leben zu führen. Was vergangen ist, ist vergangen, du kannst sie nicht mehr retten! Lerne damit zu leben!" Ein Schauer durchfuhr Picard und er verengte die Augen zu Schlitzen. "Was?" Er flüsterte fast. Überrascht blickte die kleine Madeleine von ihrem Stofftier auf und sah ihren Vater mit großen Augen an. Die düstere Atmosphäre die sich im Zimmer breit machte, war fast mit den Händen zu ergreifen. Am anderen Ende der Leitung zuckte Robert die Schultern. "Ich habe keine Ahnung von den Dingen, die du in deinem Leben gesehen hast, aber..." "Was hast du eben gesagt!" Jean-Lucs Stimme hatte einen seltsamen Klang angenommen. Überrascht starrte der Ältere seinen jüngeren Bruder an. "Ich, nun ich sagte, du mußt lernen das Vergangene ruhen zu lassen und damit zu leben, du kannst sie nicht mehr retten." "Ja...!" "Jean-Luc?" "Bitte!" "Ist alles in Ordnung?" "Natürlich..." "Du sahst eben so seltsam aus. Ich muß mir eingestehen, das hat mir Angst eingejagt." "Mach dir keine Gedanken..." Robert seufzte. "Du gibst mir absolut keinen Anlaß dazu. Die Traurigkeit in deinen Augen hat sich nicht verändert und auch sonst... Aber du bist sterblich, wir alle sind es und der Tod geliebter Menschen gehört zu unserem Dasein. Die Zeit ist unerbittlich und gnadenlos..." Jean-Luc flüsterte wieder, mehr zu sich selbst. "Ja, das ist sie..." "Nun dann, es sieht aus, als hätte ich dich genügend belästigt, aber du solltest darüber nachdenken..." "Glaub mir das werde ich..." "Schön, daß du doch manchmal noch auf deinen alten Bruder hörst..." Sie verabschiedeten sich und Jean-Luc blickte noch lange nachdem der Bildschirm erloschen war auf den schwarzen Monitor. "Robert..." flüsterte er. "Du hast ja keine Ahnung... Nicht mal ich habe sie..." Beverly! Oh Gott! Langsam stand er auf und blickte auf Madeleine, die ihn immer noch verunsichert ansah. "Hab keine Angst!" erklärte er ihr und kniete sich zu ihr auf den Boden. Sie nickte stumm und schob ihm das Plüschtier hin. Er nahm es auf und drückte es an sich. "Bald wird alles besser, das verspreche ich dir." Hoffentlich...