Disclaimer: Ein Teil der vorkommenden Namen ist eingetragenes Warenzeichen von Paramount Pictures.
XXIManchmal ist es schwer zu wissen was man will. Beverly Picard –
ehemals Crusher – seufzte laut und vernehmlich und wußte
doch, daß sie niemand hören konnte. Die Einsamkeit schlug
ihr langsam aber sicher auf das Gemüt, auch wenn Jean-Luc alles
ihm nur Mögliche für sie tat. Dennoch mußte er nach
wie vor und gerade jetzt seinem Dienst nachkommen, während sie
in ihrem gemeinsamen Quartier auf der Couch lag und die Zeit vergehen
ließ. Ihr stand der Sinn weder nach Lektüre noch nach
Musik und so hatte sie die letzten Tage in vollkommener Stille nur
mit ihren Gedanken verbracht. Das Baby bewegte sich lebhafter als
zuvor und sie wußte, es war nur noch eine Frage von Tagen.
Hoffentlich behindere ich die Mission wirklich nicht.. Es wäre
das Beste, wenn sie noch vor dem Erreichen der neutralen Zone
niederkam, aber die Natur richtete sich nicht nach den Wünschen
der Menschen, auch wenn diese das gerne glauben wollten. Sie wollte
niemandem im Wege stehen, denn das war das einzige, was sie hier
momentan aktiv tun konnte, zusätzlich wollte sie Jean-Luc
gegenüber Admiral Nechejev nicht Lügen strafen, selbst wenn
diese es wohl nie erfahren würde. Sie seufzte erneut und verzog
schmerzhaft das Gesicht. "Es wäre wohl wirklich besser für
dich, wenn du hier so schnell, wie möglich herauskämest..."
flüsterte sie dem ungeborenen Kind zu, wobei sie die Hand auf
den Bauch legte. Sie fühlte sich inzwischen furchtbar
unbeweglich und steif, was in diesem Stadium der Schwangerschaft zwar
nicht verwunderlich war, aber trotzdem nicht gerade angenehm. Nach
außen hin versuchte sie zwar, sich so normal, wie möglich
zu verhalten, aber niemand wußte, wie sie sich wirklich fühlte
– doch das wollte sie auch gar nicht. Vor allem Jean-Luc würde
sich wieder unnötig Sorgen machen. Es war zwar rührend von
ihm, wie besorgt er sich um sie kümmerte, aber dies war etwas,
was sie letzten Endes ganz alleine durchstehen mußte, selbst
wenn es ein wenig Zusammenbeißen der Zähne erforderte. Sie
verlagerte ein wenig ihre Liegeposition, um die inzwischen
schmerzende Seite zu entlasten und ließ ihre Gedanken
treiben.
Es war alles so schnell gegangen in den letzten Monaten.
Vor gut einem Jahr hatte sie sich nicht einmal träumen lassen
hochschwanger im Quartier des Captains zu liegen und mit selbigem
verheiratet zu sein. Hätte es ihr jemand erzählt, sie hätte
die Person ausgelacht. Doch nun, da es nun einmal so war, fragte sie
sich oft, wie es gewesen wäre, wäre alles anders gekommen.
Wahrscheinlich wären sie immer noch gute Freunde, die insgeheim
in jeder freien Minute miteinander flirteten und es sich doch
gegenseitig nicht eingestehen konnten. Sie würden aneinander
vorbei leben, wie bereits die ganze Zeit zuvor. Doch sie war
glücklich mit dieser Entwicklung, überglücklich –
selbst wenn es bedeutete erneut die Strapazen einer Schwangerschaft
auf sich zu nehmen. Sie verzog sarkastisch den Mund. Es war es
wert! Und außerdem war es nichts, was sie nicht schon
einmal durchgestanden hatte. Ihre Gedanken glitten weiter zu jenem
Mann, der ihr so viel bedeutete, der der Vater ihres Kindes war und
den sie so gut kannte. Es gab diese Momente, in denen sie das Gefühl
hatte, in ein offenes Buch zu blicken, wenn es sonst niemand
vermochte. Sie hatte das Gefühl, fast ihr ganzes Leben mit ihm
verbracht zu haben, selbst als er sie nach dem Tod von Jack verlassen
hatte. Irgendwo hatte es wehgetan, tief in ihr, ja sie hatte ihn
sogar manchmal dafür gehaßt. Sie hatte diese Gefühle
in sich vergraben, wo sie geblieben waren, bis zu jenem Abend, als
Jean-Luc in ihr Quartier gekommen war und ihr gestanden hatte, was er
für sie empfand. Sie lächelte, als sie daran dachte, was
dann gefolgt war. Zeitgleich war die Erinnerung zurückgekehrt,
die sich mit dem lustvollen Schmerz verbunden hatte, der langsam aber
sicher zur Oberfläche gelangte, als sie sich die ganze Nacht
liebten.. Danach hatten sie lange, sehr lange miteinander gesprochen
und Beverly konnte endlich Frieden mit der Vergangenheit schließen.
Es war überraschend und zeitgleich so wohltuend gewesen, was
Jean-Luc ihr offenbarte und es gab ihr endlich das Gefühl die
gesamte Geschichte zu kennen.
Manchmal, wenn sie sich
unbeobachtet fühlte, betrachtete sie ihn. Es machte keinen
Unterschied mehr für sie, daß er 20 Jahre älter war,
im Gegenteil. Sie konnte in seinen Augen so viel Lebenserfahrung
sehen und wußte zeitgleich genau, was sich hinter seiner
disziplinierten Fassade verbarg. Er war ein Mann, der in seinem Leben
mehr als einmal verletzt worden war, vielleicht auf eine Weise, die
sie niemals vollständig ermessen konnte und trotzdem war er
niemals gewalttätig oder aggressiv. Er hatte sie selten
angeschrien und wenn nur aus dienstlichen Gründen, doch manchmal
konnte er seinen Schmerz nicht mehr unterdrücken. Sie saß
dann bei ihm und versuchte ihm zuzuhören und ihn zu trösten,
ohne ein Wort zu sagen, ihm einfach das Gefühl zu geben, es sei
jemand für ihn da. Sie fragte sich, was er getan hatte, bevor
sie ihm Trost spenden konnte und kam, jedesmal wenn sie darüber
nachdachte, zu der Erkenntnis, daß er sehr einsam gewesen
war.
Wann genau war eigentlich die Freundschaft, die sie für
ihn empfunden hatte, in Liebe umgeschlagen? Von ihm wußte sie
inzwischen, daß er sie geliebt hatte, seit dem ersten
Augenblick, als er sie gesehen hatte und nur aus Rücksicht auf
seinen Freund solch eine Zurückhaltung bewahrt hatte, doch wann
geschah es bei ihr? Ob es mit ihrem Haß nach Jacks Tod einher
gegangen war, als er gegangen war? Bekanntlich kann man nur jemanden
hassen, den man geliebt hatte, doch dies war noch nicht der Zeitpunkt
gewesen.
Sie erinnerte sich, als sie ihn wiedersah, auf der
Enterprise, nach all der Zeit. Sie wollte ihm wieder unter die Augen
treten, nach all den Jahren, ihn an damals erinnern und zeitgleich,
als sie ihn sah, wie er sie unsicher und nervös begrüßte,
war all ihr Haß verschwunden, auch wenn die Fragen noch lange,
lange Zeit geblieben waren. Sie waren schnell wieder Freunde
geworden, gemeinsam durch Dick und Dünn gegangen, doch von
wirklicher Liebe konnte sie nicht sprechen. Nein, das erste Mal, als
sie ein solches Gefühl bemerkte, war als sie ihn sah, auf dem
Borgschiff, voller Implantate, nicht länger ein Mensch. Die Art
und Weise, wie er sie angesehen hatte, sie nicht länger als
seine Freundin und Kollegin erkannte, hatte ihren Magen in einen
Eisblock verwandelt und ein Gefühl solch großer Leere
entstehen lassen, das erst wieder verschwunden war, als es ihr
gemeinsam mit Data gelungen war, ihn wieder in einen Menschen zu
verwandeln. Ja, das Gefühl, das sie zu diesem Zeitpunkt
wahrgenommen hatte, war über die Jahre weiter gewachsen, selbst
wenn sie es zeitweilig verdrängt, vergessen oder übertüncht
hatte und nun hatte es sie zu dem gemacht, was sie heute war: die
schwangere Ehefrau des Captains der Enterprise.
Das Zischen der Tür riß sie aus den Gedanken und
langsam setzte sie sich auf. Sie erblickte Jean-Luc, der wenige Meter
von ihr entfernt stand und sie eingehend betrachtete. Langsam verzog
sie den Mund zu einem Lächeln. "Stimmt etwas nicht?"
fragte sie ihn nach einer Weile. "Im Gegenteil! Ich habe das
Gefühl, daß alles stimmt, ich kann es nicht
erklären..." "Wieder eines deiner seltsamen
Déjà-Vu-Erlebnisse?" Sie versuchte neutral zu
klingen, aber es gelang ihr nicht komplett die Sorge aus ihrer Stimme
zu verbannen. Er nickte. "Genau..." Sie seufzte. Seit der
Nachricht von Admiral Nechejev hatte er ihr bereits mehr als einmal
von unerklärlichen Gefühlen berichtet, die die meisten
seiner danach gefällten Entscheidung in irgend einer Weise
beeinflußt hatten. Was ihr daran die allergrößte
Sorge bereitete, war die Tatsache, daß viele dieser
Entscheidungen in direkter oder indirekter Weise mit ihr zu tun
hatten. Trotzdem entschied sie sich dazu, ihn nicht darauf
anzusprechen und es dabei zu belassen. Er lächelte und setzte
sich zu ihr. "Heute haben wir die Zivilisten abgesetzt..."
berichtete er ihr. "Ich fürchte nun geht es in Richtung
Neutraler Zone." Er ergriff ihre Hand und wurde schlagartig
ernst. "Beverly... hör zu. Es gibt etwas, das ich dir sagen
muß. Es hört sich wahrscheinlich ziemlich lachhaft an,
aber... ich habe Angst, die Neutrale Zone zu erreichen." Sie
blickte ihn an, sagte aber nichts, sondern ließ ihn
weiterreden. "Wenn ich auf meine seltsamen Gefühle höre,
dann denke ich, es gibt nichts, das ich zu fürchten hätte,
daß es nicht die geringste Bedrohung gibt. Dieses Gefühl
ist fast stark genug, um es Wissen zu nennen und dann ist da
etwas anderes. Es ist weit weniger greifbar, doch es erscheint wie
eine Disharmonie, die mir genau das Gegenteil sagt. Ich frage mich,
ob es richtig war, dich an Bord zu behalten, ob ich überhaupt so
egoistisch sein durfte, obwohl sich alles in mir gesträubt
hatte, als Admiral Nechejev diesen Befehl gab. Es ist fast, als steht
man vor zwei Sackgassen und weiß nicht in welche man
manövrieren soll, da es auf dasselbe hinausläuft. Aber das
Allerschlimmste ist, wenn ich dich ansehe. Irgendwie hängt es so
eng mit dir zusammen, Beverly. So eng..." Er stockte und sah sie
an. "Werde ich etwa wahnsinnig?" Sie lächelte sanft,
beugte sich vor und küßte ihn leicht auf die Stirn. "So
lange du diese Frage stellst, sicher nicht... Jean-Luc, für mich
hört sich das ganz und gar nicht lachhaft an, aber du brauchst
dich nicht zu sorgen. Ich kann verstehen, wie du dich fühlst,
wie dir diese gesamte Situation auf das Gemüt schlägt und
es ist natürlich, daß du so reagierst. Aber es war nicht
der Egoismus, der dich dazu veranlaßt hat, mich hierzubehalten,
vergiß das nicht. Es war etwas viel Größeres,
nämlich Liebe und die damit einhergehende Besorgnis. Außerdem
wollte ich auch hier bei dir bleiben, ungeachtet der Umstände."
Er umarmte sie innig. "Danke für dein Verständnis..."
Sie nickte leicht. "Nichts zu danken..." Wieder ergriff er
ihre Hand und streichelte sie. "Ich weiß auch nicht, was
in den letzten Tagen mit mir los ist, aber ich habe mir furchtbar
viele Gedanken gemacht, auch über uns beide und manchmal habe
ich das Gefühl ich mißhandle dich..." Er senkte den
Blick und seufzte. "Um Himmels Willen!" Sie spürte,
wie sich eine kalte Hand um ihr Herz schloß. Es gefiel ihr
nicht, welche Richtung Jean-Luc eingeschlagen hatte. Er schien viel
nachdenklicher und bedachter zu sein, als sie ihn kannte, doch
besonders seine Art in Bezug auf sie hatte sich nachhaltig verändert.
Er faßte sie beinahe mit Samthandschuhen an und hatte ein
Verhalten an den Tag gelegt, das über das eines sich sorgenden
Ehemannes und werdenden Vaters hinausging. "Du hast mich niemals
mißhandelt, niemals!" "Aber du hast besseres
verdient, als du bekommst. Sieh dich an, du bist hochschwanger... und
ich fliege einer ungewissen Zukunft entgegen. Du weißt nicht
einmal, wo du dein Kind zur Welt bringst." "Das ist doch
nicht deine Schuld, es sind deine Befehle und ich bin ein Mensch, der
so etwas verkraftet, das gehört zu meinem Beruf. Wenn ich das
nicht täte, würde ich auf der Erde Radieschen anpflanzen.
Dies sind Risiken, die wir beide kennen und sowohl du, als auch ich
waren bereit diese Risiken zu tragen. Ich werde damit fertig werden
und weißt du warum? Unter anderem, weil ich dich liebe.
Jean-Luc, es ist mir gleich, wo das Kind zur Welt kommt, so lange du
nur bei mir bist." "Nicht einmal das kann ich garantieren.
Ich wünsche mir nichts sehnlicher, aber dies ist der denkbar
ungeeignetste Zeitpunkt, den es gibt. Bin ich daran nicht auch
schuld?" "Mindestens genauso sehr, wie ich. Wenn du nicht
bei mir sein kannst, wenn die Pflicht ruft, verstehe ich das nur zu
gut, es genügt auch, wenn du in der Nähe bist. Wie
klar muß ich mich noch ausdrücken, damit du verstehst, was
ich dir sagen möchte? Du brauchst dir weder Vorwürfe noch
sonst etwas zu machen, da du keine einzige der Entscheidungen für
mich alleine getroffen hast, wir haben sie gemeinsam gefällt und
wir werden es gemeinsam durchstehen, egal wie hart es wird. Ich habe
keine Minute bereut, die ich mit dir verbracht habe." Unsicher
hob er die Hand und strich ihr über das Haar. "Vergib mir,
daß ich so einen Unsinn geredet habe..." "Schon
vergessen!" Sie rückte ein wenig zu ihm hin und legte den
Kopf auf seine Brust. Es tat ihr so gut, ihn endlich, nach diesem
endlosen Tag wieder bei sich zu führen.
"Jean-Luc?"
"Hmm?" "Wenn dies alles vorbei ist, traust du
dich dann überhaupt noch, mit mir zu schlafen?" Abrupt
wandte er den Kopf und sah sie an. Sie lächelte leicht. "Ich
fände es bedauerlich, wenn nicht.." Er verzog ebenfalls den
Mund zu einem Lächeln. "Es spricht nichts dagegen..."
Die nächsten Tage verbrachte Beverly in fast genauso großer Einsamkeit, als die zuvor, während das Schiff seinem vorbestimmten Ziel entgegenflog. Inzwischen waren ihre Hoffnungen auf eine Geburt vor dem Erreichen der Neutralen Zone gesunken, zumal sie jeden Tag auf der Krankenstation vorbeisah und sich untersuchen ließ. Eine Zeitlang hatte sie daran gedacht, sich etwas zu injizieren, das den Vorgang beschleunigte, sah aber schnell wieder davon ab. Es würde alles so kommen, wie es kommen sollte, das war nun einmal der Lauf der Dinge. Inzwischen hatte sie aufgehört so viel nachzudenken und wieder Gefallen an Beschäftigung gefunden, auch wenn sie es unerträglich fand, absolut nichts tun zu können. Sie war Jean-Luc sehr dankbar dafür, daß er ihr täglich die neusten Informationen und Befehle mitteilte, damit sie sich nicht allzu isoliert vorkam und wenn sie wieder alleine war, las sie sich die PADDs mit den Informationen gerne durch. Sie wußte nun relativ gut über die Mission Bescheid und wenn alles glatt ging, erreichte die Enterprise ihr Ziel in einem Tag. Wenn sie dem, was Jean-Luc gesagt hatte, Glauben schenken konnte, durfte nicht allzu viel passieren, aber ein wenig mulmig war ihr schon, auch wenn sie dies nicht zugeben wollte. Doch wenn die Romulaner für all das nicht verantwortlich waren, wer oder was dann? Die Antworten lagen wohl dort draußen in der unendlichen Weite des Alls, doch diesmal war es nicht ihre Aufgabe, beim Entschlüsseln zu helfen. Sie konnte nur abwarten...
