Disclaimer: Ein Teil der vorkommenden Namen ist eingetragenes Warenzeichen von Paramount Pictures.

XXIII

Konzentriert blickte Jean-Luc Picard auf die Kontrolltafeln des Shuttles, das ihn und Beverly zu der Sternenbasis in der Nähe des Planeten brachte, auf dem die Enterprise gestern ihre gesamten Zivilisten abgesetzt hatte. Der Grund, warum seine Frau noch nicht unter diesen Leuten war, ihr Beharren noch die ein oder andere Erledigung zu machen. Er vermutete eher, daß sie nach wie vor wütend gewesen war. Umso überraschender mußte diesen Morgen für sie gewesen, sein als sie ihn in der Shuttlerampe angetroffen hatte. Er hatte von Anfang an vorgehabt, sie zu begleiten und sie nicht im Stich zu lassen, er war nur nicht mehr dazu gekommen es ihr zu sagen, da sie sich nach dem Streit zurückgezogen hatte. Es hatte ihm in der Seele wehgetan, ihr so wehzutun, aber er hatte gehofft, wenigstens die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Inzwischen hatten sie sich wieder vertragen und er konnte ihr verständlich machen, warum er so entschieden hatte. Er war so froh, daß sie nicht mehr böse auf ihn war.
Inzwischen flogen sie schon mehr als einen ganzen Tag und in gut 12 Stunden würden sie die Sternenbasis erreicht haben. Durch die Tatsache, daß die Enterprise weitergeflogen war, mußten sie ein ganzes Stück zurückfliegen.
Ein leichtes Stöhnen holte ihn aus seinen Gedanken und abrupt drehte er sich um. Beverly saß kerzengerade auf der Liege, auf die sich hingelegt hatte und stütze sich mit beiden Händen ab. Sie atmete rhythmisch und blickte an die Decke. Als er näher kam, sah er, daß alles Blut aus ihrem Gesicht gewichen war, außer an den Stellen an denen sie sich vor Schmerz auf die Unterlippe gebissen hatte. "Alles in Ordnung?" fragte er besorgt und trat näher an sie heran. Sie schüttelte lediglich den Kopf und fügte dann gepreßt hinzu: "Es... ist...soweit..." Es dauerte einige Sekunden, bis sein Gehirn diese Information verarbeitet hatte, bevor er wieder etwas sagen konnte. "Was, aber..." Sie schüttelte ein weiteres Mal den Kopf, als Zeichen, daß er nicht weiterreden sollte und blickte ihm dann in die Augen. Er sah, daß Schweiß in dünnen Perlen auf ihrem Gesicht glänzte. "Hör mir... hör mir einfach genau zu, okay?" Er nickte zögernd und trat weiteres ein Stück näher zu ihr hin. Wie konnte das passieren? Normalerweise war noch etliche Tage nicht mit der Geburt zu rechnen gewesen. Konnte es möglich sein, daß ihre Wut auf ihn, alles ein wenig vorangetrieben hatte, zusammen mit der gesamten Aufregung? Wie dem auch sei, es war nun einmal soweit, die Frage nach dem ‚Warum?' verblaßte vehement hinter der Frage nach dem ‚Wie?' Aufmerksam versuchte er ihren stoßweise kommenden Anweisungen Folge zu leisten.
Er konnte sein Glück nicht fassen, als er Beverly das neu geborene Kind in den Arm legte. Sie lächelte ihn und dann das Baby an. Ein warmes Gefühl des Glücks überkam ihn und er konnte nicht anders, als sie sanft auf die Stirn küssen. Es war eine relativ einfache Geburt gewesen, zumindest von seinem Standpunkt aus und Beverly war erstaunlich sachlich geblieben. Ohne ihre Anweisungen hätte er bestimmt größere Probleme gehabt. Er setzte sich neben sie und strich ihr über die Haare, während sie den schreienden Säugling beruhigte. "Ich bin so stolz auf dich... Ich kann dir gar nicht sagen, wie ich dich bewundere..." Sie kam nicht mehr dazu, ihm etwas auf dieses Kompliment zu erwidern, denn das Shuttle erbebte. Jean-Luc hatte große Schwierigkeiten, sich im Gleichgewicht zu halten. "Was zum...!" rief er, als das Schiffchen von einem erneuten Beben ergriffen wurde. Er taumelte zurück und bekam gerade noch die Wand zu fassen. Nicht schon wieder! Auf der Konsole blinkten einige Warnleuchten und ein penetrantes Piepsen erinnerte ihn ständig daran, daß etwas nicht in Ordnung war. So schnell es ging ließ er sich in den Pilotensessel gleiten und überprüfte den momentanen Status. Seine Gedanken rasten, er mußte die ganze Zeit an Beverly und das neugeborene Kind denken. Hastig suchte er die Anzeigen nach der Ursache der Erschütterungen ab, während er bemerkte, daß der Primärantrieb einige Beschädigungen davongetragen hatte. "Jägergeschosse!" stieß er hervor. Irgendwie hatte er so etwas fast befürchtet. Seine Finger eilten über die Schaltflächen, den hoffnungsvoll – verzweifelten Versuch unternehmend das Schiffchen aus der Gefahrenzone zu manövrieren. Wieder erbebte das Shuttle und ein weiteres schrilles Piepen kam hinzu. Die Schilde waren ausgefallen. Wer auch immer diese Geschosse in diesen Teil des Weltraums plaziert hatte, er konnte sicher sein, daß sie einwandfrei funktionierten, im Gegensatz zu den Systemen dieses Shuttles. "Verdammt!" fluchte er, zunehmend die Kontrolle verlierend. Er wollte lediglich seine Frau zu einer Sternenbasis bringen und nicht irgendwelchen vergessenen heimtückischen Waffen entkommen. Nur warum, warum nur mußte ausgerechnet er mit seiner im Wochenbett liegenden Ehefrau in einen solchen Schwarm hineinmanövrieren? "Merde!" Er hämmerte seine Faust auf die Konsole und dachte über einen möglichen Ausweg aus dieser Situation nach, denn allzu lange konnte das Shuttle nicht mehr standhalten. Eine weitere Erschütterung bestätigte seine schlimmsten Vermutungen. Und nun schaltete sich auch noch die weibliche Stimme des Computers ein: "Warnung! Schwere Schäden an der Äußeren Hülle!" Per Knopfdruck ließ er sich die Aufzeichnungen der Sensoren auflisten und versuchte so viel wie möglich davon zu erfassen. Endlich hatte er das gefunden, was er gesucht hatte. Es gab kein Lichtjahr von ihnen entfernt einen unbewohnten Klasse M Planeten, auf dem sie notlanden konnten. Anders gab es keine Möglichkeit, zu entkommen. Hastig programmierte er den Kurs, schickte noch schnell ein Notsignal in den interplanetaren Äther und sprang dann auf. Beverly blickte ihn besorgt an, sagte jedoch kein Wort, wofür er ihr äußerst dankbar war. Er griff ihren Arm und zog sie auf die Füße. Wieder erbebte das Shuttle und in diesem Moment erkannte Jean-Luc, daß es ihnen niemals gelingen konnte, das Schiff als Ganzes auf dem Planten zu landen. "Warnung! Integrität der Hülle auf kritischem Niveau!" informierte der Computer. Beverly krallte sich instinktiv an seiner Uniform fest, um nicht hinzustürzen und er gab ihr seine Hand. Ein letzter Blick auf die noch funktionierenden Anzeigen, bestätigten ihm, daß sie in Transporterreichweite waren. Das Baby begann wieder zu schreien. Erschrocken blickte er auf und seine Finger verrutschten um Millimeter bei der Eingabe der Transporterkoordinaten. Trotzdem entmaterialisierten sie. Sekundenbruchteile später zerbarst ein kleines Sternenflottenshuttle mit dem vielversprechenden Namen ‚Explorer' aufgrund eines weiteren Treffers.

Der Boden war felsig und es gab keine Anzeichen irgendeiner besonderen Vegetation, als sich Jean-Luc umsah wo sie gelandet waren. Beverly blickte nach oben und besah sich die Explosion des Shuttles, dann seufzte sie laut. Wenigstens war das Klima in Ordnung, es war nicht zu kalt und nicht zu warm. Es durfte ihnen beiden möglich sein, mindestens zwei Tage hier zu überleben ohne Nahrung, danach war es spätestens erforderlich, eine Quelle oder ähnliches zu finden. Was ihm Sorgen machte, war der Säugling. Er zog seine Jacke aus und gab sie Beverly, damit sie das Kind darin einwickeln konnte. Wenigstens befanden sie sich vorerst in keiner konkreten Lebensgefahr und so konnten sie das Gelände in Ruhe erkunden. Der Himmel war grau und bewölkt und es gab keine Anzeichen von Bäumen oder Wasser im Umkreis der nächsten Kilometer, nur felsigen Steinboden, obwohl die Steine an manchen Stellen von Moos oder Flechten überzogen waren. "Ich werde mich ein wenig umsehen," teilte er Beverly mit und deutete ihr an, sich hinzusetzen und zu warten. Sie nickte und leistete seine Bitte Folge, während sie versuchte, die kleine Madeleine in ihren Armen zu beruhigen. Aus dem Augenwinkel beobachtete er noch, wie seine Frau das Oberteil ihrer Uniform öffnete, um das Kind zu stillen.
Zum ersten Mal fiel ihm auf, daß hier etwas nicht stimmte, als der Wind drehte und ihm direkt ins Gesicht blies. Er war noch keine 50 Meter gegangen, als dies passierte und ein beißender Geruch stieg ihm in die Nase. Er merkte, wie ihm das Gehen mit jedem Schritt schwerer fiel und kehrte deshalb um, doch der Geruch verließ ihn nicht mehr. Er hatte das ungute Gefühl zu wissen, wonach es roch, doch zuvor wollte er seine Frau fragen.
Sie blickte ihn beunruhigt an, als er zurückkehrte. "Stimmt etwas nicht?" fragte sie, das Kind immer noch an die Brust gedrückt. Er runzelte die Stirn. "Riechst du es denn nicht?" Sie hob den Kopf und sog die Luft ein, dann sah sie ihn erneut an. "Jetzt wo du es sagst..." "Das gefällt mir nicht," gestand er. "Mir auch nicht..." entgegnete sie ihm. "Es riecht nach Schwefel..." "Genau, Schwefel... ich wußte doch es kam mir bekannt vor...Glaubst du es gibt hier giftige Gase im Boden?" Er traute sich eigentlich nicht, diese Frage zu stellen. Sie blickte sich um. "Es würde zumindest erklären, warum hier weit und breit so gut wie nichts wächst und gedeiht..." Entsetzt weiteten sich seine Augen. Bitte nicht! "Oh mein Gott... wenn das stimmt, haben wir es noch schlimmer erwischt... Glaubst du wir können entkommen?" "Ich denke nicht, dieses Gebiet scheint weiträumig... wir würden es nicht schaffen, bevor wir das Bewußtsein verlören." "Aber wir könnten es zumindest versuchen..." Sie schüttelte den Kopf. "Hör zu, wenn wir ruhig hier bleiben ist unsere Chance zu überleben höher, als wenn wir unseren Körper durch Bewegung zu mehr Atmung zwängen. Am Besten bleiben wir ruhig sitzen und warten ab... vielleicht findet uns ja jemand.." Sie drückte das Kind schützend an sich. "Und wenn nicht?" "Dann sollte es nicht sein... Ich möchte dir nur noch sagen, daß es mir leid tut, so gemein zu dir gewesen zu sein, ich war einfach verletzt... aber ich liebe dich trotz allem sehr." "Ich habe dich erst in diese Situation gebracht. Wären wir auf der Enterprise geblieben, säßen wir jetzt nicht hier... wie kannst du so ruhig bleiben?" Sie blickte nach unten, immer noch das Kind haltend. "Ich bin nicht ruhig, Jean-Luc. Ich gebe nur dir nicht die Schuld... du hast mit den besten Absichten gehandelt, dafür kann ich dich nicht anschreien... Um ehrlich zu sein, habe ich Angst vorm Sterben. Ich bin Medizinerin geworden, um dem Tod in all seinen Formen entgegenzuwirken und manchmal erkenne ich, daß ich mir selbst etwas vormache, aber glaube mir es hilft." Sie verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. "Es gibt mir Kraft, daß du bei mir bist, Jean-Luc." Sie lehnte sich an ihn, suchte seine Nähe. Er legte den Arm um sie und küßte sie auf die Wange. "Du bist tapferer als du denkst.." "Vielleicht..." Den Rest der Zeit verbrachten sie in völliger Schweigsamkeit, bis die Schwärze der Bewußtlosigkeit sie umhüllte.