POTTER UNTERWEGS

KAPITEL 3 – Abhang

Ich träumte wieder vom Laufen. Nicht als Wolf laufen, sondern als ganz normaler Mensch. Keine Schuhe, keine Brille. Ich laufe einen einsamen Hügel hinunter, trete dabei auf scharfe Gegenstände. Meine Ohren klingeln, als wäre gerade etwas neben meinem Kopf explodiert. Ich höre mein eigenes Atmen und noch etwas anderes schlittert und zischt. Meine Arme fühlen sich klebrig an. Der Geruch von Blut.

Ich wachte auf und hörte Schreie. Sie waren weit entfernt, doch meine Nackenhaare sträubten sich. Ich griff nach meinem Zauberstab, nur um mich daran zu erinnern, dass er gestohlen worden war.

„Ron! Mr. Weasley! Ihr müsst alle aufstehen!", rief ich.

Ich hörte viel Stöhnen und Murmeln. Ich zog meine Jeans über meinen Pyjama an und sprang in meine Schuhe. Ich ging sicher, dass sie fest gebunden waren – nur für den Fall.

„Wacht auf!", rief ich wieder.

„Was ist los?", fragte Charlie, der als erster halbwegs wach geworden war.

„Da schreien Leute", sagte ich.

Ich wandte den Kopf, als plötzlich etwas explodierte. „In dieser Richtung", sagte ich und deutete durch die Zeltplane. Hinter dem Material konnten wir Lichtblitze sehen.

„Bill! Dad! Percy! Steht auf!", brüllte Charlie mit größerer Lautstärke als ich es mir je hätte vorstellen können.

Die anderen Weasleys waren schon auf den Beinen und angezogen, bevor ein Auror seinen Kopf ins Zelt steckte und die älteren Weasleys als Hilfe holte. Während wir nach draußen stolperten hörte ich, wie sich ein paar Auroren unterhielten, die an unserem Zelt vorbei in Richtung der Explosion eilten.

„ – Todesser – "

„Lestrange oder Black?"

„Wir wissen es nicht."

Mr. Weasley packte mich an der Schulter und schüttelte mich; ich sah, dass Ron und Hermine bereits ein Stück vor mir in der Menge waren und mich zu sich winkten. Fred, George und Ginny verschwanden im Wald hinter den Zelten. Ich warf einen Blick auf den Campingplatz. Ich konnte die Quelle der Schreie und Explosionen sehen. Eine Ansammlung von Männern in schwarzen Umhängen und mit Totenkopfmasken marschierte durch die panische Menge, auf die sie wahllos Flüche schossen. Über den Totenkopfmenschen schwebten vier Personen schreiend und sich windend in der Luft, als würden sie gegen ihren Willen schweben. Zwei von ihnen waren Kinder. Ich konnte hören, wie ich knurrte. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn Rons Dad mich nicht erneut gepackt und in den Strom der fliehenden Camper geschoben hätte.

„Harry, geh mit ihnen!", befahl Mr. Weasley.

Tausende Menschen strömten in die Wälder um uns. Die Männer mit den Masken waren bald nicht mehr zu sehen, doch der Lärm hallte im Wald. Ich überlegte, dass es eigentlich ziemlich seltsam ist, dass Muggel und Zauberer auf die gleiche Art in Panik geraten. Alle hatten die Augen weit aufgerissen und sie schrien wirr durcheinander und stellten sinnlose Fragen. Die Menschen um mich herum schoben sich gegenseitig, obwohl das gar nicht nötig war. Es war ja nicht so, als wäre nicht genug Wald für alle dagewesen. Schuhe und andere Kleidungsstücke waren zu Boden geworfen und zurückgelassen worden. Ich bemühte mich, mit Hermine und Ron mitzuhalten. Ich hasse es, immer der langsamste zu sein. Sie mussten stehenbleiben und auf mich warten und wir verloren Rons Geschwister aus den Augen.

Während wir liefen kamen wir an Draco Malfoy vorbei, einer Pest aus der Schule. Er grinste wegen etwas, aber wir hatten keine Zeit um für einen kleinen Plausch anzuhalten. Ron deutete ihm jedoch eine Handgeste die eindeutig seine Gefühle zeigte. Wir gingen weiter bis es leise wurde. Ich könnte hören, wie andere in Panik herumliefen, aber sie entfernten sich immer mehr von uns. Ich lehnte mich gegen einen Baum, um wieder zu Atem zu kommen. Der Wind wurde stärker und trug die Gerüche vom Camp zu uns.

„Wo – ", begann Ron.

Ich legte eine Hand auf seinen Mund und schnupperte. Über die panischen Gerüche der Menge, die von meinen Klamotten schon aufgesaugt wurden, konnte ich etwas anderes riechen; verängstigt, männlich, und ein wenig wie Ungeziefer. Im gleichen Atemzug waren andere Gerüche; aufgeregt, menschlich und ein wenig verrottet. Es war der Geruch von Menschen, die seit sehr langer Zeit nicht mehr in der Sonne gewesen sind. Die Luft wirbelte um mich herum und ich drehte den Kopf.

Der Instinkt sagte: „Verfolgen und angreifen!"

Das Gehirn sagte: „Lauf, du Idiot!"

„Pettigrew ist hinter uns", zischte ich. „Er kommt aus dieser Richtung. Er ist nicht alleine."

Ron nickte und er und Hermine zogen ihre Zauberstäbe. Wir gingen los. Unsere letzte Begegnung mit Pettigrew war nicht sehr nett gewesen. Wir wurden von Dementoren angegriffen. Sirius wurde fast erhängt. Ich wurde von einer Ratte gefoltert und von einem Werwolf gebissen. Hermine bekam nur 8 von 10 Punkten auf die Hausaufgaben, die sie in dieser Nacht gemacht hat. Wir alle hatten Angst.

Ich schnupperte wieder in der Luft. Sirius war irgendwo und verfolgte Pettigrew, aber im Nachtwind erhaschte ich nicht einmal den kleinsten Hinweis auf ihn. Weil Tausende Menschen in der Nähe waren war es schwer zu sagen, wie viele mit Pettigrew kamen und wie viele ihm nur über den Weg liefen. Ich versuchte, uns um sie herum zurück zum Camp zu führen, aber sie schnitten uns jedes Mal den Weg ab. Nachdem wir fünf Minuten lang durch die Dunkelheit gestolpert waren schien Pettigrew noch genauso nahe zu sein. Nur das Camp schien sich entfernt zu haben. Ich konnte unsere Verfolger nun auch hören; sie zischten sich gegenseitig etwas zu, während sie uns verfolgten. Ich konnte eine Frau kichern hören.

„Lauft noch zwei Minuten weiter", zischte ich Ron und Hermine zu, während wir einen Hügel hoch liefen. „Dann dreht euch um, lauft zurück zum Camp und holt Hilfe."

„Sicher nicht", sagten Ron und Hermine aus einem Mund.

„Sie sind hinter mir her", zischte ich.

„Und wir werden nicht zulassen, dass sie dich erwischen!", knurrte Ron.

„Du musst Hermine hier raus bringen", flüsterte ich und versuchte, an seine ein wenig chauvinistische und beschützerische Seite zu appellieren. Leider hörte sie mich.

„Ich kann auf mich selbst aufpassen", zischte sie und in diesem Moment traf sie ein gelber Lichtblitz am Rücken.

Ron und ich beeilten uns, sie wieder auf die Beine zu bekommen. Abgesehen davon, dass sie außer Atem war, schien sie nicht verletzt zu sein. Hinter ihr konnte ich Gestalten in schwarzen Umhängen mit weißen Masken sehen, die zwischen den Bäumen hervorkamen. Ich ließ den Blick über sie schweifen. Es waren fünf Männer und die lachende Frau, alle waren groß. Pettigrew versteckte sich entweder im Hintergrund im Wald oder er trug Stelzen. Ein rotes Licht flog auf uns zu und ich stieß die anderen zur Seite. Ich hob einen Stein vom Boden auf und warf ihn auf einen der Männer mit den Masken.

„Mein Auge!", bellte er.

Ron feuerte einen Fluch auf sie und Hermine fand ihren Zauberstab schließlich auch. Allerdings hatten wir erst drei Jahre in Hogwarts hinter uns und hatten während der Ferien kein Training.

„Kommt schon, meine Kleinen!", sagte die Frau. „Spielt brav!"

Ohne Zauberstab war ich keine große Hilfe und inzwischen gingen mir die Steine aus.

„Hermine", rief ich. „Verwende Serpensortia!"

Einige der maskierten Männer lachten.

„Denkt der kleine Potter, dass er den Fluch des Dunklen Lords verwenden kann?", neckte die lachende Frau.

Einer der maskierten Männer verwendete den Spruch und eine riesige Kobra erschien vor mir auf dem Boden. Sie bäumte sich auf, bereit zu beißen.

„Siehst du diese Männer dort?", zischte ich in Parsel.

Die Schlange hielt mitten in der Bewegung inne und nickte.

„Töte sie!", befahl ich ihr.

Sie drehte sich um und schlitterte auf die Männer zu. Ich hörte sie schreien, doch die Schlange war in der Dunkelheit fast unsichtbar. Hermine beschwor noch ein paar weitere Schlangen herauf und ich gab ihnen die gleichen Anweisungen. Inzwischen fühlte ich mich deswegen schon schuldig. Die Schlangen würden wahrscheinlich verletzt, vielleicht sogar getötet werden. Die Frau schrie inzwischen vor Wut.

Ich warf Ron einen Blick zu. Irgendwie hatte er es geschafft, sich fünf Meter von mir zu entfernen. Er umklammerte mit der Faust den Zauberstab so fest, dass die Venen sichtbar waren. Er zitterte während er versuchte, alle gleichzeitig anzugreifen. Hermine war direkt hinter ihm; sie runzelte die Stirn während sie über einen Weg hier raus nachdachte. Ich untersuchte meine Taschen. Darin waren nur ein Schokofrosch und ein Knopf, der am Vormittag von meinem Hemd gefallen war. Ich wich einem weiteren Fluch der wahnsinnigen Frau aus. Irgendwann mussten die Auroren im Camp die Flüche bemerken, die hier durch den Wald schwirrten. Ich war nicht besonders gut im Auswege finden, aber jede Sekunde zählte.

Ich zog den Schokofrosch aus meiner Tasche; die Schachtel hielt ich in der einen Hand, die Öffnungsschnur in der anderen, als hätte ich gerade eine Granate gezogen. Einen Moment lang erstarrte der magische Kampf und alle starrten mich nur an.

„Lasst sie gehen oder ich aktiviere den Portschlüssel!", rief ich.

„Warum solltest du einen Portschlüssel bei dir haben?", rief die Frau amüsiert.

„Die Auroren haben ihn mir gegeben, nachdem euer Kumpel mich aus der Loge geworfen hat."

„Geh einfach, Harry!", kreischte Hermine.

Einer der maskierten Männer kam einen Schritt auf mich zu, aber ich winkte bedrohlich mit dem Frosch und er zog sich zurück.

„Geh!", zischte Ron.

Ich weiß nicht ob sie mir bei meinem Bluff helfen wollte, oder ob sie wirklich dachten, ich würde sie verlassen.

„Ihr seid doch nicht für Nichts so weit gekommen!", rief ich der lachenden Frau zu.

Sie warf mir durch ihre Maske hindurch einen schrägen Blick zu und gestikulierte zu den Männern hinter ihr.

„Accio Frosch!", rief einer von ihnen.

Es war ein sehr starker Aufrufezauber, aber ich hielt den Frosch fest in der Hand. Ich wurde nach vorn gerissen. Andere Instinkte übernahmen. Meine Hände trafen den Boden und ich stieß mich mit ihnen ab, wobei ich meine Füße drehte, sodass sie den Frosch Aufrufer in die Brust trafen. Er fiel nach hinten und ich entriss ihm seinen Zauberstab. Ich richtete ihn auf den nächsten Mann und versuchte einen Lähmzauber, aber nichts geschah. Nicht einmal ein Funke.

Ich sprang zur Seite, als rotes Licht auf mich zukam, wobei ich eine Hand voll Schmutz vom Boden mitnahm. Ich warf ihn auf das Gesicht meines Angreifers und rollte wieder zur Seite. Der nun geblendete Mann stolperte in Hermines Lähmzauber. Ich drehte mich gerade um, als mich ein Erstarrungszauber am Arm traf. Ich wirbelte herum. Die lachende Frau stand direkt neben mir. Ich dachte nicht. Ich sprang nur.

Wir schlugen auf dem Boden auf und rollten davon. Ich bemerkte, dass sie vertraut roch, fast wie Sirius. Ich traf sie mit meinem tauben Arm und sie kreischte und kratzte mein Gesicht. Ich packte ihre Haare und zog. Ihr Fuß traf mich im Magen und wir fielen auseinander. Ich hatte ein Büschel ihrer Haare in der Hand.

Ich riskierte einen Blick über meine Schulter und sah, dass Ron seinen Zauberstab nicht mehr hatte. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und sah aus, als bereite er sich auf einen Boxkampf vor. Hermines Ärmel rauchten. Mir fiel gerade auf, wie erledigt wir waren, als ein Knall auf der Lichtung ertönte und ein Kettenfluch erwischte mich an den Beinen und warf mich zu Boden. Die lachende Frau stand über mir.

„Crucio!"

Es war schlimmer als zuvor, viel schlimmer. Es tat weh. Es war die Definition von Schmerz. Ich denke, dass ich mir vielleicht in die Hose gemacht habe, aber ich bin nicht sicher, weil ich meine Nerven nicht mehr spüren konnte.

„Hör auf!", zischte einer der Männer. „Sie werden ihn im Camp hören!"

Wie auf Befehl knallte die Luft und zwei Zauberer apparierten. Es waren Charlie Weasley und ein Auror, den ich noch nie gesehen hatte. Einen Moment erstarrte wieder alles. Dann richtete die lachende Frau ihren Zauberstab auf Hermine, die es offenbar erwischt hatte, während ich gefoltert worden war, denn sie lag auf dem Boden. Sie kämpfte darum, auf die Beine zu kommen.

„Reducto!", rief die lachende Frau.

Hermines Augen weiteten sich im roten Licht des Fluches und sie hob die Hände vor ihr Gesicht. Plötzlich war Ron vor ihr. Das Licht traf ihn und er wurde auf sie geschleudert. Die beiden wurden zurück in die Bäume geworfen. Ich hörte, wie etwas knirschte und es waren nicht die Blätter.

Der Auror feuerte Flüche auf die maskierten Männer. Die lachende Frau kam auf mich zu. Meine Augen trafen über die Lichtung hinweg Charlies Blick. Ich hörte, wie Hermine nach Hilfe rief. Charlies Gesicht war unschlüssig. Ich nickte in Rons Richtung und Charlie wandte mir den Rücken zu. Er war immerhin nicht mein Bruder.

Ich trat die Frau mit meinen gefesselten Beinen, aber sie wich zur Seite aus. Aus einem Meter Entfernung traf sie mich mit einem Fluch, bei dem mir die Luft weg blieb und jedes Gefühl unterhalb meines Halses verschwand.

„Ich habe einen richtigen Portschlüssel, mein Kleiner!", sagte sie, während sie die Kette um meine Füße packte.

Sie schnappte etwas Silbernes um ihr Handgelenk und die Welt wirbelte davon.

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A/N: Ich möchte hier erst Mal den Reviewern danken ... Danke! Und dann noch den wunderbaren Mitgliedern des Sirius Black FanClubs auf Snitchseeker, die mir hierbei nicht nur geholfen, sondern mich auch dauernd zum Lachen gebracht haben, wodurch das Übersetzen viel leichter wurde.