Disclaimer: Ein Teil der vorkommenden Namen und Figuren ist eingetragenes Warenzeichen von Paramount Pictures.

III - Nie wieder Tequila

Der Gesellschaftsraum der neuen Enterprise war ungewöhnlich leer, als Deanna Troi ihn betrat. Sie erblickte nur vereinzelte Personen, die am Tresen und an den Tischen verteilt saßen. Der Schrecken steckt wahrscheinlich noch zu tief, als daß man jetzt gleich wieder feiern möchte. Sie selbst hatte sich mit Will auf einen Drink verabredet, um mit Worf zu plaudern, der nach der Reparatur der Defiant wahrscheinlich so schnell wie möglich wieder nach Deep Space 9 zurückkehren mußte. Und sie alle wollten die Zeit mit ihrem altem Freund so gut wie möglich nutzen – gemeinsame Erinnerungen und neue Erfahrungen austauschen. Seit er die Enterprise verlassen hatte, hatte sie von Worf nichts mehr gehört und das war nun auch schon wieder über ein Jahr her. Sie fragte sich, ob es richtig gewesen war, ihn so sang- und klanglos gehen zu lassen, damals, nachdem sie gerade angefangen hatten, romantische Gefühle füreinander zu entdecken, aber es war viel geschehen und sie hatten schließlich eine Übereinkunft erzielt, die für alle am besten war. Dennoch betrachtete sie ihn weiterhin als guten Freund. Sie bemerkte, daß die beiden Herren, mit denen sie sich treffen wollte, bereits anwesend waren und schon ihre Drinks vor sich stehen hatten. Sie saßen an einem Tisch weiter hinten, direkt am Fenster. Zielstrebig näherte sie sich ihnen und wurde von Will schon winkend willkommen geheißen. „Guten Abend!" begrüßte sie die beiden, sich auf den dritten, freien Stuhl setzend. Die Männer nickten ihr zu und erwiderten den Gruß. „Einen schönen Platz habt ihr euch ausgesucht..." „Ja," entgegnete Will, „direkt am Fenster gewinnt man manchmal den Eindruck, selbst ein Teil der Sterne zu sein und das Fenster verschwindet, ausgelöscht von der eigenen Fantasie..." „Ich wußte gar nicht, daß du ein Philosoph bist!" hielt Deanna sofort lachend dagegen, aber er winkte nur ab. Dann wandte sie sich an Worf. „Wir hatten noch gar keine Zeit gehabt, uns richtig zu begrüßen. Ich bin froh, dich einmal wieder zu sehen. Wie ist es dir ergangen?" Der Klingone blickte sie fast müde an und entgegnete dann: „Bestens." „Bestens?" Deanna zog ob der knappen Antwort die Augenbraue hoch. Will tippte sie an der Schulter und flüsterte: „Ihm ist immer noch schlecht von der Zero-G Übung des Captains. Er hat unsere Einladung nur aus Höflichkeit angenommen." „Oh.." Die Counselor hatte Mühe ein Grinsen zu unterdrücken. Worf hatte ihr gegenüber schon mehrmals Unbehagen darüber geäußert, auf der Außenhaut eines Schiffes laufen zu müssen und von den damaligen Übungen an der Akademie berichtet. Glücklicherweise war er bisher immer darum herum gekommen – bis jetzt. „Wenn das so ist..." Sie war sich ziemlich sicher, daß Worf Wills geflüsterte Worte hatte hören können. „Niemand will dich quälen, Worf. Wir könnten diesen Abend ein anderes Mal wiederholen." Der Klingone nickte nahezu erleichtert und entgegnete brummelnd: „Das wäre sehr... freundlich. Es wird sicher noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis die Defiant repariert ist. So lange werde ich auf der Enterprise bleiben und in dieser Zeit wird sich sicher ein weiterer Termin vereinbaren lassen." Deanna lächelte. „Natürlich." Worf stand auf. „Ich bin Ihnen beiden dankbar für das Verständnis." „Das ist doch selbstverständlich. Ruh dich erst einmal aus." „Das werde ich... Ich wünsche trotzdem noch einen schönen Abend." „Danke, ebenso." Langsam ging der Klingone in Richtung Tür und Deanna schüttelte den Kopf. „Der Arme..." murmelte sie leise. Will nickte zustimmend. „Trotzdem war es notwendig. Im Nahkampf gehört er zu den Besten. Ich hätte ihn ebenso mitgenommen..." Sie atmete aus. „Es war schon furchtbar. Ich bin froh, von alledem erst erfahren zu haben, als es vorüber war. Mir bereiten Borg immer noch eine Gänsehaut. Bei ihnen herrscht vollkommene empathische Leere. Sie sind wie Zombies für mich." „Nicht nur für dich... Obwohl ich mir vorstellen kann, daß deine Fähigkeiten diesen Effekt noch verstärken." Ein junger Mann, der als Bedienung arbeitete, näherte sich ihrem Tisch, begrüßte Deanna und fragte sie nach ihrer Bestellung. Sie sah ihn an und fragte sich einen kurzen Moment, wie er als einer der wenigen Zivilisten, die noch verblieben waren, diesen Angriff aufgefaßt haben mußte. Sie überlegte, ob sie es empathisch in Erfahrung bringen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Es war nicht immer das richtige in den Emotionen anderer Menschen herumzustöbern. Immerhin wirkte der Junge erstaunlich gefaßt und tat seinen Dienst wieder mit unglaublichem Eifer. Ihr fiel auf, daß sie einige Sekunden nichts gesagt hatte und die Bedienung noch immer geduldig wartete. Schnell räusperte sie sich und sagte: „Ein Glas Wasser, bitte!" Der Kellner nickte und verschwand, während Will sie überrascht ansah. „Nur Wasser?" Sie rollte mit den Augen. „Mir steckt dieses Zeug, das Cochrane mir eingebrockt hat noch zu tief in den Knochen. Vorerst trinke ich nur Wasser." Er grinste. „Wenigstens gibst du endlich zu, daß du betrunken warst." Sie stöhnte auf. „Das war ich wirklich... Aber warum grinst du so?" „Du hast einige ziemlich witzige Sachen gesagt..." Zu ihrem Entsetzen bemerkte Deanna, daß sie sich an besagten Abend nur dunkel erinnern konnte. Obwohl sie relativ sicher war, daß sie es eigentlich gar nicht wissen wollte, fragte sie: „Was denn zum Beispiel?" Will hatte große Mühe, sein Grinsen nicht breiter werden zu lassen. Schließlich glückte es ihm und er sagte todernst: „Du hast über die Zeit philosophiert... Das war fast Stoff für eine Doktorarbeit. Ich glaube du solltest dich öfter betrinken." Sie fand das nicht so witzig und atmete hörbar aus. „Ach ja? Das beantwortet aber meine Frage nicht: was habe ich gesagt." Er runzelte die Stirn. „Wenn ich mich recht entsinne war es etwas wie: ‚Wir haben überhaupt keine Zeit, um über die Zeit zu sprechen. Soviel Zeit haben wir nicht.'" Sie sah ihn schräg an und ließ dann ihren Kopf in die mit dem Ellbogen auf dem Tisch abgestützte Hand sinken. „Oh Gott...," murmelte sie, „das ist ja schrecklich. Habe ich das wirklich gesagt?" Eigentlich kannte sie die Antwort schon. „Ja," hörte sie ihn sagen. Wie in Zeitlupe hob sie den Kopf wieder und sah ihm in die Augen. Eine Zeitlang blieb sie stumm, doch schließlich entgegnete sie: „Sollte ich mich jemals wieder betrinken wollen, hältst du mich bitte davon ab, ja?" „Wird gemacht." „Habe ich sonst noch irgend etwas... äh... Geistreiches zum Besten gegeben?" Will überlegte eine kurze Weile. Sollte er wirklich alles sagen? „Nein," erwiderte er schließlich. „Nichts besonderes. Aber sieh es doch einmal positiv: Du warst diejenige, die Cochrane gefunden hat." „Und habe mich heillos blamiert..." „Ganz so würde ich das nicht auffassen. Ich habe dich noch nie so nunja menschlich gesehen." „Danke..." Sie bedachte ihn mit einem frostigen Blick. Abwehrend hob er die Hände. „So war es doch nicht gemeint. Immerhin hast du dich aus freien Stücken betrunken, ich bin nicht schuld daran." „Ansonsten wollte er doch nicht mit mir reden..." „Also..." Sie seufzte. „Zum Glück warst du der einzige der mich so gesehen hat." „Ja... zum Glück..." entgegnete er bedächtig. Er sollte ihr wohl besser nicht erzählen, daß er sie, nachdem sie in der Bar ohnmächtig geworden war, zurück zu der Stelle getragen hatte, an der er mit seinem gesamten Außenteam gelagert hatte. „Will?" „Ja?" „Verheimlichst du mir etwas?" Warum nur muß sie Empathin sein? Bevor er ihr Rede und Antwort stehen konnte, kehrte der junge Kellner zurück und brachte ihr das Glas Wasser. Sie nahm es dankend an und nippte einen kleinen Schluck daraus. „Weißt du was?" schlug er versöhnlich vor. „Wir lassen das Thema ruhen." Sie dachte einen Moment nach. „So einfach kommst du mir nicht davon!" Er seufzte - Sie war einfach nicht so einfach abzuwimmeln. Nachdenklich kraulte er seinen Bart. „Und wenn ich dir sage, ich verheimliche dir nichts?" „Würde ich es nicht glauben." „Dachte ich mir fast. Also paß auf..."
Deanna griff ein zweites Mal nach ihrem Glas Wasser und nahm einen größeren Schluck daraus, dann sah sie Will gespannt an. „Ich höre..." Er wollte gerade ansetzen zu sprechen, als ihre Aufmerksamkeit erneut abgelenkt wurde. Aufgrund der Tatsache, daß so wenig Leute anwesend waren, wurde das Zischen der sich öffnenden Tür quer durch den Raum zu ihnen getragen. Deanna wandte neugierig den Kopf in Richtung Eingang. Herein kam ihre Freundin Beverly und ging zielstrebig auf die Bar zu. Sie spürte starke Emotionen von ihr ausgehen und sah zu Will. „Noch jemand, der mir garantiert etwas verheimlicht... Ich denke, ich sollte mit ihr sprechen." Er nickte zustimmend. „In Ordnung. Ich warte so lange hier." Erleichtert beobachtete er, wie sie aufstand, sich ihr Glas nahm und den Raum durchquerte.

Müde ließ sich Beverly auf einen der Barhocker sinken und bestellte eine Tasse Kaffee. Während sie auf das Gewünschte wartete, starrte sie auf ihre Hände und beobachtete deren Reflexion auf dem blankpolierten Tresen. Weiche Schritte hinter ihr ließen sie aufschrecken und sie drehte sich um. „Deanna!" Ein warmes Lächeln umspielte ihr Lippen. „Hallo Beverly..." Die Counselor stellte ihr Glas auf dem Tresen ab und setzte sich neben ihre Freundin. „Du siehst bedrückt aus." „Tatsächlich? Müde trifft es eher. Und ja, ich mache mir ein wenig Sorgen." „Möchtest du darüber reden?" Beverly holte Luft und sah Deanna an. Dann schüttelte sie den Kopf. „Es ist nicht ganz so einfach. Wenn ich wenigstens etwas hätte, über das ich reden könnte, würde ich es dir ja gerne sagen. Nur ist es momentan ein vages Gefühl." Verstehend nickte Deanna. Sie konnte sich ungefähr vorstellen, was ihre Freundin ausdrücken wollte. „Du fragst dich, wie es weitergeht?" „Ja unter anderem. Was wird mit der Enterprise? Steht uns wieder eine Anhörung ins Haus? Vielleicht sogar das Kriegsgericht? Und wenn ja, wird Jean-Luc bestraft werden?" Sie stockte bei der Aussprache des Namens. „Jean-Luc... um ihn mache ich mir auch Sorgen. Seit er dieser Borg Königin gegenüber getreten ist, wirkt er verändert. Es muß irgend etwas im Maschinenraum vorgefallen sein, worüber er nicht reden will und trotzdem begleitet es ihn. Außerdem macht er sich für das, was passiert ist Vorwürfe." Sie unterbrach sich. „Es ist nur ein Gefühl von mir." Sanft legte Deanna die Hand auf Beverlys Oberarm. „Gefühle waren nie das Schlechteste. Was wären wir ohne unsere Intuition? Ich bin mir sicher, du weißt was du tust." „Wenn ich mir da auch so sicher wäre... Jedenfalls hat er mich heute abend zum Essen eingeladen. Ich werde sehen, ob es etwas gibt, das ich für ihn tun kann." Aufmunternd lächelte die Halbbetazoidin. „Bestimmt..."
Die Bedienung brachte Beverly die gewünschte Tasse Kaffee und stellte sie vor ihr auf den Tresen. Dankbar nahm sie das Getränk an und zog es näher zu sich, den weißen Dampf betrachtend, der davon in die Höhe stieg. Vorsichtig blies sie hinein und hob es dann an die Lippen. Es hatte genau die richtige Temperatur und so trank sie einen Schluck, bevor sie die Tasse wieder zurückstellte. Eine Weile herrschte Schweigen zwischen den beiden Freundinnen. Deanna hatte erfahren, was Beverly bedrückte und einen großen Teil der Sorgen trug sie mit, denn auch sie wußte nicht, was mit ihnen allen geschehen würde. Die Zukunft war ein offenes weites Feld für sehr viele Dinge. Wie würden die höchsten Etagen von Starfleet über ihr jüngstes Abenteuer denken? Würden sie es akzeptieren, daß die Enterprise die Menschheit gerettet hatte und damit die gesamte Föderation oder hielten sie Captain Picards Insubordination für ungeheuerlich? Immerhin war er derjenige gewesen, der den Borg gefolgt war, der in die Zeitlinie eingegriffen hatte, der Mann, den man am weitesten von dieser Rasse fernhalten wollte, aufgrund seiner früheren Erfahrungen. Sie sah erneut einen Schatten auf Beverlys Gesicht, doch dieses Mal, wußte sie, worum es sich handelte – ihre Freundin war an Bord des Schiffes geblieben und hatte den meisten Schaden, den die Borg angerichtet hatten, am eigenen Leibe erlebt.

Beverly konnte sich nicht dagegen wehren, einige der Erinnerungen, die sie bis zu diesem Zeitpunkt erfolgreich aus ihrem Gedächtnis verbannt hatte, kehrten zurück und so sehr sie auch versuchte, an etwas anderes zu denken, es gelang ihr nicht. Ob sie je die Dellen in der Tür der Krankenstation vergessen würde, kurz bevor es ihnen gelungen war, durch die Jefferiesröhren zu flüchten? Mindestens 20 dieser kybernetischen Zombies wollten die Tür durchbrechen, auf der Suche nach neuem Menschenmaterial, das sie ihrem Kollektiv hinzufügen konnten. Sie war froh, daß es jeder rechtzeitig geschafft hatte, zu entkommen, doch sie würde nie das blanke Entsetzen vergessen, daß sie empfunden hatte – eine Emotion, die ihr normalerweise eher unbekannt war. „Deanna?" „Ja?" „Ist es dir je passiert, daß dein Verstand so gelähmt war, daß der Körper die Kontrolle übernimmt und du dich hinterher an fast nichts erinnern kannst?" Die Counselor runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?" „Weißt du, als diese Borg die Krankenstation stürmten, geriet ich so in Panik, daß mein Geist aussetzte, ich weiß nicht mehr genau, wie ich entkommen konnte, mein einziger Gedanke galt der Flucht und der Sicherheit der Patienten. Irgendwie habe ich alles mechanisch gemacht, das Bewußtsein in die hinterste Ecke verbannt und erst als ich durch die Jefferiesröhren kroch, bemerkte ich, daß ich dort war. Die Erinnerung, wie ich eigentlich hier hin kam, setzte erst Minuten später ein. Es ging alles so schnell." „Ja, ich glaube, ich weiß was du meinst. Der pure Überlebensinstinkt übernimmt die vollständige Kontrolle, was mich in Anbetracht der Tatsache, was du erlebt hast, nicht wundert." Beverly nickte und nahm einen weiteren Schluck Kaffee. „Es war furchtbar. Ich war immer der Meinung, die Borg würden mich nicht direkt berühren. Bisher hatte ich niemals eine direkte Konfrontation mit ihnen gehabt." ...wie Jean-Luc... „Ich beneide dich nicht darum. Ich bin immer noch so froh, von all diesen Ereignissen erst mitbekommen zu haben, als die Gefahr beseitigt war – dafür durfte ich mit Zefram Cochrane herumschlagen, der um einiges anders war, als in unseren Büchern steht. Um ehrlich zu sein, war ich ziemlich betrunken..." Beverly zog eine Augenbraue hoch. „Betrunken?" Nervös räusperte Deanna sich. Sie konnte sich bildlich vorstellen, was ihre Freundin dachte „Es ist nicht so, wie du vielleicht glaubst. Wir waren doch nicht sicher, ob er den Anschlag überlebt hatte und die Aufgabe das Außenteams war es, dies mit Sicherheit herauszufinden. Dann sah ich diesen merkwürdigen Menschen in der Bar und wollte ihn nach Cochrane fragen, weil ich das Gefühl hatte, er könnte mir näheres sagen. Bevor er überhaupt mit mir reden wollte, mußte ich einige Gläser Tequila herunterschlucken. An mehr erinnere ich mich nicht, aber Will meint, ich hätte einige seltsame Sachen gesagt. Und am nächsten Morgen war mir übel..." Tröstend klopfte Beverly ihrer Freundin auf die Schulter. „Leider war ich nicht in der Nähe, um dir mit einem Hypospray auszuhelfen, ansonsten hätte ich es getan." Deanna lächelte matt. „Trotzdem danke. Du hattest aber genug Ärger." Stumm nickte Beverly. Sie überlegte eine Zeitlang, Deanna von dem Vorfall auf der Brücke zu berichten, von Jean-Lucs Ausbruch, entschied sich aber dagegen. Sie wollte nicht darüber sprechen, nicht darüber nachdenken, was sie falsch gemacht hatte und was sie gefühlt hatte. „Ja, das hatte ich..." entgegnete sie statt dessen nachdenklich und war froh, daß die Counselor nicht mehr weiter nachfragte.