Disclaimer: Ein Teil der vorkommenden Namen und Figuren ist eingetragenes Warenzeichen von Paramount Pictures.
IV – Nachwirkungen„Meine Güte!" Geordi LaForge hatte große Mühe sein Entsetzen zu verbergen, als er den Maschinenraum seines Schiffes zu Gesicht bekam. Während seine künstlichen Augen die Umgebung zu verarbeiten suchten, strich er sich mit der Hand über die Stirn. Zwar versuchten die Offiziere um ihn herum, das Durcheinander in den Griff zu bekommen, aber es würde noch einige Zeit dauern, bis es soweit war. Borgalkoven zogen sich die Wände, bis an die Decke hinauf und hatten die Föderationstechnik für ihre Zwecke benutzt, so daß es fast nicht mehr als Maschinenraum eines Sternenflottenschiffes zu erkennen war. Splitter des zerschlagenen Plasmatanks säumten den Boden um den Warpkern und überall verstreut lagen die kybernetischen Überreste, der durch das ausgetretene Plasma vernichteten Borg. „Hier hat sich jemand häuslich eingerichtet..." murmelte er vor sich hin, während er an die nächstbeste Konsole ging, um sich ein ungefähres Bild der Situation zu machen. Es war klar, daß die Offiziere, die momentan versuchten, Ordnung zu schaffen, wenig Erfolg haben würden, was bedeutete, die Enterprise würde so rasch wie möglich nach Mc Kinley gebracht werden, damit sich dort erfahrene Reparaturteams des Schadens annehmen konnten. Er schüttelte den Kopf. Normalerweise waren seine Ingenieure Manns genug, die meisten Dinge selbst zu beheben, doch was die Borg mit seinem Maschinenraum angestellt hatten, überstieg jegliches Vorstellungsvermögen. Er spekulierte, daß man einige Proben dieser Überreste mitnehmen wollte, um sie zu studieren und auf einen nächsten Angriff vorbereiteter zu sein. Irgendwann riß ihn eine freundliche Stimme aus seinen Überlegungen. „Geordi!" Überrascht drehte er sich um und blickte in das Gesicht seines besten Freundes Data – oder besser, das was von seinem Gesicht übriggeblieben war. Das Loch, das die weggeätzte Haut in seiner rechten oberen Gesichtshälfte hinterlassen hatte, offenbarte Einblicke in seine Schaltkreise. Auch wenn Geordi wußte, daß Data eine künstliche Lebensform war, so hatte er sich niemals an diesen Anblick gewöhnen können. Er verzog den Mund zu einem freundlichen Lächeln. „Was kann ich für dich tun?" „Ich habe mir einige Gedanken gemacht, über das, was mit mir geschehen ist, als mich die Borg Königin hier gefangen hielt." Mit dem Kopf deutete er auf die Vorrichtung vor ihnen, an die er gefesselt worden war und Geordi folgte seinem Blick. Er hatte von Datas Gefangennahme erst nach der Rückkehr auf das Schiff erfahren und fragte sich immer noch, was im Kopf seines Freundes vorgegangen sein mußte. Ein wenig besorgt blickte er wieder zu dem Androiden, welcher dies als Anlaß nahm, weiterzusprechen. „Ich muß sagen, vieles von dem, was ich erlebte, verwirrt mich. Die Borg Königin hat mich dem Menschsein so viel näher gebracht und trotzdem wäre der Preis dafür gewesen, meine Freunde zu verraten. Zum allerersten Mal habe ich die Emotion eines Zwiespaltes erlebt und ich war sogar versucht, ihrem Angebot zu folgen, nur um die Geschenke, die sie mir machte, behalten zu dürfen." „Und du hast dich für die richtige Seite entschieden." Eigentlich war bei einer Persönlichkeit wie Data nichts anderes zu erwarten gewesen, doch die Geschehnisse schienen ihn trotzdem zutiefst zu beunruhigen. „Es ist nicht falsch daran, mit dem Gedanken zu spielen, auf ein verlockendes Angebot einzugehen, wenn man hinterher noch genau seine Ziele und Prinzipien vor Augen hat. Leider wird das gerne vergessen und es sind schon viele an einer Versuchung zugrunde gegangen. Du siehst, es war nur menschlich in einen solchen Konflikt zu kommen, aber an deinem Verhalten ist nichts auszusetzen." Nachdenklich legte Data den Kopf schräg und entgegnete nach einer Weile: „Es kann aber sehr schwer sein, den Versuchungen zu widerstehen..." „Ja, Data, das kann es tatsächlich. Die Borg Königin kannte deine Schwachstelle, denn anscheinend wußte sie genau, wo sie anzusetzen hatte." „Sie gab mir organisches Fleisch. Ich konnte für die kurze Zeit, in der ich es besaß, wirklich ihren kühlen Atem spüren... Ich habe es schon dem Captain gesagt: Ein Teil von mir bedauert tatsächlich, daß sie tot ist." „Das ist absolut verständlich... Immerhin verfügte sie über die nötige Technik, dich deinem Wunsch näherkommen zu lassen und ließ dich daran teilhaben. Sie war bestimmt eine beeindruckende Persönlichkeit. Trotzdem – diese Erlebnisse werden für immer ein Teil von dir sein und du kannst die Dinge, die sie dir ermöglicht hat, im Gedächtnis behalten. Es wird vielleicht sogar seine Zeit brauchen, bis du es verarbeitet hast. Auf jeden Fall kannst du immer zu mir kommen, wenn dich etwas verwirrt." „Danke für das Angebot, Geordi. Ich werde darauf zurückkommen." Zwei Offiziere, die Probleme hatten, einen massiven Stahlträger von einem Trümmerhaufen zu wegzuräumen, machten Data und Geordi auf sich aufmerksam und unterbrachen das Gespräch. Sofort entschied sich der Androide, ihnen zu helfen und entfernte sich von seinem Freund, der ihm kopfschüttelnd nachblickte.
Mit gemischten Gefühlen machte sich Beverly
auf den Weg zur Krankenstation. Sie hatte noch einige Erlebnisse mit
Troi ausgetauscht, doch die Pflicht rief jeden von ihnen wieder zu
sich. Auch sie wollte nach dem Rechten sehen, in Erfahrung bringen,
wieviel Schaden entstanden war – und sich bei jemandem bedanken.
Der Turbolift stoppte und kurze Zeit später glitten die
Türen zur Seite. Der Anblick des vor ihr liegenden Decks ließ
die Nervosität, die sie seit geraumer Zeit erfolgreich verdrängt
hatte, wieder zurückkehren. Es ist vorbei! Sie holte
tief Luft und verließ dann den Lift, um auf dem schnellsten Weg
zu ihrem Ziel zu kommen, wobei sie es tunlichst vermied, die mit
Borgtechnik übersäten Wände anzusehen. Sie wollte die
unangenehmen Erinnerungen möglichst schnell vergessen, die mit
dieser Umgebung einhergingen. Glücklicherweise gehörte sie
zu jenen Offizieren, die den Borg fast nicht in die Quere gekommen
waren - andere hatten nicht so viel Glück gehabt und insgesamt
hatte die Enterprise den Verlust von 42 Personen zu beklagen.
Zweiundvierzig gute Leute unnötig geopfert an einen
unerbittlichen Feind, der weder Rache noch Pardon kannte. Das
Ausstellen der Todesurkunden würde zu ihren nächsten
Aufgaben gehören und wie immer grauste ihr ein wenig davor. Der
Tod war etwas, das sie mit ihrem Beruf als Ärztin so engagiert
wie möglich bekämpfen wollte und mit jedem Verlust, den sie
zu beklagen hatte, starb auch ein Stück von ihr. Manchmal
versuchte sie sich einzureden, die acht Jahre, die sie nun schon im
Weltraum verbrachte, hätten sie ein wenig abgehärtet, doch
trotzdem traf sie jeder Tote noch genauso wie am ersten Tag.
Vielleicht war dies der Grund für die Gefühle, die die Borg
in ihr hervorriefen – sie personifizierten den Tod. Die zerbeulten
Türen der Krankenstation kamen in ihre Sichtweite und sofort
bemerkte sie ein flaues Gefühl in der Magengrube. Mit welcher
Brutalität mußte man gegen eine solche Tür hämmern,
damit sie so aussah? Sie wagte kaum daran zu denken, was passiert
wäre, wäre ihnen die Flucht nicht geglückt. Auch wenn
ihr Verstand wußte, daß der Feind nicht mehr anwesend
war, so spürten ihre Emotionen noch immer seine Nähe. Sie
seufzte und betrat den Ort, den sie nicht einmal einen Tag zuvor so
überstürzt verlassen mußte.
Überraschenderweise
waren schon einige Offiziere des Pflegepersonals anwesend und
versuchten die Krankenstation wieder so herzurichten, daß man
notdürftig Verletzte versorgen konnte. Trotzdem versetzte es
Beverly einen Stich, zu sehen, was die Borg angerichtet hatten. Alles
war verwüstet, sogar Biobetten aus ihrer Verankerung gerissen
und medizinische Vorräte lagen überall auf dem Boden
verstreut. Peinlich darauf bedacht, auf nichts, das auf dem Boden
lag, zu treten, bahnte sie sich den Weg in ihr Büro in der
Hoffnung, einen funktionstüchtigen Computer vorzufinden, in den
sie das Ausmaß des Schadens eingeben konnte, sowie eine Liste
aller zerstörten Medikamente, die neu angefordert werden mußten.
Schwester Alyssa Ogawa kam ihr aus dem Büro entgegen, mit einem
PADD in der Hand. „Ich bin froh, daß Sie da sind, Doktor. Wie
Sie sehen, ist nicht mehr allzu viel von unserer Krankenstation
übrig, aber wir versuchen gerade das Schlimmste zu beseitigen."
Sie reichte Beverly das PADD. „Ich habe bereits angefangen, den
Umfang der Zerstörung zu katalogisieren." Sarkastisch lächelte
Beverly, als sie das PADD annahm und hastig die Liste, die Alyssa
aufgestellt hatte, überflog. Die Anzahl der beschädigten
Komponenten erschreckte sie ungeheuer. Sie versuchte es sich nicht
anmerken zu lassen und murmelte statt dessen sarkastisch „Wir
würden vor Langeweile sterben, wenn die Borg nicht ein wenig für
Abwechslung gesorgt hätten. Vielleicht wollten sie uns eine
neuartige Inneneinrichtung vorschlagen?" Irgend etwas mußten
sie gesucht haben, denn sonst neigten sie nicht zu blinder Zerstörung
– das wäre Verschwendung wertvoller Ressourcen und
Verschwendung war irrelevant. Ob es wirklich nur organisches Material
war? Was sonst konnte auf einer einfachen Krankenstation von
Interesse sein? Patienten? Bestimmt nicht, es wäre irrelevant,
verletzte Menschen zu assimilieren. Wahrscheinlich würde sie es
niemals erfahren...
Nach einer Weile bemerkte sie, daß
Alyssa sie erwartungsvoll ansah. Sie zwang sich zu einem Lächeln
und lobte die Schwester für die gute Arbeit. Niemand sollte
unter ihren persönlichen Gefühlen zu leiden haben.
Sie
tauschten noch einige Fakten aus und Beverly wollte sich gerade daran
machen, bei den Aufräumarbeiten zu helfen, als ihr einfiel, daß
sie noch etwas anderes zu erledigen hatte. „Ist das MHN noch im
Computer?" fragte sie. Irgendwie hielt sie es für notwendig,
sich bei dem holographischen Doktor zu bedanken, der ihnen mit
einigem Widerspruch die nötige Zeit verschafft hatte, zu
entkommen. Dieses Hologramm hatte in der Tat so etwas wie Charakter
und das imponierte ihr. Sie fragte sich, ob er ihrer Aufforderung
nachgekommen war, einen Tanz aufzuführen oder eine Geschichte zu
erzählen. Vielleicht würde sie es gleich erfahren...
Alyssa
runzelte die Stirn und ging dann gemeinsam mit Beverly an einen der
wenigen noch funktionstüchtigen Computer, um die Datenbanken
durchzusehen. Es lag durchaus im Bereich des Möglichen, daß
die Angreifer aus dem Doktor photonisches Haschee gemacht hatten,
weil er ihnen im Weg war. Nach einigem Suchen stellten sie fest, daß
sie Glück hatten und die fragliche Datei noch intakt war. Die
beiden Frauen blickten sich kurz an, dann gab Beverly dem Computer
den Befehl das medizinisch holographische Notfallprogramm zu
aktivieren. Sie hätte nie gedacht, daß sie dies einmal
hätte tun müssen und noch weniger, daß sie sich nun
bei dem fraglichen Programm auch noch bedankte, doch sie hatte
inzwischen Erfahrung damit, wie die Dinge ganz anders kamen, als sie
gedacht hätte.
Die Luft flackerte gut 2 Meter von Beverly und
Alyssa entfernt, dann erschien der holographische Arzt mit dem
kritischen Gesicht. „Bitte nennen Sie die Art des medizinischen
Notfalls!" sagte er höflich, doch sein Tonfall änderte
sich, als er Beverly erblickte. „Sieh mal einer an, Sie sind
zurück. Sie sollten wissen, daß ich ausschließlich
für medizinische Notfälle programmiert wurde und nicht als
lebender Türstopper gegen Feinde. Ich hoffe im Interesse unserer
zukünftigen Zusammenarbeit, daß sich derartige Vorfälle
nicht häufen werden, es sei denn Sie haben vor, meine
Programmierung zu erweitern!" zeterte er. Tatsächlich ein
Hologramm mit Charakter, noch dazu einen recht halsstarrigen!
Sie war beeindruckt. „Es tut mir aufrichtig leid, wenn ich Ihre
Programmierung mißbraucht haben sollte, doch es handelte sich
um einen wirklichen Notfall, wenn auch keinen medizinischen. Ich
verspreche, es wird so schnell nicht wieder vorkommen, schließlich
werden wir auch nicht alle Tage von den Borg angegriffen. Allerdings
wollte ich mich für ihre Hilfe bedanken, ohne die wir wohl nicht
so ohne Weiteres hätten entkommen können." Überrascht
hob das Hologramm eine Augenbraue. „Sie wollten sich bedanken?"
„Ja, irgendwie dachte ich, das wäre ich Ihnen schuldig."
„Ich kann nicht sagen, ich hätte mich gerne mit über 20
Borg angelegt, die durch die Tür gestürmt kamen, zumal sie
meine analgetische Salbe ablehnten, doch ich nehme es zufrieden zur
Kenntnis, daß Sie meine Leistung wenigstens würdigen.
Vielleicht verläuft unsere zukünftige Zusammenarbeit doch
nicht so schlecht." „Das wäre schön..." Ein bockiges
Notfallhologramm war das Letzte, was man in Notfällen brauchen
konnte. Auch wenn es sich komisch anhörte ein wütendes MHN
zu besänftigen, hatte es guten Grund wütend zu sein und so
war sie froh, diese Differenzen beseitigt zu haben. Dieses Hologramm
war irgendwie mehr, als nur ein erweiterter Tricorder und das gefiel
ihr. Irgendwie hatte dieser sture Doktor vor ihr sogar ein wenig
Ähnlichkeit mit ihr. Möglicherweise würde sie sich bis
zur nächsten Aktivierung nicht mehr so viel Zeit lassen. „War
das alles, was Sie mit mir besprechen wollten?" fragte das MHN nach
einer Weile. „Eigentlich schon.." „Dann bitte ich darum, daß
Sie mich nun deaktivieren." Alyssa kam diesem Wunsch sofort nach
und als das Hologramm verschwunden war, schüttelte Beverly den
Kopf. „Haben Sie jemals so etwas erlebt?" fragte sie.
