Disclaimer: Ein Teil der vorkommenden Namen und Figuren ist eingetragenes Warenzeichen von Paramount Pictures.

V – Schweigsames Essen

Etwas nervös war Beverly schon, als sie am Abend vor Jean-Lucs Quartier stand und den Türpieper betätigte. Sie wußte, er war in Schwierigkeiten und wollte ihm zu gerne helfen, doch sie hatte keine Ahnung wie. Den ganzen Tag hatte sie an ihn denken müssen und hatte sich gefragt, wie sein Gespräch mit den Admirälen wohl verlaufen war. Sie hoffte inständig, er brächte die Kraft auf, mit ihr zu sprechen. Sie hatte kaum Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn Jean-Luc öffnete sofort die Tür, wie als hätte er auf sie gewartet. Sein Blick lag für den Bruchteil einer Sekunde auf ihrem Körper und ihren Kleidern, bevor er den ihren erwiderte. Er lächelte, doch es erreichte seine Augen nicht. „Guten Abend," begrüßte er sie. Sie lächelte ihn ebenfalls an. „Hallo, Jean-Luc..." „Ich habe bereits auf dich gewartet. Das Essen ist fast fertig." Mit der Hand bedeutete er ihr einzutreten und sie kam seiner Aufforderung nach. Sein Quartier war aufgeräumt wie gewöhnlich und auf dem Tisch der weiter hinten stand, waren zwei Gedecke gerichtet, umgeben von Blumen, Kerzen und ähnlichen Dekorationen. Er hatte sich wirklich Mühe gegeben und sie öffnete den Mund um ihn gleich darauf wieder zuzumachen. Langsam drehte sie sich zu ihm um, der ein paar Meter hinter ihr stand und sie so eingehend musterte wie sie den Tisch. „Das wäre doch nicht nötig gewesen. Eine Kleinigkeit statt diesem Festmahl hätte es doch auch getan." „Ich habe es gerne getan. Das Richten all dieser Dinge hat mich ein wenig abgelenkt von dem Vorgefallen." Für einen Moment hatte er seine sorgfältig errichtete Mauer fallen lassen, doch sowie es ihm bewußt wurde, hörte er auf zu reden. „Du siehst gut aus heute abend..." bemerkte er statt dessen um vom Thema abzukommen. Sie blickte an sich herunter und schmunzelte leicht. „Danke... Aber so besonders ist es auch nicht..." Sie trug eine lange, schwarze Hose, die nach unten weiter wurde, zu ihren dunklen Stiefeln und darüber ein weißes Hemd, über das sie ein rotes, ärmelloses Oberteil gezogen hatte. „Mir gefällt es. Ich habe dich schon lange nicht mehr in Zivilkleidung gesehen." Sie nickte und mit ein wenig Traurigkeit in der Stimme entgegnete sie: „Viel zu lange..." Es stimmte, dies war das erste Abendessen mit Jean-Luc seit sehr, sehr langer Zeit. Sie beide waren nach dem Vorfall auf Veridian III recht getrennte Wege gegangen, bis sie das Schicksal und vielleicht auch eine Anforderung von seiten Jean-Lucs auf dem neuen Schiff wieder zusammengeführt hatte. „Ich danke dir, daß du gekommen bist..." murmelte er nach einer Weile und erst da merkte sie, daß sie sich mehrere Minuten angeschwiegen haben mußten, jeweils in die eigenen Gedanken versunken. Seine traurigen Augen trafen sie und berührten etwas, tief in ihr. Seine Trauer und was immer es noch war, saß unglaublich fest, aber anscheinend gaben ihm ihre Nähe und das Wissen um ihre Präsenz ein wenig Trost. „Das war doch selbstverständlich. Du weißt, ich bin immer da, wenn du mich brauchst." Wenn er nur mit ihr reden würde... seine Verschlossenheit und Schwermut bedrückten auch sie in gewisser Weise und sie überlegte fieberhaft, was sie tun konnte, um ihm all die Dinge, die auf ihm lasteten zu leichter zu machen.
Er lächelte sie unsicher an und wies auf einen der freien Stühle. „Bitte setz dich, das Essen ist gleich soweit." Die Gerüche, die ihre Nase aufschnappte, bestätigten seine Aussage. Sie blickte ihn noch einmal kurz an und setzte sich dann auf einen der beiden Stühle.
Während er am Replikator wirkte, besah sie sich das Tischdekor ein wenig näher. Es war liebevoll bis ins kleinste Detail und sah aus, als hätte er viel Zeit darauf verwirkt, damit alles stimmte. Sie konnte sich erinnern, daß er sich bei früheren Essen solcher Art nicht ganz so viel Mühe gegeben hatte und entsann sich darauf, was er vor ein paar Minuten gesagt hatte: Das Richten der Dekoration hatte ihn auf andere Gedanken gebracht. Sie hob die Hand, um eine der beiden Blumen zu berühren, die in der Vase in der Mitte des Tisches standen. Die weißen Blüten der rechten Blume fühlten sich weich und geschmeidig an und ein bittersüßer Duft ging von ihr aus. Sie schloß die Augen um ihn ein wenig besser riechen zu können, als Jean-Luc mit dem Essen zurückkehrte. Sie öffnete die Augen wieder und lächelte ihn aufmunternd an. „Ich möchte dir noch einmal für all den Aufwand danken, den du dir gemacht hast... Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.." Er erwiderte ihr Lächeln, wobei er ihren Teller füllte. „Nicht der Rede wert, wenn es dir gefällt hat sich die Mühe noch einmal gelohnt..." „Es gefällt mir." Sie nahm ihm den Teller ab und stellte ihn vor sich auf den Tisch, wartete aber geduldig bis er ebenfalls saß. Sie blickten sich tief in die Augen, bevor sie anfingen zu essen, sagten aber keinen weiteren Ton, nur das Geklapper des Bestecks war zu hören. Während des Essens wagte Beverly den ein oder anderen verstohlenen Blick auf den ihr gegenüber sitzenden Jean-Luc. Er wirkte abwesend und unkonzentriert und bemerkte ihre Blicke nicht. Im Grunde hatten sie bisher lediglich Nichtigkeiten ausgetauscht, wohl wissend, daß die wichtigen Dinge unausgesprochen blieben. Den Rest der Mahlzeit setzten sie genauso schweigsam fort, obwohl die Spannung zum Greifen nah war und mit jeder verstreichenden Sekunde drückender wurde. Sie beide hatten viel erlebt in den letzten 48 Stunden und auch wenn jetzt wieder alles so friedlich schien, konnten sie die Geschehnisse nicht einfach abstreifen. Irgendwann hielt Beverly es nicht mehr aus. Sie legte ihre Gabel auf den Teller und sah erneut hoch. „Wie ist dein Gespräch mit den Admirälen verlaufen?" In ihrer Stimme schwang sowohl Interesse als auch Sorge mit. Von jenem Gespräch hing unter anderem ihre weitere Zukunft ab und das wußte Jean-Luc genau. Ob er es deswegen nicht zur Sprache gebracht hatte? Er sah ebenfalls auf und seufzte. „Sie haben mir allerhand Fragen gestellt und mich mehrmals auf meine Insubordination aufmerksam gemacht. Ich fürchte, sie sind solche Paragraphenreiter, daß sie mich tatsächlich vor ein Kriegsgericht bringen wollen, nur damit dem Protokoll genüge getan wird. Zudem herrscht reges Interesse an dem Auftreten der Borg Königin und unseren Erlebnissen mit Zefram Cochrane. Was die Ziele der Borg angeht, wird sich wohl auch Mister Data einer Befragung unterziehen müssen. Schließlich war er es, der von ihnen entführt wurde und uns letzten Endes gerettet hatte... Dies wird, laut den Admirälen wohl passieren, sobald die Enterprise an der Mc Kinley Station angedockt hat und man das Schiff wieder auf Vordermann bringt." Sie sah den Kummer in seinen Augen und verstand, was er ihr in dem Moment nicht sagte: Er hatte Angst davor, von seinem Ausbruch auf der Brücke zu erzählen, was ihm, sollte es tatsächlich zu einer Verhandlung kommen, nicht erspart blieb. Sie stand auf und ging zu ihm hinüber, um ihm tröstend eine Hand auf die Schulter zu legen. Überrascht blickte er sie an und legte seine eigene Hand auf die ihre. „Mach dir nicht allzu viele Gedanken, Jean-Luc. Diese Anhörung ist rein formell und jeder Richter wird dir recht geben, daß du die Erde gerettet hast und somit nicht umsonst einen Befehl mißachtet hast. Der Rest ist nur protokollarischer Kleinkram." Er nickte und murmelte ein leises: „Ja...", doch überzeugt klang es nicht. Was war noch passiert? Was bedrückte ihn sosehr?

Später am Abend hatte sich diese Spannung noch immer nicht gelöst. Sie hatten gemeinsam den Tisch abgeräumt und sich dann, da es bequemer war, auf die Couch gesetzt, die gegenüber der Tür stand. Wieder schwiegen sie sich an, doch dieses Mal war es ein anderes Schweigen. Die Stille sagte ihnen beiden genug und sie versanken darin. Jean-Luc hatte Beverlys Hand ergriffen und streichelte sie zärtlich, während er sie fortwährend ansah. Ihre Anwesenheit beruhigte ihn, ließ ihn einige der Schatten vergessen, die in seinem Geist herumspukten und doch war sie taktvoll genug, nicht nachzufragen. Er konnte deutlich in ihrem Gesicht sehen, was sie fühlte, trotzdem, er konnte es ihr nicht sagen. Er wollte sie nicht noch mehr beunruhigen und er wollte ihr Sorgen ersparen. Mit ihren blauen Augen erwiderte sie seinen Blick, doch sie lächelte nicht mehr. Ihre nun blonden Haare umrahmten ihr schlankes Gesicht und brachten ihre ungewöhnlich hohen Wangenknochen noch mehr zu Geltung. Er mochte ihre Gesichtszüge, die so vieles widerspiegeln konnten und seit er sie kannte, fand er sie schön. Sie war es auf eine außergewöhnliche Weise und er hatte kaum Frauen getroffen, die ihr ähnlich waren. Sie war verletzlich und gleichzeitig stark, sie war zerbrechlich und hatte doch ein gefürchtetes Temperament, wenn es nicht nach ihrem Willen ging. Sie war einzigartig und es hatte eine Zeit gegeben, da hätte er alles dafür gegeben, mit ihr zusammen zu sein. Zu dieser Zeit war sie noch die Ehefrau seines nun verstorbenen besten Freundes Jack Crusher gewesen und er hatte aus Rücksicht darauf verzichtet und seine Gefühle tief in sich vergraben. Wäre er nicht auf einer Außenmission zu dem Planeten Kesprit III mit ihr telepathisch verbunden worden, hätte sie vielleicht nie davon erfahren. Womöglich wäre es besser so gewesen und er hätte sie nicht in Verlegenheit bringen müssen, aber auf der anderen Seite hatte dieses gemeinsame Erlebnis etwas mit ihrer Freundschaft gemacht, das sie zwischen Freunden und Liebenden hielt. Er rückte ein wenig zu ihr hin und strich ihr über die weichen Haare, was sie letztlich doch leicht lächeln ließ. Irgendwie war er froh darüber. Er wollte sie nicht mit seiner Nachdenklichkeit anstecken, obwohl er dankbar für ihr Mitgefühl und ihre Anteilnahme war. Sie hob die Hand und strich ihm behutsam über die Wange. Ihre Berührung war sanft und beruhigend, ihre Haut fühlte sich weich und warm an. Vorsichtig streichelte sie sein ganzes Gesicht und er schloß die Augen, um diese Zärtlichkeit intensiver wahrnehmen zu können. Plötzlich schlug er die Augen wieder auf und sah sie an. „Was tust du da eigentlich?" Sie erwiderte seinen Blick. „Ich möchte, daß du dich entspannst und den namenlosen Schrecken vergessen kannst. Sei einfach du selbst und laß all die Schwierigkeiten für den Moment hinter dir..." Er richtete sich kerzengerade auf, was sie veranlaßte ihre Hände wieder zu sich zu nehmen. „Das kann ich nicht, zumindest im Moment nicht, bitte sei mir nicht böse." Sie schüttelte traurig den Kopf. „Das bin ich nicht. Vielleicht ist es auch besser, wenn ich jetzt gehe. Trotzdem möchte ich dir sagen, daß ich mir große Sorgen um dich mache. Ich würde dir so gerne helfen, wenn ich nur wüßte wie. Wenn es etwas gibt, das ich für dich tun kann, sag mir nur Bescheid." Er ergriff ihre Hände noch einmal und drückte sie sanft. „Das werde ich. Ich kann dir heute einfach nicht genug danken." „Das ist eine solche Selbstverständlichkeit..." Sie beugte sich vor und gab ihm einen flüchtigen Kuß auf die Wange, dann erhob sie sich und er mit ihr. Er begleitete sie noch bis an die Tür und zum Abschied umarmten sie sich lange. Dann ging sie.

Unzufrieden mit sich selbst erreichte Beverly Crusher ihr Quartier. Sie ließ sich auf ihr Bett fallen und streifte das erste ihrer beiden Oberteile vom Leib, um es neben sich zu legen. Frustriert sank sie nach hinten in die Kissen und starrte an die Decke. Sie hatte sich fest vorgenommen gehabt, herauszufinden, was an Jean-Luc nagte, um für ihn dazusein, aber statt dessen hatte sie ihn wohl noch mehr verunsichert. Sie war eine sehr große Hilfe gewesen. Höflicherweise hatte er gesagt, er werde sie aufsuchen, wenn es etwas gebe, das sie für ihn tun könne, doch sie wußte genau, daß er viel zu rücksichtsvoll war, um das auch tatsächlich zu machen. Auf der anderen Seite wollte sie auch nicht zu aufdringlich sein, denn das konnte genauso abschreckend sein. Sie wußte nicht, was sie tun sollte. Deanna hatte noch vollstes Vertrauen geäußert, aber Beverly mußte ihre Freundin wohl enttäuschen. Sie war genauso schlau, wie vor dem Essen und sicher auch genauso hilfreich. Sarkastisch verzog sie den Mund zu einem Lächeln und richtete sich auf. Es brachte nicht allzuviel, auf dem Bett zu sitzen und mit sich selbst zu hadern. Wenn sie nicht alles täuschte, würde die Enterprise morgen Mc Kinley erreichen und die Crew hatte das Schiff für die Wartungsarbeiten zu räumen. Sie überlegte, jetzt schon mit packen anzufangen, damit sie morgen diese Zeit gespart hätte, wenn alle anderen davon erfuhren. Letztendlich entschied sie sich dafür und begann ihre Sachen zusammenzusuchen.