Disclaimer: Wie immer. Ihr wisst schon: Nicht meins.
A/N: Ja ja, in letzter Zeit brauche ich ein bisschen länger für meine Updates, aber das Praktikum nimmt einfach viel zu viel Zeit in Anspruch. Danke an alle die mir einen Kommentar hinterlassen haben:) Fühlt euch geknuddelt.
Unangenehme Überraschungen
In der folgenden Woche nimmt mein Leben seinen gewohnten Lauf. Ich lerne, räume hinter meinem Meister auf wenn er es zulässt, versuche seinen wachsenden Ansprüchen im Bett zu genügen und bald ist die Erinnerung an den Abmarsch nur noch eine Nebensächlichkeit, die mich kaum mehr betrifft.
Die heutige Nacht ist eine gute für mich, beschließe ich. Alle Aufgaben sind zufriedenstellend erledigt, mein Herr sitzt entspannt mit einem Buch in seinem Sessel und ich lehne schweigend an seinem Bein, den Kopf auf einem Knie gebettet und denke müßig über die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten von Wassermagie nach. Alles in allem ein sehr friedliches, geradezu behagliches Bild, von dem ich hoffe dass es noch recht lange so bleibt. Er krault mich abwesend am Kopf und wäre ich eine Katze, ich würde jetzt anfangen zu schnurren.
Das laute, hektische Klopfen von draußen reißt mich jäh aus meinen verschwommenen Gedanken und ich zucke erschrocken zusammen. Irgendetwas könnte passiert sein denke ich sofort und springe auf um zu öffnen. Bevor ich jedoch auch nur in die Nähe der Klinke komme wird die Türe auch schon aufgerissen. Ethin steht dort, atemlos keuchend und sieht aus als wäre er den ganzen Weg hierher gesprintet. Fast meine ich so etwas wie panische Angst in seinem Gesicht zu erkennen. Ein Ausdruck so ungewohnt von ihm, dass ich mir im ersten Augenblick nicht sicher bin ob ich meinen Augen auch trauen kann. Erst als er auf die Knie fällt und anfängt zu sprechen merke ich, dass wirklich etwas vorgefallen sein muss.
„Meister Shenjal! Bitte entschuldigt mein unerlaubtes Eindringen. Es gab einen Unfall. Ich weiß nicht was ich tun soll!"
Pure Verzweiflung schwingt in seinem letzten Satz mit und macht deutlich, dass er kurz vor einem Zusammenbruch steht. Ungläubig starre ich ihn an, während mein Meister bereits reagiert und hastig ein paar Dinge zusammenklaubt.
„Was ist geschehen?" Will er scharf wissen, aber es scheint als wäre der mittlerweile haltlos schluchzende Goldelf nicht mehr aufnahmefähig, denn er reagiert nicht im Geringsten auf die Frage.
Ich schüttle den Kopf um diese überrumpelte Starre loszuwerden und schnappe mir zwei Heiltränke, denn inzwischen weiß ich wo sie lagern. Mein Herr nimmt sie mir aus der Hand und befiehlt mir kurz angebunden mich um Ethin zu kümmern, wonach er mit ungewöhnlich besorgter Miene den Gang hinunter eilt. Ich habe keine Ahnung wie ich mich diesem aufgelösten, hilflosen Ethin gegenüber verhalten soll. Normalerweise würde ich niemals freiwillig näher als zwei Meter an ihn herantreten, aber normalerweise ist er auch derjenige der mich bedrängt und attackiert. Im Moment stehen die Chancen dafür allerdings eher gering nehme ich an. Vorsichtig trete ich neben ihn, immer bereit bei einer plötzlichen Bewegung die Flucht zu ergreifen.
„Ethin?"
Keine sichtbare Reaktion. Nervös lege ich meine Fingerspitzen sachte auf eine schmale, zitternde Schulter und zucke fast im selben Augenblick erschrocken zurück, weil er plötzlich den Kopf hebt und mich verwirrt anstarrt als hätte er mich nie zuvor gesehen. Was mag es bloß gewesen sein dass ihn derart aus der Fassung gebracht hat? Sein Meister, ob er verletzt ist?
„Ethin?"
Frage ich behutsam ein weiteres Mal. Jetzt kehrt ein wenig der alten, eiskalten Selbstbeherrschung zurück und ich schaffe es nur unter großem inneren Widerwillen so dicht neben ihm stehen zu bleiben, aber ich zwinge mich dennoch dazu um ihn wenigstens in eine halbwegs aufrechte Stellung zu bringen. Schließlich müssen wir uns so schnell wie möglich auf den Weg zu unseren Herren machen.
„Was ist passiert?" Frage ich behutsam und ziehe mich dabei bereits unmerklich zurück aus seiner unmittelbaren Reichweite.
„Es war der verdammte Lehrling." Murmelt Ethin, den Blick ins Leere gerichtet als würde er alles noch einmal vor sich sehen. „Er hat einen Fehler gemacht und irgendwie eine Energieentladung ausgelöst. Sie waren beide bewusstlos und ich konnte sie nicht aufwecken."
Er wendet sich mir abrupt zu, woraufhin ich unwillkürlich einen großen Schritt rückwärts mache und scheint erst jetzt zu bemerken wo er sich befindet.
„Wir müssen sofort zurück!"
Kaum hat er das herausgestoßen hetzt er auch schon den Gang entlang und ich muss ihm wohl oder übel folgen. Verdammt, bis vor ein paar Minuten war dies noch eine vergleichsweise angenehme Nacht und jetzt renne ich hinter der Person her, die ich von allen hier am allerwenigsten in meiner Nähe haben will! Die neugierigen Blicke die uns auf unserem eiligen Marsch folgen versuche ich so gut es geht zu ignorieren, obwohl mir klar ist, dass es nicht gut sein kann so viel Aufmerksamkeit zu erregen. Glücklicherweise versucht niemand uns aufzuhalten. Ich wüsste auch nicht wie der Goldelf, der ein wahrhaft halsbrecherisches Tempo vorlegt, darauf reagiert hätte.
Als wir endlich im Quartier seines Herrn ankommen hat Meister Shenjal bereits alles unter Kontrolle und ich kann gerade noch sehen wie er dem Anderen, der noch immer etwas desorientiert wirkt, vorsichtig etwas Blut aus dem Gesicht wischt, bevor er mir wortlos einen Heiltrank in die Hand drückt und mich in Richtung Daevan schiebt. Der Junge liegt offenbar noch immer bewusstlos auf dem Boden und blutet leicht aus Mund und Nase. Wieso ist er überhaupt hier? Soweit ich weiß ist Meister Geryn gar nicht für ihn verantwortlich. Es herrscht eine ziemliche Unordnung. Fläschchen liegen zerbrochen auf dem Boden, während ihr Inhalt langsam in einen Teppich sickert, seltsame Gerüche verströmt oder sogar teilweise schon leichte Ätzspuren im Holz hinterlassen hat, wo es nicht bedeckt ist. Ich hebe Daevans Kopf auf meine Knie und versuche ihm den Trank einzuflößen. Keine leichte Aufgabe, denn er fängt gerade jetzt an ein wenig zu zucken, kommt aber trotzdem nicht ganz zu sich. Es ist fast als würde er mich absichtlich behindern und ich wünsche mir ärgerlich er möge endlich still liegen.
„Du hattest keine Erlaubnis das Quartier zu verlassen!"
Bei diesen drohend gezischten Worten zucke ich zusammen und schütte unvorsichtigerweise einen Teil der kostbaren Flüssigkeit in Daevans Kragen, wo sie nutzlos versickert. Zum Glück beachtet mich niemand. Obwohl die Worte gar nicht mir sondern Ethin gelten erschreckt mich diese scharfe, unerwartete Anklage, denn ich hätte an seiner Stelle vielleicht genau so reagiert. Der andere Sklave kauert sich augenblicklich unterwürfig auf dem Boden zusammen.
„Es tut mir leid Herr. Ich akzeptiere meine Strafe Herr."
Er klingt immer noch etwas wackelig. Offensichtlich hält Meister Geryn nicht viel von Entschuldigungen, denn er tritt ihn auf einmal mit wütender Miene hart in die Seite. Ich meine sogar fast das unangenehme Geräusch knackender Rippen zu hören, dass jedoch von einem schmerzlichen Stöhnen übertönt wird.
Unbemerkt von mir ist Daevan inzwischen doch aufgewacht und fängt heftig an zu husten, womit er leider alle Aufmerksamkeit auf uns lenkt. Ihn innerlich dafür verfluchend, bugsiere ich so schnell es geht seinen Kopf auf den Boden und ziehe mich so weit wie möglich aus seiner Nähe zurück. In seiner Haut möchte ich jetzt nicht stecken! Meister Geryn verschwendet auch keine Zeit, stürzt auf ihn zu und zerrt ihn unsanft in eine halbwegs sitzende Position, bevor er anfängt den jungen Drow, der noch immer nicht ganz bei sich ist, heftig zu schütteln.
„Das wirst du bezahlen!" Schreit er ihn an und sieht dabei aus als würde er im nächsten Augenblick Feuer spucken. „Du nutzlose Missgeburt! Ich werde dafür sorgen das dein Leben zur Hölle wird das verspreche ich dir! Wenn du jemals wieder einen verdammten Fuß in dieses Gebäude setzt dann werde ich einen Dämon auf dich hetzen und dabei zusehen wie er deine Eingeweide frisst…"
Er wütet eine Weile weiter, während mein Meister noch immer entspannt inmitten der Verwüstung stehend, mit verhaltenem Amüsement und locker vor der Brust verschränkten Armen zusieht. Bei diesem Anblick kann ich sogar fast glauben, dass es ihn wirklich erheitert hätte, wäre ich derjenige gewesen, der hier mit der Feuerbeschwörung alles in Schutt und Asche gelegt hätte. Möglicherweise mag er einfach die penible Ordnung nicht, die Meister Geryn offenbar als lebensnotwendig erachtet. Alles in Allem ist es eigentlich ein typisches Beispiel für Drow-humor. Der Witz geht immer auf Kosten anderer.
Ethin hält sich, noch immer am Boden, die schmerzenden Rippen, hat dabei jedoch einen Ausdruck seltsamer Befriedigung im Gesicht. Ob die allgemeine Zerstörung oder die Tatsache dass sein Herr ausnahmsweise seinen Zorn an jemand anderem auslässt daran schuld ist kann ich nicht sagen. Vielleicht ist es ja sogar beides. Für mein Gefühl bin ich beiden allerdings noch immer viel zu nah und deshalb fange ich nun an mir sorgfältig einen Weg durch die überall herumliegenden Glasscherben und Pergamentfetzen zu suchen um dies zu beheben.
Mittlerweile finden sich auch vor der unverändert halb offenen Türe die ersten Schaulustigen ein, die sich jedoch, angesichts des unüberhörbaren Wutanfalls Meister Geryns, vorsichtshalber noch in einem Sicherheitsabstand von mindestens drei Metern aufhalten und versuchen von dort einen Blick auf die Geschehnisse zu erhaschen. Ihr leises Gemurmel dringt nur undeutlich an mein Ohr und ich kann leider nicht verstehen worüber sie genau spekulieren. Möglicherweise wetten sie darum ob Daevan diese Katastrophe überleben wird oder nicht.
Schließlich stürzt mit gehetztem Blick ein Soldat herein, den ich anhand seiner Uniform als Offizier der Tempelgarde identifiziere. Als er bemerkt, das Daevan zwar momentan der geballten Wut eines Meisters ausgesetzt, aber ansonsten lebendig ist, atmet er sichtlich auf. Ich bin überrascht, dass Daevans Vater allem Anschein nach bereits nach so kurzer Zeit von diesem Vorfall erfahren hat, denn eigentlich kann es nur er sein, der einen Bewaffneten aus dem Tempel herschickt.
„Ist alles unter Kontrolle?" Wendet besagter Soldat sich zunächst an meinen Herrn, unwillig sich dem schäumenden Magier auszusetzen, der zwar mittlerweile sein Opfer losgelassen hat, jedoch auch weiterhin auf den verwirrten Jungen einschimpft und ihm eine tödliche Drohung nach der anderen an den Kopf wirft.
„Noch nicht ganz." Antwortet mein Meister mit besorgniserregender Freundlichkeit. „Aber da ihr jetzt hier seid und für Ordnung sorgen könnt, wird sich das bestimmt bald ändern."
Dann wendet er sich zum Gehen und lässt den fassungslosen Soldaten einfach stehen, beugt sich jedoch vorher noch kurz ein wenig zu Ethin herunter und erklärt: „Wenn er sich wieder eingekriegt hat, sag ihm ich hätte ihn eingeladen den Tag bei mir zu verbringen. Ausnahmsweise ist es da ja nicht einmal halb so chaotisch wie hier."
Hinter seinem Rücken sehe ich leider nur allzu deutlich das erwartungsvolle, hungrige Lächeln das Ethin mir zuwirft. So schnell es geht flüchte ich aus dem verwüsteten Raum. Diese Entwicklung gefällt mir überhaupt nicht und das ist noch untertrieben! Jetzt werde ich wohl unserer nächsten Begegnung nicht mehr länger ausweichen können. Alles nur weil Daevan ein derart miserabler Zauberer ist. Ich wünsche mir beinahe Meister Geryn würde eine seiner grausamen Versprechungen wahr machen und ihm einen möglichst langsamen Tod bereiten. Was soll ich jetzt bloß tun? Panik macht sich in mir breit und hindert mich am denken. Ich kann nicht weg, denn bei Tag, wenn kaum jemand wach ist, würde mich auch der Status meines Meisters nicht mehr unbedingt vor heimlichen Übergriffen schützen. Abgesehen davon bin ich mir sicher er würde es nicht zulassen, dass ich mich für mehrere Stunden am Stück aus seiner Gegenwart entferne und ohne Auftrag herumgeistere. Also sitze ich wie ein Tier in der Falle.
Vielleicht ist ein Ethin mit gebrochenen Rippen nicht in der Lage mich sofort frontal zu überwältigen, aber wie hindere ich ihn daran mich zu überraschen? Kann ich ihn irgendwie überlisten? Aber wie? Ich wünsche mir sehnlichst ich könnte ihm einfach einen Schlaftrank einflößen! Natürlich ist das aussichtslos. Er würde niemals freiwillig etwas von mir annehmen, genauso wenig wie ich von ihm. Es sei denn er wüsste über den Inhalt bescheid… bei diesem Gedanken erscheint ein schwacher Hoffungsschimmer in mir.
Ethin muss gesehen haben, wie ich Daevan den Heiltrank eingeflößt habe und ein kleiner Rest ist noch übrig geblieben wegen meines überstürzten Rückzuges. Ob ich etwas hineinmischen und ihn damit in Versuchung führen kann? Ich bin relativ sicher, dass sein Meister ihm heute angesichts seiner schlechten Stimmung keine Heilung gewähren wird und auch wenn dieser kleine Rest kaum viel bewirken kann, so vermag er doch zeitweise die Schmerzen ein wenig lindern. Ist es genug? Ich habe leider die paranoide Befürchtung, dass der Goldelf nach so vielen Jahren als Sklave eine extrem große Toleranz gegen Schmerz entwickelt haben könnte und mich einfach auslachen wird oder noch schlimmer, derartig misstrauisch ist, dass er trotz allem nicht darauf eingeht.
Das erste Mal in meinem Leben hoffe ich verzweifelt auf jemanden so naiv wie möglich zu wirken. Mir ist nämlich durchaus klar, dass ihn nachdem er hat was er will nichts mehr davon abhalten würde mich ungeachtet aller Abmachungen und Händel anzugreifen. Aber er hält mich für dumm und schwach oder nicht? Etwas anderes will mir nicht einfallen und ich kann nur hoffen dass ich ihn richtig einschätze! Bei dem Gedanken daran was mir sonst bevorsteht breitet sich Übelkeit in mir aus und ich erschauere. Ich muss einfach Recht haben!
Natürlich steht fest, dass ich für den unerlaubten Gebrauch eines Schlaftrankes bestraft werde, aber jede Strafe ist mir lieber als wieder von ihm berührt zu werden. Schmerzen sind auszuhalten, obwohl ich Angst vor ihnen habe, aber dieses widerliche Gefühl, diese überwältigende Abneigung die in mir aufsteigt wenn ich nur daran denke Ethin nahe zu kommen ist weitaus schlimmer. Und angesichts der bis jetzt ausgebliebenen Reaktion meines Meisters bin ich gewillt zu glauben, dass er meinen Plan vielleicht stillschweigend duldet, weil er ihn unterhaltsam findet und neugierig ist ob es funktionieren wird. Ich spüre nämlich dieses kaum merkliche, verräterische Kribbeln am Halsband, dass manchmal mit seinem Eindringen in meine Gedanken einhergeht. Das es überhaupt existiert ist mir erst aufgefallen nachdem ich durch das magische Training nach und nach sensibler geworden bin gegenüber den feineren Schwingungen. Sehr oft entgeht es mir auch, so schwach ist das Gefühl.
Neugierde ist wahrscheinlich eine oder sogar fast die einzige der wenigen Schwächen meines Meisters. Sie bringt ihn oft dazu Dinge zu tun nur um zu sehen was passiert, selbst wenn das Ergebnis unmöglich vorhersehbar ist. Die Faszination des Unentdeckten neuen wird möglicherweise eines Tages sein Ende sein, aber ich bin überzeugt, dass dieser Tag noch sehr lange auf sich warten lassen wird, denn er ist, nach allem was ich bis jetzt gesehen habe, wirklich ein außergewöhnlich begabter Magier und durchaus fähig auch mit dem Unerwarteten zurechtzukommen.
Als wir schließlich wieder zurück sind bin ich zwar immer noch nervös, jedoch nicht mehr so völlig aufgelöst und panisch wie noch wenige Minuten zuvor. Ich habe einen Plan und diese Tatsache gibt mir zumindest ein bisschen Sicherheit. Das Gefühl wenigstens diesmal nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein ist beruhigend genug um nicht augenblicklich in verzweifelte Tränen auszubrechen und mich in die nächstbeste Klinge zu stürzen. Aber es gibt noch immer viel zu viele Unsicherheiten in meinem Plan als dass ich mich wirklich entspannen könnte.
Ich räume sorgfältig die für die heutige Notaktion gebrauchten Utensilien weg, versuche dabei so unauffällig wie irgend möglich an den Schlaftrank zu kommen und höre im Hintergrund wie mein Meister ein Essen für Zwei bestellt, das in einer Stunde hierher geliefert werden soll. Diese praktische Einrichtung habe ich trotz allen Grübelns noch immer nicht völlig durchschaut. Es funktioniert äußerlich so, dass man einfach in einen speziell für diesen Zweck hergestellten Handspiegel hineinspricht, aber wie dieser nun im Einzelnen mit dem Küchenpersonal verbunden ist konnte ich bis jetzt nicht ergründen. Einfach ein Gegenstück für jeden Meister zu haben wäre schließlich höchst unpraktisch und um alle einzelnen Spiegel an einen Einzigen zu binden ist wegen der involvierten Energiemenge eine hochkomplizierte Prozedur vonnöten. Aber wer weiß, vielleicht sind die Meister ja bereit solche Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, für einen derartigen Komfort.
Wie um mir genug Zeit zu geben meine Vorbereitungen zu treffen begibt sich mein Meister nun zum Umziehen in sein Schlafzimmer. Wieder einmal verstehe ich sein Handeln nicht, bin jedoch trotz allem dankbar dass er mir diese Möglichkeit gewährt. Es wird seine Freude an meiner Bestrafung nicht schmälern, da bin ich mir sicher. Möglicherweise ist dies auch der Grund für sein Verhalten: Er bekommt doppelte Unterhaltung wenn er sich einfach nur zurücklehnt und zusieht, statt einzuschreiten. Was sind schon ein paar Tropfen Schlaftrank gegen den perplexen Ausdruck auf Meister Geryns Gesicht, wenn er seinen Sklaven friedlich schlummernd und mich unberührt vorfindet?
Erleichtert lasse ich das Fläschchen mit dem Heil-Schlaftrank-Gemisch in meine Tasche gleiten und stelle alles wieder so hin wie ich es vorgefunden habe. Ich bin gerade fertig und werfe noch einen letzten prüfenden Blick auf die Anordnung, als sich unvermittelt ein schwarzhäutiger Arm von hinten um meine Taille legt und ich vor Schreck beinahe aufschreie. Das Gefühl des warmen Körpers, der sich von hinten an mich drückt ist vertraut, doch in diesem Augenblick schlägt mein Herz unglaublich schnell und meine Knie werden plötzlich weich.
„Du hast Flecken am Ärmel Häschen. Geh dich umziehen." Sagt er leise und ich das Gefühl seines Atems, der über meine Wange streicht lässt mich unfreiwillig erschauern.
„Wie ihr wünscht Herr."
Antworte ich und warte bis er mich widerwillig freigibt. Erst als ich im anderen Zimmer und damit in einiger Distanz zu ihm bin wage ich es wieder normal durchzuatmen. Die Wahl meiner Kleider soll mir heute offenbar selbst überlassen bleiben, was natürlich nicht heißt, dass ich mich nicht nach ihm zu richten hätte. Und wie ich nach einem schnellen Blick zurück feststelle sind wir zu diesem Anlass sehr Freizügig. Natürlich, Meister Geryn kommt. Missmutig und mit einer innerlichen Grimasse entscheide ich mich für eine ärmellose, knapp geschnittene, blassgrüne Tunika. Ich mag sie nicht sonderlich, weil ich dazu neige in dem dünnen Stoff zu frieren, aber sie passt farblich am besten zum rötlich gehaltenen Outfit meines Meisters. Schwarze Stulpen an meinen Handgelenken und Knöcheln helfen ein wenig und bieten glücklicherweise auch ein vorrübergehendes Versteck für mein wertvolles Fläschchen. Ich werde es jedoch trotzdem bald irgendwo im Zimmer verbergen müssen, wenn ich verhindern will, dass es entdeckt wird. Eng anliegende Kleidung ist wahrlich nicht der beste Ort um Dinge zu verstecken.
Die Frage ob ich noch ein wenig aufräumen soll verkneife ich mir. Falls er es wünscht wird er es mir befehlen und falls nicht, habe ich die kleinliche Befriedigung Meister Geryn vorsätzlich der augenblicklichen Unaufgeräumtheit dieser Räume auszusetzen. Abgesehen davon dass er einen Sklaven hat, der ihm in Bösartigkeit in nichts nachsteht gibt er mir das Gefühl überflüssig zu sein, in einer Situation wo Überflüssigkeit recht unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen kann. Kurz gesagt seine Gegenwart ist neben Ethins diejenige die ich mir am wenigsten wünschen würde. Dass mein Meister da ganz anderer Meinung ist kann ich deutlich spüren. Die Erwartung, die er ausstrahlt ist fast greifbar für mich und lässt mich unbehaglich herumhampeln. Eine Gewohnheit die ich noch immer nicht völlig habe ablegen können.
„Sitz still!" Faucht er mich schließlich ungehalten an, genau in dem Augenblick, in dem es an der Türe klopft und ich von ganz allein erstarre. Wie ich befürchtet habe sind es natürlich die beiden Personen, die ich in dieser Stadt am aller liebsten sehen will.
Meister Geryn scheint noch immer in einer äußerst gefährlichen Stimmung zu sein und Ethin hat einen subtil verzerrten Gesichtsausdruck und leicht steifen Gang, der darauf hindeutet, dass er in der Zwischenzeit wohl doch noch weiter unter den Konsequenzen seiner Handlung zu leiden hatte und jetzt versucht dies so gut wie möglich zu verbergen.
Die Befriedigung die ich aus diesem Gedanken ziehe erschreckt mich für kurze Zeit. Aber er verdient es, halte ich mir vor und außerdem verbessern diese Umstände meine eigene Ausgangsposition.
„Ihr habt also entschieden mir für den heutigen Tag Asyl zu gewähren?"
Der sarkastische Unterton des Meisters ist nicht zu überhören, aber bis auf ein seltsam triumphierendes Aufblitzen in seinen Augen reagiert mein Herr nur mit einem neutralen, unverbindlichen Lächeln.
„Es war eine Einladung, nichts weiter. Die Entscheidung lag allein bei euch. Das Essen sollte bald eintreffen." Er weist auf einen der Sessel. „Wollt ihr euch nicht setzen?"
Meister Geryn kommt der Aufforderung prompt nach und lässt sich mit einer, für einen Drow, ungewöhnlich uneleganten Bewegung einfach in die weichen Polster fallen. Es scheint als hätte die heutige Nacht auch bei ihm ihre Spuren hinterlassen.
„Ich schwöre euch, ich werde dafür sorgen dass diese kleine Pest mit den Fußsoldaten auf's Schlachtfeld geschickt wird!"
Brummt er verbittert.
„Dann wäre es mir natürlich eine Freude euch in diesem ehrenvollen Anliegen zu unterstützen."
„Ach ja?"
Mein Meister nickt, woraufhin sein Gegenüber ein überlegenes Lächeln aufsetzt.
„Natürlich. Ich vergaß, ihr seid ja derjenige der Tag für Tag seine Gegenwart ertragen muss."
„Immerhin habe ich ihn bis jetzt erfolgreich davon abgehalten meine Räume in die Luft zu jagen."
Damit weicht das Lächeln einer ärgerlichen Grimasse, begleitet von einem unmutigen: „Nicht dass das hier einen großen Unterschied machen würde."
Entgegen meinen Erwartungen bricht mein Meister daraufhin in Gelächter aus.
„Und dennoch seid ihr hier." Bemerkt er schließlich befriedigt, woraufhin Geryn nur die grünen Augen rollt. Auch während des Essens hören die beiden nicht auf mit ihren Sticheleien und kleinen Seitenhieben. Es scheint eine Art Spiel zu sein, mit dem Ziel den jeweils Anderen aus der Reserve zu locken und so weit ich es beurteilen kann ist dies bei weitem nicht das erste Mal, dass die beiden es spielen. Die Vertrautheit die ich zwischen den beiden Meistern wahrzunehmen meine ist erstaunlich wenn man ihre Positionen bedenkt.
Etwa auf halbem Wege durch den Hauptgang entscheidet Meister Geryn offenbar dass es an der Zeit sei die Einsätze zu erhöhen und winkt mit einem nachlässigen Schlenker seiner Hand Ethin heran. Der weiß offensichtlich ganz genau was von ihm verlangt wird und lässt sich mit einer, für seinen momentanen Zustand beeindruckenden, Anmut neben seinem Meister auf die Knie sinken, um dann auf eine äußerst provokante Weise das schmale Stück Obst aus dessen schlanken Fingern geradezu herauszulutschen.
Ich schaue dieser Aktion mit einem flauen Gefühl im Bauch zu und hoffe nicht ebenfalls gefüttert zu werden, denn ich hasse es nach wie vor wenn ich dazu gezwungen werde. Zu meiner Verblüffung reagiert mein Herr jedoch zunächst gar nicht auf diesen Anblick und fährt mit seiner Mahlzeit fort als wäre nichts vorgefallen. Erst nachdem Meister Geryn das Ganze Schauspiel ein weiteres Mal durchführt erklärt er mit einem hinterhältigen Lächeln: „Da ihr euch heute so unerwartet großzügig zeigt habt ihr bestimmt nichts dagegen Evoe an dieser Freigiebigkeit teilhaben zu lassen."
Das knappe Kopfnicken, das mich in seine Richtung dirigiert, erfolgt noch bevor der andere Meister überhaupt eine Gelegenheit zur Antwort hatte. Ich tue wie mir geheißen und versuche dabei angestrengt meine aufsteigende Nervosität zu verbergen. Das ich auf den Knien neben seinem Stuhl nicht genau sehen kann wie die Reaktion auf diese unverhohlene Herausforderung ausfällt, hilft mir dabei keineswegs. Dieses Spiel gefällt mir ganz und gar nicht!
Ein einzelner Finger unter meinem Kinn zwingt mich mit sanftem aber unnachgiebigem Druck dazu ihm ins Gesicht zu sehen und der kritisch prüfende grüne Blick, der jede winzige Einzelheit aufnimmt gibt mir ein beunruhigendes Gefühl der Schutzlosigkeit. Wie es aussieht entscheidet er sich auf den Zug meines Meisters einzugehen. Die arrogante Miene ist unverändert, als er mir mit leichter Herablassung ein saftiges Stück Pfirsich hinhält. Wie schon gesagt hasse ich diese Art der Nahrungsaufnahme, aber trotzdem weiß ich natürlich sehr genau was ich zu tun habe und ich will das mein Herr zufrieden mit mir ist. Deshalb zwinge ich mich dazu ein, hoffentlich überzeugendes, Lächeln aufzusetzen während ich meine empfindsamen Lippen langsam um die Frucht lege und dann behutsam den zurückgebliebenen Saft von Meister Geryns Fingern lecke.
Er schmeckt auf eine schwer zu beschreibende Weise anders als mein Meister. Metallischer vielleicht, aber ich kann den Unterschied nicht genau definieren. Es ist jedoch nicht ganz so unangenehm wie ich erwartet hatte und eine fast unmerkliche Beschleunigung seines Atems sagt mir, dass ich meine Sache gut mache. Hoffentlich bleibt es bei diesem einen Stück, denke ich und entlasse den letzten Finger aus meinem Mund.
„Danke Herr."
„Nicht mehr ganz so unschuldig wie noch vor ein paar Monaten, würde ich sagen."
Mit diesem Kommentar bin ich entlassen und begebe mich zurück zu meinem Meister, der mit keiner Geste erkennen lässt was er über das gerade gesehene denkt. Ich kann nur hoffen, dass ich seine Erwartungen erfüllt habe.
„Nicht wahr?"
Der Ton in dem dies gesagt wird lässt unangenehme Vorahnungen in mir aufsteigen. Was hat mein Herr als nächstes vor?
„Wünscht ihr zu sehen wie viel seiner Unschuld noch verblieben ist?"
Mir wird eiskalt. Er kann nicht meinen was ich annehme! Nicht mit Ethin als Zuschauer. Ich kann das nicht, schießt es mir durch den Kopf.
Du kannst und du wirst! Ist die scharfe Antwort in meinem Kopf.
Zu meinem Horror nickt Meister Geryn jetzt.
„Natürlich."
Meister, bitte! Ich kann nicht!
Du tust was ich dir sage. Herrscht er mich an. Rote Augen verengen sich ärgerlich. Oder willst du dich mir widersetzen?
Nein Herr.
Besiegt lasse ich den Kopf hängen und folge der Richtung in die er deutet, so dass alle Anwesenden einen freien Blick auf mich haben. Vielleicht schaffe ich es mir einzureden, dass niemand außer mir hier ist. Ich weiß nicht wie ich dies sonst durchstehen könnte.
Unsicher wie der Anfang aussehen soll lasse ich zunächst langsam die Hände über meine Seiten hinabgleiten. Das Gefühl angestarrt zu werden ist nur schwer zu ignorieren, aber unaufhaltsam wird dennoch die Anzahl der Kleidungsstücke, die sich noch an meinem Körper befinden, viel zu schnell immer geringer. Wird er mich zwingen bis zum Äußersten zu gehen? Ich werfe einen vorsichtigen Blick hinüber zu meinem Meister und versuche so gut es geht die zwei Paar grüner Augen auszublenden die jeder meiner Bewegungen folgen. Das ungeduldige Handzeichen welches er mir gibt zeigt leider eindeutig, dass dies der Fall ist.
Es fällt mir unglaublich schwer mich auf diese Weise zu berühren während ich weiß dass Ethins volle Aufmerksamkeit auf mir ruht, aber mein Meister lässt mir keine Wahl. Ich kann mit einiger Sicherheit sagen, dass er das Halsband benutzt. Gerade genug um mich ein klein wenig zu unterstützen, damit ich ihn nicht blamiere, aber nicht mehr.
Als die ganze Tortur endlich vorüber ist, bin ich bereits derart aufgewühlt, dass ich nicht einmal mehr bemerke dass auf einmal wie auf ein stilles Kommando beide Magier nach einem ihrer Zauberstäbe greifen und ein Kommandowort rufen. Das Resultat ist ein bewegungsunfähiger Meister Geryn, der demnach um einen Sekundenbruchteil langsamer gewesen sein muss als mein Herr, welcher jetzt katzengleich um ihn herumschleicht, einen Ausdruck des unverhohlenen Triumphes im Gesicht.
„Du lässt nach Rayen." Bemerkt er spöttisch und legt schließlich seine Hände auf die Schultern des Bewegungslosen.
„Normalerweise braucht es mehr als einen hübschen Jungen um dich zur Unaufmerksamkeit zu verleiten."
Ein kurzes Wort und die Starre ist aufgehoben. Der andere Magier behält jedoch ein passives Verhalten bei und lässt sich widerstandslos aus dem Stuhl hochziehen, bis sie sich gegenüber stehen. Es scheint als wäre dies die Auflösung ihres kleinen Spieles. Ich kann mir natürlich denken was dem Gewinner zusteht. Ich greife schnell nach meiner Tunika. Wenn sie uns alleine lassen will ich auf keinen Fall mehr Nackt sein! Meine Sorge war berechtigt, denn wieder einmal geht am Ende alles sehr viel schneller vonstatten als ich gedacht hätte. Die beiden Meister begeben sich fast sofort ins Schlafzimmer ohne uns weitere Aufmerksamkeit zu schenken.
