Disclaimer: siehe letztes Kapitel
A/N: Hat mal wieder ein wenig länger gedauert. Sorry, aber mein Praktikum nimmt doch ziemlich viel Zeit in Anspruch die ich als unbesorgte Studentin vorher noch einfach so zur Verfügung hatte:)
Tashja
Ich habe kaum meinen Kopf durch den Kragen gezwungen, da sehe ich bereits aus dem Augenwinkel wie die schlanke Gestalt Ethins viel zu schnell auf mich zuspringt um noch rechtzeitig außer Reichweite zu gelangen. In dem verzweifelten Versuch es doch irgendwie zu schaffen werfe ich mich zur Seite, verheddere mich dabei hoffnungslos in meiner eigenen Kleidung und ende in der denkbar ungünstigsten Position die in einer solchen Situation überhaupt möglich ist, nämlich auf dem Rücken mit einem Ethin der überlegen grinsend auf meinem Bauch hockt und mit widerwärtiger Leichtigkeit den einen Arm festhält den ich noch frei bewegen kann.
„Du bist zu langsam." Erklärt er in einem spöttischen Singsang der mich vor hoffnungsloser Wut mit den Zähnen knirschen lässt.
„Lass mich in Ruhe!"
Zugegeben, es ist mehr ein hilfloses Aufheulen als ein Protest, aber zu mehr bin ich in diesem Augenblick nicht imstande.
„Wir hatten eine Abmachung nicht wahr?" Sagt er liebenswürdig. „Aber wie mir scheint gedenkst du nicht sie einzuhalten."
Natürlich nicht und ich bin mir sicher er weiß auch sehr genau wieso! Nicht das es ihn kümmern würde. Ein Vorwand ist so gut wie der andere in dieser Angelegenheit. Verzweifelt versuche ich doch noch meinen anderen Arm freizubekommen, umso mehr als der Goldelf sich jetzt dazu entscheidet genießerisch über meine Wange zu lecken und mir damit eine Welle puren Abscheus beschert. Entsetzt verdopple ich meine Anstrengungen. Das folgende Geräusch reißenden Stoffs verursacht eine unglaubliche Erleichterung und ich nutze meine neugewonnene Bewegungsfreiheit um ihm kräftig quer durchs Gesicht zu kratzen. Die rötlichen Striemen die ich dabei auf seiner Wange hinterlasse geben mir ein leicht schuldbewusstes Gefühl der Befriedigung.
Mein Angriff überrascht ihn so sehr, dass ich es sogar schaffe ihn abzuschütteln und aus seiner unmittelbaren Umgebung zu entfliehen. Ein großes Glück wie ich wenig später feststelle, denn nun starrt er mich über den Sessel hinweg, hinter den ich mich schutzsuchend gekauert habe, mit purer Mordlust in den Augen an. Wozu ist er wirklich fähig wenn man ihn genug reizt? Ich glaube nicht dass ich es herausfinden möchte.
„Du kleine Ratte!" Zischt er wütend und tastet dabei vorsichtig nach den Kratzern. „Das wirst du noch bedauern!"
Tue ich bereits, aber gleichzeitig überlege ich fieberhaft wie ich jetzt noch meinen Plan umsetzen kann, denn an einen bis aufs Blut gereizten Ethin hatte ich dabei eigentlich nicht gedacht.
„Es tut mir leid!"
Lächerlich. Er würdigt diesen kläglichen Versuch keiner Antwort und wirft nur wütend einen meiner eigenen Schuhe nach mir, der gefährlich nahe an meinem Kopf vorbeisegelt, bevor er harmlos an einer Wand abprallt. Was soll ich nur tun? Wie überzeuge ich ihn davon den Schlaftrank zu trinken? Und noch wichtiger: Wie komme ich überhaupt an das Fläschchen, das momentan hinter ihm unter einem Stapel Pergament liegt? Ich wünsche mir sehnlichst ich könnte einfach Magie einsetzen und mich hinter einer undurchdringlichen Mauer aus Energie verschanzen, aber ich wage es nicht das Verbot meines Meisters zu missachten.
„Du wirst wimmern vor Schmerzen wenn ich dich in die Finger bekomme!"
„So wie du gewimmert hast als du heute hier hereingestürzt bist?"
Dieser verbale Angriff meinerseits ist eigentlich ein zielloser Schuss ins Dunkle, aber es scheint als hätte ich unerwartet doch einen Nerv getroffen, denn auf diese Äußerung hin wird er plötzlich ganz still und ausdruckslos. Sollte ich etwa den letzten Rest von Stolz entdeckt haben der ihm noch geblieben ist?
„Davon wird keiner erfahren." Sagt er scheinbar völlig beherrscht.
„Nicht wenn du die Finger von mir lässt."
„Wenn du das herumerzählst dann bringe ich dich um."
„Das wagst du nicht!"
Absolut sicher bin ich mir bei dieser Behauptung angesichts seiner mit ruhiger, eisiger Überzeugung ausgesprochenen Absicht zwar nicht, aber das kann ich riskieren, entscheide ich und versuche angestrengt diese Zweifel nicht durchscheinen zu lassen. Nach einigen angespannten Minuten in denen wir uns stumm über den Sessel hinweg anstarren, zuckt er auf einmal mit den Schultern.
„Sie werde es irgendwann sowieso wieder befehlen. Sich dagegen zu sträuben ist völlig nutzlos."
„Wann und ob ich mich sträube ist doch wohl ganz allein meine Angelegenheit."
Das er versucht mich mit Worten zu überzeugen gibt mir Mut, wäre ihm das Ganze völlig egal würde er mich einfach wieder angreifen. Diese Entwicklung war nicht abzusehen. Wer hätte gedacht, dass es Ethin noch etwas bedeutet was die anderen von ihm denken. Aber die Gefahr ist nicht vorbei, nicht solange er noch bei Bewusstsein und aktionsfähig ist. Ich würde ihm durchaus zutrauen sich aus heiterem Himmel doch auf einmal noch anders zu entscheiden.
„Evoe."
Beim Klang der Stimme meines Meisters zucken wir beide zusammen, so abgelenkt waren wir durch die Anspannung die zwischen uns herrscht. Erschrocken springe ich auf und wünsche mir gleich darauf ich hätte es nicht getan. Der wenig begeisterte Blick mit dem mein Herr die zerrissene Tunika bedenkt bedeutet nichts Gutes für mich.
„Komm her."
Angesichts des bereits leicht ungeduldigen Tonfalls beeile ich mich dem Befehl nachzukommen und bin überrascht, als er mich nur wortlos an einem Arm ins Schlafzimmer zieht und die Tür wieder geräuschlos hinter mir schließt. Der Anblick des nur noch halb bekleideten Meisters, der reglos auf dem Bett kniet und uns gebannt anstarrt, ist ebenso ungewöhnlich wie beunruhigend. Trotzdem reagiere ich automatisch als mein Herr mir nun von hinten die Arme um die Taille legt und lasse meinen Kopf zurücksinken auf seine Schulter um ihm Raum zu gewähren, den er auch prompt ausnutzt. Seine Absichten sind mir zwar noch etwas unklar, aber für den Moment bin ich zunächst nur erleichtert aus der Nähe des aggressiven Goldelfen entkommen zu sein.
Auch als er mich zum Bett hinüber dirigiert überwiegt trotz der ungeteilten Aufmerksamkeit seitens des grünäugigen Magiers noch die Erleichterung. Mit einer schnellen Bewegung sind die Reste der Tunika über meinen Kopf gestreift und ich fange langsam an mich wie auf einem Präsentierteller zu fühlen. Nicht dass ich es nicht mittlerweile gewohnt wäre wenn man mich anstarrt, aber ein wenig mehr Distanz bleibt mir normalerweise schon. Meine gegenwärtige Position, auf dem großen Bett zwischen zwei Meistern gibt durchaus Anlass zur Sorge, habe ich doch nicht die geringste Ahnung was sie als nächstes vorhaben. Bei diesen Beiden könnte es alles Mögliche sein.
Bevor meine Phantasie allerdings in allzu unangenehme Tiefen abtauchen kann, beginnt mein Meister mich provozierend überall zu streicheln und ich fange langsam an zu erraten was er plant. Wenn es hier um Kontrolle geht wird er mich wahrscheinlich benutzen um die Spannung zu erhöhen. Diesem Impuls folgend spiele ich mit so gut ich kann und vergesse dabei irgendwann sogar fast dass wir einen Zuschauer haben. Dieser Umstand wird mir erst wieder voll bewusst, als mein Herr ihn zu einem Kuss nah heranzieht und ich mich auf einmal in einer recht beengten Situation zwischen den beiden wiederfinde. Weil mir nicht ganz klar ist was jetzt von mir verlangt wird, verhalte ich mich zunächst nur passiv und warte ab.
Als mein Herr schließlich lockend fragt: „Und willst du ihn haben?", sind sowohl ich als auch Meister Geryn zunächst verwirrt. Der andere Magier hat jedoch schnell begriffen worauf die Frage hinauslaufen soll und zischt drohend: „Das werdet ihr bedauern!"
Mein Herr grinst spöttisch und meint nur: „Na das hoffe ich doch stark! Du bist viel energischer wenn du einen guten Grund dazu hast." Bevor er sich mir zuwendet und das Grinsen angesichts meiner Miene puren Unglaubens noch etwas breiter wird.
„Nun schau nicht so entsetzt Häschen." Er ergreift meine Hand und geleitet sie sanft aber bestimmt zur bereits halb entblößten Taille des anderen, wo sich meine Finger zögerlich auf der warmen, ebenholzfarbenen Haut ausbreiten.
„Eine solche Gelegenheit bekommst du so bald nicht wieder." Wispert er schmeichelnd, die Lippen so nah an meinem Ohr das sie mich flüchtig streifen. „Du solltest sie nutzen."
Etwas unsicher taste ich mich zurückhaltend die flache Furche der Wirbelsäule entlang nach oben bis zum schlanken, aber unleugbar verspannten Nacken, mehr um überhaupt irgendetwas zu tun als weil ich es wirklich so wollte. Nach einem vorsichtigen Blick in die grünen Augen zucke ich jedoch erst einmal verschreckt zurück. Die blanke Wut die mir dort entgegenscheint verursacht eine augenblickliche Gänsehaut und mein Instinkt schreit mir panisch zu mich aus der Nähe dieser gefährlichen Emotion zu entfernen. Natürlich komme ich nicht weit, denn mein Herr lässt nicht zu, dass ich seine Pläne einfach über den Haufen werfe.
„Keine Angst." Redet er leise beruhigend auf mich ein, während er mich festhält. „Er wird dir nichts antun. Nicht wahr Rayen?"
Das unwillige Knurren, welches daraufhin ertönt ist keineswegs dazu angetan mich zu beruhigen. Meinen Meister scheint es allerdings auch nicht zu befriedigen, denn er fragt kühl nach.
„Wie war das Rayen?"
Stünde ich ihm jetzt alleine gegenüber, ich wäre felsenfest davon überzeugt in den nächsten Sekunden einen extrem schmerzhaften Tod zu sterben, aber zu meiner großen Überraschung und Erleichterung geschieht dies nicht. Stattdessen senkt der andere Magier auf einmal sogar seinen Kopf und bringt ein beinahe unterwürfiges: „Werde ich nicht." Zustande. Ich bin ziemlich sicher, dass ihn diese einfache Äußerung enorme Überwindung gekostet hat und in diesem Augenblick wird mir wieder bewusst wie sehr ich mich selbst bereits an diese art Willfährigkeit gewöhnt habe, wie sie mir schon in Fleisch und Blut übergegangen ist. So sehr, dass es mir fast körperliches Unbehagen bereitet wenn ich jetzt gezwungen werde auf der anderen Seite zu stehen.
Dennoch, mein Herr verlangt es, also muss ich ihm auch in dieser Sache gehorchen. Nervös lasse ich zunächst meine Hände durch das ungewöhnlich kurz geschnittene, weiße Haar des Drow vor mir gleiten, bevor ich mich dazu bringen kann es mit einem beinahe schon schüchtern zu nennenden Kuss auf schmale Lippen zu probieren. Er setzt mir weder Widerstand entgegen noch reagiert er auf eine andere Weise, was ich nach seiner offensichtlichen Wut als positives Zeichen werte.
Ich versuche meine eigene Unentschlossenheit zu überwinden indem ich mich seinem Oberkörper zuwende, der wie ich bemerken muss nicht ganz so attraktiv geformt ist wie ich es mittlerweile gewohnt bin, aber mein Herr scheint mit dieser Entscheidung nicht zufrieden zu sein und stoppt mich.
„Heute nicht." Murmelt er. „Das ist nicht deine Aufgabe."
Was soll ich denn genau tun? Gar nichts? Daran bin ich nicht gewöhnt und weiß nicht wie ich zu reagieren habe. Genau daraufhin scheint es jedoch hinauszulaufen wie ich bald feststelle, denn wann immer ich aus Gewohnheit heraus den Versuch mache etwas anderes zu tun als passiv zu empfangen hält mein Meister mich zurück. Und er wird dabei nicht unbedingt rücksichtsvoller. Mein letzter Ausrutscher hat mir ein unangenehmes Zwicken in die empfindliche, ungeschützte Seite eingebracht, vom dem wahrscheinlich Spuren zurückbleiben werden.
Der kurze Augenblick der Befriedigung welcher in Meister Geryns Augen aufgeflackert ist angesichts meines schmerzlichen Zusammenzuckens, wird auf einen in Drow geflüsterten Befehl meines Herrn hin augenblicklich durch einen Ausdruck ungläubiger Überraschung ersetzt, der schon beinahe komisch wäre, würde er mir nicht so viel Angst machen. Was hat er nur verlangt? Auf Überraschung folgt wie erwartet Zorn und während ich in nervöser Unwissenheit abwarte was als nächstes passieren wird, liefern sich die beiden ein kleines Anstarrduell.
„Ich warte." Sagt mein Meister schließlich gelassen, als berühre ihn die herrschende Anspannung nicht im Geringsten. Ich kann jedoch an meinem Rücken spüren wie auch der Rhythmus seines Herzschlages schneller wird und die scheinbare Ruhe Lügen straft. Es muss schon sehr gegen das Selbstwertgefühl des anderen Magiers gerichtet sein was er verlangt, denn der reagiert noch immer nicht, sondern hat inzwischen sogar einem wütenden Hund gleich die Zähne gebleckt.
„Du verdammter…" Knurrt er, hält jedoch plötzlich inne und versucht angestrengt seine Selbstbeherrschung wiederzuerlangen.
„Ja?"
Die Frage hat einen derart lauernden Ton, dass selbst mir klar ist, dass es hier um mehr geht als nur diesen unangenehmen Befehl. Wie viele Spiele spielen die beiden noch? Wenn man das Wesen der Drow bedenkt könnten es Dutzende sein, alle verwoben in dem endlosen Netz aus Intrige und Verrat das ihre Gesellschaft so sehr prägt.
Offenbar ist Meister Geryn nun doch zu einer Entscheidung gelangt, denn er legt auf einmal einen Schraubstockartigen Griff um meine Hüften, bei dem ich unbehaglich die Zähne zusammenbeiße und sein Kopf nähert sich mit recht eindeutiger Absicht meinen Geschlechtsteilen. Ich bin so überrumpelt, dass ich nur mit großen Augen zusehen kann und dem Lachen meines Herrn nach zu urteilen muss es ein wahrlich erheiternder Anblick sein. Eine solche Behandlung ist mir noch niemals widerfahren. Ziemlich bald werden solche Überlegungen allerdings nebensächlich für mich, denn obwohl er sich so gesträubt hat ist der Meister sehr gut in dem was er tut und mein folgendes Keuchen trägt diesen Fähigkeiten Rechnung.
Die nächsten Stunden sind zwar anstrengend und höchst verwirrend für mich, aber dennoch bin ich dankbar nicht stattdessen in den Nebenraum zu Ethin zurückgeschickt zu werden. Dieses Mal bin ich ihm nur sehr knapp entkommen und das macht mir Sorgen. Außerdem ist da noch die Strafe, die sicherlich auf das nun unnötige Stehlen des Schlaftrankes folgen wird. Mit diesen sorgenvollen Gedanken im Kopf erwache ich zur nächsten Abenddämmerung, in einem Gewirr von Gliedern aus dem ich mich so vorsichtig wie nur irgend möglich extrahiere um dann meiner ersten Aufgabe der Nacht nachzugehen und ein Bad vorzubereiten.
Schnell streife ich wieder die Reste meiner Tunika über, wobei ich die diversen Spuren des letzten Tages geflissentlich ignoriere und schlüpfe durch die Tür. Ethin, wie sollte es anders sein, erwacht natürlich augenblicklich und entfaltet sich graziös aus der zusammengrollten Position, in welcher er schlafend auf dem dicken Teppich unter dem Tisch gelegen hatte. Die Kratzer, stumme Zeugen meines Widerstandes, sind heute noch deutlicher in seinem Gesicht zu sehen als gestern und bei diesem Anblick frage ich mich ob es nicht ein Fehler war in dort zu verletzen wo es so offensichtlich ist.
Noch bevor er den Mund öffnen kann lege ich beschwörend einen Finger auf die Lippen und schüttle eindringlich den Kopf. Mein Meister reagiert auf unerwünschte Störungen am Abend meist sehr ungehalten und ich will es möglichst vermeiden heute noch weitere Gründe für Bestrafungen zu liefern. Ich hatte zwar kaum gewagt darauf zu hoffen, aber offensichtlich versteht er, nickt kurz, deutet auf mich und dann in Richtung Baderaum. Ich nicke ebenfalls und verschwinde erleichtert so schnell es geht aus seiner näheren Umgebung. Wahrscheinlich weiß er schon lange um die abendlichen Gewohnheiten der Meister. Schließlich war es bestimmt nicht das erste Mal dass sie ein solches Treffen hatten. Wenn ich Glück habe und ihm ihre gute Stimmung ebenfalls am Herzen liegt, wird er sich vielleicht sogar um das Frühstück kümmern.
Meine Hoffnung erfüllt sich ausnahmsweise und als ich einen vorsichtigen Blick aus dem Baderaum werfe erblicke ich einen geschäftig umhereilenden Ethin, der gerade den Tisch mit allerlei Köstlichkeiten dekoriert. Gut! Dann brauche ich mich darum nicht mehr zu kümmern. Ich bin noch dabei die Handtücher am Rand der einladend dampfenden Wanne auszulegen, da rauscht Meister Geryn mit seinem Sklaven im Schlepptau herein. Auf seinen ungnädigen Blick und ein unwirsches Kopfrucken in Richtung Tür hin verbeuge ich mich und mache dass ich wegkomme. Ich glaube kaum dass er meine Anwesenheit nach dem letzten Tag sehr schätzt.
Beim gemeinsamen Frühstück unterhalten sich die beiden Meister als wäre nichts Besonderes vorgefallen. Nun ja, für sie war der gestrige Tag bestimmt nicht einmal halb so seltsam wie für mich. Ich erwische mich bei dem Gedanken die Mahlzeit möge noch ein wenig länger dauern, denn ich habe nur zu deutlich gesehen wie mein Meister einen bedeutsamen Blick in Richtung des Fläschchens geworfen hat. Er weiß sehr gut dass die angstvolle Erwartung fast schlimmer ist als die Strafe selbst.
Letztendlich geht jedoch auch diese Nacht vorbei und ich überlebe sie wie viele andere zuvor. Die Schmerzen der Bestrafung sind zwar so unerträglich wie immer, aber dieses Mal wusste ich wenigstens vorher was mich erwartet und wurde nicht wie sonst oft überraschend getroffen wegen etwas das ich kaum ahnen konnte. Auch meine Studien führe ich fort und wenigstens hier scheint mein Herr meistens mit meinen Fortschritten zufrieden zu sein. Der Verlauf des Feldzuges dagegen ist nach allem was ich höre recht enttäuschend. Der Winter hat zwar momentan die meisten größeren Kämpfe gestoppt, aber es gibt noch immer regelmäßige kleinere Scharmützel, wenn gegnerische Gruppen aufeinandertreffen. Die andere Seite ist stärker als zunächst erwartet und der Rat wird langsam ungeduldig. Diese angespannte Stimmung scheint nach und nach auf die ganze Stadt überzugehen, was mir das Leben nicht unbedingt erleichtert, ist es doch angeblich mein eigenes Volk das die Drow jedes Mal den gewünschten Sieg kostet. Zwischen die anzüglichen Bemerkungen die mir in den Gängen nachgewispert werden mischen sich nun auch mehr und mehr feindselige Kommentare und ich muss zunehmend aufpassen wenn ich alleine durch die Schule geschickt werde um irgendetwas zu holen oder abzuliefern.
Dennoch könnte man fast sagen, dass mein Leben in den nächsten vier Monaten einem relativ regelmäßigen Trott verläuft. Die Meister sind zu beschäftigt mit den Vorbereitungen auf die erste größere Schlacht die jeder im Frühling erwartet um sich viel um andere Dinge zu kümmern und so ist der Alltag für uns Sklaven hauptsächlich ausgefüllt von diversen Hilfsarbeiten. In meinem Fall bestehen diese Tätigkeiten meistens aus dem anfertigen von Heiltränken, wobei ich nach und nach immer geschickter werde, bis mein Meister offenbar den Zeitpunkt gekommen sieht mich mit der anfallenden Arbeit alleine zu lassen um selbst wichtigeren Beschäftigungen nachzugehen.
Ich bin gerade wieder einmal dabei das fertige Gebräu in Flaschen zu füllen, da werde ich abgelenkt durch eine kurze Disharmonie in den Schutzzaubern um das Quartier. Bei einem richtigen Angriff müsste der Effekt nach den Erklärungen meines Meisters eigentlich größer ausfallen, aber trotzdem bin ich beunruhigt und stelle behutsam das halb mit der grünlichen Flüssigkeit gefüllte Gefäß zur Seite um mich gründlich umzusehen und zu vergewissern das alles in Ordnung ist.
Ich muss nicht lange suchen um die Ursache der Störung zu erkennen. Sie sitzt ziemlich offensichtlich mitten im Hauptzimmer auf einem der Sessel und hat im Augenblick unerfreulicherweise einen Zauberstab auf mich gerichtet. Misstrauisch mustere ich mein Gegenüber. Sie ist unübersehbar weiblich, Drow und weist äußerlich eine subtile, jedoch kaum zu übersehende Ähnlichkeit mit meinem Herrn auf. Die langen silbrig glänzenden Haare sind zu einem festen Zopf geflochten, der ihr wie zufällig über eine der schmalen Schultern fällt. Seltsamerweise scheint sie überrascht mich zu sehen und weiß wohl nicht genau wie sie nun reagieren soll.
„Darf ich fragen wer ihr seid Herrin?" Erkundige ich mich so höflich wie möglich, wage jedoch nicht mich zu bewegen.
„Wer seid ihr?"
Ich bin überrascht. Sie antwortet zwar nicht auf meine Frage, aber es ist lange her das mich jemand derart respektvoll angesprochen hat. Meistens bin ich für andere nur der Sklave, Junge oder auch die nutzlose Missgeburt. Vielleicht sollte ich das klarstellen damit sie nicht später verärgert ist.
„Ich bin niemand Herrin." Erkläre ich und deute eine Verbeugung an. Mehr mag ich nicht riskieren an Bewegung, denn der Stab deutet auch weiterhin unbeirrbar in meine Richtung. Nachdem sie mich eine Weile verständnislos gemustert hat fällt ihr schließlich das Halsband auf und sie begreift.
„Ihr seid ein Sklave?!"
Das ehrliche Entsetzen auf ihren Zügen kommt so plötzlich dass ich trotz meiner steigenden Verwirrung beinahe lachen muss. Was hatte sie denn erwartet hier zu finden? Ich hoffe mein Meister wird trotz des schwachen Alarms bald zurückkommen und mich aus dieser lächerlichen Situation erlösen!
„Ja Herrin."
Diese Anrede scheint ihr nicht zu gefallen, denn sie verzieht das hübsche Gesicht zu einer gequälten Grimasse.
„Bitte nenn mich nicht Herrin."
Ich neige den Kopf.
„Wie ihr wünscht."
Nachdem sie sich noch einmal flüchtig umgeschaut hat fragt sie: „Das hier ist doch das Quartier von Elarn Shenjal oder nicht?"
„Ja He...", sie zuckt leicht zusammen und ich stocke. „Ja. Er ist mein Herr. Wünscht ihr mit ihm zu sprechen?"
Sie nickt.
„Deshalb hat man mich geschickt."
Da sie nur eine minimale Störung in den Schutzzaubern verursacht und nicht versucht hat ihre Ankunft zu verbergen nehme ich zunächst an, dass sie keine allzu große Gefahr darstellt und mehr oder weniger freundlich gesinnt ist. Zudem senkt sich nun auch der Zauberstab. Für mich eigentlich eine perfekte Gelegenheit sie anzugreifen. Andererseits ist dieser Raum mit all den wild ausgebreiteten Zutaten und magischen Schriften nicht gerade der geeignete Ort für einen Kampf und ich habe keine Ahnung wie stark sie wirklich ist. Besser ich rede weiter mit ihr, lenke sie ab und warte bis mein Meister kommt und die Situation in die Hand nimmt. Leider fällt mir jedoch nichts intelligentes mehr ein was ich jetzt sagen könnte und ein betretenes Schweigen breitet sich zwischen uns aus, bis sie schließlich wieder das Wort ergreift.
„Wie ist er?"
Die Frage ist zaghaft, fast so als fürchte sie sich insgeheim vor der Antwort. Was bitte soll ich darauf sagen? Er ist vielleicht weniger grausam als andere Meister, aber das bedeutet nicht dass er gütig wäre. Ich beschließe mit einer Gegenfrage zu antworten. Ihr Interesse ist ohnehin seltsam. Sollte sie nicht informiert sein über den zu dem sie geschickt wird?
„Wieso wollt ihr das wissen?"
Nun wirkt sie beinahe beschämt, obwohl sie versucht es zu verbergen.
„Ich dachte nur… ich habe mich immer gefragt wie er wohl sein mag."
Wie bitte? Also muss es eine Beziehung zwischen den beiden geben. Ihre Verletzlichkeit verunsichert mich. Wie soll ich mit einer verletzlichen Drow umgehen? Will sie mich absichtlich aus der Balance bringen oder sind diese Gefühle, die sie so unbesorgt zeigt echt? Dann würde sie mehr einem Mitglied meines Clans gleichen als jemandem wie meinem Meister. Wie lange habe ich nicht mehr an sie gedacht, an alle die mich in den ersten Jahren meines Lebens liebevoll begleitet haben nur um dann so plötzlich von mir fortgerissen zu werden. Der Schmerz der unerwartet in mir aufsteigt bei diesem Gedanken erscheint nicht mehr in meinem Gesicht, dass weiß ich. Dennoch verspüre ich auf einmal das Bedürfnis sie zu verletzen weil sie mich daran erinnert hat. Damit sie leidet, so wie ich es tue.
„Er ist ein Drow." Sage ich deshalb mit kühler Beherrschung. „So wie ihr Herrin."
Die Schuldgefühle stehen deutlich in ihren roten Augen, die denen meines Herrn so sehr gleichen, obwohl ich dort nie einen vergleichbaren Ausdruck gesehen habe. Wer ist sie nur dass sie so anders ist als der Rest ihres Volkes?
„Er schlägt dich?"
Es klingt gepresst, als wollte sie nicht dass es wahr ist, wüsste es aber bereits besser. Und nun muss ich doch noch lachen. Ein abgehacktes Geräusch so bitter und kalt dass ich fast selbst davor erschrecke.
„Wenn ich ungehorsam bin, natürlich Herrin."
Es ist geradezu absurd einfach sie zu verletzen und weil sie mich so sehr an mich selbst erinnert und ich nicht mehr daran denken will kann ich nicht anders als fortzufahren.
„Wollt ihr wissen was er sonst noch tut?" Frage ich samtweich und komme nun langsam näher. „Wenn ich gehorsam bin, ein guter Sklave?"
Sie weicht bereits unbewusst zurück. War ich auch so offen, so wehrlos? Wahrscheinlich. „Wollt ihr wissen was er mir ins Ohr flüstert wenn er mich nimmt?"
Der erste Anflug von Angst schleicht sich in ihre Augen und die unerwartete Faszination die mich bei diesem Anblick gefangen nimmt habe ich nicht erwartet. Dann trifft es mich wie ein Eimer kalten Wassers. Ich bin wie Ethin! Dieser Gedanke ist schrecklich für mich. Entsetzt weiche ich einen Schritt zurück und falle instinktiv auf die Knie in dem Versuch mich von meinen eigenen abstoßenden Handlungen zu distanzieren.
„Verzeiht mir Herrin!" Flehe ich die inzwischen völlig verunsicherte Drow auf dem Sessel an. „Es tut mir leid Herrin. Bitte verzeiht mir."
„Was tut dir leid Sklave?"
Mein Meister! Für eine Sekunde verschlägt es mir die Sprache, aber dann habe ich mich wieder etwas gefasst und deute von dort wo ich knie zum Sessel, der mit dem Rücken zu ihm steht.
„Ihr habt unerwarteten Besuch Herr."
Mit drei schnellen Schritten ist er heran und beim Anblick der jungen Frau, die jetzt mühsam versucht sich so schnell wie möglich wieder unter Kontrolle zu bekommen offenbart er zum ersten Mal seit ich bei ihm bin offene und unverhohlene Überraschung. Einen Sekundenbruchteil später hat er sich jedoch bereits wieder völlig in Gewalt und trägt die übliche gelangweilt arrogante Maske zur Schau.
„Valaira hat dich hergeschickt?"
Es ist halb Frage halb Feststellung und sie nickt nur stumm. Scheinbar weiß er mit wem er es zu tun hat. Diese Tatsache beruhigt mich ein wenig.
„Ich bin Tashja." Erklärt sie als sollte dieser Name eine spezielle Bedeutung haben. Als mein Herr nicht darauf reagiert setzt sie hinzu: „Eure Tochter."
