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A/N: Mit diesem Kapitel hat mein Werk die für meine Verhältnisse beinahe schon epische Länge von 99 Word-Seiten erreicht. Hätte nie gedacht dass ich je so viel an einem Stück schreiben würde als ich hiermit angefangen hab, aber das Leben ist eben voller Überraschungen. Dabei bin ich, wie es momentan aussieht, noch lange nicht fertig. Auch wenn die Abstände zwischen den Kapiteln momentan etwas länger sind. Ist leider nicht zu ändern.

Ganz lieben Dank an alle die sich bis jetzt die Mühe gemacht haben mir einen Kommentar zu hinterlassen. Es bedeutet mir wirklich etwas zu hören was ihr zu sagen habt und sei es nur „Mehr":)!


Wie soll ich damit Leben?

„Und wieso seid ihr hier?" Fragt er ungehalten und geht damit nicht im Mindesten auf ihre Offenbarung ein. „Gegenwärtig ist nicht gerade ein geeigneter Zeitpunkt um in diese Stadt einzudringen."

Nun ist es an ihr überrascht zu sein.

„Ich bin…" Sie stockt, erhebt sich in einem verspäteten Zeichen von Respekt und fährt schließlich förmlich fort: „Ich wurde geschickt um euch eine Warnung zu überbringen."

Nun scheint mein Meister eher amüsiert angesichts ihres nur halb geglückten Versuchs die unsteten Emotionen hinter offizieller Etikette zu verstecken.

„Und dafür hatte Valaira natürlich niemanden zur Stelle der vielleicht doch ein wenig besser geeignet wäre und sich nicht schon von einem harmlosen Sklaven derartig aus der Fassung bringen lässt dass er alle Regeln der Höflichkeit vergisst?"

Der herablassende Sarkasmus bewirkt schließlich wobei alle Formalitäten versagt haben und der aufsteigende Ärger lässt sie ihre Beherrschung zurückgewinnen. Interessanterweise tritt die Ähnlichkeit zwischen Vater und Tochter besonders stark hervor wenn sie wütend ist. Dasselbe harsche Blitzen in den Augen, der fast unmerklich vorgeschobene Kiefer und die sonst so großzügigen Lippen die auf einmal schmal werden. Wer wohl ihre Mutter ist, diese Valaira vielleicht?

„Es war außerdem ihr Wunsch dass ich sehe wer mein Vater wirklich ist."

Daraufhin schenkt mein Herr ihr eines seiner kalten Raubtierlächeln.

„Und was seht ihr?" Will er wissen. „Einen Sklavenhalter. Nicht das was ihr gern hättet nicht wahr?"

Die ohnehin schon schmalen Lippen werden zu einem fast nicht mehr existenten Strich.

„Mir war sehr wohl klar womit ich zu rechnen hatte." Faucht sie heftig zurück und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie sich beherrschen muss um nicht wie ein trotziges Kind mit dem Fuß aufzustampfen.

„Aber ihr wart nicht darauf vorbereitet. Sonst hätte er euch nicht so verstört."

Wieso besteht er darauf dieses Thema so auszubreiten? Mir ist gar nicht wohl dabei.

„Was hat er getan?"

Bei dieser Frage schaut sie mich hilfesuchend an. Wieso gerade ich? Sollte sie nicht auf mich wütend sein und mir Vorwürfe machen? Schließlich war ich unhöflich, habe sie bedrängt und das ohne wirklich einen Grund dafür zu haben außer meinen eigenen verletzten Gefühlen. Ich versuche den starken Drang wieder ihre Verzeihung zu erflehen zu unterdrücken indem ich an meiner Unterlippe nage und schuldbewusst auf den Knien den Boden anstarre. Eine Haltung die mir sowieso bereits fast zur zweiten Natur geworden ist. Vielleicht hat sie ja Mitleid mit mir und lügt, denke ich und riskiere einen schnellen ängstlichen Blick in ihre Richtung, darauf achtend das sich unsere Blicke gerade für den Sekundenbruchteil treffen der nötig ist um meine Gefühle zu vermitteln.

„Nichts." Sagt sie in einem so zögerlichen Ton, dass mehr als klar ist, dass doch etwas vorgefallen sein muss. Innerlich stöhne ich entgeistert auf. Ein derartig schlechter Lügner bin ich ganz bestimmt niemals gewesen!

Mein Meister verblüfft mich indem er mir als nächstes zufrieden den Kopf tätschelt.

„Du denkst er ist harmlos oder nicht?" Der Griff in meinen Haaren verstärkt sich und er zieht meinen Kopf zurück, nicht brutal aber so bestimmt, dass ich es besser weiß als mich zu widersetzen. Seine Geste ist sowohl Lob als auch Warnung davor diese Art Manipulation bei ihm zu versuchen. Nicht dass ich das jemals wagen würde.

„Du hast Mitleid mit ihm."

Tashja erwidert nichts und ich kann in dieser Stellung nicht sehen welche Emotionen sich jetzt auf dem offenen Gesicht wiederspiegeln. Das Schweigen an sich ist jedoch bereits Antwort genug.

„Er hat dich manipuliert Tochter, damit du ihn schützt."

Habe ich das?

„Ein einzelner Blick nur und schon willst du ihm helfen."

Oh, offenbar bin ich eigennütziger als ich dachte.

„Dabei würde er dich mit einem einzigen Wort ohne zu zögern töten sollte ich es befehlen."

Ein kurzer ungläubiger Laut der Überraschung entfährt ihr.

„Du siehst also, man sollte nicht alles nach seinem ersten Anschein beurteilen."

Er lässt mich los und ich nehme meine unterwürfige Haltung von zuvor wieder ein.

„Also was ist nun mit der Warnung deiner Priesterin?" Wechselt er abrupt das Thema. „Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit."

Diesmal hält Tashja sich recht gut und lässt sich keine weitere Verunsicherung anmerken.

„Jarlaxle plant etwas, dass euch betrifft. Ihr solltet vorsichtig sein wenn es um ihn geht."

Mein Herr behält noch einige Sekunden eine abwartende Haltung bei, doch als nichts mehr folgt hebt er nur unbeeindruckt eine Braue.

„Und für diese Nachricht, die ich eigentlich kaum Warnung nennen kann, weil mir das längst bekannt ist, setzt ihr euch einem derartigen Risiko aus?"

Die junge Drow reckt trotzig das Kinn vor.

„Eilistrae schützt mich." Erklärt sie in im Brustton der Überzeugung, als würde das jede Gefahr vernachlässigbar erscheinen lassen. Mein Meister ist keineswegs beeindruckt.

„Verschon mich mit deiner blinden Dogmatik." Knurrt er missmutig zurück. „Hast du keine genaueren Informationen? Ich glaube kaum das Valaira dich hergeschickt hätte, wenn sie nicht doch noch etwas mehr wüsste."

„Sie sagte es sei an mir zu entscheiden wie viel ich preisgebe."

„Und weil ich nicht euren Wünschen entspreche entscheidet ihr euch gar nichts zu verraten?" Ein leichtes Zucken der Mundwinkel verrät mir, dass er kurz davor ist in schallendes Gelächter auszubrechen angesichts einer derart kindischen Einstellung. „Glaubst du wirklich du könntest mir etwas vorenthalten wenn ich es wissen will?"

Diese Frage ist umso bedrohlicher, weil sie mit völlig beiläufiger Selbstsicherheit ausgesprochen wird und ich weiß dass mein Herr keine Zweifel an seinen Fähigkeiten hegt sich Informationen zu beschaffen, ob freiwillig gegeben oder nicht.

„Ich bin eine vollwertige Priesterin." Hält Tashja ihm störrisch entgegen und die Arroganz, die sie in diesem Augenblick ausstrahlt, kann sich dabei durchaus mit der seinen messen.

„Das war deine Mutter ebenfalls." Erklärt er wegwerfend. „Trotzdem verrotten ihre Lolthverfluchten Gebeine jetzt unbeachtet in einer namenlosen Höhle, zusammen mit denen von drei anderen Priesterinnen."

„Ihr habt sie getötet?"

Dieser Gedanke scheint sie nun doch zu erschrecken und mein Meister entscheidet sich die Gelegenheit beim Schopf zu packen.

„Was weißt du?" Bohrt er nach.

„Die Sestrainie werden sich bald an dem Konflikt um die beiden Städte Beteiligen."

Das sagt ihm offenbar sehr viel mehr als mir, denn ein unzufriedenes Stirnrunzeln erscheint auf dem ebenmäßigen Gesicht.

„Haben sie ihren hoffnungslosen Plan also immer noch nicht aufgegeben?"

„Habt ihr meine Mutter getötet?" Will Tashja nun statt einer Antwort wissen. Es sieht ganz so aus als wäre sie bereit um die Geschichte ihrer Vergangenheit zu handeln. Wie ist sie überhaupt zu dem geworden was sie heute ist?

„Du solltest mir eigentlich dankbar dafür sein. Ohne meine Taten wärst du heute nur noch eine von vielen die ihre Unschuld und außerdem ihren Verstand an die Spinnenkönigin verloren haben."

Es sieht nicht unbedingt so aus als würde sie dieser Aussage völlig zustimmen und ich denke das ist auch der Grund aus dem mein Herr nun unbewegt fortfährt.

„Willst du wissen was ihre letzten Worte waren?"

Ein wortloses Starren folgt auf diese Frage, doch ihre Blicke sind ein stummes Betteln.

„Ssussun pholor dos!" Zischt er auf einmal auf Drow.

„Licht über dich." Flüstert sie leise und übersetzt mir damit unabsichtlich den unverständlichen Ausspruch. Es ist beinahe erheiternd. Wer außer einem Drow würde auf die Idee kommen einen solchen Fluch auszusprechen? In einer Welt in der sich beinahe jedes andere intelligente Volk nach dem Licht sehnt macht es sie verletzlich. Sogar die Anhänger der eigentlich als gut zu bezeichnenden Eilistrae tanzen lieber im Mondlicht und nicht unter den hellen Strahlen der Sonne.

„Nun ja", sagt er schulterzuckend und grinst spöttisch „letztendlich ist das Licht offensichtlich nicht über mich sondern über dich gekommen. Deine Mutter wird für die Wahl zahlen die du getroffen hast musst du wissen. Lolth ist keine gnädige Herrin."

Diese letzten Sätze spricht er mit einem äußerst zufriedenen Unterton. Ein geradezu außergewöhnliches Maß an Emotion für ihn der sich normalerweise kaum so weit offenbart. Diese Frau muss meinem Meister sehr geschadet haben, dass er selbst Jahre nach ihrem Tod noch solche Befriedigung über ihr Leiden empfindet.

„Was hat sie getan damit ihr sie so hasst?" Will Tashja wissen.

Also hat sie ebenfalls bemerkt wie ungewöhnlich das Benehmen meines Meisters ist. Die junge Drow scheint traurig angesichts dieses tragischen Schicksals, aber ebenso wie bei ihrem Vater treibt sie offensichtlich das unstillbare Bedürfnis nach Wissen dazu weiter nachzufragen. Allerdings scheint der Quell der Informationen für den Augenblick versiegt, denn er fragt selbst nur unbewegt: „Arbeitet Jarlaxle für die Sestrainie?"

„Sie bezahlen ihn." Antwortet sie und lässt dabei vorsichtig offen, ob sie näheres weiß. Natürlich ist bei einer Person wie Jarlaxle jede Aussage über seine momentane Loyalität nichts mehr als eine vage Vermutung, weshalb man ihr dieses Ausweichen eigentlich kaum übel nehmen kann.

„Der Mensch?"

Diesmal ist sie es die mit den Schultern zuckt.

„Kommt und geht. Wir wissen nicht genau was er tut. Er scheint fähig sich fast aller auf ihn gerichteter Magie zu entziehen."

Mein Meister nickt zustimmend.

„Davon habe ich gehört." Murmelt er, um dann fortzufahren: „Ich nehme an ihr werdet ebenfalls anwesend sein bei den nächsten Kämpfen?"

Sie nickt ebenfalls und meint: „Vielleicht werden wir uns dann gegenüberstehen Vater."

„Wir werden sehen."

Diese Möglichkeit scheint ihn ziemlich kalt zu lassen. Allerdings glaube ich auch, dass er es tunlichst unterlassen wird sich überhaupt auf das Schlachtfeld zu begeben wenn es irgendwie vermeidbar ist. Mein Herr hat nicht sonderlich viel übrig für diesen Krieg, auch wenn er seine Ansicht nicht öffentlich kundtut.

„Für den Moment richte Valaira meine Grüße aus."

Mit diesem recht ironisch klingenden Wunsch ist klar dass kein weiterer Austausch stattfinden wird und Tashja verschwindet kurz darauf in einem silbrigen Leuchten, das mich stark an Mondlicht erinnert. Wieder ist nur eine minimale Störung zu spüren, aber weiter nichts. Es ist fast als wäre sie nie da gewesen. Ein Glück für meinen Meister, wie mir plötzlich klar wird. Verbindungen zu einer feindlichen Priesterin wären, falls sie bekannt würden, nicht gerade vorteilhaft für jemanden mit seiner ohnehin schon misstrauenserweckenden Vergangenheit. Für den Moment scheint er tief in Gedanken versunken. Diese neuen Implikationen werfen Probleme auf, mit denen er sich bisher wohl nicht befassen musste.

Ich überlege kurz ob ich mich sofort zurück an die Arbeit begeben sollte, entscheide mich aber schlussendlich dazu lieber vorerst still hier zu verharren um nicht durch eine ungewollte Unterbrechung seiner Überlegungen unangenehme Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Für die Tränke ist später noch Zeit.

„Was hältst du also von meiner Tochter Häschen?" Will er nach einer Weile auf einmal unvermittelt wissen. Ich bin ein wenig überrumpelt, denn normalerweise fragt er nicht ernsthaft nach meiner Meinung. Ich weiß allerdings auch, dass er augenblicklich eine Antwort erwartet und ich keine Zeit habe eine höfliche ausweichende Formulierung zu ersinnen.

„Sie ist euch ähnlich Herr." Erkläre ich schließlich nach kurzem Zögern und möchte meine Worte gleich darauf am liebsten zurückholen und wieder herunterschlucken, denn die weißen Brauen ziehen sich unwillig zusammen.

„Äußerlich." Schiebe ich hastig hinterher um den unschmeichelhaften Vergleich abzumildern.

„Sie hatte Angst vor dir."

Das hatte ich beinahe selbst! Er scheint ein wenig enttäuscht. Vielleicht hatte er genau wie sie insgeheim Erwartungen die nicht der Realität entsprachen. Es muss schwer sein eine solche Gegensätzlichkeit in den eigenen Nachkommen zu akzeptieren. Möglicherweise kann ich sogar froh sein, dass alle meine eigenen Verwandten bereits den Tod gefunden haben und mich niemals so sehen werden wie ich jetzt bin. Ich kann mir ihre Reaktionen nur zu gut vorstellen. Doch nicht nur diejenigen die mich früher kannten würden mich verachten für meine Unterwerfung, auch jeder Andere. Und wahrscheinlich wären sie dabei völlig im Recht. Was ich heute von mir selbst erlebt habe zeigt mir unangenehm deutlich wie weit der dunkle Einfluss der Drow sich bereits in meine Persönlichkeit gegraben hat. Das ist nichts was ich je wieder vergessen könnte. Ohne diese Veränderung wäre ich jedoch völlig schutzlos, wahrscheinlich sogar schon tot. Ist es also eine Notwendigkeit des Überlebens so zu werden wie Ethin, der den ich verabscheue? Ein Konzept das ich bis heute immer weit von mir gewiesen habe, das mich jedoch nun offenbar unbarmherzig eingeholt hat.

Es darf nicht sein! Beschließe ich in einem Anflug wilder Verzweiflung. Ehe ich mich völlig in dieses schmerzliche, verworrene Netz von Wahnsinn und Grausamkeit verstricke will ich lieber sterben. Das würde jedoch auch bedeuten keinen Widerstand mehr zu leisten, denn täte ich das würde ich zwangsläufig handeln müssen wie er. Die Frage ist nur, kann ich dem ausweichen, mich wirklich absichtlich aufgeben? Kann ich alles über mich ergehen lassen mit der Aussicht auf nichts anderes als meinen Tod und Leiden? Bereits jetzt zweifle ich daran, dass mein noch immer vorhandener Lebenswille mir ein solches Handeln erlauben wird.

So weit ist es also gekommen, denke ich bitter. Ich kann mich weder entschließen zu leben noch dazu zu sterben und treibe wieder hilflos wie Treibgut im Strom meines Schicksals. Ich habe alles verloren was mir Halt geben konnte, bis auf meinen Meister, aber der würde mich wahrscheinlich aus einer Laune heraus fallen lassen, nur um sich vielleicht einen kleinen Vorteil zu verschaffen.

„Geh zu Geryn." Reißt mich seine Stimme unvermittelt aus den dunklen Überlegungen. „Sag ihm ich muss so schnell wie möglich mit ihm sprechen, aber keine Einzelheiten. Diese Sorte Information verbreitet man nicht unbedacht wenn es sich vermeiden lässt."

„Wie ihr wünscht Herr."

Auf meinem Weg grüble ich über die mysteriösen Sestrainie nach, hauptsächlich um mich so von den finstereren Gedanken über mein eigenes Verhalten abzulenken. Hängen sie vielleicht zusammen mit dem rätselhaften Besuch von Entreri? Dann hätte mein Meister sich mit seiner damaligen Verweigerung der Unterstützung möglicherweise einen gefährlichen Feind geschaffen, denn jemand dessen Eingreifen in den Städtekonflikt des Erwähnens wert ist muss ein nicht gerade geringes Maß an Einfluss und Macht haben. Und hat etwa Meister Geryn ebenfalls etwas mit der Sache zu tun? Wieso sonst sollte er mich ausgerechnet zu ihm schicken? Leider erinnere ich mich auch noch sehr gut daran, dass mein Meister der Meinung ist, dass ich über diese Dinge besser nicht bescheid wüsste, was meinen Überlegungen recht schnell enge Grenzen setzt.

Viel zu bald bin ich an meinem Bestimmungsort angelangt. Ich bin mir nicht sicher ob der Meister die Erinnerung an unser letztes näheres Zusammentreffen schon verwunden hat. Am wahrscheinlichsten ist, dass er, in typischer Drowmanier, eiskalt abwartet bis ein geeigneter Zeitpunkt gekommen ist und dann einen höchst unangenehmen Weg findet sich für die Befehle meines Meisters an mir zu rächen. Die Tatsache dass ich kaum für die Geschehnisse jenes Tages verantwortlich gemacht werden kann ist dabei leider nebensächlich und angesichts seiner aufbrausenden Natur wird dieser Zeitpunkt wohl eher früher als später kommen. Ich bin ohnehin überrascht dass er in den Monaten die bereits vergangen sind nicht bereits etwas eingefädelt hat, aber vielleicht messe ich mir in dieser Hinsicht auch einfach zu viel Bedeutung bei.

Mit unbehaglich zusammengepressten Lippen klopfe ich an und trete automatisch einen schnellen Schritt zurück als Ethin daraufhin die Tür öffnet, so rasch als hätte er die ganze Nacht nichts anderes getan als dahinter auf mich zu warten. Stumm winkt er mich herein, ein gefährliches Glitzern bereits in den Augen, das mich wünschen lässt ich könnte sofort wieder umkehren und zu meinen Heiltränken zurück flüchten.

Meister Geryn sitzt über einem alten Folianten der aussieht als würde er jeden Augenblick zu Staub zerfallen und schaut nun unwillig auf um zu sehen wer es gewagt hat ihn bei seiner Arbeit zu stören. Ohne Rücksicht auf den harten Boden bin ich auf den Knien noch bevor er sein schlecht gelauntes: „Was willst du denn hier?" Herausgebellt hat.

„Mein Herr schickt mich er..."

Er unterbricht mich ungnädig.

„Nein wirklich, tut er das?" Der Sarkasmus in seiner Stimme ist geradezu schneidend. Nicht gut! „Und was will er jetzt?"

„Er will so schnell wie möglich mit euch sprechen Herr."

Diese Aussage ruft ein ärgerliches Stirnrunzeln bei ihm hervor, bei dem ich mich unbewusst bereits innerlich in Erwartung eines Schlages anspanne. Diese Anspannung steigt jedoch noch um einiges als er sich auf einmal ansatzlos erhebt und auf mich zukommt.

„Mit mir sprechen soso. Und da schickt er mir einen Sklaven vorbei in der vollen Erwartung dass ich augenblicklich aufspringe und herbeieile was?"

Die aufsteigende Wut in seiner Stimme ist kaum zu überhören und so überrascht es mich nicht allzu sehr auf einmal am Kragen gepackt und daran ruckartig auf die Füße gezogen zu werden, bis mein Gesicht kaum noch zwei Fingerbreit von dem des Meisters entfernt ist. Als ich stumm bleibe und ihn nur aus weit aufgerissenen Augen anstarre fängt er an mich zu schütteln und zischt zornig: „Da sollte er mich aber besser kennen!"

Damit stößt er mich plötzlich wieder von sich, so kraftvoll, dass ich zu Boden falle, wobei ich mit der Schulter schmerzhaft an den Schreibtisch pralle und ein Glas umstoße. Der Inhalt verteilt sich unter meinem erschrockenen Blick unaufhaltsam auf Tischplatte und Buch, bevor ich meinen Fall beende und sich mein Blickfeld auf die Unterseite des Schreibtisches beschränkt. Etwas von der Flüssigkeit tropft mir jetzt auch in das schreckensstarre Gesicht und die Haare. Es ist ein zähflüssiger, klebrig süßer Saft den ich nun auf meinen Lippen schmecke während ich zu ihm hoch schaue zu entsetzt um auch nur anzufangen um Verzeihung zu flehen.

Meister Geryn reagiert erstaunlich ruhig. Zunächst jedenfalls. Das erste was er tut ist einen Stasisspruch über die Bescherung auf seinem Schreibtisch zu sprechen, wonach ihm leider alle Zeit der Welt bleibt um sich mit mir zu befassen.

„Herkommen." Befiehlt er knapp, mit einer Stimme schneidend scharf wie eine Rasierklinge.

Ich gebe mir alle erdenkliche Mühe so rasch wie möglich zu gehorchen. Da jedoch meine Knie angefangen haben unkontrolliert zu zittern bin ich nicht so schnell wie er es gern hätte.

„Weißt du was du da gerade angerichtet hast Sklave?" Will er mit nur noch mühsam kontrollierter Stimme wissen. Ich schüttle den Kopf und hefte meine Augen fest auf den Boden.

„Nein Herr."

Meine eigene Stimme klingt erstickt und zittrig. Kein Wunder, denn ich habe das Gefühl als würde mir jemand die Kehle zusammendrücken, immer stärker und stärker. Bis mir beinahe schwarz wird vor Augen, aber das mag auch daran liegen dass all mein Blut auf einmal sehr schnell Richtung Boden zu streben scheint. Bevor mich der folgende Schwindel straucheln lässt greife ich schnell unauffällig nach der Kante des Schreibtisches.

„Aha. Nicht." Er knurrt es mit einer fast gutturalen Note, fast wie ein wildes Tier kurz vor dem Angriff. Trotzdem kommt er noch immer langsam und beherrscht auf mich zu. Jetzt hält mich mein Griff an der Kante davon ab zurückzuweichen, denn meine Hand scheint sich wie von selbst voller Panik zu verkrampfen und ich kann unerklärlicherweise meine Finger nicht mehr lösen. Seine Finger fassen mit eisenhartem Griff mein Kinn und ein Daumen fährt rau über meine Unterlippe. Eine Geste die mein Gefühl völliger, angsterfüllter Hilflosigkeit in ungeahnte Höhen steigen lässt.

„Dann werde ich wohl gehen und es deinem Herrn erklären." Sagt er eisig. „Er wird bestimmt nichts dagegen haben wenn ich mir diesmal die Freiheit anmaße deine Bestrafung zunächst selbst in die Hand zu nehmen."

Diese mühsam aufrechterhaltene Beherrschung ist so ungewöhnlich für ihn, der sehr viel mehr dazu neigt seinem Zorn lautstark Luft zu machen, dass sie mir beinahe mehr Angst macht als alles andere.

„Hol das Messer." Richtet er einen scharfen Befehl an Ethin, dessen Gesicht ich nicht mehr sehen muss um die jetzt folgende Miene unheiliger Erwartung darauf zu kennen. Bei dem Gedanken an das was mich jetzt zweifellos erwartet entfährt mir unfreiwillig ein hilfloses Wimmern, dass dem Meister ein harsches Lächeln entlockt. Sein Griff verstärkt sich so sehr, dass ich fühlen kann wie sich Fingernägel langsam in die zarte Haut meiner Wange bohren. Es ist unerwartet schmerzhaft und ich muss die Zähne zusammenbeißen um weitere Laute zurückzuhalten.

„Oh, hast du immer noch Angst vor Schmerzen kleiner Elf?" Höhnt er verächtlich als er meine Reaktion bemerkt. „Dann ist es an der Zeit dass Ethin dir die andere Seite dieser Medaille zeigt. Heute wirst du lernen es zu lieben und danach zu betteln, das verspreche ich dir!"

Besagter Ethin ist inzwischen mit dem verlangten Messer wieder an seiner Seite erschienen. Dank meiner begonnenen Ausbildung merke ich augenblicklich, dass dies mehr ist als nur gewöhnlicher Stahl, auch wenn ich auf diese Erkenntnis ebenso gut verzichten könnte, denn sie hilft mir überhaupt nicht weiter. Ich werde diese täuschend schlicht und pragmatisch gestaltete Klinge zu spüren bekommen, so oder so und wenn ich vorher weiß dass sie verflucht ist dann macht das meine Angst eigentlich nur noch größer, denn die genaue Natur des Fluches erschließt sich mir natürlich nicht.

In einem fast schon banal irrationalen Anflug von Sorge überlege ich ob ich nach dieser Nacht wohl Narben haben werde und ob das meinen Meister stören wird. Solche vergleichsweise trivialen Gedankengänge werden jedoch verdrängt, als Meister Geryn mich unnachgiebig in Richtung der geheimnisvollen Tür schiebt hinter der schon mein Herr verschwand in der nacht des Empfangs. Alle verbleibende Aufmerksamkeit wird nun eingenommen von einem gelähmten, panischen nein, nein, nein…! Das sich auf einmal in einer Endlosschleife in meinem Kopf festgesetzt zu haben scheint. Die Fähigkeit der Entscheidung zu bewusstem physischen Widerstand ist mir während der Monate die ich bereits hier verbracht habe so gründlich aberzogen worden, dass ich nicht einmal in diesem Augenblick größter Panik einen Versuch mache mich dem Zwang zu entziehen der gerade auf mich ausgeübt wird.

Bevor er diese Tür öffnet, die für mich genauso gut das Tor zur Hölle sein könnte, zieht er einen Streifen dicken, schwarzen Stoffs aus einer seiner Taschen hervor und verbindet mir damit überraschend die Augen. Unvorbereitet auf diese plötzliche Blindheit fange ich an zu wimmern und ihn um Vergebung anzubetteln, aber letztendlich bringt es mir nichts ein als einen harten Stoß, der mich ungebremst in den Raum hinein und unsanft gegen eine kalte Steinwand taumeln lässt.

Als nächstes höre ich nur noch wie Meister Geryn sagt: „Du weißt was du zu tun hast." Und Ethins geradezu ekstatisch gehauchtes: „Ja Herr!", dann klickt das Türschloss und ehe ich überhaupt einen Ansatz zum Zurückweichen machen kann hat der Goldelf mich schon auf die Knie gezwungen, meine Handgelenke gepackt und sie irgendwie an der Wand verankert. Es müssen metallene Fesseln sein, denn die beißende Kälte die sie in den ersten Sekunden ausstrahlen lässt eine zittrige Gänsehaut über meinen ganzen Körper laufen. Meine Knie schmerzen von der rücksichtslosen Beanspruchung die sie heute durchmachen müssen und die Kälte des Bodens sickert langsam durch meine Hose.

Die Tatsache dass ich nichts sehen kann durch den weichen aber sehr festen Stoff um meinen Kopf führt dazu, dass meine verbleibenden Sinne ungleich schärfer werden als normal und lässt mich mit einem kleinen Aufschrei zusammenzucken schon als Ethin nur eine Hand auf meine Schulter legt.

„So schreckhaft heute?" Lacht er hämisch. „Wenn ich erst mit dir fertig bin, dann wirst du keine zusammenhängenden Sätze mehr herausbringen mein Schatz."

Ich beiße die Zähne zusammen um nicht bereits jetzt anzufangen um Gnade zu betteln. Ich bin überzeugt, dass ich das noch früh genug tun werde. Kalte Finger fangen an geschäftig die Knöpfe meines Hemdes zu öffnen, ohne sich durch mein gelegentliches Zusammenzucken von ihrer Beschäftigung ablenken zu lassen. Für einen kurzen Augenblick bin ich fast dankbar, ruinierte Kleider zusätzlich zu dem was ich ohnehin schon angerichtet habe wären einfach zu viel. Der feine Stoff wird hastig hochgeschoben und achtlos an meinen Handgelenken zusammengeknäuelt. Die Fesseln noch einmal zu lösen kommt offenbar nicht infrage.

Für einige Augenblicke geschieht danach gar nichts. Ethin muss zurückgetreten sein, so dass ich nicht mehr feststellen kann wo er sich befindet. Wenn er dadurch meine Nervosität erhöhen will, dann zeigt es eindeutig die gewünschte Wirkung. Ich fange bereits an vor Anspannung und Angst zu zittern, da schlägt er mich ohne Vorwarnung mit dem Handrücken ins Gesicht.

Mein Meister schlägt mich nur selten wirklich, es sei denn er ist ungewöhnlich wütend. Meistens bevorzugt er es das Halsband zu benutzen um mich zu disziplinieren. Deshalb setze ich gewohnheitsmäßig physische Schläge mit akutem Versagen meinerseits in Verbindung. Meine übliche Antwort darauf, ein erschrockenes: „Es tut mir leid!", ist mir entschlüpft noch bevor ich überhaupt darüber nachdenken kann.

„Oh das wird es!" Zischt Ethin mir ins Ohr, reißt hart meinen Kopf zurück und bringt damit die Fesseln zum klirren.

„Das wird es."

Ich merke wie er sich langsam dicht hinter mich kniet und alles in mir schreit danach diesen Ort, seine Nähe und die ganze Situation zu verlassen. Dieser Wunsch verstärkt sich um ein Vielfaches als seine Hände, kühl und abstoßend über meine nackte, ungeschützte Haut gleiten, so gemächlich als hätte er alle Zeit der Welt lässt er sie überall hin wandern.

„Willst du dich nicht wehren?" Fragt er schließlich leise, lauernd und trotz meines Ekels muss ich beinahe lachen, denn erst in diesem Moment fällt mir auf, dass ich absolut still verharrt habe, so wie es mir schmerzhaft gründlich antrainiert worden ist. Die Erfahrung dass jegliche Gegenwehr, egal in welcher Situation, nur in größeren Schmerzen und der, für mich fast unerträglichen, Unzufriedenheit meines Meisters resultiert ist inzwischen tief in meinem Bewusstsein verankert.

„Wehrst du dich noch?" Frage ich zurück, obwohl ich natürlich weiß dass es nicht klug ist ihn jetzt zu reizen.

„Als ich erst einige Monate hier war, so wie du jetzt, habe ich das noch getan."

Vertraut er mir unerwartet an, nur um gleich darauf brutal spitze Zähne in meinem Nacken zu versenken bis ich gepeinigt aufschreie. Ab jetzt keine provozierende Fragerei mehr entscheide ich daraufhin.

Etwas flaches, kühles legt sich gegen meine Wange und an der magischen Ausstrahlung erkenne ich dass es die Klinge des verwunschenen Messers sein muss.

„Weißt du was das ist?" Fragt er weich. Fast hätte ich aus einem Impuls heraus mit dem Kopf genickt, aber mit einer Klinge so nah an meiner verletzlichen Haut ist das keine sehr gute Idee und in letzter Sekunde beherrsche ich mich.

„Ja."

Sein folgendes Lachen überrascht und beunruhigt mich.

„Du weißt gar nichts!" Erklärt er mit Überzeugung und beweist es mir indem er die Schneide ansetzt und schnell, aber leicht über meine Wange zieht, so dass ein flacher Schnitt zurückbleibt. Das Gefühl ist unbeschreiblich! Zuerst kommt der Schmerz. Das ist kaum überraschend, doch fast sofort wandelt sich das Stechen und ich fühle wie es durch ein viel zu kurzes Zucken der Ekstase ersetzt wird, dass mich schwindeln lässt in seiner Intensität. Danach ist viel zu schnell nur noch eine klaffende, unangenehme Leere in meinem Inneren übrig, die danach brüllt gefüllt zu werden. Was ist das für ein Fluch der auf dieser Klinge liegt? Frage ich mich erschrocken. Selbst dieser kleine unbedeutende Schnitt lässt mich bereits nach mehr wünschen. Irgendetwas um die Leere zu vertreiben, die unangenehm an meinem Geist nagt. Noch kann ich dieses Verlangen mehr oder weniger unterdrücken, aber wie lange wird dem so bleiben?

Mir wird klar, dass die Behauptung ich würde heute lernen nach Schmerzen zu betteln ernster gemeint war als ich dachte und ebenso sicher weiß ich auf einmal dass eintreten wird was Meister Geryn versprochen hat. Eine Erkenntnis, die mir Tränen der Verzweiflung in die Augen treibt, welche jedoch sofort von der Augenbinde aufgesaugt werden. Ich will es nicht wahrhaben, aber ich denke es ist bereits zu spät um noch etwas daran zu ändern. Als Ethin, nah an meinem Ohr fragt: „Willst du mehr?" Schaffe ich es bereits nicht mehr zu verneinen und drehe nur den Kopf weg. Eine verräterischere Geste hätte ich mir fast nicht aussuchen können. Eine Hand streichelt mir sanft und beinahe zurückhaltend über die Wange. Sie muss durch die verdorbene Magie des Messers geheilt worden sein kaum dass die Wunde geschlagen war, denn ich spüre nicht mehr die geringste Spur einer Verletzung. Ethins Finger werden zunehmend wärmer wie mir auffällt als ich darum kämpfen muss mich nicht in die leichte Berührung hineinzulehnen, wie es die scharfkantige Leere in mir, trotz der immer noch vorhandenen Abneigung gegen den Besitzer der Hand, gerade so nachdrücklich verlangt. Ein nutzloser Kampf, von dem ich genau weiß dass ich ihn im laufe dieser Nacht verlieren werde, aber auch einer den ich nicht einfach so aufgeben kann. Nicht einmal jetzt wo ich nach allem was mir bereits angetan wurde eigentlich fähig sein sollte dies zu tun.

Ein weiterer Schnitt, länger als der letzte, folgt der Kurve meines Rippenbogens und dieses Mal kann ich nur einen überwältigten Laut ausstoßen, irgendwo zwischen Keuchen und Stöhnen. Einige Sekunden lang ist das einzige was mich noch aufrecht hält Ethins Arm, den er um meine Taille geschlungen hat. So nah. Sein Atem auf meinem Ohr, meiner Wange. Sein warmer Körper an meinem Rücken. Ich brauche diesen Kontakt so sehr wie ein Verdurstender nach Wasser verlangt und ohne Rücksicht auf meine Abneigung presse ich mich näher an ihn, während ich ihn gleichzeitig dafür hasse dass er mich zwingt so zu handeln. Aber ich kann einfach nicht anders, das Verlangen nach Berührung, nach irgendetwas um das riesige, quälende Loch in mir zu füllen, ist einfach zu groß als dass ich mir noch viele Gedanken darum machen könnte woher sie kommt, solange nur mein verzweifeltes Bedürfnis gestillt wird. Dieses Messer ist wie eine Droge. Eine teuflische, unwiderstehliche Droge.

Lange bevor ich es ertragen kann löst er sich von mir und entfernt sich ein paar gut hörbare Schritte, damit ich genau weiß wo er ist. Frustrierend nah und doch unerreichbar. Das Wimmern das mir angesichts dieser Erkenntnis entfährt kann ich nicht unterdrücken, so sehr ich das auch gerne würde.

„Es ist schrecklich nicht wahr?"

Die Worte dringen nur undeutlich durch zu meinen abgelenkten Verstand. Als ich sie nach einiger Zeit endlich verstanden habe, wird mir klar das Ethin höchstwahrscheinlich aus eigener Erfahrung weiß was ich gerade durchmache. Vielleicht kann ich ihn ja genug provozieren, dass er auf mich losgeht, mir die so nötig gebrauchte Berührung verschafft ohne dass ich ihn darum anflehen muss. Andererseits kann ich kaum klar denken, was die Durchführung meiner Idee um einiges schwieriger macht.

„Ich hasse dich!" Presse ich hilflos zwischen zwei keuchenden Atemzügen hervor und verursache damit einen kleinen Lachanfall bei ihm.

„So wirst du nicht weiterkommen Kleiner." Grinst er. „Sag nett bitte, bitte und ich könnte mich vielleicht dazu entschließen dir zu helfen."

Ich antworte nur mit einem wortlosen Knurren und beiße mir auf die Lippe bis sie blutet, was für einen kurzen Augenblick ein wenig Erleichterung bringt. Leider währt dieser Augenblick nicht lange genug als dass ich Zeit hätte einen Plan zu erdenken.

„Es wird noch schlimmer werden." Informiert Ethin mich liebenswürdig. „Je länger du wartest desto weniger kannst du dich beherrschen."

Und zu meiner großen Bestürzung hat er recht. Meine Tränen, geboren halb aus Wut halb aus purer Verzweiflung angesichts dieser ausweglosen Lage, tränken den Stoff vor meinen Augen und verursachen langsam einen Juckreiz der sein Übriges tut um mich in den Wahnsinn zu treiben. Eine ganze Weile lang scheint der Goldelf zufrieden mich lediglich dabei zu beobachten wie ich mich stur gegen das immer größer werdende Bedürfnis wehre ihn anzubetteln etwas zu tun. Egal was, das ist mir mittlerweile völlig gleich, solange es gegen die nagende, eisige Leere hilft.

„Ethiiin!" Heule ich schließlich auf als es nahezu unerträglich wird, aber erwidert nur gelassen: „Was willst du? Bitte mich darum."

„Bitte!" Ich MUSS ihn dazu bringen etwas zu tun. Jetzt sofort, in diesem Augenblick, sonst werde ich verrückt!

„Was?!" Faucht er. „Was willst du? Sag es!"

Was ich will? Ich weiß es gar nicht mehr, kann nicht mehr denken. Aber irgendetwas muss ich sagen sonst wird er weggehen und ich bleibe hier, alleine und ausgeliefert. Panisch versuche ich zu überlegen, etwas Sinnvolles aus dem chaotischen Gewirr herauszufiltern aus dem meine Gedanken bestehen. Was sage ich nur, was?

„Bitte…" Was? „Küss mich."

Was habe ich da verlangt? Egal. Dumpf klingt mir sein Gelächter in den Ohren, aber viel wichtiger ist die Hand auf meiner Schulter, die Lippen auf meinen, die alles andere bedeutungslos erscheinen lassen. Der rettende Anker der mich davor bewahrt in die schreckliche Schwärze der Leere abzugleiten und mich dort auf ewig zu verlieren. Ein winziger Teil in mir der noch fähig ist die Situation distanziert zu betrachten krümmt sich vor Abscheu bei meinen Handlungen, aber ich ignoriere ihn mit aus langer Praxis geborener Übung und sauge mich praktisch fest an Ethin.

Nachdem ich diese erste Grenze überschritten habe kümmert mich der Rest nur noch wenig, die Worte und Bitten fließen nun unaufhaltsam in einem stetigen Strom von meinen zerbissenen Lippen und als mein Meister im Morgengrauen kommt um mich einzusammeln weiß ich nicht mehr wie oft ich mich dem Goldelf angeboten habe. Ein Angebot dass er mit der gleichen Wildheit, der gleichen Dringlichkeit annimmt mit der es gegeben wird. Die Leere ist schließlich zurückgedrängt in Unbedeutsamkeit an den Rand meines Bewusstseins, aber sie ist nicht völlig verschwunden, wird es laut Ethin auch nie sein. Im Gegenteil, sie wird beständiger Aufmerksamkeit bedürfen um nicht eines Tages doch Überhand zu nehmen. Wie lebt er damit? Wie werde ich damit leben? Das ist mein letzter Gedanke bevor ich, völlig erschöpft in den Armen meines Meisters in Bewusstlosigkeit abgleite. Wie er mich zurückträgt und neben dem Bett in die Decke wickelt bekomme ich schon nicht mehr mit.