Disclaimer: See last chapter… ihr wisst schon.
A/N: So, das Weihnachtskapitel, extra schön lang:) Wenn ihr Glück habt schaffe ich auch noch ein Sylvesterkapitel. Habe zumindest schon damit angefangen… Es geht zwar diesmal hauptsächlich um Evoe, mit etwas weniger Spannung, aber ich weiß ja vorher auch nie was alles passieren wird. Es kommt dann einfach so wie es kommt.
Also, frohe Weihnachten an meine Leser (und wer sich sonst noch so angesprochen fühlen möchte.)
Petalwing: Ich glaube ich fang jetzt auch bald an zu betteln. Wie war das doch gleich mit der Mail?:) Lass dich bloß nicht zu sehr stressen.
Lomion: Ja wie das bei denen weitergeht, da bin ich auch extrem gespannt! Habe noch keine konkreten Pläne gemacht. Irgendwelche Wünsche?
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Der Tag danach
Die nächste Abenddämmerung kommt unaufhaltsam und mit ihr der Zeitpunkt an dem ich erwachen und mich dem stellen muss was ich gestern in meiner Verzweiflung getan habe. Es ist kein Augenblick den ich je wieder erleben möchte, denn ich habe das schreckliche Gefühl als wäre ein weiterer nicht unwesentlicher Teil von mir unwiderruflich erstorben. Er ist buchstäblich der Leere anheim gefallen. Das mir zusätzlich auch noch alle Knochen und diverse Körperteile wehtun hilft keinesfalls dabei mich damit abzufinden zu was ich augenscheinlich fähig bin. Ich wünsche mir beinahe ich könnte es gleichgültig hinnehmen und akzeptieren, aber dazu bin ich einfach nicht in der Lage.
Während ich mich so leise wie möglich aufrapple und mit zusammengebissenen Zähnen ein scherzerfülltes Ächzen unterdrücke frage ich mich besorgt was mein Meister wohl von dieser bleibenden Strafe halten mag, denn noch immer kann ich am äußersten Rand meines Bewusstseins die schreckliche Leere lauern fühlen. Es stimmt also was Ethin behauptet. Ich hatte halb gehofft ihn falsch verstanden zu haben, kaum zurechnungsfähig wie ich gestern war, aber leider scheint dem nicht so zu sein.
Es sieht aus als hätte mein Herr unversehens eine weitere Möglichkeit bekommen mich zu quälen. Und das auf eine so einfache Art und Weise. Er müsste mir nur jeglichen Kontakt vorenthalten und könnte bequem zusehen wie ich langsam in Wahnsinn abgleite. Wenn ich es vorher bereits möglichst vermieden habe mit meinen Selbstvorwürfen alleine zu sein, dann bekommt nun die Möglichkeit von einer längeren Zeit in Einsamkeit, ohne die Option mich beschäftigen und ablenken zu können eine geradezu alptraumhafte Note. Der Gedanke daran lässt mich unwillkürlich erschauern. Es muss doch einen Weg geben diesen Fluch rückgängig zu machen!
Während ich mechanisch die Vorbereitungen für das abendliche Bad durchführe grüble ich unablässig wie ich meinen Meister dazu bringen könnte mir Nachforschungen über die Eigenschaften des Messers zu erlauben. Ich will nicht für die Dauer meiner restlichen Existenz lang von der Berührung Anderer abhängig und der ständigen Gefahr ausgesetzt sein irgendwann doch einmal völlig die Kontrolle über mich zu verlieren. Die Erinnerung an Ethin verdränge ich dabei so weit es geht. Sicherlich werde ich mich noch früh genug mit ihm auseinandersetzen müssen. Ich kann mir seinen triumphierenden Gesichtsausdruck nur zu genau vorstellen und wünsche mir zum ersten Mal in meinem Leben wirklich die Macht zu haben jemanden leiden zu lassen. Lange und gründlich. Bis aufs Blut. Ich bin mir sicher, in seinem Fall würde ich dabei Befriedigung empfinden ohne jegliche Schuldgefühle.
Auf einmal wird mir bewusst, dass ich schon einige Minuten hier neben der Wanne gestanden haben muss, ein frisches, weiches Handtuch in der Hand, versunken in schmallippige, hasserfüllte Phantasien und ich mache mich hastig daran mich selbst ein wenig von den Spuren der letzten Nacht zu säubern und die langen Haare zu entwirren um meinem Herrn keinen Grund zur Beanstandung zu liefern. Damit dass er mich heilen wird rechne ich ohnehin nicht. Dazu sind die durch meine erzwungene Kooperation hauptsächlich oberflächlichen gebliebenen Wunden nicht schlimm genug, obwohl sie mich, schon allein aufgrund ihrer Masse, wahrscheinlich noch einige Zeit plagen werden. Besonders der Biss in meinem Nacken pocht unangenehm als ich mit einem nassen Lappen darüber wische und lässt mich unwillig das Gesicht verziehen.
Den ganzen Morgen hindurch habe ich das beunruhigende Gefühl dass mein Herr mich genauer beobachtet als sonst und bin recht überrascht als er mich schließlich doch ohne weitere Kommentare zum Essen wegschickt, kaum das er sein eigenes Mahl beendet hat. Nach einer solch ungewöhnlichen Aufmerksamkeit hatte ich beinahe mit einer Strafe gerechnet. Es wäre schließlich nicht unbedingt unerwartet wenn ich nach meinem unglücklichen Missgeschick in Meister Geryns Quartier auch von seiner Seite her Konsequenzen zu tragen hätte.
Da ich heute ungewöhnlich früh dran bin ist außer mir niemand anwesend im Essraum und bei diesem Anblick entspanne ich mich ein wenig. Wenn ich mich beeile werde ich eine Begegnung mit Ethin in dieser Nacht vielleicht ganz vermeiden können. Ich habe mich gerade mit meinem Teller an einer Ecke der hölzernen Bank niedergelassen, da öffnet sich die Tür und ich erstarre. Glücklicherweise ist es jedoch nur Lanerys, die mich freundlich anlächelt. Es scheint als wäre ihr Tag mit besseren Aussichten gefüllt als meiner, denn sie fängt angeregt an zu plaudern kaum dass sie die Tür hinter sich geschlossen hat. Darüber dass bald der erste große Angriff stattfinden soll und wie wohl die Chancen stehen dass ihr Meister eine Weile auf dem Schlachtfeld beschäftigt sein wird, so dass sie etwas Ruhe vor ihm hat.
Ich höre ihr zwar mehr oder weniger zu, bin jedoch nach der letzten Bemerkung auf ein weiteres besorgniserregendes Problem gestoßen, das in nächster Zukunft auf mich zukommen könnte. Was wenn es meinem eigenen Meister nicht gelingt sich aus den Verpflichtungen für diesen Konflikt herauszuwinden und er mich für Wochen oder sogar Monate alleine hier lassen muss um persönlich an dem Angriff teilzunehmen? Die Wahrscheinlichkeit dass dem so sein wird ist nicht so gering wie ich es gerne hätte. Wie soll ich dann die Leere im Zaum halten? Würde er mich mitnehmen? Möglicherweise. Ich habe allerdings nicht den leisesten Wunsch so nah an die Kampfhandlungen heranzukommen.
Über meinen pessimistischen Überlegungen vergesse ich fast weiter zu essen und als dann doch noch Ethin hereinkommt sinkt meine Stimmung abrupt auf einen absoluten Tiefpunkt. Am liebsten würde ich das halb verzehrte Frühstück stehen lassen, aber ich weiß nie wann mein Herr mir wieder die Gelegenheit geben wird etwas zu mir zu nehmen und habe gelernt jede Möglichkeit zur Nahrungsaufnahme zu nutzen die sich mir bietet. Auch Lanerys ist nicht sonderlich erfreut über die neue Gesellschaft. Sie verstummt fürs erste und wirft dem breit grinsenden Goldelf einen misstrauischen Blick zu.
„Was hat es denn mit diesem plötzlichen Ausbruch der Fröhlichkeit auf sich?" Will sie spitz von ihm wissen. Eine berechtigte Frage, denn normalerweise strahlt Ethin eine konstante, unterschwellige Aggressivität aus, die kaum auszuhalten ist und seine Anwesenheit zu einem sehr unangenehmen Umstand macht. Ich wünsche mir jedoch trotzdem, dass sie heute einfach geschwiegen hätte, denn einer der Gründe für seine geradezu überschäumend gute Laune macht es mir noch immer schwer überhaupt einigermaßen bequem zu sitzen und ich habe nicht den Wunsch darüber zu diskutieren. Mit niemandem. Natürlich tut Ethin mir nicht den Gefallen auf seine übliche gleichgültig abweisende Art zu reagieren.
„Wenn du das wirklich wissen willst frag doch lieber die kleine Schlampe neben dir." Schlägt er in einem ausgesucht höflichen Ton vor, für den ich ihn am liebsten auf der Stelle Erwürgen möchte. Die Knöchel meiner Gelenke sind weiß so fest halte ich meinen Löffel umklammert. Lanerys blickt kurz zwischen uns hin und her, kommt offenbar zu dem Schluss, dass es besser ist nicht weiter an diese Angelegenheit zu rühren und wendet sich daraufhin mit voller Konzentration wieder ihrem eigenen Teller zu ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Wie erwartet kann Ethin das nicht auf sich beruhen lassen.
„Und? Plötzlich gar nicht mehr so interessiert?" Will er spöttisch wissen. „Keine Lust zu hören wie hübsch er betteln kann?"
Das reicht mir. Ich bin wütend. Auf mich selbst, weil ich nichts dagegen tun konnte so sehr die Kontrolle zu verlieren, ebenso wie auf Ethin und diese hasserfüllte Wut, lässt mich für den Moment meine Angst vor ihm überwinden und ihn böse anfahren: „Halt bloß die Klappe sonst kannst du was erleben!"
Ein nicht so kluger Schachzug wie sich gleich darauf herausstellt, denn zu schnell als das ich noch reagieren könnte beugt er sich auf einmal vor, packt mich am Kragen und zieht mich halb über den Tisch, so das meine Hüftknochen schmerzhaft über die Tischkante scheuern und ich mich eilig abstützen muss um nicht in meinem mit Haferschleim gefüllten Teller zu landen.
„An deiner Stelle wäre ich nicht so widerborstig." Zischt er mir leise ins Ohr. „Rate zu wem du kriechen wirst falls sich dein Herr mal nicht in der Stimmung befindet sich um deine neuen Bedürfnisse zu kümmern."
Zugegeben, ganz so weit hatte ich noch nicht gedacht und im ersten Moment wird mir fast schlecht bei der Vorstellung dass ich in dieser Sache von seiner Gnade abhängig sein könnte. Im nächsten Augenblick nimmt jedoch die Wut wieder überhand und ich fauche ebenso leise zurück: „Das werden wir ja sehen! Da lasse ich mich doch lieber von einem Ork vögeln!"
„Kannst du haben." Knurrt er abfällig und lässt mich endlich los, wonach wir den Rest der schnell beendeten Mahlzeit damit verbringen uns über unseren Tellern stumm giftige Blicke zuzuwerfen.
Glücklicherweise führen unsere Wege außerhalb des Essraumes in entgegengesetzte Richtungen. Kaum bin ich jedoch zurück im Quartier meines Meisters, da wartet auch schon die nächste unangenehme Überraschung auf mich. Ich werde mich heute nicht mit Magie oder auch nur Heiltränken befassen, sondern damit wie man einen perfekten Lidstrich zieht. Mein Meister hat beschlossen dass ich von nun an mehr auf mein äußeres Erscheinungsbild achten werde. Das erklärt dann wohl auch die erhöhte Aufmerksamkeit von vor dem Frühstück. Zu meiner großen Bestürzung ist es nötig, dass ich mich zu diesem Zweck mit dem Spiegel auseinandersetze, den ich bis heute sehr erfolgreich vermieden habe.
Der Diener, der mir zeigen soll worauf es ankommt, hat keine solchen Vorbehalte und zerrt mich voller Ungeduld kurzerhand mit sich. Für einen kurzen Augenblick frage ich mich ob dies vielleicht eine seltsame Art von Strafe sein soll. Bei meinem Meister würde ich das durchaus für möglich halten, denn er weiß natürlich wie ungern ich in den Spiegel schaue. Noch mehr nach der gestrigen Nacht, in der mich meine eigenen Taten so sehr angewidert haben, dass ich am liebsten aus meiner eigenen Haut herausgekrochen wäre.
Mit angehaltenem Atem sitze ich vor dem Gegenstand der meine Ängste verkörpert, öffne aber schließlich doch die Augen. Die Alternative, der Ärger meines Herrn, ist schlimmer als mein eigenes Spiegelbild halte ich mir streng vor und zwinge mich dazu dieses Geschöpf zu betrachten das mir da mit kaltem Blick und unbewegten Zügen entgegenstarrt. Wer mich nicht kennt der könnte mich noch immer für unschuldig halten, so lange bis er mir in die Augen schaut und die eisige Mauer sieht die dort alles andere verdeckt, sogar die Abgründe die ich das letzte Mal dort erblickt habe als ich mit meinem Abbild konfrontiert war. Ich mag nicht was ich sehe, denn es gleicht viel zu sehr der gefühllosen Maske eines Drow. Andererseits macht gerade diese Ausdruckslosigkeit es mir einfacher diese Konfrontation mit mir selbst auszuhalten und gezwungenermaßen finde ich mich endlich damit ab.
Als ich nach vier anstrengenden Stunden endlich imstande bin ein befriedigendes Make-up zusammenzustellen, sind meine Augen und Lippen von der vielen An- und Abschminkerei schon ganz rot und geschwollen und ich tue nichts lieber als den anstrengend perfektionistischen Diener zur Tür zu geleiten. Bereits in diesem Augenblick verabscheue ich die Vielzahl an kleinen Töpfchen, Pinseln und Tiegelchen die so ungefragt zu meiner täglichen Routine hinzugefügt worden sind. Das ich diese Prozedur jetzt jeden Abend durchführen muss versetzt mich nicht unbedingt in Begeisterungsstürme, aber da mein Meister es so bestimmt hat werde ich mich beugen und hoffen das meine unenthusiastischen Bemühungen ausreichen. Seinem ersten prüfenden Blick scheint das heutige Ergebnis zumindest schon einmal standzuhalten und ich atme erleichtert auf. Der Gedanke mich auch nur noch ein einziges Mal abzuschminken lässt meine gereizte Haut unerträglich jucken und brennen.
Die leise Sorge, dass ich beginne ihn zu langweilen und er mir deshalb diese Veränderung aufzwingt, steigt ungerufen in mir auf und lässt mich unruhig werden. Das einzige was in meiner Position noch schlimmer ist als unter einem Meister zu dienen, ist gar keinen zu haben und jedem zur Verfügung zu stehen. Andererseits ist er vielleicht nur schlecht gelaunt, weil er nicht zur heutigen Ratsversammlung eingeladen worden ist und macht mir deshalb auf so umständliche Weise das Leben schwer. Trotzdem nehme ich mir vor in nächster Zeit noch mehr auf der Hut zu sein als ich es jetzt bereits bin.
Es klopft. Unangemeldeter Besuch? Um diese Zeit kommt eigentlich kaum jemand und auch mein Meister schaut ein wenig irritiert zur Tür, bedeutet mir aber dennoch zu öffnen. Es ist ein Junge, mit dem Befehl sofort zum Hohepriester zu kommen, der wie ich inzwischen herausgefunden habe niemand anderes als der Vater des unglücklichen Daevan ist. Das Stirnrunzeln meines Herrn wird bei jeder Silbe tiefer und wie jedes Mal wenn er mit diesem Man zu tun hat erscheint ein wütendes Glitzern in seinen Augen, als müsste er sich stark zurückhalten um nicht auf der Stelle auf ihn loszugehen, selbst wenn das Objekt seines Ärgers momentan gar nicht anwesend ist. Angesichts dieser negativen Einstellung meines Herrn bin ich recht glücklich den Hohepriester noch nie zu Gesicht bekommen zu haben.
Kaum hat der Junge die Nachricht überbracht verbeugt er sich hastig und huscht flugs davon. Auch ich entferne mich schnell aus der Nähe der Tür und zucke leicht zusammen als mein Meister mit einem nachhallenden Klatschen das Buch an dem er gerade gearbeitet hatte zuschlägt.
Allein diese Geste zeigt deutlich wie wütend er ist und auf einmal bin ich froh fürs erste nicht in seiner Nähe sein zu müssen, obwohl kaum anzunehmen ist dass seine Stimmung milder sein wird wenn er zurückkommt. Wie zu jener Nacht als ich ihn das erste Mal traf schnappt er sich den Stab, den er sonst kaum je beachtet und macht sich augenblicklich auf den Weg.
„Was stehst du so faul rum?" Fährt er mich mürrisch an während er schon mit wehender Robe hinausstapft. „Los an die Arbeit, sonst setzt es was!"
„Sofort Herr."
Aufgeschreckt begebe ich mich umgehend zu den tags zuvor verlassenen Heiltränken und führe meine Tätigkeit dort fort wo ich sie gestern niedergelegt hatte. Was für ein Glück das diese Tränke nicht an der freien Luft verderben, sonst wäre die Schuld dafür heute sicherlich auf meinen Schultern gelandet. Das gleichmäßige Plätschern des zähflüssigen, grünen Tranks in bauchige Fläschchen beruhigt mich schließlich ein wenig und das kühle, glatte Glas ist angenehm still und unkompliziert unter meinen Fingern, doch ich bin mir durchaus bewusst, dass mein Herr seine schlechte Laune an mir auslassen wird wenn er wiederkehrt und dass das sehr unangenehm werden könnte und es ist dieses Wissen, welches meine Hände in den nächsten zwei Stunden leicht aber fortwährend zittern lässt. Ob ich es wagen sollte gewisse Vorbereitungen vorzunehmen? Oder würde das seine Wut und Aggression nur noch vergrößern? Nervös blicke ich immer wieder zur Tür und entscheide schließlich angesichts meines ohnehin schon schmerzenden Körpers doch lieber vorsorgliche Maßnahmen zu treffen, damit ich in den nächsten Tagen überhaupt eine Bewegung machen kann ohne dabei jedes Mal vor Schmerz zu stöhnen.
Als er kaum eine Viertelstunde später hereingestürmt kommt bin ich froh wenigstens das getan zu haben. Pure Wut steht ihm im Gesicht und ohne darüber nachzudenken kauere ich bereits auf dem Boden.
„Ausziehen." Bellt er mich an, als hätte ich das längst getan haben müssen. Hastig streife ich, schon jetzt am ganzen Körper zitternd, Hemd und Hose ab. Ich bin kaum fertig da werde ich auch schon mit steinhartem Griff im Nacken gepackt und gegen die nächste Wand gestoßen. Der Teppich, der daran hängt dämpft ein wenig den Aufprall, aber das leise Aufstöhnen kann ich dennoch nicht zurückhalten. Ein kräftiger Tritt an die Innenseite meines Köchels zwingt meine Beine weiter auseinander und lässt mich schmerzlich aufkeuchen. Einen Augenblick später stehe ich eingequetscht zwischen meinem Meister und der Steinwand. Erst jetzt scheint er die Bisswunde zu bemerken die Ethin gestern hinterlassen hat und gibt ein unwilliges Knurren von sich.
„Verdammtes Miststück!" Zischt er ungehalten. „Sag ihm er soll dir das nächste Mal gefälligst woanders hinbeißen."
„Ja Herr." Presse ich angestrengt hervor. Keine leichte Aufgabe, wenn ich kaum Luft holen kann.
„Oder wolltest du es so?" Fragt er auf einmal misstrauisch und ich erstarre, soweit das in meiner augenblicklichen Position möglich ist. „Du bist erstaunlich glimpflich weggekommen gestern. Was hat er mit dir angestellt?"
Er weiß es noch gar nicht?! Wie kann das sein? Was hat ihn so abgelenkt?
„E…er hat mich geschnitten Herr." Antworte ich unsicher und werde daraufhin ruckartig an der Schulter gepackt, herumgedreht und argwöhnisch von oben bis untern gemustert.
„Wo?" Fragt mein Herr scharf. „Ich kann keine Schnittwunden erkennen."
„Das Messer war verflucht und ich…"
„WAS?" Unterbricht er mich und die Wut mischt sich mit Unglauben. „Rayen hat ihn mit dem Quortek Caluss auf dich losgelassen?"
Ich schaue unsicher zu Boden.
„Ich weiß nicht genau Herr. Es war nur…"
Aber wieder unterbricht er mich.
„Wie oft?" Will er kurz angebunden wissen. Was meint er? Wie viele Schnitte mir beigebracht worden sind? Ich entscheide mich zunächst genau davon auszugehen. Alles andere wäre in seinen Augen wahrscheinlich auch nebensächlich.
„Zwei mal Herr."
Eine steile Falte erscheint über seiner schmalen Nasenwurzel.
„Tief?"
„Nein Herr." Ich schüttle leicht den Kopf. „Nur flache Schnitte an der Wange und an den Rippen."
Letzteres füge ich hauptsächlich hinzu um völlig sicher zu sein dass wir wirklich über dieselben Dinge reden. Fast eine Minute lang betrachtet er mich daraufhin nachdenklich und forschend. Fast als suche er nach äußeren Anzeichen für das Verhalten der Leere in meinem Inneren. Nackt wie ich bin beginne ich bald zu frieren. Die Angst mein Herr könnte mich nun nicht mehr haben wollen steigt unaufhaltsam wieder in mir hoch und quält mich, bis ich es nicht mehr aushalte und es wage ihn unaufgefordert anzusprechen.
„Meister? Was geschieht jetzt mit mir?"
Meine Stimme, heiser, brüchig und unsicher, verrät nur allzu deutlich wie groß meine Furcht davor ist von ihm weggegeben zu werden, gleich einem Bündel abgelegter Kleider. Die Möglichkeit ein weiteres Mal in einer so kurzen Zeit alles zu verlieren was mein Leben ausmacht schnürt mir die Luft ab, auch wenn sich dieses Leben nicht unbedingt angenehm nennen lässt, ist es doch alles was mir noch geblieben ist nachdem alles was ich zuvor kannte so plötzlich in Blut ertrank. Ich bin mir nicht sicher ob ich es überstehen würde selbst dies zu verlieren, aber scheinbar ist ihm dieser Gedanke noch gar nicht gekommen, denn er schaut ein wenig verblüfft und fragt dann nur spöttisch: „Was meinst du wohl was passieren wird Häschen?"
Es ist offensichtlich nur eine rhetorische Frage, denn er fährt gleich darauf mit gerunzelter Stirn fort: „Das kommt zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Ich werde eine Weile fort sein und kann dich nicht mitnehmen."
Entsetzt kann ich zunächst nur starren. Er wird fort sein? Dann muss ich also wirklich einen anderen Weg finden. Hatte Ethin am Ende doch Recht?
„Es gibt einige Dinge die du während meiner Abwesenheit erledigen musst." Zwingt er meine Aufmerksamkeit zurück in die Gegenwart. „Dazu werde ich dir genaue Anweisungen aufschreiben. Wenn du Probleme hast, wirst du Meister Geryn um Hilfe bitten müssen."
Die Zweifel daran dass der hinterhältige Meister auch nur einen einzigen Finger rühren wird um mir irgendwie behilflich zu sein müssen mir ins Gesicht geschrieben stehen, denn mein Herr sagt genervt: „Ich werde vorher mit ihm reden."
Damit betrachtet er die Angelegenheit offenbar als geklärt und dreht mich mit einem ungeduldigen Griff an der Schulter wieder zur Wand um zu beenden was er begonnen hatte. Das er mit mir so verfährt wie jetzt, schnell, hart und absolut rücksichtslos, passiert nicht sehr oft, doch von Zeit zu Zeit bekomme ich es auf diese Weise zu spüren wenn die Dinge nicht so verlaufen wie er es will, denn mich hat er im Gegensatz zum Rest der Welt völlig unter Kontrolle.
Kaum zwei Stunden später sehe ich zum ersten Mal die Liste mit den Erledingungen. Sie ist so lang, dass ich starke Bedenken habe, ob es überhaupt möglich ist all diese Dinge in den veranschlagten Zwei Wochen seiner Abwesenheit zu schaffen. Es sind sogar ein paar Tränke dabei die ich brauen soll, von denen ich jedoch bis heute nicht einmal den Namen kannte, was heißt das ich mir zunächst das nötige Wissen aneignen muss bevor ich überhaupt damit beginnen kann mich an die Zubereitung zu machen. Resigniert versuche ich bereits im Kopf einen ungefähren Zeitplan zu erstellen während ich im Quartier umhereile um einige der Dinge zusammenzusuchen die er selbst morgen mitnehmen wird.
Er selbst ist wieder gegangen um an einer letzten Besprechung teilzunehmen und wird sich hoffentlich danach zu Meister Geryn begeben um ihn davon abzuhalten mich bei unserer nächsten Begegnung in kleine Stückchen zu hacken.
Meine Gefühle sind dabei merkwürdig gespalten. Einerseits bin ich froh für einige Tage die Gewissheit zu haben nicht bestraft zu werden, aber gleichzeitig habe ich wahnsinnige Angst davor so lange alleine zu sein, ohne den Halt klar abgesteckter Grenzen und Befehle und ohne seine Gegenwart. Vielleicht ist dies auch der Grund aus dem er mir erlaubt am heutigen Tag bei ihm im Bett zu schlafen ohne das ich mehr tun muss als mich an ihn zu kuscheln. Der Gedanke an einen Fluchtversuch während seiner Abwesenheit ist mir bis jetzt nicht einmal im Ansatz gekommen. Ein sicheres Zeichen dafür wie fest er mich in diesen wenigen Monaten bereits an sich gebunden hat.
In den nächsten Tagen bleibt mir kaum Zeit um überhaupt über etwas anderes als meine Aufgaben nachzudenken und ich bin sogar beinahe erleichtert darüber, denn wenn ich viel zu tun habe muss ich mich nicht anderen Dingen befassen und dies lässt mich das Alleinsein einigermaßen aushalten. Nur die Leere macht mir Sorgen, sie schiebt sich langsam aber sicher wieder weiter in mein Bewusstsein und ich fürchte dass ich irgendwann ernsthafte Schwierigkeiten bekommen werde mich zu konzentrieren, was heißt, dass ich einen Weg finden muss gegen sie anzukämpfen. Vorzugsweise einen der nicht Ethin involviert. Aber wie soll ich mich bei der riesigen Menge an Arbeit auch noch darum kümmern?
Nach elf anstrengenden Tagen kommt überraschend eine Nachricht. Mein Meister wird länger brauchen als geplant. Wie lange genau länger sein wird sagt er nicht, sondern verlangt nur in kurz angebundenen Worten dass ich ihm einige Zutaten sende. Froh nun unerwartet doch ein wenig mehr Zeit zu haben packe ich alles Gewünschte zusammen, schicke es mit dem Boten umgehend wieder zurück zu ihm und mache mich an die Recherche für den dritten der Tränke auf meiner Liste.
Gleich im ersten Text den ich dazu finde offenbart sich mir eine sehr unangenehme Überraschung. Eine der Hauptzutaten dieses Gebräus ist Blut. Genauer gesagt das frische Blut eines männlichen Goldelfen. Erschüttert lasse ich das Buch sinken. Wie soll ich hier in dieser Stadt sechs Liter Blut beschaffen? Das Bild eines ausgebluteten Ethins drängt sich mir für ein paar Sekunden auf, aber da mir diese Möglichkeit nicht offen steht, beginne ich vorerst nur nervös auf und ab zu laufen während ich krampfhaft überlege woher ich jetzt einen Goldelfen bekommen soll, denn offenbar erwartet mein Herr von mir dazu imstande zu sein und Meister Geryn will ich nicht fragen wenn es nicht doch noch die geringste Möglichkeit gibt dies zu vermeiden. Zwei Stunden und viele verworfene Ideen später bin ich bereits den Tränen nahe als mir doch noch ein rettender Gedanke kommt.
Ich weiß dass es Gefangene in der Stadt gibt seit die Drow entschieden haben in den Städtekonflikt einzugreifen. Möglicherweise ist der Goldelf den ich brauche dabei. Dass ich den Gefangenen bei der Blutentnahme wahrscheinlich töten muss, daran verbiete ich mir in diesem Augenblick zu denken. Zunächst zählt nur den Befehl meines Meisters zu erfüllen und den Trank zu brauen. Der Weg zu den Kerkern ist nicht unbedingt ungefährlich für jemanden wie mich, denn er führt zu nah an die Kasernen heran in denen sich noch immer die Soldaten befinden, die nicht im nächsten großen Angriff eingesetzt werden sollen, doch ich habe schon zu viel Zeit mit nutzlosen Überlegungen verschwendet und so greife ich nach demjenigen unter meinen Umhängen der die größte Kapuze hat und mache mich umgehend auf den Weg durch die nachtschwarze, feuchtkalte Stadt.
Am großen, wuchtigen Eingangsportal der Schule der Magier halte ich kurz inne um mir einen Überblick über den Vorplatz zu verschaffen, auf dem es trotz des ungemütlichen Wetters vor geschäftig hin- und herrennenden Leuten nur so wimmelt. Die Vorbereitungen müssen rechtzeitig beendet werden und nehmen dabei keine Rücksicht auf die Witterung. Ich komme nur selten hinaus in die Stadt und noch seltener bin ich dabei auf mich allein gestellt, aber jedes Mal bin ich extrem froh wenn ich mit heiler Haut wieder zurück in der verhältnismäßig sicheren Umgebung des Quartiers meines Meisters anlange.
Vorsichtig vermeide ich es mich mitten durch die Menge zu bewegen und halte mich am Rand des großen Platzes, bis ich in eine schmale Gasse abbiegen kann, wo es etwas leerer ist. Hier befinden sich die großen Lagerhallen der Händler, von deren gut gesicherten Türen her mich die waffenstarrenden Wachposten misstrauisch anstarren während ich hastig vorbeihusche. Bald jedoch gelange ich in eine Gegend wo hauptsächlich die Reicheren dieser Stadt residieren und sich gegenseitig mit aufwändig dekorierten Fassaden aus Marmor oder blassgelbem Sandstein und pedantisch gepflegten Vorgärten übertreffen zu suchen. Es ist kein einziger Halm am falschen Platz, was mich unangenehm an die Zustände in Meister Geryns Räumen erinnert. Das Bedürfnis der Drow nach absoluter Dominanz spiegelt sich auf eine Weise in ihrer Umgebung wieder die mir jedes Mal wieder Beklemmung bereitet. Am äußersten Rande dieses Teils der Stadt, dort wo langsam aber sicher Reichtum zu bitterer Armut übergeht und außerdem die Soldaten stationiert sind, befinden sich die Kerker des Rates.
Das Bauwerk aus geschwärztem Stein ist schon von außen sehr einschüchternd und überragt die umstehenden Häuser um zwei ganze Stockwerke. Wie fast überall in der Stadt gibt es auch hier aufwändigen Stuck an der Fassade und ein breite, ausladende Treppe führt hinauf zu einer riesigen eisenverstärkten Holztür, neben der zwei Ogerwachen postiert worden sind. Sie reagieren nicht im Geringsten als ich endlich meinen inneren Widerstand überwinde und langsam die Stufen erklimme.
Ein wenig verunsichert betätige ich den eisernen Klopfer, der an die in der Großen eingelassene kleinere Tür angebracht ist, woraufhin sich zunächst nur knirschend ein kleines Fenster öffnet und ein schlechtgelaunter Goblinsklave heiser von mir wissen will, was denn mein Begehr sei.
„Meister Shenjal schickt mich." Erkläre ich ihm mit aller Arroganz zu der dich in diesem Augenblick fähig bin, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass Autorität, selbst wenn sie größtenteils gespielt ist, den einzigen Weg darstellt bei solchen Kreaturen etwas zu erreichen. „Er braucht einen Goldelfen."
Mit einem wortlosen Grunzen meines Gegenübers schließt sich das kleine Fensterchen und ich durchlebe ein paar nervöse Sekunden voll Zweifel in denen nichts geschieht, bevor schließlich die Tür aufschwingt und der stinkende Goblin mich hereinwinkt. Er geleitet mich durch einen dunklen, stickigen Gang zu einem kleinen Raum, wo hinter einem überfüllten Schreibtisch ein bulliger Drow sitzt, der für seine Rasse ziemlich groß geraten ist. Der Grund warum er hier postiert wurde, ist sofort ersichtlich, denn er trägt eine schwarze Augenklappe und ist damit für den Kampf trotz seiner körperlichen Stärke wohl nicht mehr geeignet. Er schaut mürrisch auf, was mehr als deutlich macht dass er es nicht schätzt in diesem Augenblick gestört zu werden und ich verbeuge mich ein kleines bisschen tiefer als absolut nötig um ihn nicht unnötig zu verstimmen. Er steht im Rang nicht so weit über mir dass ich wie vor einem Meister auf die Knie fallen müsste, was mich mit beträchtlicher Erleichterung erfüllt nachdem ich auf dem Weg hierher bereits zu genüge die dicke, schmierige Schmutzschicht auf dem Boden begutachtet habe.
Sein einäugiger Blick erfasst in Sekundenschnelle die gute Qualität meiner Kleidung, ebenso wie das silberne Sklavenhalsband, das ich vorsorglich freigelegt habe sobald sich die Tür hinter mir schloss und er kommt glücklicherweise zu dem Schluss, dass mein Meister wichtig genug sein muss um mich anzuhören.
„Wer schickt dich?" Erkundigt er sich argwöhnisch, kaum dass ich mich wieder aufgerichtet habe.
„Mein Herr Meister Shenjal. Er benötigt einen männlichen Goldelfen."
Das ist zwar nicht hundertprozentig wahr, aber es entspricht immer noch weitestgehend den Tatsachen, denn ich denke kaum dass er mir einen Gefangenen überlassen würde nur weil ich ihn nett darum bitte. Der mürrische Gesichtsausdruck wandelt sich in Sekundenschnelle zu einem gehässigen Lächeln.
„Langweilst ihn wohl was?"
Ich lasse ihn in dem Glauben und erwidere nichts, denn es scheint ihn fröhlicher zu stimmen, was meine eigene Ausgangsposition schließlich nur verbessern kann. Trotz meiner unbefriedigenden Reaktion wendet sich der Drow nun, immer noch grinsend, einem dicken ledergebundenen Buch zu, in dem hoffentlich die einzelnen Gefangenen eingetragen sind. Er blättert eine Weile geschäftig darin herum, während ich mit unbewegter Miene abwarte und gibt schließlich ein zufriedenes Grunzen von sich.
„Ah, der hier. Das ist ein spezieller Liebling von mir." Erklärt er und das Grinsen wird noch ein Stück breiter und gemeiner. „Kratzbürstig wie eine wütende Harpyie und Lösegeld gibt es auch nicht für ihn. Den kann dein Herr haben."
Ich nicke stumm und danke dem Schicksal dafür dass alles so glatt zu laufen scheint.
„Sollst du ihn gleich mitnehmen?"
Ein weiteres Nicken, diesmal begleitet von einem schlichten: „Ja Herr."
„Gut." Brummt er und schreibt etwas neben den Eintrag. Wahrscheinlich an wen er den Gefangenen weitergibt. „Dein Meister kann die unterzeichneten Dokumente dann direkt an uns senden."
„Wie ihr wünscht Herr." Sage ich und nehme den offiziell aussehenden Zettel entgegen den er mir hinhält, um ihn sicher in der Innentasche meines Umhangs zu verstauen. Damit werde ich mich später befassen. Wenn mein Herr den Trank so dringend braucht dann wird er hoffentlich auch damit einverstanden sein, dass ich den Gefangenen in seinem Namen fordere, selbst wenn mir nicht ganz wohl dabei ist. Kaufen gehen kann ich das Blut jedenfalls nicht, denn er hat mir kein Gold dagelassen.
„Warte hier." Brummt er mich nun an und verschwindet mit einem großen Schlüsselbund. Durch die Tür seines Büros hindurch höre ich ihn nach dem Goblin brüllen und dann entfernen sich das Schlüsselklimpern und die schweren, schlurfenden Schritte des Sklaven.
Die Zeit in der ich dort stehe und warte verbringe ich damit mir Sorgen zu machen darüber was ich hier eigentlich tue. Erst jetzt wird mir wirklich klar, was zuvor von der Befürchtung überschattet wurde den Anforderungen meines Meisters nicht gerecht zu werden. Ich werde mich mit diesem Gefangenen auseinandersetzen müssen! Einem lebendigen und höchstwahrscheinlich widerspenstigen Gefangenen. Die Vorstellung allein bereitet mir bereits Kopfschmerzen. Vor allem, weil ich bereits weiß, dass ich ihm keine Drogen verabreichen kann um ihn betäubt zu halten. Das Blut muss laut Rezept weniger als zwei Wochen alt und frei von Körperfremden Substanzen sein. In der guten halben Stunde die der Drow benötigt um wiederzukommen wird mir mehr und mehr bewusst was ich mir gerade aufhalse, doch jetzt gibt es keinen Weg zurück mehr. Ich kann kaum erzählen mein Herr hätte es sich plötzlich wieder anders überlegt und außerdem stünde ich dann immer noch vor dem Problem mir anderswo das Blut zu beschaffen.
Als die beiden, Drow und Goblin, schließlich mit dem momentan offenbar bewusstlosen und gefesselten Elfen das Büro betreten rümpfe ich automatisch die Nase angesichts des unangenehmen Geruchs den er ausströmt. Die ehemals blonden Haare kleben dreckig verfilzt an seinem Kopf und sind offenbar grob mit einem Messer knapp über den knochigen Schultern abgeschnitten worden. Die Kleider die ihm noch geblieben sind befinden sich auch nicht in besserem Zustand und verdienen kaum noch ihre Bezeichnung, so zerrissen und starr vor Dreck wie sie sind. Durch die großen Löcher kann man schmutzige, durch den langen Lichtmangel fahle Haut und deutliche Spuren der Abmagerung sehen, unterbrochen von gelegentlichen Wunden und Kratzern.
„Wohin?" Grunzt mich der Goblin an. Er keucht und schwitzt schon jetzt unter dem Gewicht des Ohnmächtigen, der über seiner mageren Schulter hängt.
„Dab' aschach." Antworte ich kurz und rufe damit ein ungläubiges Stöhnen bei ihm hervor, dass ihm einen Schlag auf den Hinterkopf von seitens des Drow einbringt. Offenbar ist es seine Aufgabe den Gefangenen dorthin zu tragen. Diese Erkenntnis ruft bei mir, trotz seines ebenfalls nicht gerade lieblichen Geruchs, hauptsächlich Erleichterung hervor, denn ich glaube kaum dass ich den Elfen allein bis dorthin hätte schleppen können. Mit einer letzten Verbeugung in Richtung des einäugigen Dunkelelfen verlasse ich die Kerker und mache mich, den fluchenden Goblin und seine Last im Schlepptau, auf den Rückweg.
Als wir von der großen Treppe herunter sind und in die erste Gasse einbiegen fangen meine Knie leicht an zu zittern und ich kann kaum glauben dass ich es wirklich geschafft habe. Ich tue mein Bestes diese Gefühle vor dem Goblin zu verbergen und fahre ihn unwirsch an er solle sich ein wenig beeilen. Je eher ich ihn los bin desto besser.
Wirklich beruhigt bin ich erst als ich nach einem einigermaßen ereignislosen Rückweg vor der Tür meines Meisters stehe, den Gefangenen zu meinen Füßen und der Goblinrücken hastig um die nächste Ecke verschwindet. Der andere Sklave fühlte sich sichtlich unwohl hier zwischen all den Magiern an die ich mich inzwischen mehr oder weniger gewöhnt habe. Mit gerümpfter Nase fasse ich den Elfen unter den Armen und zerre ihn mühsam ins Zimmer hinein, wo er schließlich, noch immer bewusstlos, auf dem Teppich zu liegen kommt.
Ich beschließe diesen Umstand zu nutzen solange er anhält und ersetze die Fesseln aus den Kerkern durch ein anderes Paar aus Eisen, das ihm mehr Bewegungsfreiheit erlaubt. Allerdings nur solange ich es erlaube, denn ich kenne das Kommandowort, dass die Ketten augenblicklich so weit verkürzt, dass er keinen Schritt mehr tun können wird. Die aufgescheuerten und entzündeten Gelenke zeigen deutlich, dass er bereits einige Zeit in Fesseln verbracht haben muss.
Sein Gestank ist mir mittlerweile unerträglich und ich entscheide ihn gleich weiter in den Baderaum zu befördern um ihn wenigstens notdürftig zu säubern, bevor ich dieses magere Geschöpf so weit aufpäppeln kann, dass es seinen Zweck erfüllt. Es wird wahrscheinlich einige Tage dauern bevor er auch nur ein wenig Blut entbehren kann ohne sofort an dem Schock zu sterben. Wie viel davon fließt überhaupt in seinem unterernährten Körper? Ich habe keine Ahnung und das heißt, dass ich vielleicht dafür sorgen muss, dass er so lange wie möglich am Leben bleibt und mir weiter zur Verfügung steht falls etwas schief gehen sollte. Ich glaube nämlich kaum dass ich ein weiteres Mal so leicht und problemlos einen Goldelfen ausgehändigt bekommen werde. Oder ich schaffe es eine Möglichkeit zu entdecken um vorher herauszufinden wie viel der kostbaren roten Flüssigkeit in seinen Adern fließt.
Als erstes schneide ich die hoffnungslos verfilzten Haare bis auf ein paar wenige Fingerbreit ab und widme mich dann den Kleidern, die ich ebenfalls zerschneide und danach verbrenne, weil sie sonst zu nichts mehr zu gebrauchen sind.
Nackt bietet er ein noch erbärmlicheres Bild als zuvor und ich überlege ob ich ihm einfach einen Heiltrank verabreichen und die folgende Wartezeit in Kauf nehmen soll, bis der Trank völlig von seinem Körper absorbiert und das Blut wieder sauber ist. Der Vorrat der sich hier in den Räumen befindet ist groß genug dass es niemandem auffallen würde wenn er um eine Flasche schrumpft.
Während ich ihn noch unschlüssig anstarre öffnet er auf einmal die Augen, was mich dazu bringt erschrocken zusammen zu zucken. Ein verwirrter, kastanienbrauner Blick zuckt hektisch durch den Raum und kommt schließlich auf mir zum Stillstand.
„Wo bin ich?" Will er mit heiser, krächzender Stimme von mir wissen.
„In den Räumen von Meister Shenjal." Erkläre ich ihm, was meiner Meinung nach alles ist was er an Information braucht. Ihm reicht dass keinesfalls, wie ich am folgenden Stirnrunzeln nur allzu deutlich erkenne.
„Wieso?"
Die Frage, scharf und misstrauisch, ist zwar berechtigt, ruft jedoch bei mir nun ebenfalls ein Stirnrunzeln hervor.
„Weil er es so bestimmt hat." Lüge ich kurz angebunden. „Ich stelle die Befehle meines Herrn nicht infrage." Setze ich noch hinterher um ihn von weiteren Fragen abzuhalten.
„Du bist ein Sklave?"
Die Verachtung die in diesen Worten mitschwingt als er mühsam versucht sich aufzusetzen habe ich zwar erwartet, doch irgendwie geht sie mir näher als ich gedacht hätte.
„Wenn du willst kannst du ein Bad nehmen." Presse ich heraus und deute auf die Wanne neben uns. Dieses Angebot zaubert ein begeistertes Leuchten auf das schmutzige, verhärmte Gesicht und bringt ihn wohl dazu die Angelegenheit fürs erste ruhen zu lassen. Dann schaut er an sich herab und errötet, was mich im ersten Augenblick verwirrt, weil ich schon so sehr daran gewöhnt bin mich selbst auf Kommando zu entblößen, dass mir dieser Zustand bei anderen fast normal erscheint.
„Wirst du Hilfe brauchen?" Erkundige ich mich schnell um ihn abzulenken, sobald mir der Grund für sein Verhalten klargeworden ist, woraufhin er widerwillig nickt und beschämt an mir vorbei schaut. So schüchtern, aber ohne die Angst vor Berührung die ich eigentlich vermutet hätte. Vielleicht musste er noch nicht die Dinge ertragen die ich hinter mir habe.
„Ich denke ja. Kaneth hat unseren Abschied sehr ausgiebig zelebriert."
„Kaneth? Der Einäugige?"
Er muss ihn noch einmal ordentlich zusammengeschlagen haben. Dadurch würde sich auch die Bewusstlosigkeit erklären.
„Ja. Er mag mich nicht besonders."
„Das sagte er mir."
Ohne weitere Kommentare helfe ich ihm in die Wanne und rufe das Wasser herbei, was ihn alarmiert zusammenschrecken lässt. Nachdem jedoch sonst nichts Bedrohliches geschieht beruhigt er sich schnell wieder und während ich mit einem weichen Schwamm vorsichtig seinen von Kratzern und blauen Flecken übersäten Rücken säubere fahre ich unauffällig mit meiner Betrachtung fort. Er muss ungefähr um die Hundert sein, also um einiges älter als ich, aber für einen Elfen immer noch recht jung. Sein Körperbau ist der eines Kriegers, mit relativ breiten Schultern und gut entwickelten Muskeln. Die schlanke Zerbrechlichkeit die bei Ethin und mir selber so hervorstechend ist kann ich an ihm, trotz der offensichtlichen Unterernährung nicht entdecken.
Je sauberer und weniger abstoßend er wird, desto mehr wird mir bewusst wie sehr sich die unangenehme Leere wieder in mir ausgebreitet hat und bald muss ich mich streng zur Ordnung rufen um nicht dem Drängen nachzugeben meine Hände besitzergreifend über diesen Rücken gleiten zu lassen der da so gut erreichbar vor mir ausgebreitet ist.
Als ich schließlich das Gefühl habe mich kaum noch beherrschen zu können schnappe ich mir ein Handtuch und erkläre das Bad brüsk für beendet. Der Elf blickt mich zuerst trotzig an, entscheidet sich dann aber doch dazu sich unterzuordnen. Warum er dass tut weiß ich nicht. Vielleicht ist in meinem Blick mehr von dem Hunger zu erkennen, der in mir lauert als mir bewusst ist oder er kann einfach die Lage noch nicht gut genug einschätzen um nicht auf Nummer Sicher zu gehen. Jedenfalls lässt er es widerstandslos zu das ich ihn schnell und effizient abtrockne, bevor ich mich daran mache ihm aus der Wanne zu helfen. Ich denke unterdessen an all die Zeit die mich dieses Unterfangen heute bereits gekostet hat und wünsche mir plötzlich er würde sich ein wenig mehr beeilen.
„Wie heißt du?"
Ich stocke kurz, unvorbereitet darauf von ihm angesprochen zu werden.
„Evoe."
„Ein Drow Name." Bemerkt er missbilligend, woraufhin ich scharf zurückgebe: „Es ist der einzige der mir geblieben ist."
„Ich bin Ainwe." Verkündet er dann, ohne weiter auf meine unfreundliche Erwiderung einzugehen.
„Wie schön für dich." Antworte ich entnervt und ziehe ihn hinter mir her in Richtung Hauptraum. Ich will ihn nicht kennen lernen. Er soll nicht zu einer Person werden für mich, sondern etwas bleiben das einen bestimmten Nutzen hat. Den seines Blutes. Sobald ich anfange ihn als Individuum mit Hoffnungen, Gefühlen und Sehnsüchten wahrzunehmen werde ich es kaum noch über mich bringen zu tun was ich tun muss.
