Disclaimer: Siehe Kapitel mit dem ordentlichen Disclaimer.


A/N: So für ein Sylvesterkapitel hat es nicht mehr ganz gereicht, aber für die momentanen Verhältnisse ist es ja immer noch ein relativ frühes Update:) Bin allerdings momentan etwas pessimistisch gestimmt. Muss wohl am Winter liegen… jedenfalls fehlt mir gerade ein wenig die Inspiration für mehr.


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Verlorene Unschuld

„Wo ist denn überhaupt dieser Meister Shenjal?"

Wenn ich das so genau wüsste! Weder der Bote noch die Nachricht die mein Herr mir sandte waren sehr informativ. Kurz bin ich versucht ihm einfach zu befehlen den Mund zu halten, aber bis jetzt war er zumindest einigermaßen kooperativ und ich glaube nicht dass dem noch lange so bleiben würde wenn ich ihm gegenüber so herrisch benähme. Die spärlichen Sympathien die er jetzt noch für mich hegt wären dann wahrscheinlich sehr schnell verschwunden.

„Er ist nicht hier." Antworte ich dem Elf, der sich, eingewickelt in das Handtuch, auf dem Teppich niedergelassen hat und neugierig seine chaotisch unaufgeräumte Umgebung betrachtet, stattdessen so gelassen wie möglich und wende meine Aufmerksamkeit wieder dem Buch über den Heiltrank zu. Irgendwo hier drinnen muss doch stehen wie lange dieses verdammte Gebräu braucht um aus der Blutbahn zu verschwinden! Ich werde ihm jedenfalls nichts davon geben solange ich darüber nicht bescheid weiß.

„Wo ist er denn?"

Diese hartnäckige Fragerei beginnt bereits jetzt mir auf die Nerven zu gehen.

„Kriegsvorbereitungen."

In diesem Augenblick finde ich endlich die Auskunft nach der ich schon die ganze Zeit suche. Fünf Nächte werde ich warten müssen. Viel zu lange wie ich finde. Einen anderen Weg sehe ich allerdings nicht. Es wird zwar knapp, aber ich könnte es rechtzeitig schaffen und ohne den Heiltrank würde es vielleicht noch sehr viel länger dauern bis er so weit ist mir die benötigten sechs Liter Blut zu produzieren.

„Ich werde dir einen Heiltrank verabreichen." Informiere ich ihn bevor er mir weitere Fragen stellen kann und gehe schnell ins Nebenzimmer um eines der Fläschchen zu holen.

„Was ist das?" Will er argwöhnisch wissen als ich es ihm schließlich entgegenhalte.

„Der Heiltrank."

Was sonst? Habe ich nicht vor einer Minute erklärt was ich vorhabe? Glaubt er vielleicht ich mache mir die Mühe ihn hierher zu holen nur um ihm dann Gift zu verabreichen und eine Leiche am Hals zu haben?

„Den brauche ich nicht." Behauptet der anstrengende Elf jetzt störrisch. Ich bezweifle sehr das dies der Wahrheit entspricht. In seiner jetzigen Verfassung dürfte er es kaum allein aus der Schule schaffen, selbst wenn ihn niemand aufhalten würde. Wahrscheinlich geht es einfach gegen seinen Stolz von einem Sklaven und damit indirekt auch den Drow Hilfe anzunehmen.

„Das mag ja sein", lenke ich dennoch erst einmal ein „trotzdem wäre ich dir sehr dankbar wenn du ihn trinken würdest und uns beiden damit Schmerzen ersparst."

Er zögert, schaut mich unsicher und abwägend an.

„Na gut."

Endlich streckt er die Hände aus und nimmt den Trank entgegen. Scheinbar überzeugt ihn dieser Appell an sein Mitgefühl mehr als der an sein eigenes Wohl gerichtete. Kaum das er, nach einem weiteren misstrauischen Zögern, alles davon geschluckt hat kommt jedoch auch schon die nächste Frage über seine Lippen.

„Wenn dein Meister weg ist, wozu bin ich dann hier?"

„Das sagte ich doch bereits." Murre ich zurück. „Weil er es so bestimmt hat."

„Und warum hat er das?"

Langsam beginne ich diesen Kaneth zu verstehen. Bewusstlos war Ainwe sehr viel leichter zu ertragen.

„Offensichtlich hauptsächlich deshalb um meine Zeit mit deinen unnützen Fragen zu verschwenden."

„Also weißt du es nicht." Bemerkt er unzufrieden. Ich verdrehe nur irritiert die Augen und widme mich dann wieder dem Rezept, das mir heute diese anstrengenden Umstände beschert hat. Ein paar wenige erfreuliche Minuten lang herrscht angenehmes Schweigen, dann durchbricht Ainwes Stimme die Stille und meine ohnehin noch durch seine frühere Nähe beeinträchtigte Konzentration ist dahin.

„Ich habe Hunger."

„Ach nein, wirklich?" Ist meine sarkastische Antwort. Als ob ich das übersehen könnte.

„Du siehst auch nicht aus als würdest du hier besonders viel bekommen." Folgt es nach ein paar Sekunden.

„Ich werde noch weniger kriegen wenn du mich nicht meine Arbeit tun lässt."

Das trifft zwar nicht direkt auf die heutige Nacht zu, aber ich bin mir sicher dass ich mit mehr als nur Hunger rechnen muss wenn ich nicht erledige was mein Meister mir aufgetragen hat.

„Ach dann bist du also ein folgsamer kleiner Sklave." Seine Stimme hat einen ätzenden Ton angenommen, der mich vor Wut mit den Zähnen knirschen lässt. Er hat doch keine Ahnung!

„Artig und gehorsam", Fährt er voller Verachtung fort „ohne jeglichen Stolz oder eigenen Willen."

Der erste Teil seines Satzes stimmt, aber der zweite leider nicht, denn wenn ich gar keinen Stolz mehr hätte dann wäre ich jetzt nicht so wütend auf ihn. Mit zusammengepressten Lippen starre ich ihn an und wünsche mir er würde nun schweigen, aber er ist noch nicht fertig.

„Natürlich ist das nicht verwunderlich, schließlich bist du kaum mehr als ein Kind und leichter zu brechen als ein echter Krieger, aber nicht einmal jetzt wo dein Meister gar nicht anwesend ist zeigst du auch nur einen Funken Selbstbewusstsein."

„An deiner Stelle wäre ich jetzt lieber still!" Zische ich leise und bedrohlich. Für einen Augenblick bin ich kurz davor dem Drängen der Leere nachzugeben und einfach über ihn herzufallen. Er könnte mir, gefesselt wie er ist, kaum Widerstand entgegensetzen und dann würden wir ja sehen wie viel Stolz ihm danach noch bleibt. Was weiß er denn schon über mein Leben um mich so zu verurteilen? Aber wenn ich es täte wäre ich wirklich endgültig wie Ethin und so weit will ich einfach nicht sinken solange ich mich noch irgendwie beherrschen kann.

„Du widersprichst mir nicht einmal Feigling." Fährt er mich nun seinerseits wütend an, offenbar ist er sich nicht dessen bewusst was wirklich in mir vorgeht. Oder es ist ihm wohlmöglich egal. Ich habe allerdings das Gefühl, dass ich mich schnell von ihm entfernen sollte, sonst werden meine Vorsätze möglicherweise doch noch durch pure Wut ausgeschaltet und ich werde etwas tun was ich bedauern würde. Auf ein gemurmeltes Wort von mir verkürzen sich seine Ketten und nehmen ihm jegliche Bewegungsfreiheit. Ich denke so gefesselt werde ich ihn eine Weile allein lassen können wenn ich die Tür ordentlich absichere. Als Ainwe merkt das ich vorhabe zu verschwinden ruft er mir voller Verachtung hinterher: „Und jetzt fliehst du vor mir, einem wehrlosen Gefangenen. Du bist so erbärmlich!"

Er sollte lieber froh sein das ich gehe denke ich zornbebend, während ich die Tür von außen mit einem einfachen Schließzauber belege und mich dann mit klopfendem Herzen aufmache um etwas zu essen, damit ich wenigstens diese Zeit ausnutzen kann.

Weil ich zu einer ungewöhnlichen Stunde komme ist außer mir keiner hier, was wahrscheinlich ein Glücksfall ist, denn in meiner gegenwärtigen Stimmung hätte ich auch den freundlichen Ciel böse angefahren, ganz egal was er gesagt hätte. Nach einigen Minuten habe ich mich so weit beruhigt, dass ich immerhin einsehe Ainwe etwas Brot und Obst mitzubringen. Schließlich ist es für mich nur von Vorteil wenn er schnell kräftiger wird und das wird nicht geschehen indem ich ihn hungern lasse, so verlockend der Gedanke in diesem Augenblick auch sein mag.

Als ich die Tür wieder öffne begrüßt mich der Anblick eines überraschend zerknirscht wirkenden Ainwe.

„Es tut mir leid." Sagt er leise kaum dass ich das Zimmer betreten habe, die Verachtung steht ihm zwar noch immer deutlich in den Augen doch scheinbar macht er wenigstens einen Versuch sich zu beherrschen damit die Situation zwischen uns beiden nicht noch unangenehmer wird.

„Diese Gefangenschaft setzt mir mehr zu als ich gedacht hätte. Ich wollte dich nicht so angreifen."

Ich nicke, lockere seine Fesseln mit einer einfachen Geste meiner freien Hand und halte ihm dann wortlos das Essen hin, vorsichtig ihn nicht zu berühren als er es hungrig annimmt. Diese Geste des Entgegenkommens bringt ihn dazu sich in den nächsten drei Stunden gnädigerweise still zu verhalten und mich in Ruhe arbeiten zu lassen. Doch offenbar ist er es nicht gewohnt für längere Zeit in Anwesenheit Anderer zu schweigen, denn irgendwann durchbricht er wieder die Stille.

„Was machst du da?"

Was soll ich ihm darauf bitte sagen? Das ich mich mit einem Rezept beschäftige das seinen Tod beinhaltet? Würde er mir das überhaupt glauben, wo er mich doch bereits jetzt für einen kriechenden, schwachen Sklaven hält?

„Ich tue was mir aufgetragen wurde." Erkläre ich so vage wie möglich, versuche dabei aber immer noch einen möglichst neutralen Ton beizubehalten um den zerbrechlichen Frieden zwischen uns nicht über Gebühr zu strapazieren.

„Und was ist das?"

Weiß er denn nicht wann Schluss ist?

„Ich darf nicht darüber reden." Informiere ich ihn und lasse dabei Teile meiner Ungeduld durchklingen in der Hoffnung ihn damit zum Schweigen zu bringen.

„Wie alt bist du?"

Eine eigentlich harmlose Frage, aber wieso will er das wissen? Hat er mich nicht vor kurzem noch als Kind bezeichnet? Was interessiert es ihn denn wie alt ich in Wirklichkeit bin? Vielleicht glaubt er ja er könnte so mein Vertrauen erlangen, aber ich vertraue niemandem mehr so lange es sich vermeiden lässt.

„Fünfundzwanzig." Antworte ich einsilbig und schaue mit bitterem Amüsement zu wie sich seine Augen in Unglauben weiten. Offensichtlich wirke ich doch etwas älter. Kein Wunder nach dem was mir bereits alles zugestoßen ist.

„So jung?" Flüstert er entgeistert, mehr zu sich selbst als an mich gerichtet. „Dann bist du gar kein Gefangener aus den Kämpfen?"

Ich schüttle abwesend den Kopf in Gedanken schon wieder zurück bei meiner eigentlichen Tätigkeit, dem Kleinschneiden von Petersilienwurzeln. Die einzelnen Stücke müssen sehr genau portioniert werden um sich später optimal mit den anderen Zutaten des Tranks zu verbinden. Auch Ainwe verfällt in ein brütendes Schweigen und obwohl ich aus dem Augenwinkel sehen kann, dass er ab und zu zu mir herüberschaut macht er für den Rest der Nacht keine Anstalten mehr etwas von sich zu geben. Daher bin ich zufrieden ihn für eine Weile einfach zu ignorieren. Auf eine seltsam verdrehte Weise bin ich sogar froh, dass er eine derart anstrengende und herablassende Persönlichkeit hat, denn das macht es für mich leichter ihm mit der Abneigung zu begegnen die ich brauche um den Befehl zu befolgen, der sein Ableben herbeiführen wird.

Als der Morgen graut und ich vor Erschöpfung kaum noch meine Augen offen halten kann wird es Zeit mich um eine passende Schlafgelegenheit für meinen Gefangenen zu kümmern.

„Im Schlafzimmer meines Meisters befindet sich ein Ring in der Wand." Erkläre ich und reiße ihn damit unvermittelt aus seinen Tagträumen. Diesen Ring kenne ich aus eigener Erfahrung, wenn auch meine wahrscheinlich etwas schmerzlicher ist als die, die Ainwe heute damit machen wird.

„Wenn du es zulässt werde ich dich dort anketten und du hast eine einigermaßen angenehme Position. Falls du dieses Arrangement ablehnst werde ich mir etwas anderes überlegen müssen."

Diese letzte Drohung wäre nicht unbedingt nötig gewesen, aber ich bin sehr müde und habe keine Lust mehr auf lange Diskussionen. Zu meiner großen Erleichterung macht Ainwe keine Anstalten gegen mein Angebot argumentieren zu wollen und erhebt sich dank des Heiltrankes diesmal ohne meine Unterstützung.

„Wohin?" Fragt er nur resigniert und bewegt sich dann gehorsam in die Richtung die ich ihm weise. Ein leises Gefühl der Überraschung stellt sich ein angesichts dieser Folgsamkeit, aber vielleicht ist er einfach zu sehr Realist um jetzt noch einmal in nutzlosen Widerstand auszubrechen. Ich bin jedoch unglaublich erleichtert dass er meine Hilfe nicht mehr benötigt um sich fortzubewegen, denn ich bin nicht sicher ob die Selbstbeherrschung die es erfordert hätte ihm so lange so nahe zu sein im Moment noch im Bereich meiner Möglichkeiten liegt. Selbst der kurze Augenblick den ich benötige um die Kette um seine Handgelenke mit dem Ring in der Wand verschmelzen zu lassen ist beinahe unerträglich.

Es scheint als würde mein Bedürfnis nach Kontakt nur noch hundertfach angestachelt durch die ständige Versuchung die seine hilflose Nähe darstellt, denn die ganzen anderthalb Wochen hindurch bis heute war es um einiges einfacher auszuhalten als in diesem Moment. Ich schaue beunruhigt zum Fuß des Bettes, wo er an der Wand sitzt. Wie soll ich nur die ganzen fünf Nächte überstehen bis sein Körper den Heiltrank absorbiert hat, frage ich mich, während ich mich wie üblich mit meiner Decke auf dem Boden zusammenrolle. Wie soll ich nur…

„Mir ist kalt."

„Interessiert mich nicht." Erkläre ich kühl und drehe mich weg. Besser dies als mich ihm jetzt noch einmal zu nähern und am Ende doch noch an meine Grenzen zu gelangen.

„Und was ist wenn ich krank werde?" Bohrt der Elf hartnäckig nach. „Den Heiltrank hast du mir doch bestimmt nicht einfach nur so gegeben oder?"

„Dir wird nicht gefallen was passiert wenn du nicht auf der Stelle still bist." Warne ich ihn ungehalten und eindeutig am Rande meiner Beherrschung angelangt bei dem Gedanken ihn zudecken zu müssen.

„Ach ja?" Fragt er spitz. „Und was wäre das bitte? Ich glaube kaum dass du auch nur halb so hart zuschlägst wie Kaneth."

Das ist der Tropfen der das Fass zum überlaufen bringt. Mit einem wortlosen Zischen, voller Wut darüber dass er mich so schnell so weit gebracht hat, springe ich auf und bevor er überhaupt begreift wie ihm geschieht bin ich heran und habe meine Beine um seine gehakt, so dass ich mit meinem vollen Gewicht ihm gegenüber, auf seinen von ihm gestreckten Knien ruhe. Diese plötzliche Nähe überrascht ihn augenscheinlich, denn sein Kopf zuckt automatisch zurück und kommt unsanft in Kontakt mit der Wand hinter ihm. In der Düsternis des abgedunkelten Zimmers kann ich seine Gesichtszüge nicht in aller Deutlichkeit erkennen, aber in seinen folgenden Worten liegt bereits mehr als nur ein bisschen Unsicherheit.

„Was soll das werden?" Fragt er vorsichtig und windet sich versuchsweise ein wenig um zu sehen ob er mich nicht doch abwerfen kann, aber da hat er keine Chance. Zu groß ist seine Schwäche, auch noch nachdem der Heiltrank seine Wirkung entfaltet hat. Ich ignoriere seine Frage einfach, bereits zu sehr gefangengenommen von der Aussicht endlich doch seine warme, lebendige Haut unter meinen Fingern zu fühlen und schiebe ungeduldig den störenden Stoff des Handtuchs beiseite.

„Hör sofort auf damit!" Verlangt Ainwe gepresst, aber mit einer Vehemenz die mir ein unerwartet gehässiges Lächeln entlockt.

„Ich habe dich gewarnt oder nicht?" Sage ich abwesend und erlaube mir langsam über seine entblößte Brust zu streicheln. Jeder einzelne Zentimeter ist eine Erleichterung für das schreckliche Drängen in meinem Inneren. Meine ganze Welt beschränkt sich auf dieses Wesen unter mir, die Wärme und Lebendigkeit die in ihm gebündelt sind und nach deren Nähe es mich so sehr verlangt.

„Das kannst du nicht machen!" Ungläubiges Entsetzen über mein Tun schwingt in seinem Ausruf mit.

„Glaubst du das kümmert mich jetzt noch?"

Weiches, kurzes Haar zwischen meinen Fingern an dem ich seinen Kopf zur Seite ziehe um meine Wange gegen die seine zu pressen und leise in sein Ohr zu flüstern: „Glaubst du es hat irgendwen gekümmert was ich wollte?"

Der Geruch der Seife mit der ich ihn gewaschen habe ist mir vertraut, doch vermischt mit seinem eigenen ergibt sich daraus etwas Neues und völlig ungewohntes, dass mich für einen Augenblick in seinen Bann zieht. Neugierig atme ich ihn ein und versuche zu ergründen welche Bestandteile er haben mag. Lavendel, Wasser und vielleicht etwas Moos entscheide ich und fahre mit der Zunge die Konturen seiner Ohrmuschel nach um herauszufinden ob der Geschmack hält was der Geruch verspricht. Ein befriedigendes Zucken durchfährt seinen Körper, den ich fest an mich ziehe um so viel von ihm zu fühlen wie möglich.

„Hör auf!"

Es ist halb Befehl halb Bitte, aber ich kann nicht, selbst wenn ich es trotz meiner Wut wollen würde.

„Keine Angst ich werde dir nicht wehtun." Wispere ich, wohlwissend dass diese Zusicherung ihn kaum trösten wird und schiebe meine eine Hand zwischen uns langsam nach unten, während ich die andere noch immer im blonden Haar vergraben halte. Meine Zunge fährt in der Parodie einer zärtlichen Liebkosung gierig weiter über Ohr, Nacken und Hals und der Geschmack und Geruch von frisch gewaschener Haut erfüllt meine Sinne. Noch ist er nicht erregt und die stumme, abwehrbereite Anspannung in seinen Muskeln zeigt deutlich wie wenig er diese erzwungene Nähe schätzt, aber ich habe hier genug gelernt um das auch gegen seinen Willen ändern zu können und schon bald erklingt ein stetiges nur halb unterdrücktes Keuchen und schließlich ein leises Aufschluchzen als Signal das es vorbei ist. Erst jetzt bringe ich genügend Selbstkontrolle auf um mich nach einem letzten federleichten Kuss auf die unwilligen Lippen von ihm zu lösen. Das Bedürfnis danach ihn zu Berühren ist noch immer stark, aber jetzt kann ich es wieder so weit unterdrücken, dass ich nicht danach handeln werde.

Tränen die noch nicht gefallen sind schimmern feucht in seinen Augen, voll Abneigung und Hass auf das was ich ihm aufgezwungen habe. Einen Akt der Nähe, der bei meinem Volk normalerweise nur mit der vollen Zustimmung aller Beteiligten vollzogen wird, von dem es bei uns eigentlich undenkbar ist ihn auf diese Weise zu begehen. Etwas das eigentlich ein Ausdruck der Liebe und Wertschätzung sein sollte habe ich mit meiner haltlosen Gier beschmutzt und grausam verdreht.

Für ihn muss dieser Zwang fast noch schlimmer sein als für mich, denn ich habe vom ersten Mal an nichts anderes gekannt als Unterwerfung, wohingegen er höchstwahrscheinlich in seinem Leben bereits Liebe empfunden und geteilt hat, etwas von dem ich nicht mehr glaube dass ich es noch kann sollte ich überhaupt je die Möglichkeit dazu bekommen. Unvermittelt steht mir das Bild von Aryeil vor Augen, von der ich glaubte ich würde sie lieben. Wie lange habe ich nicht mehr an sie gedacht? Es müssen bereits Monate sein, doch der Schmerz den ihr Verlust und der des Lebens das wir einst geteilt haben verursacht hat existiert noch immer tief in mir, begraben unter dem verzweifelten Willen mich nicht zu erinnern. Wenn das zuließe würde ich augenblicklich zerbrechen, dass weiß ich genau. Wie sehr muss ich noch verletzt werden bis ich endlich nichts mehr fühle, mich nicht mehr erinnern muss? Ärgerlich auf mich selbst verdränge ich die störenden Erinnerungen bevor sie überhand nehmen können.

In meinen Augen stehen ebenfalls Tränen und ich beweine still den letzten Rest meiner nun auf immer verlorenen Unschuld. So sehr ich ihn noch immer verabscheue, nach dieser Tat verstehe ich Ethin und das Verhalten das er mir gegenüber an den Tag legt. Ich werde letztendlich doch zu ihm gehen müssen denke ich zerstreut und wische die Spuren meiner Schwäche mit einer Ecke des Handtuchs von meinen Fingern, was Ainwe zu einem gebrochenen, aber heftigen: „Lass mich!" und einem ziellosen Fußtritt in meine Richtung veranlasst, der nichts als leere Luft trifft.

„Schlaf." Befehle ich mit aller Kälte die ich zusammenkratzen kann und rolle mich scheinbar ungerührt wieder auf meinem Platz neben dem Bett zusammen. Es ist besser wenn er nicht merkt wie sehr mich mein eigenes Handeln erschüttert hat. Jetzt wo ich wieder etwas klarer denken kann ist mir unbegreiflich wie ich dazu fähig sein konnte ihm dies anzutun und meine Schuld liegt wie ein großer, kalter Stein schwer in meinem Magen, wo sie ein qualvolles Gegengewicht zu dem konträren, stetig weiter wachsenden Bedürfnis in meinem Bewusstsein bildet. Ich weiß mit peinigender Klarheit dass ich es wieder tun würde, so sehr mir der Gedanke in diesem Moment auch widerstrebt und das bedeutet, dass ich nun wirklich auf Ethin angewiesen sein werde, ein Umstand bei dem ich an ohnmächtiger Ablehnung fast zu ersticken meine. Ist es das was er gefühlt hat bevor er so sehr abgestumpft ist, dass es ihn nicht mehr gekümmert hat welchen Schmerz er verursacht durch die rücksichtslose Befriedigung seines Verlangens?

Der nächste Abend zeigt nur allzu deutlich, dass Ainwe nicht gewillt ist sich je wieder freiwillig von mir berühren zu lassen und schließlich sehe ich mich dazu gezwungen die Fesseln an Händen und Füßen gewaltsam hinter seinem Rücken zusammen zu führen, so dass er sich kaum noch bewegen kann, bevor ich ihn recht unsanft mit mir in den Arbeitsraum zerre. Da er von Natur aus kräftiger ist als ich und sich verbissen wehrt brauche ich geschlagene zwei Stunden bis er dort ist wo ich ihn haben will. Danach sind wir beide mit diversen Schürfwunden und etlichen Blauen Flecken übersät und ich bin kurz davor ihm einen kräftigen Fußtritt zu verpassen oder vor Überforderung einfach in Tränen auszubrechen. In meiner Verbitterung beschließe ich ihm keine Kleidung zu geben als das Handtuch vom Vortag. Nicht das ich mir sicher bin ob er überhaupt etwas anderes von mir annehmen würde.

Der Vorwurf der glasklar in jeder einzelnen Kurve, jeder Bewegung seines Körpers zu lesen ist, entspricht dem was ich mir selbst vorhalte und ich wünsche mir nichts mehr als dieser Anklage entkommen zu können. Weil ich ihm nichts entgegen setzen kann schweige ich und versuche seine verstörende Präsenz so wenig wie möglich wahrzunehmen, was jedoch mit fortschreitender Zeit zunehmend schwieriger wird.

Diesmal befestige ich eine weitere Kette, die gerade lang genug ist um es ihm zu erlauben eine liegende Position einzunehmen nachdem ich ihm wieder etwas mehr Freiheit gewähre, an der Wand und schlinge sie um seinen Hals. Stur und stolz wie er ist wird er sich kaum von mir füttern lassen und so wird er wenigstens imstande sein selbst dass zu essen was ich ihm aus sicherer Distanz zuwerfe.

Ich bin insgeheim froh bei dem Gedanken daran, dass ich nur noch vier weitere Nächte unter seinem hasserfüllt vorwurfsvollen Blick verbringen muss, was meine Schuldgefühle natürlich nur vergrößert und meine Gedanken dazu bringt in einem immer wiederkehrenden Zirkel aus Abneigung und Bedauern zu kreisen.

Diese und die nächsten drei Nächte tue ich mein bestes um ihn und den stetigen Strom seiner Vorwürfe zu ignorieren. Nachdem er volle achtundvierzig Stunden fast nur geschwiegen und sich darauf beschränkt hat mich mit zornigem Gesicht anklagend anzustarren, beginnt er nämlich damit mich mit jeder Beleidigung zu belegen die ihm einfällt und von Anfang an tritt oder spuckt nach mir sobald ich in seine Nähe komme. Bräuchte ich ihn nicht so dringend, ich hätte schon nach der dritten Nacht einen möglichst schnellen, schmerzhaften Weg gefunden ihn auf der Stelle loszuwerden.

Ein Gutes hat sein Verhalten allerdings. Es hält mich effektiv davon ab ihm ein weiteres Mal zu nahe zu kommen, selbst wenn mich die Versuchung schon bald fast in den Wahnsinn treibt und meine Hände mit jeder Nacht stärker zittern lässt. Die Tatsache dass ich seiner Gegenwart genauso wenig entkommen kann wie er der meinen führt nach einer Weile dazu, dass seine Anklagen einen zunehmenden Trotz in mir hervorbringen. Ist mir nicht dasselbe geschehen wie ihm? Bin ich denn weniger wert als er, dass es von mir erwartet wird klaglos hinzunehmen wogegen er sich so sehr wehrt? Dieser Zwiespalt zwischen Wut und Schuld macht mir mehr und mehr zu schaffen, bis ich mir irgendwann einfach nur noch das Ende dieser Zeit herbeiwünsche.

Ich bin dankbar dass er wenigstens den Eimer benutzt den ich ihm gegeben habe um sich darin zu erleichtern, wenn ich nicht in der Nähe bin um ihn zu sehen. Ich hätte ihm durchaus zugetraut es aus Rachegefühlen heraus nicht zu tun. Wenigstens habe ich inzwischen die Gewissheit ihn nicht länger als die benötigten fünf Nächte am Leben erhalten zu müssen, denn laut einer Tabelle, die ich in einem unangenehm detaillierten Buch über Foltermethoden gefunden habe, enthält sein Körper mindestens sieben Liter Blut. Mehr als genug für meine Zwecke.

Heute ist es endlich soweit, die fünfte Nacht seit ich den verdammten Elf in diese Räume geholt habe. Bis auf diesen unseligen Trank mit der blutigen Zutat sind alle Aufgaben erledigt und die Angst mein Meister könnte jeden Augenblick erscheinen, die mich bereits seit Ablauf der zunächst geplanten zwei Wochen verfolgt legt sich ein wenig. Dafür wird mein Unwillen angesichts der Notwendigkeit Meister Geryn um die Hilfe seines Sklaven zu bitten mit jeder wachen Minute größer.

Es geht dabei gar nicht nur um die Leere und ihre Folgen, obwohl ich kaum glaube dass Ethin sich diese Chance entgehen lassen wird. Ich brauche ihn jedoch hauptsächlich um mir dabei zu helfen Ainwe still zu halten während ich sein Blut in die extra für diesen Zweck bereitgestellten Gefäße rinnen lasse, eine Aussicht die in mir inzwischen kaum noch Abscheu oder Schrecken hervorruft, so sehr wünsche ich mir ihn niemals wieder zu Gesicht zu bekommen. Wenn er tot ist wird meine Schuld vielleicht mit ihm sterben und ich kann vergessen was ich ihm angetan habe. Ich weiß dass diese Vorstellung unrealistisch ist und dennoch klammere ich mich daran während ich mit zusammengebissenen Zähnen versuche die Ohren vor seinen anklagenden Worten zu verschließen.

Voller innerlicher Abneigung mache ich mich langsam auf den Weg zum Frühstück um den Bitt-Besuch bei Meister Geryn noch ein klein wenig vor mir herzuschieben. Leider ist Ethin bereits anwesend als ich eintrete, was heißt dass ich der Konfrontation nicht mehr länger ausweichen kann. Meine dunkle Miene an sich scheint ihn bereits ungemein aufzuheitern, noch bevor ich überhaupt ein einziges Wort von mir gegeben habe und ich kann praktisch fühlen wie der beißende, grüne Blick mir beharrlich durch den Raum folgt als ich meinen Teller fülle und mich setze.

„So eine schlechte Laune heute." Bemerkt er voll herablassender, falscher Freundlichkeit. „Sehnsucht nach deinem Meister?"

Ich starre ihn einen Augenblick nur an bevor ich mich schließlich dazu bringen kann die Worte zu sagen. Ich hasse es, aber letztendlich führt kein Weg darum herum.

„Ich brauche deine Hilfe." Knirsche ich mühsam hervor. Allein dieser Satz fühlt sich bereits wie eine grausame Niederlage an und der ungezähmte Hunger der daraufhin in seinen Augen aufblitzt jagt mir kalte Schauer den Rücken hinunter. Das auf dem Fuße folgendes Grinsen wirkt auf mich mehr wie ein freudiges, blutgieriges Zähnefletschen. Ist dies das Bild, das Ainwe jetzt von mir hat? Ich halte das nicht für unmöglich, aber ob dem nun so ist oder nicht, denke ich gequält, ich verdiene es wahrscheinlich in jedem Fall wenn Ethin mich leiden lässt. Allein die Tatsache dass ich bald vorsätzlich töten werde rechtfertigt schon eine sehr viel härtere Vergeltung. Oder etwa nicht?

Andererseits ist Ainwe ein Krieger und hat im Gegensatz zu mir mit Sicherheit bereits selbst getötet. Spielt der Vorsatz eine so große Rolle? Er wäre in den Kerkern irgendwann sowieso gestorben, denn wer niemanden hat der bereit ist ein Lösegeld zu zahlen bleibt einfach so lange dort bis er unter den unerträglichen Bedingungen umkommt oder jemand nach einem neuen Sklaven sucht.

Die festen Grenzen zwischen Richtig und Falsch scheinen sich langsam aufzulösen seit ich hier bin, wo alle nach anderen Regeln leben als denen, die ich aus meiner Kindheit kenne und hauptsächlich das Recht des Stärkeren zählt. Daran dass ich es tun werde gibt es zu diesem Zeitpunkt allerdings in meinem Bewusstsein nicht den geringsten Zweifel. Mein anfängliches Zurückschrecken vor dem Gedanken ein Leben zu nehmen wird inzwischen zum größten Teil von dem inständigen Wunsch überschattet von seiner Gegenwart erlöst zu werden. Außerdem hat mein Meister mir befohlen den Trank zuzubereiten und darin ist für mich auch die Notwendigkeit dieser Tat eingeschlossen. Ihm nicht zu gehorchen, daran wage ich kaum noch zu denken.

„Wir werden meinen Meister um Erlaubnis fragen müssen." Bemerkt Ethin jetzt und unterbricht damit für den Augenblick den Monolog meiner moralischen Verwirrung, etwas wofür ich ihm fast dankbar bin, denn in den letzten Nächten scheine ich kaum noch fähig meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu richten.

„Wäre mir ja nicht im Traum eingefallen." Gebe ich missmutig zurück und beobachte anschließend fasziniert wie er sich bereits bei dieser lapidaren und keinesfalls ernstgemeinten Andeutung der Ungehorsamkeit für Sekundenbruchteile automatisch in instinktiver Abwehr versteift.

„Haha, sehr witzig." Er erhebt sich. „Kommst du?"

„Ich esse noch."

Eine glatte Untertreibung. In Wahrheit habe ich noch nicht einmal damit angefangen.

„Und?" Seine Zurschaustellung absoluten Desinteresses ist geradezu beeindruckend. „Ich dachte du bräuchtest meine Hilfe."

Da er bei diesen Worten bereits auf dem Weg zur Tür ist, fluche ich nur still vor mich hin und stopfe mir schnell einen Apfel in die Tasche bevor ich hinter ihm her haste.

„Ich kann später jederzeit wiederkommen." Zische ich ihn böse an, nachdem ich ihn eingeholt habe, damit er nicht am Ende noch glaubt einen Sieg errungen zu haben in diesem inoffiziellen Kleinkrieg den wir beide so leidenschaftlich führen.

„Aber nur wenn dein Herr nicht in der Zwischenzeit hier erscheint." Antwortet er selbstzufrieden. Weiß er mehr darüber als ich? Schnell schiebe ich die leise Besorgnis beiseite die seine Aussage in mir hervorruft und hole zum Gegenschlag aus.

„Dann bräuchte ich aber auch deine Hilfe nicht mehr."

„Heute vielleicht nicht, aber ich kann warten."

Den Eindruck macht er mir in diesem Moment nicht, allerdings ist er auch sehr viel schwerer einzuschätzen als etwa Ainwe der mit seinen Gefühlen kaum hinter dem Berg hält. Im Gegensatz zu ihm ist Ethin ungefähr so aufschlussreich wie ein Felsbrocken. Ich beschließe seine Behauptung einfach zu ignorieren und da er nichts nachsetzt legen wir den Rest des Weges in Stille zurück.

Meister Geryn scheint nicht im Mindesten überrascht mich zu sehen und nachdem er mich eine Weile durchdringend angestarrt hat, als suche er ähnlich wie mein Herr nach körperlichen Anzeichen für meinen inneren Zustand bemerkt er nur kritisch: „Du kommst spät Junge. Du solltest das nächste Mal nicht erst bis kurz vor dem Zusammenbruch warten."

An seinen eigenen Sklaven gewandt sagt er noch: „Du darfst dir Zeit lassen. Ich werde dich heute nicht mehr benötigen."

Dann sind sowohl ich als auch Ethin mit einer nachlässigen Geste in Richtung Tür entlassen. Kurz bevor wir wieder am Essensraum vorbeikommen treffen wir auf Ciel, der mir unauffällig einen mitleidigen Blick zuwirft, uns aber ansonsten ignoriert und erst jetzt fällt mir ein dass ich Ethin lieber vorwarnen sollte, damit er sich nicht einfach auf mich stürzt sobald wir die Tür hinter uns geschlossen haben, auch wenn ich diese Vorgehensweise im Augenblick sogar ein klein wenig reizvoller finde als die Aussicht auf das letzte fatale Zusammentreffen mit Ainwe. Wenigstens habe ich bei Ethin die Gewissheit dass mich danach auf keinen Fall lästige Schuldgefühle plagen werden. Der Eingang ist bereits in Sichtweite, jetzt oder nie.

„Ethin." Ich bleibe unvermittelt stehen, was ihn dazu veranlasst es mir mit einem ungeduldigen Schnauben gleichzutun.

„Was?" Fragt er scharf, bevor ich überhaupt ein einziges Wort hervorgebracht habe.

„Du…", ich stocke. Auf einmal fehlen mir die Worte um zu erklären was ich vorhabe, auch wenn ich mich an den Gedanken einigermaßen gewöhnt habe, es auszusprechen ist ungleich schwieriger wie ich auf einmal feststellen muss. „Wenn wir gleich… also vorher…"

„WAS?"

Er sieht aus als würde er mich jede Sekunde aus dem Stand anspringen. Nervös beiße ich mir auf die Lippe.

„Ich brauche erst noch das Blut." Stoße ich hastig hervor, bevor er vollends die Geduld verliert und ich gar keine Chance mehr habe mich zu erklären.

„Blut? Wessen Blut?"

Eindeutiges Misstrauen klingt aus seiner Frage heraus.

„Nicht deins Idiot." Erkläre ich, wütend sowohl auf ihn als auch auf meine Unfähigkeit mich angemessen verständlich zu machen und das Gewissen das mich so unerwartet doch noch behindert. „Halte dich einfach nur einen Moment zurück und ich zeige es dir."

Damit stürme ich wieder los in Richtung Tür, in der schwachen Hoffnung dass er tun wird was ich verlangt habe. Doch bevor ich sie aufreiße halte ich plötzlich inne. Als ich mich auf den Weg zum Frühstück gemacht habe, lag Ainwe noch friedlich schlafend am Boden im Arbeitsraum und nachdem ich nun schon mehr als genug von seinen Schimpftiraden ertragen musste hoffe ich diesen angenehm stillen Zustand so lange wie möglich erhalten zu können. Ich habe ihn nach dem ersten unglückseligen Tag dort gelassen. Ein Arrangement mit dem wir beide am glücklichsten sind, wie ich denke. Einen Finger an meine Lippen gelegt bedeute ich dem inzwischen völlig verwirrten Ethin sich leise zu verhalten, drücke behutsam die Klinke herunter und trete vorsichtig in den Raum.

Nichts ist zu hören und natürlich auch nicht zu sehen. Dieser Umstand veranlasst meinen Begleiter dazu mit einem für meine Begriffe viel zu lauten Geräusch die Tür hinter uns zu schließen. Ich zucke zusammen. Ainwe hat erfahrungsgemäß einen sehr leichten Schlaf. Wenn er vorher nicht wach war dann ist er es jetzt auf jeden Fall. Und wirklich kaum das Ethin den Mund geöffnet hat um unwirsch zu fragen warum um alles in der Welt ich solche Umstände gemacht habe, ertönt es bereits anklagend aus dem Arbeitsraum: „Bist du also wieder da elender Feigling!"

Blonde Augenbrauen schießen fast bis zu seinem Haaransatz hoch.

„Wer ist das?" Fragt er überrascht und für den Moment abgelenkt von seinen eigentlichen Absichten. Wenigstens besitzt er dabei die Geistesgegenwart leise zu sprechen.

„Ainwe." Erkläre ich ebenso leise, aber sehr viel mürrischer und langsam scheint er zu verstehen.

„Sein Blut?"

Ich nicke müde.

„Sechs Liter. Du musst mir helfen ihn festzuhalten. Er ist zu stark für mich."

Ein wenig unsicher warte ich ab wie er diese Neuigkeit aufnehmen wird und bin ausnahmsweise erleichtert ob seiner eiskalten Skrupellosigkeit, denn alles was er mit entnervter Miene erwidert ist: „Und deshalb machst du so ein Theater?" Wonach er ohne weiteres auf den Arbeitsraum zumarschiert. Uns beiden steht jedoch eine Überraschung bevor, denn kaum ist Ethin vor mir durch den Eingang getreten ertönt ein fassungsloses Keuchen von Ainwe.

„Kommandant Sestrainie?! Was tut ihr denn hier?"