Disclaimer: Siehe letztes Kapitel
A/N: Nachdem ich so überzeugt war dass ein Körper ungefähr acht Liter Blut enthält und diese Menge dann für einen Elfen gewissenhaft ein wenig reduziert habe, wurde mir letztens gesagt dem wäre gar nicht so: Ein Mensch hätte nur etwa vier bis fünf Liter Blut. Ich hoffe einfach mal ihr werdet mir diesen kleinen Fehler nachsehen.
Den Namen Lenwe habe ich in irgendeinem Fanfic gelesen und liebgewonnen. Leider weiß ich nicht mehr in welchem, wenn also jemand protestieren möchte gegen meine ungefragte Benutzung dann würde ich natürlich alles noch mal ändern.
Warnung: Geht wieder etwas sehr unsanft zu zwischen Evoe und Ethin. Nicht zu vergessen der Mord den die beiden ausführen (müssen). Naja ich schätze mal wer bis hier hin gekommen ist, der kann dass wohl aushalten.
Lenwe
Ethin bleibt auf der Stelle wie angewurzelt stehen, so dass ich stracks in ihn hineinlaufe. Trotz allem was ich bereits von ihm erlebt habe bin ich doch nicht wirklich darauf vorbereitet dass er mich als nächstes am Kragen packt, zu Boden wirft und mir das erstbeste Messer an den Hals setzt.
„Wo hast du ihn her?" Fragt er mit einem Gesichtsausdruck so gejagt und panisch als säße ihm ein leibhaftiger Drachen im Nacken.
„Kerker." Krächze ich, darauf bedacht mich so wenig wie möglich zu bewegen. Der unerwartete Aufprall hat mir die Luft aus den Lungen getrieben und für einen Moment sehe ich nur noch wirr flirrende Lichtfunken vor meinen Augen.
„Ko…", Ainwe bricht verwirrt mitten im Wort ab nur um wieder anzusetzen. „Wartet, ihr seid nicht der Kommandant. Wer seid ihr?"
Ethin ignoriert ihn und presst die scharfe Klinge noch ein wenig dichter an meine Kehle.
„Wer hat ihn dir gegeben?"
„Kaneth." Mittlerweile ist genug Zeit vergangen, dass meine Gefühle den rapiden Fluss der Ereignisse eingeholt haben und langsam aber sicher steigt in mir die Panik hoch.
„Der Einäugige?"
„JA!"
Bei diesen Worten entspannt der gefährliche Goldelf auf meinem Brustkorb sich ein wenig, lässt das Messer jedoch vorerst dort wo es ist, während er nun seine Aufmerksamkeit dem Gefangenen zuwendet.
„Bis du im Kampf gefangengenommen worden?" Will er barsch wissen.
„Bin ich. Vor vier Monaten glaube ich."
„Mit Kommandant meinst du da Elavelynral Sestrainie?" Fragt Ethin knapp weiter. Ainwe nickt benommen, offenbar ein wenig überrumpelt von den Geschehnissen.
„Ihr seht aus wie er, aber doch wieder nicht. Wie ist das möglich?" Will er unsicher wissen.
„Natürlich sehe ich aus wie er." Zischt Ethin ihm mit der gesammelten Bitterkeit von über einem Jahrhundert der Sklaverei entgegen. „Der nutzlose Bastard ist ja auch mein Zwillingsbruder."
Diese Enthüllung ruft sowohl bei Ainwe als auch bei mir ein fassungsloses: „Was?!" Hervor.
Ich kann es kaum glauben, Ethin ist ein Sestrainie? Im Lichte dieser Information fällt alles zusammen. Entreri's geheimnisvoller Besuch mit dem, wie ich jetzt annehme, Angebot ihn freizukaufen, die Einflussnahme auf den Konflikt alles ergibt einen Sinn. Eine im Bezug auf Ethin bisher völlig unbekannte Emotion überkommt mich als ich die Zusammenhänge begreife. Neid, blinder, heißglühender und irrationaler Neid. Er hat jemanden der willens und imstande ist Risiken einzugehen um ihn zu befreien, während ich ohne jegliche Hoffnung hier festsitze! Es ist so ungerecht, dass ich platzen könnte. Dieses Gefühl ist es in der Hauptsache, das mich in diesem Moment schweigen lässt über das was ich weiß. Besonders, weil im selben Augenblick wo ich dies denke eine Welle von Schuldgefühlen und Ängsten auf mich einströmt. Was würde mein Meister von diesen Empfindungen halten? Ist es nicht ein Verrat an ihm so zu denken?
„Es ist ohnehin bedeutungslos." Fährt der Elf über mir nun heftig, mit tief gerunzelter Stirn fort. „Von mir aus sollen sie alle verrecken. Keiner aus meiner teuren Familie hat jemals einen Finger gerührt um mir zu helfen."
„Aber es wurde damals allgemein angenommen dass ihr tot seid!" Protestiert Ainwe. „Soweit ich weiß hat man nach dem Überfall nur grausam verstümmelte Leichen gefunden, die durch niemanden mehr zu identifizieren waren."
Ich schweige weiter, mit einem wachsenden Gefühl boshafter Befriedigung, weil Ethin keine Ahnung hat das es sehr wohl einen Versuch gab ihn zu befreien.
„Falsch." Entgegnet er mit einer Kälte die bei mir eine Gänsehaut verursacht, obwohl seine Worte gar nicht direkt an mich gerichtet sind. „Lenwe zum Beispiel wusste die ganze Zeit sehr genau was geschehen ist. Er hat mich schließlich nach dem, übrigens von ihm eingefädelten Überfall, den Drow überlassen."
Angesichts dieser Anschuldigung kann Ainwe nur hilflos den Kopf schütteln.
„Das wäre doch Verrat!" Bringt er schwach hervor, plötzlich ganz ohne den üblichen Trotz und Kampfgeist. „Das könnte jemand wie er niemals tun."
Da der lebendige Beweis dieses angeblichen Verrats im Augenblick vor ihm sitzt haben seine Argumente nicht unbedingt eine große Überzeugungskraft. Es sieht ganz so aus als hätte Ethin gerade mit ein paar einfachen Worten seine ganze festgefügte Glaubenswelt demontiert.
„Könnte er nicht?"
Sadistische Freude blitzt in den grünen Augen auf als er in der seelischen Wunde des Anderen bohrt. „Dein geliebter Lenwe kann noch ganz andere Dinge glaub mir. Du kennst ihn vielleicht als den ehrwürdigen Berater oder gebildeten Lehrer, aber hinter seiner Fassade ist er völlig ohne Gewissen. Soll ich dir davon erzählen damit du erkennst was für ein eiskalter Mörder er in Wirklichkeit ist?"
„Nein!" Stößt Ainwe verzweifelt hervor in einem letzten, sinnlosen Versuch seine heile Welt zu bewahren, doch Ethin fährt bereits unbarmherzig fort.
„Es war ursprünglich ausgehandelt dass sie mich wegbringen und töten. Lenwe hat es ausdrücklich verlangt, aber trügerisch wie Drow nun mal sind haben sie mich einfach an den weitergegeben der ihnen einen höheren Preis geboten hat. Das war mein Herr und seitdem bin ich hier in dieser verfluchten Stadt."
Die über lange Jahrzehnte angestaute Wut und der pure Hass der mittlerweile überdeutlich aus seinen Worten herausklingt geben mir die Gewissheit dass er die Wahrheit sagt und ich frage mich ob er sich meiner Anwesenheit überhaupt noch bewusst ist, da ich kaum erwartet hätte dass er sich jemals so weit offenbart. Jetzt verstehe ich auch die Panik in seinem Blick besser, denn wenn dieser Lenwe herausgefunden hat, dass sein damaliger Plan nicht vollständig ausgeführt worden ist hätte er möglicherweise einen weiteren Versuch machen können zu vollenden was er vor etwas mehr als einem Jahrhundert begann. Diese Tatsache macht mein Wissen noch bedeutungsvoller und insgeheim hoffe ich fast, dass er es war, der Entreri hergeschickt hat.
„Du lügst doch!" Ruft Ainwe, aber ich kann bereits die beginnenden Zweifel bereits deutlich hören und wenn ich das kann, dann kann Ethin es ebenfalls.
„Tue ich das?" Er lacht. „Nein, es wird sogar noch besser! Hast du schon einmal auf seine Lehrlinge geachtet? Überaus hübsch. Jeder einzelne von ihnen und alle höchst geehrt wenn er verlangt dass sie sich ihm unterwerfen und die Beine Breit machen."
„Nein! Du lügst, du lügst! Wie kannst du so etwas behaupten?" Ainwes Stimme ist inzwischen fast zu einem Schrei angestiegen. Ethin lässt sich davon nicht im Geringsten aus der Ruhe bringen, auch wenn in seinem nächsten Satz mit eine gute Portion Bitterkeit liegt: „Es ist die Wahrheit und hätte ich sie nicht entdeckt und ihn damit konfrontiert, dann wäre ich heute nicht hier. Ich war idealistisch damals und dumm." Er holt tief Luft, bevor er Zähneknirschend fortfährt: „Und wenn mir diese heuchlerische Schlange jemals wieder unter die Augen kommen sollte, dann sorge ich dafür dass er leidet wie ein Tier."
Damit schließt er fürs erste seine Ausführungen und schaut nun befriedigt zu wie unter monoton verzweifeltem Kopfschütteln langsam die Tränen über Ainwes Wangen rollen und er leise schluchzt. Was weder die Gefangenschaft und Gewalt in den Kerkern noch mein eigener Übergriff erreicht haben, hat Ethin mit wenigen Sätzen im Handumdrehen geschafft. Der stolze, störrische und unbeugsame Krieger Ainwe bricht schließlich zusammen. Ich hätte nicht gedacht dass ich das je erleben würde. Kurz wundere ich mich darüber, dass er offensichtlich, trotz seiner Proteste, bereit ist Ethins Worten Glauben zu schenken, aber dann wird mir klar, dass er ja bis vor kurzem noch in einem völlig anderen Umfeld gelebt hat als ich, in einem wo man nicht jedes Wort seines Gegenübers auf eine mögliche Lüge oder Halbwahrheit untersuchen muss. Mitleid kann ich jedoch nicht aufbringen für ihn, wie ich mit leichtem Unbehagen angesichts meiner eigenen Kälte bemerke. Ich bin nur froh dass er endlich schweigt und aufgehört hat mich permanent mit Anschuldigungen zu überziehen.
„Und wo wir gerade so schön am Geschichtenerzählen sind", wendet Ethin sich auf einmal wieder mir zu. „Was hält wohl deine Familie davon wie du deine Zeit hier verbringst Kleiner?"
Erleichtert dass er jetzt wenigstens endlich das Messer beiseite gelegt hat sage ich nur kühl: „Gar nichts hält sie davon. Sie sind alle tot."
„Wirklich?" Das aufgesetzte Mitleid trieft praktisch von diesem einen Wort. „Alle? Keiner mehr da der sich um dich sorgt?"
„Ethin!" Raunze ich ihn entnervt an, da mir inzwischen schon fast egal ist was er mit mir tun wird solange ich es nur schaffe aus dieser surrealen Situation herauszukommen ohne meine bereits angegriffene Selbstkontrolle zu verlieren. „Hör auf mich zu langweilen und geh endlich von mir runter bevor ich mich gar nicht mehr beherrschen kann und wir es nicht schaffen rechtzeitig fertig zu werden."
Er bricht zunächst nur in lautes Gelächter aus, was mich wieder daran erinnert dass ich eigentlich der festen Meinung bin dass er absolut wahnsinnig ist, dann bricht er unvermittelt ab und steht nun doch auf. Ich bin froh darum. Wenn es bereits so weit ist dass ich selbst seiner Nähe kaum noch widerstehen kann wird es höchste Zeit dies zuende zu bringen.
„So schnell bist du kalt geworden."
Ich ziehe es vor diese Aussage, die leider viel zu sehr der Wahrheit entspricht, nicht zu beachten und deute auf Ainwe.
„Wie gehen wir am besten vor?"
Zugegeben, ich habe es bis jetzt vermieden mir Gedanken über die praktische Ausführung dieser Tat zu machen, aber vielleicht brauche ich das ja gar nicht und Ethin nimmt es mir ab in seiner Ungeduld endlich zum Wesentlichen zu kommen. Ainwe hat trotz seiner Verstörung aus dem Augenwinkel meine Handbewegung wahrgenommen und ruft alarmiert: „Fass mich bloß nicht wieder an, hörst du!"
Ich schließe kurz die Augen, drehe mich dann zu ihm um und schreie mit der ganzen angestauten Frustration der letzten Nächte: „Halt endlich deine verdammte Klappe! Sonst werde ich noch ganz andere Dinge mit dir tun. Hast du verstanden?"
Überrascht einen solch ungewöhnlichen Ausbruch von mir zu sehen schaut Ethin mich für eine Sekunde nur erstaunt an, dann registriert er offenbar was es ist das gerade gesagt wurde und bricht auf der Stelle wieder in schallendes Gelächter aus.
„Das ist nicht witzig!" Herrsche ich ihn unfreundlich an als es mir schließlich zu viel wird.
„Doch, oh doch und wie." Gluckst er, scheint sich jedoch einigermaßen zu beruhigen. „Die Vorstellung das jemand der so zart und zimperlich ist wie du einen ausgewachsenen Krieger dazu bringt vor ihm Angst zu haben ist einfach unbezahlbar." Erklärt er immer noch grinsend, woraufhin Ainwe nun auf einmal wütend wird und behauptet: „Ich habe keine Angst vor dem da!"
„Doch hast du." Sagt Ethin gelassen und verursacht damit ein interessantes Ausbreiten von zorniger Röte im Gesicht des anderen Goldelfen, auf dem die Tränen des vorigen Schocks noch deutlich zu sehen sind.
„Habe ich NICHT!"
„Dann beweis es mir und küss ihn."
„Das geht nicht." Schalte ich mich ungeduldig ein. „Du weißt genau was dann passiert."
„Und? Vielleicht ist es ja genau dass was ich sehen will."
Ich mag das erwartungsvolle Glitzern das bei diesen Worten in seine Augen tritt überhaupt nicht. Mein Blick wandert automatisch zu der Stelle wo zwischen uns auf dem Tisch noch immer das Messer liegt, das ich noch vor kurzen an meiner Kehle gespürt habe und mit dem ich sonst lediglich die Zutaten für Tränke klein schneide. Nur Sekundenbruchteile zu spät landet meine Hand an dem plötzlich leeren Fleck und bevor ich mich versehe hält Ethin es Ainwe an den Hals, der auf einmal ganz still wird.
„Das riskierst du nicht." Behaupte ich angespannt. „Du wirst ebenfalls bestraft werden."
„Sicher, aber ich werde es überleben. So wie alle Strafen davor auch."
Es scheint ihn kaum zu berühren was uns bevorsteht wenn er auf diese Weise meinem Auftrag sabotiert. Vor meinem inneren Auge sehe ich bereits das kostbare Blut vergeudet über den rauen Steinboden des Zimmers fließen und alles in mir wehrt sich gegen den Gedanken das die ganze Mühe und Anstrengung umsonst gewesen sein soll. Aber ich weiß genau dass ich alle Beherrschung verlieren werde wenn ich zulasse dass er seinen Willen bekommt.
„Nein!" Grolle ich ihn an. „Hör sofort auf damit!"
„Komm her. Die Hände auf den Rücken."
Wäre es denn so schlimm, frage ich mich auf einmal angesichts der ersten Blutstropfen die bereits an Ainwes Kehle hinabrinnen. Es ist schließlich nicht gesagt dass mein Meister wirklich heute zurückkommt und ich es nicht doch schaffe rechtzeitig fertig zu werden. Am schlimmsten wäre es immer noch wenn ich den Fall von Ainwes nutzlosem Tod meinem Herrn erklären müsste. Ich kann seine missbilligende Miene praktisch schon vor mir sehen. Innerlich haltlos fluchend tue ich den ersten Schritt.
„Hände auf den Rücken!"
„Bastard!" Zische ich, gehorche aber und gehe weiter.
„Knie dich vor ihn."
Auch das tue ich und finde mich konfrontiert mit panisch flackernden Kastanienaugen.
„Neeein." Stöhnt unser Gefangener gequält auf, als ihm klar wird was nun bevorsteht. Die Klinge an seinem Hals hält ihn jedoch von weiterem Widerstand ab. Ich selbst fange bereits jetzt an leicht zu zittern von der Anstrengung mich weiter zurückzuhalten, wo er so nah und einladend vor mir präsentiert wird. Der Geruch seiner Angst gibt mir ein erschreckendes, aber gleichzeitig fesselndes Gefühl von Macht, obwohl ich in diesem Moment alles andere als in Kontrolle bin. Dies ist der letzte Augenblick an dem ich mich noch abwenden könnte. Danach wird es unwiderruflich zu spät sein. Ainwe, völlig überfordert von dem kürzlich Geschehenen, wimmert nur leise. Neue Tränen bahnen sich ihren Weg über erblasste Wangen.
„Bitte nicht." Fleht er mich heiser an, doch ich kann gleichzeitig Resignation in seinen Augen sehen als er erkennt wie wenig mich sein Bitten noch berührt.
„Siehst du, du hast doch Angst." Verkündet Ethin Schadenfroh, bevor ich langsam eine Hand hebe und sachte mit dem Daumen die salzige Nässe wegwische. Aus dem Augenwinkel registriere ich beiläufig wie Ethin mich gebannt anstarrt, bin jedoch bald wieder völlig auf die Empfindung konzentriert die sich prickelnd durch meine Fingerspitzen in meinen ganzen Körper ausbreitet. Mehr! Ich brauche mehr! Schweiß -und Tränenfeuchte Haut und Haare unter meinen wandernden Händen, nicht mehr so weich wie zuvor, nach den fünf Tagen und Nächten die Ainwe hier angekettet verbracht hat, aber das kümmert mich in diesem Moment nicht.
Der Elf vor mir wehrt sich nicht, auch als Ethin das Messer von seinem Hals entfernt. Er hat bereits aufgegeben, sein Willen zum Widerstand erschöpft angesichts der harten Wahrheiten die ihm hier entgegengeschleudert worden sind. So schnell und vollständig besiegt. Wie schwach, denke ich für einen Augenblick herablassend, nur um ihn gleich darauf zu beneiden, darum dass er, anders als ich, aufgeben kann und im Tod Erlösung finden wird.
Mein eigener Atem beschleunigt sich zusehends, während der von Ainwe eine unregelmäßige, stockende Qualität bekommt und er die Augen vor dem verschließt was nun auf ihn zukommt. Wie in Trance finden meine Lippen die seinen. Nicht einmal das scheint ihn aus seiner seltsamen Starre zu reißen. Auf Ethin dagegen hat es überraschenderweise einen Effekt.
„Stop!" Knurrt er mich wütend von der Seite an. „Hör auf! Sofort!"
Wie stellt er sich das vor? Aber seine Stimme scheint ohnehin bereits eine Sekunde später nur ein undeutliches, unwichtiges Hintergrundgeräusch zu sein, dem ich kaum noch einen Sinn abgewinnen kann. Ich ignoriere ihn. Dies ist das Resultat seiner eigenen Taten, soll er doch sehen wie er jetzt damit zurechtkommt. Was ich in diesem Moment in meinem umnebelten Gehirn leider verdrängt habe ist der Fakt, dass Ethin niemand ist der sich einfach von mir ignorieren lässt. Diese Tatsache wird mir kurze Zeit später wieder unangenehm hart ins Bewusstsein gerückt, als sich zwei Hände mit festem Griff um meinen Hals schließen und mich ruckartig und unbarmherzig nach hinten zerren bis ich mit meinem Rücken auf dem kalten, unebenen Steinboden des Arbeitsraumes liege, einen äußerst ärgerlich dreinschauenden Goldelfen über mir.
Überraschenderweise bin ich in diesem Augenblick eher zornig als dass ich Angst vor ihm hätte. All mein Wollen ist so sehr auf Ainwe gerichtet, dass ich sein rüdes Eingreifen als ungeheuer ungerecht empfinde. Dieser Zorn wächst noch angesichts seines anklagenden: „Hatte ich nicht gesagt du sollst aufhören?"
„Was hast du denn erwartet du Idiot?" Fauche ich und versuche jetzt mich aus seinem Griff herauszuwinden, woraufhin er mir jedoch mit kräftigen Fingern die Luft abdrückt. Voll ohnmächtiger Wut liege ich wieder still.
„Deine eigene Schuld wenn du mich dazu zwingst, obwohl du genau weißt was passieren wird." Halte ich ihm keuchend, mit kratziger Stimme vor sobald er seinen Griff zu meinen Handgelenken transferiert hat und ich wieder genug Luft bekomme um sprechen zu können.
Er zischt, offensichtlich habe ich es wieder einmal geschafft ihn wirklich bis zur Weißglut zu treiben und rammt mir heftig sein Knie in den Magen. Stöhnend vor Schmerzen versuche ich mich automatisch zusammenzukrümmen, was natürlich nicht gelingt, da er immer noch über mir hockt, die grünen Augen grausam funkelnd und die Zähne gebleckt wie ein knurrender Wolf.
Wie wünsche ich mir ihn spüren zu lassen was ich bereits gelernt habe. Feuer, Blitz und Eis. Agonie geboren aus ein paar einfachen Worten und Gesten, mein Meister hat es jedoch verboten. Hätte er das nicht, würde ich Ethin jetzt wahrscheinlich umbringen. Aber es muss einen Weg geben ihn zu verletzen! Ich weiß dass er stärker ist als ich oder zumindest geschickter wenn es um direkte körperliche Auseinandersetzungen geht. Das blinde Bedürfnis nach ihm zu schlagen bringt mich fast um den Verstand und ein frustriertes Knurren kommt über meine Lippen. Nun gut, wenn es physisch nicht geht dann vielleicht verbal. Irgendeine Möglichkeit muss es einfach geben!
„Sag bloß du bist eifersüchtig." Schleudere ich ihm, in dem hilflosen Versuch ihn irgendwie zu verwunden, die erstbeste provokante These entgegen die mir in den Sinn kommt. Nachdem ich sie laut ausgesprochen höre finde ich die Idee an sich schon lächerlich, doch Ethin erstarrt für einen winzigen Augenblick. Lang genug um mich weiter bohren zu lassen.
„Hast du etwa erwartet dass ich dich ihm vorziehen würde?" Mein folgendes Lachen ist trotz der schmerzenden Kehle schneidend, denn die plötzliche Spannung seiner Muskeln an meinen Flanken zeigt mir trotz des unveränderten Gesichtsausdrucks dass ich auf dem richtigen Weg bin. „Habe ich dir nicht vor kurzem erst gesagt, dass ich sogar einen Ork dir vorziehen würde? Wie du siehst habe ich etwas Besseres gefunden!"
Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich ihn mit diesem Worten praktisch dazu nötige mich hier und jetzt zur Unterwerfung zu zwingen. Aber nun wo ich erkannt habe, dass er eine Schwäche hat und sei es nur vorrübergehend, ist mir der Schmerz den dies mit sich bringen wird weniger wichtig als das Gefühl ihm endlich einmal ein wenig überlegen zu sein. Diesen Preis musste ich schließlich schon früher zahlen und das ohne die Befriedigung zu gehabt zu haben bewusst seine Handlungen zu lenken.
Wie erwartet treiben ihn meine Worte über die Grenze der Zurückhaltung und ich finde mich brutal herumgedreht, während er meinen Kopf zu Boden presst, so dass der grobe Steinboden unsanft über meine Wange scheuert. Der Fluch des Messers ist in dieser Situation ausnahmsweise einmal fast ein Segen, denn der unkontrollierbare Hunger nach Kontakt lässt mich selbst auf diesen gewalttätigen Umgang mit dem Wunsch nach mehr reagieren. Es ist als würden sich zwei Individuen gleichzeitig in meinem Körper befinden von denen einer danach giert dass Ethin mit seinem Tun fortfährt, so erniedrigend und schmerzhaft es auch sein mag und der andere in wilder Abscheu aufschreit, während er hilflos hinter den unüberwindbaren Grenzen des Fluches festsitzt, unfähig sich zu befreien und verzweifelt an den Barrieren in meinem Geist kratzt.
Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach Gegenwehr und dem Bedürfnis zur Intensivierung des Kontakts bleibe ich zunächst passiv als Ethin mir mit rauen, hastigen Bewegungen die Tunika den Rücken hochschiebt. Erst als er schließlich rücksichtslos in mich eindringt schreie ich doch noch auf vor Schmerz und versuche verspätet mich loszureißen. Das funktioniert natürlich nicht, verschlimmert nur das heftige Brennen und bringt mir einen kräftigen Schlag in die Seite ein, der mir Sterne vor den Augen flimmern lässt und mir sekundenlang die Luft zum atmen nimmt. Es ist zu viel. Das halte ich nicht aus. Ich hatte das wahre Ausmaß der Schmerzen wohl schon verdrängt. Jetzt bedauere ich sehr ihn so weit getrieben zu haben, dass mir nichts übrig bleibt als mich zu winden und meine Pein herauszuschreien! Wie konnte ich nur so dumm sein? Auch wenn mir die Zeit bis er endlich zum Ende kommt unendlich lang erscheint, weiß ich dass es nicht mehr als ein paar wenige Minuten gewesen sein können.
Leise stöhnend versuche ich instinktiv mich schließlich zusammenzurollen um seiner Gegenwart zu entkommen, aber er lässt mich auch jetzt nicht und zwingt mich herum bis ich wieder ausgestreckt auf dem Rücken liege und er breitbeinig über mir kniet. Offenbar will er seine Überlegenheit bis zum Letzten auskosten, denn er weiß dass ich in diesem Zustand trotz der schrecklichen Schmerzen immer noch empfänglich für Berührung bin.
„Keine Angst Kleiner." Keucht er mir gehässig ins Ohr. „Das nächste Mal besorge ich dir vielleicht wirklich einen Ork. Alles nur damit du zufrieden bist."
Am liebsten würde ich ihm sagen er solle sich ins nächstbeste Schwert stürzen, aber aus meinem Mund entkommt nur ein erschöpftes, erniedrigtes Wimmern und ich schaffe es nicht einmal mehr meinen Kopf wegzudrehen als er langsam über meine Wange streichelt. Meine Tränen fließen ungehemmt, aber ich bemerke es kaum und lasse apathisch zu dass er mich, ganz entgegen seiner üblichen brutalen Art, sacht streichelt. Seine Finger sanft über jede einzelne Rippe gleiten lässt wo er nur kurz zuvor hart zugeschlagen hat. Vielleicht kann man sogar schon den beginnenden Bluterguss dort erkennen, knapp unter meinem Brustkorb. Ich bringe jedoch nicht die Energie auf den Kopf zu heben um nachzuschauen und versuche stattdessen mit zitterndem Atem und geschlossenen Augen so still zu liegen wie irgend möglich, damit die Schmerzen nicht noch größer werden. Hände die sich über meinen Bauch, meine Oberschenkel bewegen, so vorsichtig und behutsam, fast als hätte er Angst mich zu verletzen. Dieser Gedanke ist so absurd, dass ich beinahe lachen muss, ein irres, verzweifeltes Lachen, dass ich gerade noch zurückhalte, weil ich mir nicht sicher bin ob ich je wieder aufhören könnte sollte ich mich ihm einmal ergeben. Den Umstand von Ainwes Anwesenheit habe ich für den Moment völlig vergessen.
„Du solltest mich nicht so reizen."
Was?! Ethin hat so leise und ernsthaft gesprochen, dass ich versucht bin anzunehmen die letzten Worte kämen gar nicht aus seinem Mund. Überrascht reiße ich nun doch die Augen auf und starre ihn fassungslos an.
„Dies alles könnte viel leichter sein. Du musst nur lernen dich einfach zu fügen." Fährt er im selben Ton fort.
„Du bist ja Irre." Krächze ich entgeistert und rufe damit ein ehrlich amüsiertes Lächeln hervor, bei dem es mir kalt den Rücken hinunterläuft.
„Mag sein und du bist stur."
Was soll ich darauf noch erwidern? Im Grunde hat er ja sogar Recht. Ich bin stur. Schwach aber stur, sonst wäre ich bereits nicht mehr am Leben. Unwillig seine Gegenwart weiterhin zur Kenntnis zu nehmen schließe ich die Augen. Ein erbärmlicher Versuch ihn zu ignorieren, aber zu meiner großen Überraschung spüre ich als nächstes wie er sich langsam erhebt und höre ein schwaches Rascheln, das sich entfernt. Zu aufgewühlt um weiter darüber nachzudenken konzentriere ich mich hauptsächlich darauf ruhig zu atmen und den Schmerz, sowie meine chaotischen Gefühle ein wenig unter Kontrolle zu bekommen. Versunken in diese Aufgabe zucke ich erschrocken zusammen als ich erneut seine Hände auf mir spüre. Nach Luft schnappend wie ein überraschter Fisch mache ich den plötzlichen, unangenehmen Versuch mich aufzusetzen, werde aber bestimmt wieder zu Boden gedrückt.
„Bleib liegen sonst komme ich nicht an alle Stellen heran."
Wie bitte? Welche Stellen? Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten und wird geliefert in Form von Salbebedeckten Fingern die sich nun schnell und effizient an jenen Verletzungen betätigen die er mir kurz zuvor selbst beigebracht hat. Es muss eine äußerst wirksame Mischung sein, denn ich kann fast sofort spüren wie das schreckliche Brennen und Stechen nach einem kurzen Aufflammen schließlich abzuklingen beginnt und sich eine gnädige Kühle auf den verletzten Stellen ausbreitet. Für einige Zeit bin ich so perplex, dass ich es widerstandslos geschehen lasse, dann regt sich auf einmal der Trotz in mir.
„Das kann ich selbst!" Meckere ich ihn an, nachdem ich es geschafft habe mich einigermaßen zusammenzureißen und versuche ein weiteres Mal mich aufzusetzen um der überraschenden Fürsorge zu entkommen. Dieses ungewöhnliche Verhalten beunruhigt mich mehr als ich vor mir selbst zugeben will und ich weiß nicht recht was ich davon halten soll. Allerdings bin ich noch immer in einer Position, die es ihm erlaubt mich ohne große Probleme auch diesmal wieder zu Boden zu drücken und ungeachtet meines Protests mit seiner Tätigkeit fortzufahren.
„So geht es aber schneller." Er fixiert mich mit einem durchdringenden Blick. „Oder hast du immer noch nicht genug?"
Dämliche Frage, aber es reicht um mich dazu zu bringen mit einem gemurmelten „Bastard" den Blick abzuwenden und ihn machen zu lassen. Eine weitere Auseinandersetzung mit ihm ist wirklich das Letzte was ich jetzt brauchen kann! Ungünstigerweise rückt mir dadurch unser, nach dem was er hier mitangesehen hat leicht grünlich angelaufener, Gefangener wieder ins Bewusstsein.
„Wenn du dich übergeben musst benutz den Eimer." Weise ich ihn ärgerlich an und bin leicht überrascht als er genau dies tut. Wer ist denn hier bitte eigentlich der Leidtragende. Ich oder er? Sieht er mich hier völlig zusammenbrechen? Nein, ich schaffe es mich noch mehr oder weniger zu beherrschen, auch wenn es mir schwer fällt. Der wahrscheinliche Umstand, dass ich bereits so abgestumpft bin gegenüber der hier so alltäglichen Gewalt, dass ich immer weniger darauf reagiere wird mir im selben Augenblick bewusst in dem ich Ainwe dort zittern und würgen sehe. Ein zweischneidiges Schwert, denn während mich diese zunehmende Gleichgültigkeit einerseits vermutlich schützt bedeutet sie andererseits auch, dass ich selber wohl bereits eine erheblich niedrigere Hemmschwelle haben muss als zuvor, wenn es darum geht anderen gegenüber Zwang anzuwenden.
„So fertig. Du kannst aufstehen." Verkündet Ethin zufrieden, als wäre wirklich alles in bester Ordnung und wirft gleichzeitig einen angewiderten Blick auf Ainwe. „Wird auch Zeit dass wir ihn endlich loswerden."
Angesichts seines Verhaltens frage ich mich ernsthaft, ob er diese Situation als „normal" empfindet, denn er agiert mittlerweile genau wie immer, ohne jegliche Anzeichen von Stress oder Unsicherheit. Dass ich selbst auch so sehr den Kontakt zur Realität verlieren könnte macht mir zunehmend Sorgen, es sieht nämlich nicht danach aus als würde ich diese Umgebung sehr bald verlassen. Aber jetzt ist nicht der passende Augenblick für solche Überlegungen. Bevor ich mich in Selbstanalyse ergehen kann müssen wir erst unsere blutige Aufgabe erfüllen. Immer noch vorsichtig in meinen Bewegungen, aber kaum noch behindert durch die Schmerzen, stehe ich langsam auf.
„Du hältst ihn ruhig und ich erledige den Rest." Murmle ich Ethin so leise zu dass Ainwe es nicht verstehen kann und greife nach dem anderen, extra für diesen Zweck in einer hübsch verzierten Schatulle aus Walnussholz bereitgelegten, Messer. Es ist ebenfalls verflucht, seine Wirkungsweise ist jedoch der des Quortek Caluss gänzlich unähnlich. Im Gegensatz zu diesem wirkt es nur auf einer rein physischen Ebene und wird verhindern dass sich eine einmal geschlagene Wunde wieder schließt. Eine äußerst praktische Eigenschaft für unser heutiges Vorhaben. Falls mein Meister heute nicht zurückkommen sollte werde ich vielleicht sogar Zeit haben nach Informationen über das andere Messer zu suchen.
Vielleicht sollte ich doch noch nähere Einzelheiten planen, aber nachdem Ethin zufrieden zu sein scheint mit dieser elementaren Anweisung bringe ich es einfach nicht über mich.
Ein kurzes, knappes Nicken und dann geht es los. Ethin stürzt sich auf den unvorbereiteten Ainwe und hält ihn in einem ungelenk anmutenden, aber äußerst effektiven Klammergriff, während ich mir das Gefäß schnappe und es schnell unter dem ausgestreckten Arm unseres Gefangenen platziere.
Ich greife mir sein Handgelenk und lasse mir mit voller Absicht keine Zeit zum Nachdenken bevor ich einen einzelnen, tiefen Schnitt in Richtung des Ellenbogens führe und dann ebenfalls meine ganze Kraft aufwende um den Arm in Position zu halten. Je schneller dies vorbei ist desto besser! Der verzweifelte Aufschrei des todgeweihten Elfen sticht mir trotz aller Abneigung die ich für ihn hege in die Seele. Mörder! Zischt mein Gewissen mir zu, doch ich kann es mir nicht leisten jetzt zu versagen und halte mit fest zusammengepressten Lippen weiter eisern fest, bis der Punkt gekommen ist ab dem es kein Zurück mehr gibt und der Körper unter meinen Händen langsam von panischem Zucken und Winden zur gespenstischen Schlaffheit der Ohnmacht übergeht.
Ich bin so darauf konzentriert, dass ich alles andere vergesse. Die letzten Tage, die gerade erst erlittenen Demütigungen und die Ängste die ich jede Sekunde ausstehe, dass mein Meister vielleicht nicht zurückkommen wird und ich auf mich allein gestellt sein werde, dass er zurückkommt, aber einen neuen Sklaven mitbringen wird der mich ersetzt. Die endlose Reihe der Befürchtungen nimmt einfach kein Ende.
Das Blut rinnt immer spärlicher und schließlich wird mir klar, dass wir ihn wahrscheinlich an den Füßen aufhängen müssen um alles aus ihm herausrinnen zu lassen. Hinter mir höre ich Ethin auf einmal fluchen und kann gleich darauf den durchdringenden Geruch von Urin wahrnehmen. Wunderbar, dann muss ich also das auch noch aufwischen! Ich warte auf ein schnelles Aufflackern von Schuld nach diesem kalten, pragmatischen Gedanken, aber es kommt nicht. Vielleicht sind meine Kapazitäten zur Schuld für den heutigen Tag einfach erschöpft oder der Schock meiner Tat wird erst später mit voller Kraft einsetzen. Für den Moment bin ich noch wie betäubt.
